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 Herausforderungen für das Sicherheitsgewerbe im Jahr 2015

Von Manfred Buhl

Zwei durchaus erfolgreiche Jahre liegen hinter dem Sicherheitsgewerbe. Etwa 4000 Sicherheitsdienstleister haben 2013 mit rund 185.700 Beschäftigten – einschließlich Aushilfs- und Teilzeitkräften – einen Umsatz von 5,4 Milliarden Euro erzielt. Die Zahl der Beschäftigten war nur um 1,7 % gestiegen, der Umsatz legte stärker zu, um 8,2 %. Und 2014 dürfte ein weiteres Umsatzplus von 3,7 % erzielt worden sein. Zugenommen hat auch die Akzeptanz der privaten Sicherheitsdienstleister in der Gesellschaft.

 

Nach einer Umfrage aus dem Dezember 2014 unter gut 2.000 Bürgern stimmten 67 % der Aussage zu: „Private Sicherheitsdienstleister (z. B. Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen, beim Schutz von Veranstaltungen im ÖPV) sind unverzichtbar für die Innere Sicherheit in Deutschland“. Lässt man die 13 % mit der Angabe „weiß ich nicht“ unberücksichtigt, dann betrug der Zustimmungsgrad sogar 77 %. Und deutlich mehr als die Hälfte bejahen die Feststellung „Private Sicherheitsdienstleister haben eine wichtige Bedeutung, weil sie die Polizei unterstützen und entlasten.“ Zurückzuführen ist das verbesserte Image des Sicherheitsgewerbes auf erfolgreiche Anstrengungen, die Qualifizierung von Managern und Mitarbeitern sowie die Zuverlässigkeit und Qualität der Leistungen wesentlich zu erhöhen. Das ist besonders erfreulich in einer Zeit, in der die Polizei verstärkt durch die Abwehr der Gefahr so brutaler terroristischer Anschläge belastet ist, wie in den Tagen vom 7. bis zum 9. Januar in Paris. Sicherheitsdienstleister können diese permanent latent drohende Gefahr nicht bannen. Aber sie können im Rahmen ihrer Tätigkeit ihre Wachsamkeit nochmals schärfen, auf verdächtige Vorkommnisse achten, diese der Polizei ohne Zeitverzug melden und die Polizei durch Übernahme von Aufgaben wirkungsvoll entlasten, deren Wahrnehmung keiner hoheitlichen Befugnisse bedarf.

Gleichwohl benötigt das Image der Branche noch weiterer nachhaltiger Verbesserung und steht das Sicherheitsgewerbe insgesamt zu Beginn des Jahres 2015 vor großen Herausforderungen – beispielhaft zu nennen wären Veränderungen der Nachfrage, Wandel des Marktes, Nachwuchsgewinnung im Zeichen der demografischen Entwicklung und insbesondere die nicht erfüllten Forderungen, die an die Politik gerichtet sind.

 

1. Forderungen an die Politik

Erstmals 2009 hat die Innenministerkonferenz (IMK) das Sicherheitsgewerbe als Teil der Architektur der Inneren Sicherheit bewertet und die Möglichkeit einer Zertifizierung gefordert, als Voraussetzung für die Übernahme anspruchsvoller Aufgaben, die im besonderen Interesse der öffentlichen Sicherheit liegen, vor allem dem Schutz kritischer Infrastrukturen dienen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Polizei bedingen. Eine Projektgruppe der IMK hat in den folgenden Jahren die Voraussetzungen für das Erfordernis einer Zertifizierung sowie für eine erfolgreiche Zertifizierung geprüft und das Ergebnis der IMK vorgelegt. Die hat in einem Beschluss im Dezember 2013

  • es für erforderlich gehalten, die Anforderungen an Sicherheitsunternehmen durch Änderungen im Gewerberecht zu erhöhen
  • die Auffassung geäußert, dass eine im Sinne der IMK überarbeitete DIN Norm 77200 grundsätzlich die Grundlage einer qualitätssichernden Zertifizierung bilden kann und der von der Projektgruppe der IMK entwickelte Kriterienkatalog bei der Überarbeitung dieser Norm zu berücksichtigen ist
  • und sich dafür ausgesprochen, dass Bund und Länder bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge an private Sicherheitsdienste die Möglichkeit prüfen, qualitätssichernde Standards als Voraussetzung bzw. als vorteilhaft zu berücksichtigendes Kriterium einer Auftragsvergabe in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen.

