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Rekonstruktion des Bertillon-Instituts in Paris. Alphonse Bertillon (* 22. April 1853 in Paris; † 13. Februar 1914 in Münsterlingen, Schweiz) war ein französischer Kriminalist und Anthropologe. Das von ihm entwickelte anthropometrische System zur Personenidentifizierung wurde zu seinen Ehren später Bertillonage genannt und international eingesetzt – schon vor dem Polizeikongress.

100 Jahre internationale Polizeikooperation

Mit dem ersten kriminalpolizeilichen Kongress im April 1914 in Monaco wurde der Grundstein für die internationale Polizeikooperation gelegt.

Von Werner Sabitzer

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahmen grenzüberschreitende Kriminalitätsformen wie Mädchenhandel, Drogenschmuggel und Betrug zu. Das bereits dichte Eisenbahnnetz in Europa, die rege Dampfschifffahrt und die zunehmende Zahl an Automobilen begünstigten reisende Täter.

 

Der grenzüberschreitende Mädchenhandel führte zu ersten internationalen Vertragswerken: Am 18. Mai 1904 wurde in Paris das erste „Internationale Abkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels“ unterzeichnet, dem Österreich-Ungarn im Jänner 1905 beitrat. Die Vertragspartner verpflichteten sich unter anderem, in ihrem Staat eine Behörde zu errichten, in der Informationen über die Anwerbung von Frauen und Mädchen „zum Zweck der Unzucht im Ausland“ gesammelt wurden. Zudem gab es die Verpflichtung, insbesondere Bahnhöfe und Häfen zu überwachen, um Mädchenhändler ausfindig zu machen. Am 4. Mai 1910 wurde wiederum in Paris ein weiteres Abkommen festgelegt – das „Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels“.

Die hohe Zahl an Opiumabhängigen führte dazu, dass im Jänner 1912 auf der „1. internationalen Opiumkonferenz“ in Den Haag, Niederlande, erstmals ein staatenübergreifendes Drogenkontrollabkommen beschlossen wurde.

Es fehlte aber eine institutionalisierte internationale Polizeikooperation, um die grenzüberschreitende Kriminalität wirksam bekämpfen und Verdächtige in einem anderen Staat festnehmen und ausliefern zu können.

 

Internationaler kriminalpolizeilicher Kongress

Der internationale kriminalpolizeiliche Kongress („Premier Congrès de Police Judiciaire Internationale“) im April 1914in Monacowar der erste Meilenstein in der Geschichte der weltweiten Polizeikooperation. Schon 1909 hatte es im Fürstentum eine Tagung von Polizeichefs der „Rivierastaaten“ Frankreich, Monaco und Italien gegeben – mit dem Ziel, die Polizeizusammenarbeit unter diesen Staaten zu verbessern.

Vom 14. bis 19. April 1914 tagten auf Einladung von Fürst Albert I. von Monaco etwa 300 Polizeijuristen, Albert I. von Monaco (eigentlich Albert Honoré Charles Grimaldi; * 13. November 1848; † 26. Juni 1922 in Paris) war von 1889 bis zu seinem Tod regierender Fürst von Monaco. © WikipediaStrafvollzugsexperten, Strafrechtler und andere Wissenschaftler, Verwaltungsfachleute, hochrangige Kriminalbeamte, Kriminalanthropologen und andere Experten in Monaco. Da viele Staaten gezögert hatten, offizielle Delegationen zu entsenden, entschloss sich die Regierung Monacos, aus dem internationalen Kongress eine wissenschaftliche Fachtagung zu machen. Die Tagung hatte somit keinen völkerrechtlich relevanten Charakter, deshalb konnten etwa beim wichtigen Thema Auslieferung keine verbindenden Beschlüsse gefasst werden.

Die Teilnehmer kamen aus Ägypten, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, El Salvador, Frankreich, Guatemala, Italien, Kuba, Mexiko, dem Gastgeberland Monaco, Österreich, Persien, Portugal, Rumänien, Russland, San Salvador, der Schweiz, Serbien, Spanien, der Türkei und Ungarn. Aus den USA nahm lediglich ein Richter teil und aus Großbritannien kamen vier Besucher – ein Richter und drei Polizeijuristen. Den Vorsitz führte der Dekan der Juristischen Fakultät der Universität von Paris.

