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Waffenverbotsschild an einem Schnellrestaurant in Phoenix (USA). © Yodokos/Wikipedia

Das ungleiche Waffenrecht in den USA

Bei USA und Schusswaffen denken viele Deutsche an grenzenlose Freiheit und Zeiten wie im Wilden Westen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Wenn es um das Tragen einer Schusswaffe geht, müssen zwei Dinge unterschieden werden. Einerseits das offene Tragen, wobei ein Außenstehender sofort sieht, dass sein Gegenüber eine Waffe bei sich führt und andererseits das verdeckte Tragen, das auf den ersten Blick nicht sichtbar ist.

 

In elf Bundesstaaten ist es den Bürgern erlaubt, ohne eine staatliche Lizenz eine Pistole oder einen Revolver offen zu tragen. In 13 Bundesstaaten bedarf es dazu einer staatlichen Genehmigung. 19 US-Staaten reglementieren das offene Mitführen sehr stark und gestatten dies regelmäßig nur in Ausnahmefällen. In den übrigen Bundesstaaten – zu denen auch Washington DC zählt – ist das offenen Tragen von Schusswaffen verboten.

Anders liegen die Dinge beim verdeckten Tragen einer Schusswaffe. Wie zum Teil vielfältig und unterschiedlich die Regulierungen von Staat zu Staat sind, lassen bereits die zahlreichen dafür verwendeten Abkürzungen erahnen: CCP/CCL (Concealed Carry Permit/License, also die Erlaubnis zum verdeckten Tragen); CHL/CHP (Erlaubnis eine Handfeuerwaffe verdeckt zu tragen); CDWL/CWP/CWL (Erlaubnis, eine potentiell tödliche Waffe verdeckt zu tragen).

 

Den Bürgern von Alaska, Arizona, Arkansas, Oklahoma, Vermont und Wyoming ist es erlaubt, eine Waffe sowohl offen als auch verdeckt zu tragen. Vermont geht noch einen Schritt weiter. Dort ist es auch US-Bürgern, die ihren Wohnsitz in einem anderen Staat der USA haben, gestattet, eine Waffe verdeckt mitzuführen. Gegenwärtig ist in weiteren vier US-Staaten die Gesetzeslage strittig und in 20 Staaten wird an einem Gesetzesentwurf über das verdeckte Tragen beraten. Vor kurzer Zeit erhielt ein Gesetz Rechtskraft, wonach in Washington DC das verdeckte Tragen unter bestimmten Einschränkungen erlaubt werden kann. Schätzungen gehen davon aus, dass gegenwärtig mehr als elf Millionen US-Bürger die staatliche Erlaubnis zum verdeckten Tragen einer Schusswaffe besitzen. Tendenz: steigend.

Wer in Florida verdeckt eine Waffe tragen möchte, muss mindestens 21 Jahre alt sein, das US-Bürgerrecht besitzen und seinen ständigen Wohnsitz in den USA haben. Eine weitere Voraussetzung ist ein Sicherheitstraining mit Waffen, das die NRA (National Rifle Association, die Dachorganisation der legalen Waffenbesitzer) anbietet. Darüber hinaus muss der Antragsteller nachweisen, dass er nicht vorbestraft ist und bei seinem zuständigen Sheriff seine Fingerabdrücke nehmen lassen. Trotz dieser Erlaubnis ist es ihm nicht gestattet, in staatlichen Gebäuden wie etwa in Schulen, Gerichten oder Postgebäuden die Waffe mitzuführen, verboten ist es ebenso, damit eine Bar zu betreten, in der Alkohol ausgeschenkt wird. Gegenwärtig dürfen 1,3 Millionen Bürger aus Florida eine Waffe verdeckt tragen. Sie zahlten für die Beantragung jeweils 70 US-Dollar.

Darüber hinaus gelten in den einzelnen Staaten zum Teil sehr unterschiedliche weitere Vorschriften. So muss zum Beispiel in Ohio die verdeckt getragene Waffe in einem Holster verwahrt werden.

Sehr unterschiedlich sind auch von Staat zu Staat die Strafen, die bei Verstößen gegen bestehende rechtliche Regelungen drohen. Das reicht von einer bloßen Ermahnung, über Geldstrafen bis hin zum Verlust der Bürgerrechte und Haftstrafen. Für Schlagzeilen sorgte im Sommer 2014 in den USA der Fall von Shaneen Allen. Nachdem die farbige, alleinerziehende Mutter zweier Kinder zweimal ausgeraubt worden war, erwarb sie in Pennsylvania die Erlaubnis zum verdeckten Tragen einer Waffe. Nach ihrem Umzug nach Philadelphia durfte sie auch dort die Pistole führen. Als sie diese auch bei einer Autofahrt in New Jersey bei sich hatte – dem Bundesstaat mit einem der restriktivsten Waffengesetze in den USA –, wurde sie bei einer Routinekontrolle festgenommen. Zunächst drohte ihr eine dreijährige Haftstrafe. Erst in der Verhandlung milderte der Richter die Strafe in die Teilnahme an einem Präventionsprogramm für erstmalig Straffällige ab. Vor diesem Hintergrund rät der Staat Arizona seinen Bürgern, sich bei einem auf das Waffenrecht spezialisierten Anwalt zu informieren, wenn sie beabsichtigen, bewaffnet in einen anderen Staat der USA zu reisen.

Dass die Verhältnisse in Bezug auf Waffen in den USA anders liegen als beispielsweise in Deutschland, belegen die Proteste von US-Studenten, die Anfang April 2015 in nahezu allen Staaten der USA stattfanden. Mit leeren Pistolen- und Revolverholstern demonstrierten sie für das Recht, auch innerhalb von Schulgebäuden und Universitäten Waffen verdeckt tragen zu dürfen.

Dr. Reinhard Scholzen

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