Hauptsache billig?
Die ersten Waffen für den Bundesgrenzschutz
Von Dr. Reinhard Scholzen
Teil 2
Im ersten Teil wurde beschrieben, dass bei der Erstbewaffnung der Grenzjäger mit Gewehren der Grundsatz galt, dass gut war, was billig war. Bei der Ausstattung mit Pistolen ging man zum Teil einen anderen Weg. Auch nachdem die ersten Probleme überwunden waren, blieb die Beschaffung von Waffen aber schwierig.
Waffen aus der Schweiz
Für die Bundesrepublik Deutschland war die Schweiz von Beginn an, ein wichtiger Geschäftspartner. Im September 1953 listete ein Mitarbeiter aus dem Bundesministerium des Innern (BMI) die bisher von den Eidgenossen bezogenen Waffen auf. Nebenbei dokumentieren die Akten die Probleme in den Geschäftsbeziehungen. Aufgrund des Vertrags vom 13. März 1951 erhielt Deutschland 5000 SIG-Pistolen, Modell SP 47/8 – besser bekannt als „BGS-Modell“ P 210-4 (Stückpreis 182,30 SFr) – sowie 330 KK-Schießgeräte (Preis je 128 SFr). Die Waren repräsentierten einen Beschaffungswert von 978.254,25 DM. In einer wenig später erstellten Dokumentation über diesen Kauf wurde auch der Preis für die 5000 Ersatzmagazine genannt, die der Vertrag ebenfalls einschloss. Je 8,50 Schweizer Franken kostete das acht Patronen fassende Magazin. Eigens für diesen Handel erstellten das Bundesministerium des Innern und die Schweizer Firma SIG ein 42 Punkte umfassendes Pflichtenheft.1 Darüber hinaus wurde zunächst eine Musterpistole angefertigt – Seriennummer P. 50754 –, die die Basis für die vertragliche Übereinkunft darstellte. Des Weiteren vereinbarten die Vertragsparteien, dass mit der Auslieferung an Deutschland zwei weitere Pistolen zu Prüfzwecken gefertigt werden sollten. Eine der Waffen sollte in Neuhausen am Rheinfall bei SIG, die andere in Deutschland verbleiben. Die Kaufmodalitäten wurden genau festgelegt. Für den 15. Juni 1951 war die Lieferung der ersten 500 Pistolen geplant, am 25. Juli sollten weitere 1000 Pistolen folgen. Die Schweizer verpflichteten sich, genau einen Monat später noch einmal 1000 Waffen zu liefern; sodann 1100 am 25. September und am 25. Oktober. Die restlichen 300 Handfeuerwaffen sollten einen Monat später das Werk verlassen. Man vereinbarte die Zahlung in sechs Sechsteln von Ende August 1951 bis Ende Januar 1952.
Trotz aller Sorgfalt, die die Juristen bei der Abfassung des Vertrags hatten walten lassen, gab es dann doch Probleme. Am 4. Juli 1951 überwies Deutschland den Gegenwert von 996.240 Schweizer Franken auf das Konto der Firma SIG bei der Schweizer Nationalbank in Zürich. So weit, so gut? Die Eidgenossen fanden das überhaupt nicht gut; denn die Zahlung war auf ein Konto eingegangen, auf das Zahlungen gemäß dem deutsch-schweizerischen Verrechnungsabkommen erfolgten. Hingegen war vertraglich vereinbart worden, das Geld solle auf ein Konto transferiert werden, das nicht dem gebundenen deutsch-schweizerischen Zahlungsverkehr und nicht der multilateralen Verrechnung unterworfen war. Das Vertrauen der vorsichtigen Schweizer in die junge D-Mark war offensichtlich noch gering, daher bestanden sie auf die Bezahlung in einer harten Währung. Da die Firma SIG am längeren Hebel saß, überwies die Bundesrepublik am 31. August das Geld. Die Firma SIG zeigte sich erkenntlich. Kurt Lemke aus dem BMI erhielt am 2. Januar 1952 für seine Bemühungen ein großzügiges Geschenk: Eine SIG SP 47/8 mit der Seriennummer 50886.
