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Nur sehr wenige Fachleute kennen alle Nuancen des sehr komplizierten deutschen Waffenrechts. Oft entsteht Unsicherheit, ob etwas erlaubt oder verboten ist.

Die Geschichte des deutschen Waffengesetzes

Waffen verbieten, sicher leben?

Von Dr. Reinhard Scholzen

Mit Waffenverboten versuchten deutsche Städte bereits vor mehr als 600 Jahren, die Gewalt einzudämmen. Seit dem 20. Jahrhundert nimmt das Waffengesetz in erster Linie den legalen Waffenbesitz in den Blick: Die Schaffung eines Nationalen Waffenregisters markiert den bisher letzten Schritt eines langen Weges.

Das Spätmittelalter gilt als Zeit des Umbruchs, in der wirtschaftliche Not und soziale Spannungen zu einer hohen Kriminalitätsbelastung führten. Im Jahr 1400 reagierte Eine Auswahl zum Teil spätmittelalterlicher Jagd- und Kriegswaffen auf der Hochkönigsburg im Elsass.der Kölner Rat auf die zunehmende Gewalt. Um die Bürger zu schützen, war es seither nicht mehr gestattet, in der Rheinmetropole Schwerter und andere Hieb- und Stichwaffen zu tragen. Mehr Sicherheit brachte dieses Verbot nicht, dennoch dehnten die Kölner die Restriktionen in der Mitte des 15. Jahrhunderts weiter aus. Sie untersagten es ihren Einwohnern und Gästen, ungewöhnlich lange Messer, Streitäxte und bestimmte Hämmer mitzuführen. Wer solche Gegenstände bei sich trug, musste sie abgeben und zusätzlich eine Strafe zahlen.

Der im frühen 16. Jahrhundert entstandene Holzschnitt zeigt Raubritter, die einen Kaufmann überfallen.Nicht nur die damals größte Stadt des Deutschen Reiches, in der rund 50.000 Menschen lebten, hatte ein Gewaltproblem. Die Ratsprotokolle aus Augsburg und Nürnberg dokumentieren, dass auch dort zu dieser Zeit versucht wurde, mit Waffenverboten die Gewalt zu verringern.

Straftaten gegen Leib und Leben waren Ende des 15. Jahrhunderts alltäglich. Kein Kaufmann konnte sicher sein, mit seiner Ware wohlbehalten ans Ziel zu gelangen. Überall lauerten Banden, die nicht selten verarmte Ritter anführten. Städte und Territorialherren reagierten auf diese Bedrohung. Sie verdienten viel Geld mit bewaffneten Eskorten, die sie den besorgten Kaufleuten zur Verfügung stellten. König Maximilian versuchte im Jahr 1495, mehr Sicherheit durch die Verkündigung eines „Ewigen Landfriedens“ zu erreichen. Auch dies brachte nicht die erhofften Verbesserungen, ebenso blieb das im gleichen Jahr geschaffene Reichskammergericht zunächst zahnlos. Jedoch war dies – aus der Gegenwart betrachtet – einer der wichtigen Schritte auf dem Weg zur Schaffung eines staatlichen Gewaltmonopols.

Die Napoleonischen Kriege zeigten den Dynasten an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, welche Gefahren für die alteingesessenen Gemeinwesen von In Talhoffers Fechtbuch aus dem Jahr 1467 wurden die unterschiedlichen Möglichkeiten des Kampfes mit dem Schwert anschaulich beschrieben. Volksheeren ausgingen. Als die demokratischen Revolutionäre im Jahr 1848 in Mannheim die allgemeine Volksbewaffnung forderten, mobilisierten sie nicht zuletzt aufgrund dieses Hintergrunds den entschiedenen Widerstand der Obrigkeit.

An dem Grundsatz, den Waffenbesitz der Bürger so gering wie möglich zu halten, änderte die Gründung des Deutschen Schützenbundes (DSB) im Jahr 1861 nur wenig. Trotz der großen Beliebtheit, der sich das sportliche Schießen erfreute, blieben Verbote und Beschränkungen in Kraft.