Die Koalitionsvereinbarung der die Bundesregierung bildenden Parteien enthält den Satz: „An private Sicherheitsdienstleister stellen wir verbindliche Anforderungen an Seriosität und Zuverlässigkeit.“

Aufgrund dieser Aussagen und Beschlüsse sind folgende Forderungen an die Politik zu stellen, die zum größten Teil im neuen Positionspapier des Bundesverbandes für die Sicherheitswirtschaft (BDSW) vom November 2014 stehen:

          • Alle Beschäftigten im Sicherheitsgewerbe müssen bis spätestens zum Ablauf des sechsten Monats einer durchgehenden Beschäftigung bei einem privaten Sicherheitsdienst den Nachweis der erfolgreichen Sachkundeprüfung bei einer IHK erbringen. Dafür entfällt die 40-stündige Unterrichtung, die keine Ausbildung darstellt, sondern eine bloße Berufszugangsregelung.
          • Diese Sachkundeprüfung muss auf Beschäftigte erstreckt werden, die im unternehmensinternen Werk-, Objekt- oder Veranstaltungsschutz sicherheitsrelevante Aufgaben wahrnehmen, weil der Zweck dieser Ausbildung, eine sachkundige, rechtsfehlerfreie Dienstleistung, auch für solche Beschäftige zutrifft und Insourcingprozesse aus Kostengründen vermieden werden sollen.
          • Die Barriere für den Einstieg als Unternehmer in das Sicherheitsgewerbe muss wesentlich erhöht werden. An die Stelle der bloßen 80-stündigen Unterrichtung soll mindestens der erfolgreiche Abschluss der dreijährigen Ausbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit oder eine höhere Qualifikation treten – zum Beispiel ein Studium der Rechts-, der Sozialwissenschaften, der Ingenieurwissenschaft, der Informatik oder des Sicherheitsmanagements oder eine Ausbildung zum Werkschutzmeister. Dies würde es erheblich erschweren, dass jemand ohne ausreichende Qualifikation und ohne die Absicht einer auf Nachhaltigkeit angelegten Berufsausübung ein Sicherheitsunternehmen gründet, um „das schnelle Geld zu machen“.
          • Jeder Gewerbetreibende und jeder Beschäftigte im Sicherheitsgewerbe muss jährlich durch die zuständige Ordnungsbehörde auf seine Zuverlässigkeit überprüft werden. Die bisherige einmalige Überprüfung gewährleistet nicht die dauerhafte Zuverlässigkeit.
          • Damit Bewerber nach einer Einstellung baldmöglichst ihre Tätigkeit aufnehmen können, muss die Zuverlässigkeitsprüfung zeitnah – und nicht erst, wie bisher, nach Wochen – erfolgen, am besten im Online-Verfahren. Der Forderung des BDSW ist hinzuzufügen, dass entgegen der geltenden Rechtslage das Sicherheitsunternehmen über das Ergebnis der Zuverlässigkeitsprüfung von Bewerbern unterrichtet werden muss, damit bei Feststellung von Zweifeln an der Zuverlässigkeit rechtzeitig reagiert werden kann.
          • Die Bindung der Vergabe von Aufträgen zum Schutz kritischer Infrastrukturen und von Aufträgen, deren Wahrnehmung eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei bedingt, von Aufgaben also, deren Erfüllung auch im Interesse der öffentlichen Sicherheit liegt, an die von der IMK geforderte Zertifizierung bedarf einer gesetzlichen Verankerung. Die Zertifizierung nur in einer DIN Norm zu regeln, wie dies der IMK-Beschluss vom Dezember 2013 vorsieht, führt nicht zu einer zwingenden Beachtung im Ausschreibungsverfahren. Eine entsprechende gesetzliche Regelung verstößt nicht gegen Art. 12 Abs.1 GG, weil es sich um keine Berufswahlbeschränkung, sondern nur um eine