Beim Kongress wurden vier Hauptthemen behandelt:

  • die Entwicklung geeigneter Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung der internationalen Fahndung nach Rechtsbrechern;
  • die Verbesserung und Vereinheitlichung der erkennungsdienstlichen Methoden wie des anthropometrischen Verfahrens;
  • die Einrichtung einer internationalen zentralen Aktenhaltung (Strafregister);
  • sowie die Angleichung des Auslieferungsverfahrens.

Es gab zahlreiche Vorträge und Diskussionen über wichtige Aspekte der Forschung zum Thema internationales Programm-Heft des Kongresses in MonacoVerbrechen und seiner Bekämpfung.

Die Kongressteilnehmer beschlossen – unter Vorbehalt der Zustimmung ihrer Regierungen – die Einrichtung einer gemeinsamen Institution, die für die Zentralisierung von Auskünften und die Unterstützung der Polizeibehörden aller Länder zuständig ist – eventuell mit Sitz in Paris. Die Polizeibehörden sollten zudem einfacher und direkter untereinander in Kontakt treten dürfen, Polizeiwissenschaft wurde als Bestandteil des rechtswissenschaftlichen Studiums empfohlen, ebenso eine bessere wissenschaftliche Ausbildung der Kriminalbeamten. Geplant war auch, dass sich eine Kommission mit wesentlichen Punkten beschäftigt, etwa die Ausarbeitung einer „signaletischen Karte“ und eines einheitlichen Registrierverfahrens, die Einrichtung eines internationalen Zentralstrafregisters sowie eine Definition des Begriffs „internationaler Verbrecher des gemeinen Rechts“. Die vorläufige Verhaftung von geflüchteten Straftätern sollte auf – in dringenden Fällen auch telefonisches oder telegrafisches – Ersuchen derjenigen Justizbehörde möglich sein, in deren Land die Straftat begangen worden war. Vertreter von Fachvereinigungen sollten ein Vertragsmodell für die Auslieferung ausarbeiten.

Die meisten Beschlüsse und Vorschläge waren zwar nicht neu, aber beim Kongress in Monaco beschlossen die Delegierten die Einrichtung einer Kommission sowie einen Folgekongress. Damit wurde der Grundstein für eine dauernde Organisation der internationalen Polizeizusammenarbeit geschaffen.

Zum Folgekongress im August 1916 in Bukarest kam es allerdings wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs nicht mehr.

 

Esperanto als internationale Polizeisprache

Beim ersten internationalen kriminalpolizeilichen Kongress 1914 in Monaco wurde erörtert, Esperanto als allgemeine Sprache für den internationalen Fahndungsverkehr einzuführen. Diese junge Kunstsprache war aber noch nicht weit verbreitet, deshalb wählten die Delegierten Französisch als Übergangssprache. Die Monaco-Initiative wurde wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs nicht weiter verfolgt, aber Esperanto gewann nach Kriegsende als mögliche internationale Verkehrssprache der Polizei an Bedeutung.

Anfang 1922 wurde in Wien der Polizei-Esperanto-Verein gegründet. Im selben Jahr gründete Polizeioberinspektor August Heinrich de Marich eine internationale Polizeifachzeitschrift in Esperanto, „La Policisto“. Auf seine Initiative entstand im Herbst 1923 in Nürnberg der Polizei-Esperanto-Weltbund („Tutmonda polica ligo“). Noch im ersten Jahr traten dem Weltbund 178 Gruppen aus verschiedenen Staaten bei. Der zweite Kongress des Weltpolizeibunds fand vom 28. bis 31. August 1924 im Schulsaal der Wiener Sicherheitswache statt, eröffnet vom Wiener Polizeipräsidenten und Generalpräsidenten des Weltpolizeibundes Johann Schober. Bei diesem Kongress, ein Jahr nach Gründung der IKPK, wurde die Einführung des Esperanto als gemeinsame Verständigungssprache für den internationalen Dienst der Polizeibehörden erörtert; die Plansprache sei gerade für den Polizeidienst von „außerordentlicher Bedeutung“.

Anfang der 1920er-Jahre wurde an den Polizeischulen in Madrid und Belgrad Esperanto als Pflichtfach eingeführt.