Gesetze regeln den Waffenbesitz

Die Weimarer Republik charakterisierten von Beginn an die erbitterten Machtkämpfe zwischen „Linken“ und „Rechten“. Um für mehr Sicherheit zu sorgen, erließen die Reichstagsabgeordneten am 12. April 1928 ein Waffengesetz. Darin führten sie die Waffenerwerbschein- bzw. Waffenscheinpflicht ein, regelten den Waffenbau und formulierten Strafbestimmungen für Zuwiderhandlungen. In den Folgejahren erließ Reichspräsident Hindenburg mehrere Verordnungen, um den gerade bei Auseinandersetzungen zwischen politischen Gegnern immer noch häufigen Waffengebrauch einzudämmen. Der Erfolg war mäßig. Die Kämpfe zwischen den extremistischen Gruppierungen konnten damit nicht verhindert werden.

Im Jahr 1938 erließen die Nationalsozialisten das Reichswaffengesetz, mit dem sie zwei Ziele verfolgten. In erster Linie sollte die „Wehrhaftmachung des Deutschen Volkes“ erleichtert werden. Daneben sollte Regimegegnern und Kriminellen die Beschaffung von Waffen erschwert werden. Der bis dahin bestehende Waffenerwerbscheinzwang für Gewehre wurde aufgehoben zudem war es fortan möglich, Munition ohne staatliche Erlaubnis zu kaufen. Wer eine Waffe in der Öffentlichkeit führen wollte, benötigte zwar weiterhin einen Waffenschein, aber der Gesetzgeber vergrößerte den Personenkreis der dazu Berechtigten erheblich: Funktionäre der NSDAP und ihrer Untergliederungen durften ständig eine Pistole mit sich führen sowie die höheren Chargen der SS.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schränkten die Besatzungsmächte den legalen Waffenbesitz drastisch ein. Von den Verboten nahmen sie zunächst lediglich eine kleine Zahl von Jägern aus. Die Sportschützen mussten sich bis 1951 mit den als relativ ungefährlich geltenden Luftdruckwaffen begnügen, ehe ihnen die Regierenden wieder die Möglichkeit zur Ausübung ihres Hobbys mit scharfen, zunächst aber nur kleinkalibrigen Waffen gaben.

Deutsches Reichsgesetz betr. Entwaffnung der Juden
Foto: © wikipedia
Nach der Wiedererlangung der Souveränität im Jahr 1955 wandte man in der Bundesrepublik Deutschland wieder die Kernbestimmungen des Reichswaffengesetzes von 1938 an. Kaum Probleme bereiteten die Regelungen über die Herstellung, Bearbeitung, Instandsetzung und den Handel mit Waffen und Munition, die unter Bundesrecht fielen. Schwierig gestaltete sich hingegen die Umsetzung des sicherheitsrechtlichen Charakters des Gesetzes, da dieser in die Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer fiel: Was in Bayern oder Hessen erlaubt war, war anderswo verboten und was der Hamburger Senat untersagte, genehmigten andere Länder.