Die Qualität der Pistole überzeugte Grenzschützer und Ministerialbeamte gleichermaßen. Unmittelbar nach dem ersten Vertragsabschluss mit SIG holten die Bonner Beamten daher ein Angebot für weitere 50.000 SIG-Pistolen ein. Aber der hohe Preis – 182,30 SFr. – und die lange Lieferfrist – bis zum 3. Quartal 1953 – bereitete ihnen „schweres Kopfzerbrechen“. Letztlich kam dieses Geschäft zwischen der Firma aus Neuhausen und dem deutschen Bundesinnenministerium nicht zustande.2 Die Gründe dafür finden sich in einem geheimen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz an das BMI vom 19. Oktober 1953. Die Verfassungsschützer hatten herausgefunden: „Durch irgendwelche Indiskretionen, deren Quelle aber bekannt ist, hatte eine Gruppe von Schiebern, die sich in der Gesellschaft ‚OKTOGON‘, Sitz Vaduz in Lichtenstein (sic!), zusammengeschlossen haben, Kenntnis von dem geplanten Waffengeschäft erhalten und hatten verstanden, sich einzuschalten.“ Daraufhin wurde die Transaktion mit dem BGS verboten, „weil man schweizerseits nicht wünschte, dass das an sich legale Geschäft über die zweifelhafte Gesellschaft Oktogon abgewickelt wurde.“ Das Kind lag im Brunnen, da half es auch nichts mehr, dass das BMI am 3. November dem Bundesamt für Verfassungsschutz versicherte: „Die Darstellung der Quelle ist falsch. Alle Verträge sind unmittelbar zwischen der Firma Hispano Suiza, Genf und mir abgeschlossen worden.“
Waffenvorführung mit Hindernissen
3, beschlossen hatte, unternahmen die Schweizer im Herbst 1952 einen weiteren Werbefeldzug für ihre Produkte. Am 27. September 1952 schrieb das Unternehmen an das BMI. Die Eidgenossen boten an, in Bonn neue Produkte vorzuführen: Einen automatischen Karabiner, AK 52 im Kaliber 7,5 mm sowie ein schnellschießendes Maschinengewehr MG 50 im Kaliber 7,92 mm. Zuversichtlich bat die Firma SIG das BMI um einen Terminvorschlag und eine Übersicht über die mit den Waffen zu schießenden Übungen. Die Firma hoffte auf ein gutes Geschäft; denn sie hatte als Abnehmer auch die „Dienststelle Blank“, die Vorläuferorganisation der deutschen Bundeswehr, im Auge: „Wir setzen dabei voraus, dass zu jenem Zeitpunkt die zuständigen Herren des Innenministeriums sowie der Dienststelle Blank in Bonn anwesend sind, sodass dieselben der Vorführung auch tatsächlich beiwohnen können.“ Trotz der sehr guten Erfahrungen, die die Grenzschützer in der Zwischenzeit mit den SIG-Pistolen gesammelt hatten, erhielt das Angebot im Referat VI B5 – das für die Ausbildung und Ausrüstung des BGS und der Bereitschaftspolizei der Länder zuständig war – keine Zustimmung. Die Beamten teilten ihren Kollegen im Referat VI A 6 am 6. Oktober mit, sie hätten an der Vorführung „kein Interesse“. Als Begründung gaben sie an: „Die beim BGS eingeführte Bewaffnung kann erst geändert werden, wenn die Bewaffnung der Europaarmee feststeht. Hierauf hat das BMI aber keinen Einfluss. Die Vorführung kostet zudem viel Geld und erweckt bei der Firma SIG falsche Hoffnungen.“