Der Weltpolizeibund war die erste internationale Polizeivereinigung. Mit der Gründung der „Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission“ (IKPK) 1923 in Wien verlor der Weltbund an Bedeutung für die internationale Zusammenarbeit der Polizei. Dr. Oskar Dressler, erster Generalsekretär der IKPK, der späteren Interpol, förderte Esperanto für die internationale Verständigung der Polizeibehörden.In der NS-Zeit endete die Aktivität des Weltpolizeibunds. Als der britische Polizist Arthur Troop 1950 nach dem Vorbild des Weltpolizeibunds 1950 die „International Police Association“ (IPA) gründete, wählte er den Leitspruch in Esperanto: „Servo per amikeco“ („Dienen durch Freundschaft“).

 

„Internationale Kriminalistische Vereinigung“

Schon vor dem Polizeikongress in Monaco gab es Initiativen, die internationale Polizeikooperation zu institutionalisieren. Ein wesentlicher Impuls kam von der „Internationalen Kriminalistische Vereinigung“ (IKV). Der aus Wien stammende Strafrechtsprofessor Franz von Liszt hatte die IKV 1888 mit dem Belgier Adolphe Prins und dem Niederländer G. A. van Hamel gegründet.

Franz von Liszt (1851–1919), ein Cousin des gleichnamigen Pianisten und Komponisten, lehrte nach seiner Habilitation 1876 in Graz, Gießen, Marburg, Halle und ab 1898 an der Juristischen Fakultät in Berlin. In Marburg gründete er 1882 das erste kriminalistische Seminar und die Kriminalpolitische Vereinigung. 1871 erschien sein Lehrbuch des deutschen Strafrechts. Liszt versuchte, die Straftat durch Erforschung der Ursachen des Verhaltens des Straftäters zu erklären. Nach seiner Theorie dient der Strafvollzug nicht der Vergeltung, son­dern der zweckgerichteten Spezialprävention, weshalb er als Vater der spezial­präventiven Straftheorie mit ihren Strafzwecken Sicherung, Besserung und Abschreckung gilt („Marburger Schule“). Liszt war Experte auf dem Gebiet des Völkerrechts: Zwischen 1898 und 1919 erschienen elf Auflagen seines Lehrbuchs des Völkerrechts.

Hauptziel der IKV war die Reform des Strafrechts und Strafvollzugs, um das anwachsende Verbrechertum wirksamer bekämpfen zu können. „Wir leben in einer Zeit, wo sich der professionelle Dieb oder Betrüger in Paris ebenso heimisch fühlt wie in Wien oder London, wo gefälschte Rubel in Frankreich oder England produziert und in Deutschland in Umlauf gebracht werden, wo Banden von Kriminellen permanent über mehrere Länder arbeiten“, schrieb Franz von Liszt 1893. Nach einer Statutenänderung 1897 sah es die IKV als eine der Hauptaufgaben, die Kriminalität, ihre Ursachen und die Mittel zu ihrer Bekämpfung wissenschaftlich zu erforschen und auch vom anthropologischen und soziologischen Standpunkt aus zu betrachten.

Die fast jedes Jahr abgehaltenen Versammlungen der IKV fanden in verschiedenen Staaten statt, 1889 in Brüssel (Belgien), 1890 in Bern (Schweiz), 1891 in Kristiania (Norwegen), 1893 in Paris (Frankreich), 1894 in Antwerpen (Belgien), 1895 in Linz (Österreich), 1897 in Lissabon (Portugal), 1899 in Budapest (Ungarn) und 1902 in St. Petersburg (Russland). Im Lauf der Jahre entstanden Landesgruppen in vielen Staaten Europas, in Nord- und Südamerika sowie in Ägypten und Japan. Die Vereinigung gab eine unregelmäßig erscheinende Zeitschrift („Mitteilungen“) in deutscher und französischer Sprache heraus.