Mit dem Waffengesetz Sicherheit schaffen

Bei der Ermordung der Begleiter des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer verwendeten die Täter am 5. September 1977 auch Schnellfeuergewehre und Maschinenpistolen.
Foto: © BKA
Durch das im Jahr 1968 erlassene Bundeswaffengesetz konnte diese unbefriedigende Situation nicht verbessert werden. Anfang der 1970er Jahre war die Innere Sicherheit bedroht, weil die Zahl der mit Schusswaffen begangenen Straftaten von Jahr zu Jahr stieg. Das Bundeskriminalamt erfasste von 1967 bis 1971 eine Zunahme von 768 auf 1740 Fälle. Daneben stellte der Terror der Baader-Meinhof-Bande die Bonner Republik vor eine große Herausforderung. Die sozial/liberale Bundesregierung versuchte, die aufgewühlte Bevölkerung durch eine Änderung des Waffengesetzes zu beruhigen. Dazu war im Sommer 1972 zunächst eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich. Da Waffen in die Kompetenz der Länder fielen, fügte man in Artikel 74 GG, der eine Auflistung der Gebiete enthält, auf die sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes erstreckt, als Ziffer 4a „das Waffen- und das Sprengstoffrecht“ hinzu. Die Sportschützen erhielten einen besonderen Status. Einige Mitglieder des Innenausschusses des Deutschen Bundestages hatten in den Beratungen festgestellt, „von Personen, deren Zuverlässigkeit und Sachkunde behördlich festgestellt sei, gehe keine nennenswerte Gefahr für die innere Sicherheit aus.“ Diese Überzeugung teilte auch der damalige Bundesjustizminister Joachim Vogel: „vom legalen Waffenbesitzer und von Waffensammlern droht keine Gefahr für Hans-Jochen Vogel (2015)
Foto: © Henning Schlottmann/wikimedia
den Rechtsstaat und die innere Sicherheit.“ Folgerichtig führte der Gesetzgeber eine spezielle Waffenbesitzkarte für Sportschützen ein, die dieser nur erhalten konnte, wenn er strafrechtlich nicht vorbelastet war und seine Sachkunde im Umgang mit Gewehr und Pistole in einer Prüfung nachgewiesen hatte. Für den Nachweis seines Bedürfnisses musste er lediglich belegen, dass er regelmäßig mit seiner Waffe übte, dabei eine Leistungsnorm erfüllte und einer staatlich anerkannten Schützenvereinigung angehörte.

Das reformierte Waffengesetz trat am 1. Januar 1973 in Kraft. Es schrieb unter anderem vor, dass die Inhaber eines Jahresjagdscheines eine Waffenbesitzkarte (Wbk) beantragen mussten und für Waffensammler war es seither schwieriger, die erforderliche staatliche Genehmigung zu erhalten – obwohl sie die innere Sicherheit nicht gefährdeten.

Einige Schwachpunkte sollte das seit dem 10. März 1976 gültige Waffengesetz-Abänderungsgesetz beheben. Darin regelte der Gesetzgeber die Bedingungen für das Sammeln von Waffen und Munition neu. Des Weiteren befreite er bestimmte historische Waffen von der Wbk-Pflicht. Neben diesen Erleichterungen und Konkretisierungen gab es aber auch Verschärfungen: Zum Erwerb von Waffen im sehr leistungsschwachen Kaliber 4 mm war seither eine behördliche Erlaubnis erforderlich und die Teilnahmevoraussetzungen an sogenannten Combat-Schießlehrgängen, die Techniken zur Verteidigung mit einer Schusswaffe vermitteln, wurden restriktiver geregelt.

Legaler Waffenbesitz ist in Deutschland nur mit einer staatlichen Erlaubnis möglichDie Ausgabe eines Waffenscheins, der es seinem Inhaber erlaubt, eine Waffe außerhalb der Wohnung oder Geschäftsräume schussbereit mit sich zu führen, wurde nur sehr selten befürwortet. Fast ausnahmslos lehnten die Behörden die häufig von Taxifahrern, Apothekern und Juwelieren gestellten Ersuchen auf Erteilung einer solchen Genehmigung ab; denn regelmäßig war es den Antragsstellern nicht möglich, den erforderlichen Nachweis zu erbringen, dass sie ein deutlich erhöhtes Risiko aufwiesen, Opfer einer Straftat zu werden.