An der Qualität der Waffen zweifelten die Deutschen nicht, aber es gab immer wieder Probleme, die zum Teil so groß waren, dass ein Geschäft nicht zustande kam. Nachdem der BGS im März 1951 den Kauf mehrerer tausend Pistolen der Firma SIG, Modell 210-4Einige Kollegen bewerteten die Offerte der Schweizer ganz anders, wohl wissend, dass es bis zur Schaffung einer „Europaarmee“ noch ein sehr weiter Weg war. Am 10. Oktober fertigte ein Unterabteilungsleiter eine Aktennotiz, in der er die vorgeschlagene Waffen-Vorführung ausdrücklich begrüßte. Ministerialdirigent Matzky, Unterabteilungsleiter VI B, ließ sich davon aber nicht beirren. Zwei Wochen später vermerkte der General a. D. schriftlich, er sehe weder taktisch noch technisch einen Sinn in der Vorführung. Dann führte er den wahrscheinlich wahren Grund für seine Ablehnung an: „Formell muss ich mich erneut dagegen verwehren, dass derartige, taktisch durch Referat VI B 2 und technisch durch Referat VI B 5 zu bearbeitende Angelegenheiten von dem für rein wirtschaftliche Aufgaben zuständigen Referat VI A 6 wahrgenommen werden, noch dazu ohne vorherige Fühlungnahme mit mir bzw. den dazu bestellten Referenten.“ Ganz offensichtlich störte es Matzky, dass seiner Meinung nach der Dienstweg nicht eingehalten worden war. Aber er dachte an seine alten Kameraden und räumte ein, Sinn könne die Vorführung allenfalls dann haben, wenn „seitens der Dienststelle Blank ein Interesse an der Vorführung besteht.“ Als der Referatsleiter Walter Bargatzky – aus der für Verwaltung und Recht zuständigen Unterabteilung VI A des BMI – am Rand des Briefes vermerkte, „Ich muss mich der Ansicht des Herrn U Abt (Unterabteilungs, d. Verf.) Leiters VI B anschließen“, schien das Angebot von SIG endgültig abgelehnt zu sein. Wahrscheinlich war es der Abteilungsleiter VI, Ministerialdirektor Dr. Hans Egidi, der den Gordischen Knoten durchschlug; denn am 1. Dezember ordnete er eine neuerliche Prüfung an, in der auch der Dienstweg eingehalten wurde. Das Referat VI B5 übernahm daher die Federführung und erhielt alle Unterlagen über die geplante Waffenvorführung der Firma SIG.
Nach dem Jahreswechsel hatte man eine Entscheidung getroffen. Der Referatsleiter, Oberst im BGS Büscher, schrieb an die Firma Bühling & Co. in Köln-Ehrenfeld, die die Interessen der SIG in Deutschland vertrat. Zackig teilte er mit: „dass ich mit einer Vorführung der von obiger Firma (SIG, d. Verf.) hergestellten Waffen einverstanden bin.“ Eine Bedingung musste der Oberst aber stellen: „Ich mache jedoch darauf aufmerksam, dass mir Kosten durch die Vorführung nicht entstehen dürfen.“ Vier Tage später, am 10. Januar, informierte er Ministerialdirektor Egidi, die Vorführung der SIG sei für den 11. März des Jahres in Bonn vorgesehen, und er ergänzte: „Die Herren der Dienststelle Blank sind benachrichtigt worden.“
Über die gute Nachricht freute sich Theodor Steltmann von der Firma Bühling. Er versicherte Oberst Büscher in einem Brief, die gesamte Vorführung sei für das BMI kostenlos. Auch die Munition im Wert von 900 Franken werde von SIG gestellt. Er bat aber, beim Finanzminister die zollfreie Einführung der Munition zu erwirken; denn sonst müsse neben dem Zoll auch noch eine Umsatzausgleichsteuer in Höhe von 26 Prozent gezahlt werden, „was mit Rücksicht auf die mit dieser Vorführung sonst schon verbundenen hohen Kosten tunlichst vermieden werden sollte.“ Nachdem die Zoll- und Steuerangelegenheiten im Sinne der Schweizer geregelt waren, zeigten sie sich großzügig: An Pistolenpatronen wollte SIG 120 Stück im Kaliber 7,65 Para, 100 Kleinkaliber und 500 9 Para Patronen mitbringen. Bei der Gewehrmunition trugen sie den damals bereits deutlich feststellbaren Tendenzen zur Kaliber-Vereinheitlichung Rechnung. Daher beschränkten sie sich auf lediglich 200 Schuss im Schweizer Kaliber 7,5 mm. Darüber hinaus stellten sie für die Vorführung 1000 Patronen im NATO-Kaliber 7,62 mm und 2000 im alten Kaliber 7,92 mm zur Verfügung.