 

Bei der Sitzung im September 1905 in Hamburg fasste die IKV folgende Beschlüsse zur Bekämpfung des internationalen Verbrechertums:

  • Als Folgeerscheinung der modernen Verkehrsentwicklung ist ein internationales Verbrechertum entstanden, dessen Erforschung und Bekämpfung internationale Maßnahmen erfordert.
  • In sämtlichen Staaten sind Zentralstellen zur Bekämpfung des internationalen Verbrechertums einzurichten. Sie sollen den Polizeibehörden der Hauptstädte angegliedert werden und alle Nachrichten über internationales Verbrechertum sammeln und ständig zum Zwecke vorbeugender Maßnahmen wie im Interesse der Strafverfolgung austauschen. Die Zentralstellen sollen berechtigt sein, unmittelbar miteinander in Verbindung zu treten. Die gleiche Befugnis ist auch für alle größeren Strafverfolgungsbehörden erwünscht.
  • Die fortlaufende wissenschaftliche Aufarbeitung des bei den Zentralstellen gewonnenen Materials muss die Grundlage schaffen zur weiteren Ausgestaltung des Kampfes gegen das internationale Verbrechertum.
  • Die Versammlung beauftragt den Vorstand, bei den Regierungen die Einberufung einer internationalen Konferenz zu beantragen, die sich mit der Vorbereitung einer Vereinbarung zum Zwecke der Bekämpfung der internationalen Verbrechen und Vergehen befassen soll.

Schon im Sommer 1905 hatte die IKV-Landesgruppe Frankreich beschlossen, eine internationale Konferenz zu organisieren. Diese Konferenz sollte die Grundlagen für eine Konvention zur Bekämpfung internationaler Verbrechen und Vergehen beschließen.

Beide Initiativen wurden nicht weiter verfolgt.

Der Erste Weltkrieg stoppte weitgehend die Tätigkeit der IKV und nach Kriegsende war nur mehr die deutsche Sektion aktiv. Sie veranstaltete 1932 den letzten Kongress, ab 1933 ruhte die Tätigkeit und 1937 wurde die IKV formell aufgelöst.

 

Weitere Polizeikonferenzen

Bei der deutschen Polizeikonferenz in Berlin 1912 wurden unter anderem internationale Fragen behandelt, wie die Verbesserung und Vereinheitlichung der Bekämpfung des schweren und reisenden Verbrechertums sowie Probleme des unmittelbaren Verkehrs mit ausländischen Polizeibehörden. Delegierte forderten die Zulässigkeit des Direktverkehrs für alle Fälle der Verhütung, Erforschung und Aufklärung schwerer Verbrechen. Dazu sollten die Länder jeweils eine Behörde nennen, über die der unmittelbare Informationsaustausch erfolgen sollte. Diese Behörden sollten unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt sein, Mitfahndungs- und Festnahmeersuchen auszustellen sowie für eine Auslieferung einen Haftbefehl zu erwirken und die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die ersuchte Behörde sollte alle Fahndungsergebnisse der ersuchenden Behörde auf kürzestem Weg mitteilen. Außerdem sollten weitere Maßnahmen wie Durchsuchungen und Beschlagnahmen möglich sein – in Abstimmung mit dem inländischen Recht.

Auch bei anderen Polizeikongressen wurde die Notwendigkeit einer besseren Kooperation der Polizei über die Grenzen hinweg betont, etwa 1905 in Buenos Aires, 1909 und 1912 in Sao Paulo und 1913 in Washington. Bei diesen Tagungen waren sich die Teilnehmer einig, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität unzureichend seien und dass es notwendig sei, das Auslieferungsverfahren und das Fahndungswesen zu reformieren.

 

Initiativen nach dem Ersten Weltkrieg

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs entstanden neue Formen der grenzüberschreitenden Kriminalität; eine verstärkte und institutionalisierte länderübergreifende Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden erschien notwendig. Es gab mehrere Initiativen, die internationale Polizei-Zusammenarbeit zu reglementieren.

Im Dezember 1919 versuchte der Kommandant der niederländischen Koninklijke Marechaussee (Gendarmerie), Marius Cornelis van Houten, mit einem Brief an die Polizeibehörden bedeutender Länder, eine Konferenz für internationale Verbrechensbekämpfung einzuberufen. Van Houten verwies in seinem Schreiben auf den Kriminalitätsanstieg als Folge des Ersten Weltkriegs und schlug vor, in allen Ländern Polizeizentralen zu errichten, die unmittelbar zusammenarbeiten und als Bindeglieder einer internationalen Zentrale fungieren sollten.