In der Folgezeit änderten die Volksvertreter das Waffengesetz, die Verordnungen und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift mehrfach, immer mit dem erklärten Ziel, dadurch Missstände im Bereich der Inneren Sicherheit zu beheben. Nachdem militante Kernkraftgegner mehrmals Polizeibeamte mit Präzisionsschleudern beschossen hatten, Die Literatur über das Waffenrecht ist vielfältig. Aber selbst unter Fachleuten gilt das Waffengesetz als eine schwierige Materie.wurden diese mit Armstützen versehenen Zwillen in die im Waffengesetz enthaltene Liste der „verbotenen Gegenstände“ aufgenommen. Der Strafrahmen für das Herstellen, den Vertrieb und Erwerb von Waffen, die Kriegswaffen täuschend ähnlich sehen, wurde erhöht und wer eine große Zahl von Schusswaffen besaß, musste diese sicherer verwahren.

Durch die vielen Veränderungen und Ergänzungen galt das Waffengesetz, das zu den strafrechtlichen Nebengesetzen zählt, auch unter Fachleuten als unübersichtlich, zum Teil sogar widersprüchlich. Daraus ergaben sich in der praktischen Anwendung des Gesetzes zahlreiche Probleme, wie die nur von Experten nachzuvollziehende unterschiedliche waffenrechtliche Behandlung der Vorderladerwaffen aufgrund ihres Zündsystems – Luntenschloss-, Steinschloss- oder Perkussionszündung – oder manche willkürlich gesetzten Zeitschnitte. Das Gesetz machte einen Unterschied, ob eine bestimmte Vorderladerwaffe vor oder nach 1871 gebaut wurde. All das führte dazu, dass nicht wenige für die Durchführung des Waffengesetzes zuständige Beamte schlichtweg überfordert waren, woraus sich zahlreiche Rechtsstreitigkeiten ergaben. Vor einigen Jahren stellte Rainer Hofius, der als Staatsanwalt in Mainz tätig ist, bei einer Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages heraus, die Anwendung des Waffenrechts bereite selbst Juristen große Probleme.

Amokläufe ändern das Waffengesetz

Am 13. März 1996 erschoss in der schottischen Stadt Dunblane ein geistesgestörter Mann 16 Kinder und ihre Lehrerin. Die britischen Politiker reagierten rasch. Bereits ein halbes Jahr später brachte die Regierung einen Gesetzesentwurf in das Unterhaus ein, der alle großkalibrigen Waffen aus Privathänden verbannte. Kurze Zeit danach begann daher eine breit angelegte staatliche Waffensammelaktion, die die Steuerzahler des Vereinigten Königsreichs wegen der damit verbundenen Entschädigungszahlungen mehrere hundert Millionen Pfund kostete. Bald stellte sich heraus, dass mit dieser Maßnahme der erhoffte Effekt nicht einherging: Die Zahl der Straftaten, bei denen die Täter Schusswaffen verwendeten, nahm im Vereinigten Königreich nicht etwa ab, sondern sie wuchs kontinuierlich von 4993 im Jahr 1990 auf 6843 im Jahr 2000 an. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der Tötungsdelikte mit Schusswaffen von 45 auf 62 zu. Am 2. Juni 2010 erschoss ein Mann in der Grafschaft Cumbria zwölf Menschen, verletzte weitere zum Teil schwer und tötete sich dann selbst.

Bis in die frühen 1970er Jahre führten die Personenschützer der Spitzenfunktionäre des Daimler-Benz Konzerns Walther-Maschinenpistolen. Nach der Gesetzesänderung war ihnen dies nicht mehr erlaubt.
Foto: © Carl Walther GmbH
In Deutschland wiesen in dieser Zeit einige Landesinnenminister und auch mehrere Polizeigewerkschaften auf die Gefahren hin, die von frei verkäuflichen Gas- und Alarmwaffen ausgingen. Sie beklagten, immer häufiger würden diese bei Raubdelikten eingesetzt, da sie sich von scharfen Waffen äußerlich kaum unterschieden. Das vom Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichte „Lagebild Waffen- und Sprengstoffkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland“ stützte diese These. In mehr als der Hälfte der Straftaten führten die bewaffneten Täter eine solche Gas- oder Schreckschusswaffe. Das BKA stellte ebenso fest, dass erlaubnispflichtige, legale Waffen bei Straftaten kaum eine Rolle spielten. Im Jahr 2000 verwendeten Täter bei 60 Straftaten Waffen, für die sie im Besitz einer behördlichen Besitz-Genehmigung waren (1999: 79; 1997: 109). In den meisten Fällen schossen sie damit auf Straßenschilder – das ist keine Kleinigkeit, aber im Vergleich mit anderen Delikten auch keine große Sache.