Akribisch dokumentierten die deutschen Beamten die Ergebnisse des Testschießens in einem Bericht an das BMI. Die Tester vermerkten bei der SIG Pistole (Modell 210-4), dass die Begeisterung für die Waffe im Bundesgrenzschutz groß sei. Besonders hoben die Berichterstatter das KK-Verschlussstück hervor, durch das die Ausbildung der BGS-Beamten „besonders erleichtert wird“. Auch die Maschinenpistole lobten die Prüfer: „Ihre Fertigung ist kräftig und haltbar ausgeführt. Aber es fehlt der Waffe eine eigentliche Sicherung.“ Damit lagen sie richtig, aber auch falsch zugleich. Die MP SIG Modell 310 war ein Rückstoßlader mit Masseverschluss, bei dem das Magazin während des Transports unter den Lauf geklappt werden konnte. Um die Waffe feuerbereit zu machen, musste ein an der linken Seite des Magazingehäuses angebrachter Sperrknopf gedrückt und dann der Patronenspeicher nach unten geklappt werden. Beim Übungsschießen – 15 Schuss Einzelfeuer auf 50 Meter Distanz, geschossen auf eine 12er-Ringscheibe – erreichte der Schütze ein sehr gutes Ergebnis: 169 von 180 möglichen Ringen. Ähnliche Resultate erzielten auch der getestete Maschinenkarabiner, der Selbstladekarabiner und das Maschinengewehr. Der Bericht bezeichnete die Waffen als zuverlässig und standhaft, zum Teil aber als fertigungstechnisch schwierig aufgrund des aufwendigen, spanabhebenden Verfahrens. Nicht zuletzt deshalb, sei aber mit einer langen Lebensdauer der Waffen zu rechnen, resümierten die Berichterstatter.
Trotz des guten Testergebnisses kam es nicht zu einer Auftragserteilung. Nicht nur darüber ärgerte sich die Firma SIG. Drei Monate später schrieb die Firma Bülling aus Köln an Oberst Büscher. SIG habe mitgeteilt, „dass die s Zt. mitgelieferte Vorführungsmunition bis heute noch nicht wieder in Neuhausen eingegangen ist.“ Zehn Tage später veranlasste das BMI, die Restmunition an die enttäuschten Schweizer zurückzuschicken.
Weitere Waffen aus der Schweiz
Andere Verträge brachten Deutsche und Schweizer unter Dach und Fach. Am 29. 9. 1952 vereinbarte das BMI mit den Eidgenossen die Lieferung von drei 2 cm Kanonen und einem 2 cm Zwillingsgeschütz. Darüber hinaus wurden am 18. 12. 1952 von der Firma Hispano Suiza, 10.000 Stück 2 cm Panzerbrandgranaten, 20.000
Stück 2 cm Sprenggranaten „Üb“ mit Leuchtspur und 5.000 Schuss 2 cm Üb-Sprenggranaten ohne Leuchtspur geliefert. Der Beschaffungswert lag bei 832.604,06 DM.Ein weiteres Übereinkommen schloss die Bundesrepublik Deutschland am 12. Mai 1953. Die Lieferung, die einen Wert von 2.806.058,80 DM repräsentierte, umfasste 34 Stück 2 cm Kanonen, vier Stück 2 cm Zwillinge, 5000 2 cm Sprenggranatpatronen mit Leuchtspur und 15.000 Panzerbrandgranaten des gleichen Kalibers.
Schlechte Geschäfte
Immer wieder gab es Probleme, weil es dem jungen deutschen Staat an Geld für die Ausrüstung seiner Polizisten mangelte. Die spanische Firma Unceta Y Compañia, S. A. aus der baskischen Stadt Guernica forderte für Verschleißteile an ihren Pistolen wie Schlagbolzen, Schließfeder oder den Auszieherstift einen nach Ansicht des BMI zu hohen Preis. So sollte ein Schlagbolzen 0,16 US-Dollar kosten. Am 13. März 1952 entschieden die Beamten: „Die Angebote für Ersatzteile der Pistole Astra liegen bei weitem zu hoch und sind unwirtschaftlich. ... Herr Ministerialdirektor Egidi hat entschieden, dass aus den Beständen des Grenzschutzes 100 Stück Astra Pistolen entnommen und als Ersatzteile aufgeteilt bzw. verwendet werden dürfen.“4 Ob dies letztlich billiger war und den Qualitätsansprüchen des BGS genügen konnte, kann bezweifelt werden.