Die Zentrale sollte die Aufgabe haben, die kriminalistischen Verhältnisse in allen Ländern zu erforschen und dem Völkerbundsrat Vorschläge zu internationalen Vereinbarungen zu machen, die der Vorbeugung und Bekämpfung des Verbrechertums dienen sollen. Außerdem sollte die internationale Zentrale von grenzüberschreitend agierenden Verbrechern Lichtbilder, Strafblätter, besondere Kennzeichen und andere Merkmale sammeln, ein periodisches internationales Fahndungsblatt herausgeben sowie den Polizeibehörden Auskünfte aus der Sammlung geben. Van Houtens Initiative wurde nicht weiterverfolgt; die Länder hatten nach dem Ersten Weltkrieg offenbar andere, größere Probleme.

Das nächste internationale Polizeitreffen gab es 1922 in New York, initiiert von New Yorks Polizeichef Richard E. Enright. Wesentliche Punkte dieses Kongresses waren die Standardisierung der Polizeisysteme und Arbeitsmethoden, eine engere Zusammenarbeit der Polizeibehörden, die Einrichtung eines Zentralpolizeibüros für den Kriminalnachrichtendienst und eines Nachrichtenaustauschdienstes über Verbrecher, sowie die Einführung einer zweckmäßigen Kontrollmethode bei grenzüberschreitender Kriminalität. An diesem Kongress nahmen nur Delegierte aus Amerika teil, deshalb kam eine Umsetzung der Vorschläge nicht zustande. Ebenso erfolglos verlief ein internationaler Polizeikongress in New York im Jahr darauf.

 

Gründung der „Interpol“ 1923

Der Durchbruch kam mit dem vom Wiener Polizeipräsidenten Johann Schober vom 3. bis 7. September 1923 in Wien initiierten internationalen Polizeikongress, bei dem die „Internationale Kriminalpolizeiliche Kommission“ (IKPK) gegründet wurde – es handelte sich um die Geburtsstunde der Interpol.

Hochrangige Polizisten aus Ägypten, Dänemark, Deutschland, Fiume, Frankreich, Griechenland, Holland, Italien, Japan, Jugoslawien, Lettland, Polen, Rumänien, Schweden, der Schweiz, Tschechoslowakei und Türkei, Ungarn und den USA nahmen an der Tagung teil. Schwerpunkte waren die zwischenstaatliche Amtshilfe der Sicherheitsbehörden, die Bekämpfung des internationalen Verbrechertums, die Auslieferung und Ausweisung von Kriminellen sowie die Einführung einer internationalen Verkehrssprache der Polizei. Ferner gab es kriminalwissenschaftliche Vorträge zu Themen wie die Bekämpfung des Alkoholismus, Morphinismus und Kokainismus. Am Schlusstag wählten die Teilnehmer die Mitglieder der permanenten „Internationalen kriminalpolizeilichen Kommission in Wien – IKPK“ („Commission Internationale de Police Criminelle“). Sitz der neuen Institution war Wien und ihr erster Präsident Johannes Schober. In der Wiener Polizeidirektion wurde ein „Internationales Büro“ eingerichtet.

Heute hat Interpol 190 Mitgliedstaaten und die 83. Interpol-Generalversammlung im Herbst 2014 wird in Monaco stattfinden, dem Ort, an dem 100 Jahre davor beim ersten kriminalpolizeilichen Kongress der Grundstein für die internationale Polizeikooperation gelegt wurde.

 

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Quellen/Literatur:

Bellmann, Elisabeth: Die Internationale Kriminalistische Vereinigung (1889–1933). Verlag Peter Lang, Frankfurt/Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien, 1994.

Dressler, Oskar: Die Internationale kriminalpolizeiliche Kommission und ihr Werk. Hrsg. für den Dienstgebrauch von der Internationalen kriminalpolizeilichen Kommission in Berlin-Wannsee. Druck: Wilhelm Santora, Wien, 1942.

Jäger, Jens: Verfolgung durch Verwaltung. Internationales Verbrechen und internationale Polizeikooperation 1880-1933. UVK, Konstanz, 2006.

Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig, 1907, S. 686-687.

Sabitzer, Werner: Lexikon der inneren Sicherheit. Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien, Graz, 2008.

Sieverts, Rudolf et. al.: Handwörterbuch der Kriminologie. Band 4: Ergänzungsband, Verlag Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1979.