Am 26. April 2002 – der Tag, an dem ein neu formuliertes Waffengesetz im Bundestag verabschiedet wurde – ereignete sich eines der opferreichsten Verbrechen der deutschen Kriminalgeschichte: Ein ehemaliger Schüler des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums tötete während eines Amoklaufs 17 Menschen mit einer Pistole, die der 19-Jährige als Sportschütze erworben hatte. Nach dieser Tat wurde das Waffengesetz noch einmal überarbeitet und trat dann in abgeänderter Form am 1. April 2003 in Kraft. Die deutlichsten Veränderungen ergaben sich für die jüngeren Sportschützen. Unter anderem erhöhte der Gesetzgeber das Mindestalter für den Erwerb großkalibriger Schusswaffen auf 21 Jahre. Bis zum Alter von 25 Jahren benötigt der zukünftige Waffenbesitzer ein positives amts-, fachärztliches oder fachpsychologisches Gutachten. Zudem wurde festgeschrieben, dass ein Waffenerwerber zuvor mindestens ein Jahr Mitglied in einem Verein sein muss. Das neue Waffengesetz konkretisierte auch die ehedem nur vage formulierten Bestimmungen über die Aufbewahrung der Waffen. Auch an anderen Stellen wurde das Gesetz verändert. Für die oben bereits erwähnten Gas- und Schreckschusswaffen wurde ein sogenannter „kleiner Waffenschein“ geschaffen. Wer eine solche Waffe legal mit sich führen möchte, braucht seither diese Genehmigung der Behörde.

Eine weitere Verschärfung des Waffengesetzes erfolgte nach dem Amoklauf von Winnenden und Wendlingen. Dort hatte am 11. März 2009 ein 17-Jähriger mit einer Anders als in den USA ist es in Deutschland kaum einem Bürger erlaubt, legal eine Waffe zum Selbstschutz zu führen.Pistole, die er seinem Vater entwendet hatte, 16 Menschen getötet. Zwei Monate später beschloss der Deutsche Bundestag Veränderungen in einem Dutzend Paragraphen des Waffengesetzes. Unter anderem kann seither jederzeit das waffenrechtliche Bedürfnis eines legalen Waffenbesitzers überprüft werden. Man beschloss, das Schießen mit großkalibrigen Waffen im Verein erst ab 18 Jahren zu erlauben. Für großes Interesse in den Medien sorgte die Vorschrift, wonach die jeweils zuständige Behörde jederzeit verdachtsunabhängige Kontrollen bei legalen Waffenbesitzern durchführen kann. Hierbei wird überprüft, ob der Besitzer seine Waffen gemäß den geltenden Rechtsvorschriften aufbewahrt. Wer vorsätzlich gegen diese verstößt, begeht eine Straftat.

Bei all dem blieb unberücksichtigt, dass selbst mit einem völligen Verbot aller Schusswaffen die Gewalt nicht aus der Welt geschafft werden kann. Ganz zu schweigen von Amokläufen: Am 11. Juni 1964 stürmte ein 42-Jähriger in dem Kölner Vorort Volkhoven in eine Volksschule. Bewaffnet mit einer zu einem Flammenwerfer umgebauten Gartenspritze und einer Lanze tötete er acht Kinder und zwei Lehrerinnen. Weitere 21 Kinder verletzte er schwer.

Ein Verbot des legalen Waffenbesitzes würde auch Terroristen nicht treffen. Diese verwendeten bei den Anschlägen in New York, London und Madrid entweder umfunktionierte Flugzeuge oder Sprengstoff. In Nizza und Berlin fuhren sie mit Lastkraftwagen in eine Menschenmenge. Wenn sie Schusswaffen einsetzen, dann stammen diese vom Schwarzmarkt. So zum Beispiel die im Januar 2015 beim Anschlag auf die Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris verwendeten Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow.

Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob mit einer Verschärfung des Waffengesetzes mehr Sicherheit für die Bürger geschaffen werden kann. Der Journalist Kai Biermann stellte unter der provokanten Überschrift „Politische Anscheinswaffe“ in einem Kommentar in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ bereits am 22. Februar 2008 heraus, oft gehe es bei der Verschärfung von Gesetzen nicht darum, Lücken zu schließen und ergänzte: „Häufig wird auf diese Weise versucht, Probleme zu kaschieren, deren Lösung sehr viel mehr Aufwand erforderte, als die Einführung neuer Paragrafen.“ In die gleiche Richtung argumentierte der FDP-Politiker Hartfrid Wolff, der im Mai 2009 in einem Interview die Möglichkeiten und Grenzen des Waffengesetzes beschrieb: „Das Waffenrecht kann eine gewisse, nicht sehr große Rolle in der Kriminalprävention spielen, wenn es um die übermäßige Verbreitung von Waffen und um den sicheren Umgang geht. ... Mit der eigentlichen Kriminalitätsbekämpfung hat das Waffengesetz aber nichts zu tun, da unbestrittenerweise vom Waffengesetz erfasste Waffen bei Straftaten kaum eine Rolle spielen. Erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung setzt beim Täter an, nicht bei seinem Werkzeug.“

Zahlenwerke und Register

Das alljährlich im Frühherbst vom Bundeskriminalamt herausgegebene „Bundeslagebild Waffenkriminalität“ belegt, dass sich die Zahl der Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz verringerte. Wurden im Jahr 2010 noch 38.383 Fälle registriert, waren es im Jahr 2015 nur noch 30.506 (darunter 502 Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz), was einem Rückgang von 20,5 Prozent entspricht.

Auch die Zahl der Tatverdächtigen ging zurück. Im Vergleich mit dem Jahr 2014 sank sie 2015 um 3,6 Prozent auf 28.823, unter denen sich 6.119 nichtdeutsche Tatverdächtige befanden. Unter diesen lag der Anteil der Türken mit 19,8 Prozent am höchsten, gefolgt von Polen (9,7%) und Italienern (4,7%).

Ebenso sank die Zahl der Delikte, bei denen Schusswaffen verwendet wurden, in den letzten Jahren nahezu kontinuierlich. Während im Jahr 2010 noch 12.176 derartige Straftaten registriert wurden, waren es im Jahr 2015 nur noch 9.000 (-21,3%). Allerdings gibt es zwischen den Bundesländern deutliche Unterschiede. Setzt man die Zahl der Straftaten ins Verhältnis zur Häufigkeitszahl – also der Anzahl der Fälle je 100.000 Einwohner – ergibt sich mit 20,4 der höchste Wert in Bremen, gefolgt von Hamburg (18,5) und Berlin (11,4).

Im Bundeslagebild Waffenkriminalität wird unterschieden, ob mit einer Schusswaffe lediglich gedroht oder mit dieser geschossen wurde. Im Jahr 2015 wurden 4.289 Drohungen mit einer Schusswaffe erfasst. Wie in den Jahren zuvor ereigneten sich die meisten dieser Fälle in Nordrhein-Westfalen (815), Niedersachsen (682) und Bayern (426). Setzt man die Fälle jedoch ins Verhältnis zur jeweiligen Einwohnerzahl des Bundeslandes, ergibt sich ein deutlich abweichendes Ergebnis. Dann zeigt sich Die Pistole Walther PPk war über Jahrzehnte die Dienstwaffe der deutschen Polizei; sie ist aber auch bei Jägern sehr beliebt.nämlich, dass die Stadtstaaten am stärksten betroffen sind. Auf jeweils 100.000 Einwohner kamen in Hamburg 19,6 Fälle, in Bremen waren es 15,7 und in Berlin 11,4. Wenn mit einer Schusswaffe gedroht wurde, ereignete sich das in der Mehrzahl der Fälle bei einem Rohheitsdelikt. In 50 Prozent aller Fälle handelte es sich dabei um Raub, räuberische Erpressung oder einen räuberischen Angriff auf einen Kraftfahrer. Nach wie vor hoch liegt die Zahl der Fälle, in denen bei einem Überfall auf eine Tankstelle mit einer Schusswaffe gedroht wurde. Im Jahr 2015 kam dies in 222 mal vor. In 27 Fällen einer Sexualstraftat bedrohten die Täter ihre Opfer mit einer Schusswaffe.