Trotz aller Not blieben die Ministerialbeamten bei ihren Geschäften stets vorsichtig. Capitaine Kleinmann, ein Mitarbeiter des französischen Generals Ganeval, hatte das BMI über einen dubiosen Vorgang informiert. Daraufhin erteilte das Bundesministerium des Innern am 15. Mai 1951 dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln einen Ermittlungsauftrag. Man beantragte eine Überprüfung der beiden Firmen Karl Genschow in Hegnenburg im Westerwald und Kunna in Frankfurt am Main. Als Begründung gab man den Kölnern an: „Die oben genannten Firmen haben in Frankreich den Antrag gestellt, die Ausfuhrgenehmigung eines größeren Postens Pistolen nach Deutschland zu erhalten. Da die Bundesregierung diesen Firmen einen derartigen Auftrag nicht gegeben hat, ist es möglich, dass hier ein Waffenhandel stattfindet, der in unkontrollierbare private Kanäle münden könnte. Obwohl es sich hier möglicherweise um Beschaffungsabsichten für die Polizei eines Landes handeln könnte, wird dennoch gebeten, über die genannten Firmen Erkundigungen einzuziehen.“ Drei Wochen später legten die Verfassungsschützer dem BMI einen Zwischenbericht vor, der weiteren Grund zur Besorgnis gab: „Die Nachforschungen haben ergeben, dass bei der Industrie- und Handelskammer Frankfurt/Main, die Firma Kunna in das Firmenregister nicht eingetragen ist. Bei anderen Waffenhandlungen ist sie ebenfalls nicht bekannt. Die angegebene Adresse gibt es in Frankfurt nicht“. Waren die deutschen Ermittler einer Waffenschieber-Bande auf die Spur gekommen? Am 14. Juni lösten die Verfassungsschützer die Sache auf: „In Ergänzung der bereits gemachten Mitteilungen wird noch berichtet, dass es in Koblenz eine Firma Kunna gibt, die als angesehene Waffenhandelsfirma arbeitet.5 Sie ist im Besitz von Genehmigungen zum Import von Waffen. Die Firma Genschow ist eine Lederfabrik in Hachenburg, die als seriös gilt. Unser Gewährsmann bezeichnet es als unwahrscheinlich, dass diese Firma Waffen importiert.“
6 musste sich das BMI wieder mit der Waffenlieferung aus Frankreich befassen, die ziemlich genau ein Jahr zuvor abgewickelt worden war. General Ganeval, der maßgeblich für den Abschluss des Leihvertrags verantwortlich gewesen war, informierte den deutschen Bundesinnenminister: 2586 Mauser-Gewehre, die von den Deutschen als nicht mehr reparaturfähig gekennzeichnet worden waren, sollten durch andere Karabiner 98k ersetzt werden. Das brachte die fleißigen Deutschen in die Bredouille; denn sie waren in der Zwischenzeit nicht untätig gewesen. Sie hatten den Franzosen zwar gesagt, die beanstandeten Gewehre seien schrottreif, aber dann 643 der 98er in Ermangelung einer Alternative gerichtet. Die hierfür notwendige Genehmigung hatten sie bei den Alliierten jedoch nicht eingeholt.
Am 23. Juli 1952Karabiner: Erst geliehen, dann gekauft
Im Januar 1956 kamen die Karabiner wieder auf die Tagesordnung, als die Leihe nachträglich in einen Kauf umgewandelt werden sollte. Für das Gesamtpaket boten die Deutschen den Franzosen 1,4 Millionen Mark an. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge. Am 31. Oktober 1956 unterbreitete die Bundesregierung ihr Angebot erneut. Angesichts der weltpolitischen Lage war dieser Termin ausgesprochen schlecht gewählt; denn zu diesem Zeitpunkt schalteten sich britische und französische Truppen aktiv in die Suezkrise ein und gingen gemeinsam militärisch in Ägypten vor. Erst eine Woche später stoppte die diplomatische Intervention der USA und der UdSSR den Einmarsch. Erst nachdem die Krise im Nahen Osten beigelegt war, hatte die französische Regierung gegen den Waffenkauf keine Einwände mehr. Am 15. Februar 1957 unterbreitete Deutschland ein überarbeitetes – deutlich im Preis reduziertes – Kaufangebot:
|
Stückzahl |
Stückpreis |
Gesamtpreis |
Karabiner 98k |
16816 |
307 |
504480 |
MG 42 |
1800 |
180 |
324000 |
MG-Lafette |
180 |
50 |
9000 |
Ersatzlauf für MG 42 |
1800 |
15 |
27000 |
Ersatzschloß für MG 42 |
1800 |
15 |
27000 |
Ersatzteile K 98 k |
|
|
5000 |
Ersatzteile MG 42 |
|
|
42000 |
Gesamtbetrag |
|
|
949280 |
Der im Vergleich zum Vorjahr deutlich niedrigere Preis muss im Zusammenhang mit den Erfahrungen in der Suezkrise und im Krieg der Franzosen in Indochina gesehen werden. Dort verloren Repetiergewehre gegenüber den modernen Selbstladern mehr und mehr an Bedeutung. Der vielleicht noch wichtigere Grund war, dass Deutschland sich in der Zwischenzeit entschieden hatte, den Karabiner Schritt für Schritt durch das belgische FN-Gewehr (G 1) zu ersetzen. Vor diesem Hintergrund
waren die Franzosen wohl froh, einen doch noch beachtlichen Preis für die Waffen zu erzielen. Am 19. März 1957 wurde der Kaufvertrag für die geliehenen K 98k unterzeichnet.Nachdem auch die Bereitschaftspolizei der Länder das belgische FN-Gewehr im Kaliber 7,62 x 51 mm angeschafft hatte, sah man im BMI für die Karabiner noch eine Verwendungsmöglichkeit bei den Alarmeinheiten des Polizei-Einzeldienstes. Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein erhielten die Repetierer leihweise vom Bund. Die anderen Länder verzichteten auf die Übernahme der Gewehre. Deren Waffen gingen an das Zentralgerätelager des Bundesinnenministeriums.
