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Das Ende der Sicherheit.

Franz Solms-Laubach: Das Ende der Sicherheit. Warum die Polizei uns nicht mehr schützen kann. 254 Seiten. Droemer Verlag, München 2014. ISBN 3-426-27623-5. Ladenverkaufspreis 18 €.

 

Der Autor ist Parlamentskorrespondent der „Bild“-Zeitung. In sein Ressort fällt auch das Thema „Innere Sicherheit“. Das macht zunächst misstrauisch; denn der „Bild“ eilt der Ruf voraus, die Dinge arg zu vereinfachen und manches zu dramatisieren. Zudem käme in dieser Zeitung Volkes Stimme zu Wort, was von politisch eher links verorteten Meinungsmachern per se Ablehnung provoziert. Etwas milde wird manchen Kritiker stimmen, dass Solms-Laubach in Großbritannien Politikwissenschaft, Soziologie und Volkswirtschaftslehre studierte und über Friedrich Nietzsches Einfluss auf die Soziologie in Deutschland und Österreich promovierte. Da wird wohl mancher glauben, wer über einen solchen Bildungshintergrund verfügt, der kann doch nicht allzu sehr populistisch sein. Wer so denkt, der liegt richtig.

Eine kurzes Vorwort verfasste der im konservativen Lager verortete Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Er spart darin nicht mit drastischen Worten und malt das Bild an die Wand, dass in einer nicht fernen Zukunft hier bei uns in Deutschland nur noch der in Sicherheit wird leben können, der sich diese kaufen kann. Wenn Wendt das „Ende der Sicherheit“ sieht, so könnte man dies als Paukenschlag eines Gewerkschafters abtun, der seiner Interessenvertretung mehr Aufmerksamkeit verschaffen möchte. Dies ist angesichts der allgegenwärtigen und übermächtigen Gewerkschaft der Polizei (GdP), die politisch ein wenig weiter links steht, durchaus verständlich. Jedoch lässt aufhorchen, wenn Wendt in einem Nebensatz warnend das Ende des staatlichen Gewaltmonopols entwirft, wenn nämlich die Bürger „den Schutz ihres Eigentums und ihrer persönlichern Integrität selbst in die Hand nehmen“.

Franz Solms-Laubach steigt mit einer spektakulären Straftat in seine Tour d’Horizon ein: Der Ermordung des Jonny K. am Alexanderplatz in Berlin. Der junge Mann wurde von mehreren Jugendlichen mitten in der Bundeshauptstadt zu Tode geprügelt. Anhand dieser Tat ist es berechtigt, die Frage zu stellen, ob der Staat – also die Polizei – noch für die Sicherheit seiner Bürger sorgen kann. Die deutschen Innenminister messen der Sicherheit gebetsmühlenartig einen hohen Stellenwert bei. Der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sagte sogar, Sicherheit sei ein Supergrundrecht. An diesen hohen Stellenwert kann der Autor nicht so recht glauben. Er verweist auf die zunehmenden Fälle von Gewaltkriminalität die die Polizeiliche Kriminalstatistik ausweist. Zudem belegen mehrere Befragungen, dass das Sicherheitsgefühl der Deutschen beständig sinkt. Diese Kriminalitätsfurcht führt dazu, dass die Freiheit der Menschen abnimmt, da sie bestimmte Viertel meiden oder sich in der Nacht überhaupt nicht mehr auf die Straße trauen. Exemplarisch geht der Autor im weiteren auf Wohnungseinbrüche, den Rechtsextremismus und Aspekte der organisierten Kriminalität ein. Er kommt zu dem Ergebnis, dass zukünftig die Kriminalität in Deutschland weiter wachsen wird.

Im zweiten Kapitel beschreibt der Autor kurz die Geschichte und die aktuelle Organisationsstruktur der deutschen Polizeien. Hier bleibt er meist nur an der Oberfläche, obwohl er doch viele Gespräche mit Polizisten führte. Lediglich die Vorsitzenden der Polizeigewerkschaften lässt er an mehreren Stellen zu Wort kommen. Der Autor beschreibt das, was man immer wieder hören und lesen kann: In den Bundesländern werden zu viele Polizeistellen abgebaut, die Polizisten sind häufig zu alt und immer öfter psychisch krank. Die Gewalt gegen Polizisten nimmt zu, stellt der Autor fest. Die PKS weist aus, dass in Berlin das Risiko für einen Polizisten, angegriffen zu werden, mit weitem Abstand am höchsten ist. Von hier aus schlägt Solms-Laubach einen weiten Bogen bis zu der Ausbildung der afghanischen Polizei durch deutsche Polizisten. Schließlich kehrt er wieder zur Gewalt in der Gesellschaft zurück und beleuchtet einige Felder näher, in denen Gewalt gehäuft auftritt. Hier beschreibt er sowohl die Randale bei Fußballspielen als auch den zunehmenden illegalen Zuzug nach Deutschland. Sorgen bereiten dem Autor die zunehmenden Asylbewerberzahlen und die Überlastung der Sozialnetze durch den Zuzug von Ausländern. Schließlich mündet seine Betrachtung in einer Beschreibung der in Deutschland lebenden gewaltbereiten Islamisten, wobei er sich besonders auf die Salafisten konzentriert.

Schließlich gibt der Autor Antworten auf die Frage, was angesichts der schwierigen Sicherheitslage unternommen werden muss. Dabei setzt er auf Altbewährtes: mehr Polizisten auf der Straße, Waffenverbotszonen – wie in einigen Problemvierteln in Hamburg praktiziert – und die Videoüberwachung, die er als „große Chance für die Verbrechensaufklärung“ wertet. Auch für eine Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung und die Möglichkeit der Vorratsdatenspeicherung spricht sich der Autor aus. Schließlich macht sich Solms-Laubach für mehr nationale und internationale Kooperation der Polizeien stark und fordert, dass sie besser ausgerüstet werden sollen zum Beispiel mit Tasern, die bislang in Deutschland einigen wenigen Spezialeinsatzkommandos vorbehalten sind. Den Einsatz privater Sicherheitsdienstleister sieht der Autor kritisch, denn dann könnte sich nur noch der Sicherheit leisten, der dafür bezahlen kann. Hier steht er somit ganz nah bei den Polizeigewerkschaften, die die Privaten auch als Konkurrenz sehen. Dass man die privaten Sicherheitsdienstleister auch von staatlicher Seite einsetzen und bezahlen könnte, sieht der Autor nicht.

In der Summe ist es ein durchaus gelungener Überblick über die Kriminalität in Deutschland, jedoch findet der Autor keine eindeutigen Belege dafür, dass uns die Polizei in Deutschland nicht mehr schützen kann. Zum Glück ist es noch nicht so weit, aber das Glück ist bekanntlich ja vergänglich.

Dr. Reinhard Scholzen

 

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