Im Jahr 2015 wurde in 4.711 Fällen auf Personen oder Sachen geschossen. Wie in den Jahren zuvor entfielen rund 33 Prozent der Taten auf die Beschädigung von Verkehrszeichen. Die Statistik weist 692 Körperverletzungen aus – 6,6 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Einen Anstieg belegen die Zahlen bei Ermordungen oder Tötungen mit einer Schusswaffe. 130 Fälle wurden 2015 registriert, im Jahr zuvor waren es 112.

470 Pistolen, Revolver und Gewehre wurden im Jahr 2015 an Tatorten sichergestellt. Drei Viertel davon waren erlaubnisfreie Gas-, Alarm- und Luftdruckwaffen. Für die restlichen Waffen wäre eine staatliche Genehmigung notwendig gewesen. Diese Erlaubnis lag jedoch nur in fünf Prozent der Fälle vor. Die restlichen 95% dieser Waffen waren illegale Waffen, für die ihre Besitzer nicht die vorgeschriebene Genehmigung besaßen.

Trotz dieser Fakten richten sich die staatlichen Aktivitäten primär gegen den legalen Waffenbesitz. Daraus macht das Bundesinnenministerium kein Hehl. Folglich heißt es auf dessen Internetseite: „Ziel des Waffenrechts ist es, die innere Sicherheit zu stärken. Dies geschieht, indem der private Erwerb und Besitz von Waffen reglementiert wird. Außerdem wird der illegale Waffenhandel und -besitz bekämpft.“

Das Europäische Parlament zielte in die gleiche Richtung und erließ vor Jahren eine Vorschrift, wonach alle legal in Privatbesitz befindlichen Waffen in den jeweiligen Staaten zentral registriert werden müssen. Deutschland kam dieser Aufforderung nach und führte das Nationale Waffenregister am 1. Januar 2013 beim Bundesverwaltungsamt ein. Seither weiß man, dass 1,4 Millionen Bürger rund 5,5 Millionen Waffen legal besitzen. Die Zahl der illegalen Waffen schätzt die Gewerkschaft der Polizei auf 20 Millionen. Zu einem niedrigeren Ergebnis kommt der bereits erwähnte Sachverständige Rainer Hofius. Er wertete über mehrere Jahre Suizide aus und stellte dabei fest, dass 60 Prozent der dabei verwendeten Schusswaffen illegal besessen wurden. Rechnet man mit diesem Anteil auf die Gesamtzahl der illegalen Waffen hoch, ergibt sich eine Zahl von 8,25 Millionen.