Das BMI hielt auch in den Folgejahren noch an den 98ern fest, obwohl die Umstellung des BGS auf das FN-Gewehr im Laufe des Jahres 1958 abgeschlossen wurde. Man wollte sich auch nicht von den Karabinern trennen, als die Zahl der privaten Kaufinteressenten zunahm. Die Firma Waffen Jung aus Stuttgart fragte im April 1959 im BMI an, ob Karabiner 98 k verkauft würden. Die gleiche Frage stellten auch Carl Bernhardt aus Einbeck, Parker Hale aus Birmingham und Wilhelm Hebsacker aus Schwäbisch Hall. Die Antwort des BMI war immer gleichlautend: Der Verkauf der K 98k sei nicht beabsichtigt.
1961 entschieden die Ministerialbürokraten wiederum, die Karabiner nicht zu veräußern, sondern sie weiter im Zentralgerätelager zu belassen. Im Dienst an der Grenze wurden die Gewehre nicht mehr gebraucht, nur noch bei besonderen Anlässen – Amtseinführungen und Staatsbesuchen – wurden die 98er von BGS-Beamten
präsentiert. In den 1980er Jahren wurde ein Teil der Karabiner an das Wachbataillon der Bundeswehr abgegeben, der andere Teil an Privatpersonen und Waffenhändler veräußert. Nur ein geringer Rest blieb noch im Besitz des BGS. Mitunter werden die alten Gewehre bei Waffenschauen vorgestellt und stehen als Belege für die wechselvolle Geschichte des Bundesgrenzschutzes.
Quellen:
1 BA, B 106, Nr. 13880.
2 Vetter vermutet, dass SIG in dieser Zeit 1500 weitere Pistolen P 210-4 produzierte, „um die Lieferbereitschaft gegenüber dem deutschen Bundesgrenzschutz sicherzustellen.“ Nachdem keine weitere Bestellung für die BGS-Pistole eintraf, wurden 1417 dieser Waffen als sogenannter dritter Kontrakt nach Dänemark geliefert. Vgl. Lorenz Vetter: Das grosse Buch der SIG-Pistolen. Stuttgart 1995, S. 69.
3 Vgl.: Vetter, Lorenz: Das grosse Buch der SIG-Pistolen. Stuttgart 1995, S. 69-75.
4 BA, B 106, Nr. 13881.
5 Über die Koblenzer Firma wurde zum Beispiel ein Grossteil der Waffen für die rheinland-pfälzische Polizei beschafft. Vgl.: Horst Friedrich; Peter Hübner: Dienstwaffen der deutschen Polizei und Gendarmerie: Rheinland-Pfalz und Saarland. Singhofen 2011, S. 57 et passim.
6 BA, B 106, Nr. 13880.
7 Nach dem Ende des II. Weltkriegs errechnete die Firma Mauser in Oberndorf am Neckar einen Durchschnittspreis für die von ihnen produzierten K 98 k von 55,35 Reichsmark. Vgl.: Richard D. Law: Karabiner 98k 1934–1945. 2. Aufl. Stuttgart 1999. S. 182. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die Kaufkraft der DM im Jahr 1957 weitaus höher lag als die der Reichsmark gegen Kriegsende.