Mit der zentralen Erfassung der legalen Schusswaffen wurde eine seit Jahren von den Polizeien erhobene Forderung erfüllt. Rainer Wendt, der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), hatte bereits Jahre zuvor ein anschauliches Bild gewählt: „Jede Kuh und jedes Schaf in Europa hat eine Registriernummer und wird in einer zentralen Datei registriert, aber Schusswaffen können wir nicht einmal von einer Stadt in eine andere zurückverfolgen.“ Wolfgang Dicke von der Gewerkschaft der Polizei hob im Jahr 2008 hervor, durch ein solches Register könnte die Ermittlungsarbeit der Polizei in vielen Fällen deutlich verringert und somit Geld eingespart werden. Dem Widerstand aus dem Lager der Waffenbesitzer hielt er damals entgegen, diese Erfassung würde der „aus polizeilicher Sicht richtigen Argumentation der Waffenbesitzer dienen, wonach der private Waffenbesitz in Hinblick auf die missbräuchliche Verwendung von Schusswaffen für kriminelle Zwecke kaum eine Rolle spielt (ca. 0,03 Prozent aller registrierten Straftaten).“ Durch eine objektive Datenbasis könnte die häufig noch unsachlich geführte Debatte über den privaten Waffenbesitz auf eine „sachliche Plattform gestellt“ werden. Folgt man dieser Argumentation, würde das NWR nicht zuletzt der Image-Verbesserung legaler Waffenbesitzer dienen.

Spiegelt man die positiven Erwartungen der Polizeigewerkschafter vor der Einrichtung des NWR mit den Erfahrungen nach dessen Installation, zeigt sich Ernüchterung. Rainer Wendt schränkte dessen Nutzen ein: „Erfasst werden natürlich nur die legalen Waffen. Die illegalen Waffen ... stellen nach wie vor eine erhebliche Gefährdung dar.“ Es mag verwundern, dass die DPolG im Internet unverdrossen resümiert: „Daher dient die Einführung eines zentralen Waffenregisters auch der Sicherheit von Polizeibeamten.“ Stärkere Bedenken äußerten bereits frühzeitig Vertreter der Gewerkschaft der Polizei. Als „Schuss in den Ofen“ wertete der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow das Waffenregister, da es zahlreiche Fehler enthalte. Erfahrene Polizeipraktiker sehen hingegen noch ganz andere Gefahren, die ein rheinland-pfälzischer Polizist auf den Punkt bringt: „Gerade bei jüngeren Kollegen könnte eine ergebnislose Abfrage eine trügerische Sicherheit erzeugen“. Denn das NWR erfasst nur legale Waffen, mit denen selten eine Straftat begangen wird.

Im Bundeslagebild Waffenkriminalität finden kritische Stimmen keine Berücksichtigung. Seit Jahren heißt es dort mit starrem Blick auf die Chancen, „Informationen des Der Haupteingang des Olympia-Einkaufszentrums (OEZ) in München, 2007
Foto: © Gamsbart/wikimedia
NWR können damit unmittelbar bei Einsatzlagen zum Zwecke der Gefahrenabwehr, im Rahmen von Ermittlungsverfahren sowie bei Maßnahmen zur Eigensicherung in die jeweilige Lagebeurteilung einfließen.“

Als besonderes Problem sahen die Autoren des Bundeslagebildes seit längerer Zeit aus dem Ausland eingeführte Dekorations- und Salutwaffen. Im Lagebild für 2015 schrieben sie, es existierten zahlreiche Hinweise darauf, dass diese von Kriminellen zu funktionsfähigen Schusswaffen umgebaut und sodann „zum Teil bei schwersten Straftaten und terroristischen Anschlägen Verwendung finden.“ Kurze Zeit später bewahrheitete sich diese Annahme. Der Amokläufer, der im Juli 2016 im Olympia-Einkaufszentrum in München neun Menschen tötete, hatte sich seine Pistole in Hessen besorgt. Es handelte sich um eine in Österreich hergestellte Waffe, die nach Tschechien exportiert wurde. Dort wurde sie irgendwann in eine nicht schussfähige Dekorationswaffe abgeändert. Wenig später wurde sie dann irgendwo zu einer wieder voll funktionsfähigen scharfen Waffe umgebaut. Zu Recht stellte der bereits mehrfach zitierte Rainer Hofius in einer Stellungnahme für den Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 28. November 2016 heraus, „wo die wirklichen Probleme im Umgang mit Schusswaffen liegen; es ist der Markt der illegalen Waffen und der in einer vernetzten Welt immer leichter werdende Zugang hierzu.“

Fotos ohne Copyright-Vermerk: Autor
 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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