Berufsausübungsregelung handelt, die bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 7, 377 ff.) zulässig ist. Die Zertifizierungsvoraussetzung für die Übernahme anspruchsvoller Sicherheitsdienstleistungen zum Schutz kritischer Infrastrukturen, auch in Zusammenarbeit mit der Polizei, ist durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert. Dies wird in einem Gutachten des DIHK vom 28. November verkannt, das die gesetzliche Verankerung als Berufszugangsregelung bewertet und als unvereinbar mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit ablehnt.
          • Wichtig für die Zertifizierung ist, dass die Tätigkeitsbereiche, für die die Zertifizierung vorgeschrieben wird, sachlogisch nachvollziehbar, eindeutig und praktikabel sind. Sachlogisch nachvollziehbar ist die Forderung der Zertifizierung dann, wenn
            • die zu schützenden Rechtsgüter ein hohes Maß an Zuverlässigkeit erfordern
            • anspruchsvolle Tätigkeiten im öffentlichen Raum oder zum Schutz kritischer Infrastrukturen eine besondere fachliche Qualifikation voraussetzen
            • und wenn die Verknüpfung mit dem polizeilichen Einsatz ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und angemessene personelle Ressourcen erfordert.
          • Diese Kriterien erfüllen die Beschreibung der Tätigkeiten im Abschlussbericht der gemeinsamen Projektgruppe der IMK nur teilweise. Der BDSW hat deshalb Konkretisierungsvorschläge erarbeitet, die insbesondere eine möglichst konkrete Definition der kritischen Infrastrukturen fordern, deren Sicherung die Zertifizierung voraussetzt.
          • Zu fordern ist ein „sektorspezifisches“ Gesetz der privaten Sicherheit, in das nicht nur die Zertifizierungsregelung, sondern alle notwendigen gesetzlichen Normen aufgenommen werden sollten, die zur Wahrnehmung von Aufgaben der privaten Sicherheit erforderlich sind. Die länderoffene Arbeitsgruppe der IMK „Zertifizierung privater Sicherheitsunternehmen“ hat in ihrem Ergebnisbericht vom 9. August 2013 ein solches Strukturgesetz mit folgender Begründung für sinnvoll erachtet: „Angesichts der wachsenden Bedeutung des privaten Sicherheitsgewerbes, der staatlichen Schutzpflichten und des staatlichen Gewaltmonopols (Art.33 Abs.4 GG) spricht einiges dafür, sektorspezifische Regelungen zu schaffen. Eine normative Ausformung der bestehenden Gewährleistungsverantwortung allein auf der Ebene des Gewerberechts ist nur mehr äußerst begrenzt sinnvoll. Gerade dieser ist die derzeitige ,Blindheit‘ des Regelungsregimes für polizeirechtliche Implikationen des Sicherheitsgewerbes, insbesondere mit Blick auf Kooperationen mit der Polizei, geschuldet. Sie könnte mit einem ,Strukturgesetz‘ überwunden werden. Damit würde die gewerberechtliche Perspektive sinnvollerweise durch eine polizei- und sicherheitsrechtliche Perspektive ergänzt und sogar überformt.“
            Der BDSW beklagt in seinem Positionspapier zur Novellierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die privaten Sicherheitsdienste zu Recht, dass die IMK diesen Gedanken in ihrem Beschluss vom Dezember 2013 nicht aufgegriffen hat. In ein solches Gesetz könnte auch der Rechtsinhalt des für das Sicherheitsgewerbe maßgeblichen § 34a GewO eingehen, ebenso wie des § 31 GewO, der den Einsatz bewaffneter privater Sicherheitsdienstleister zum Schutz vor Piraten auf  Schiffen unter deutscher Flagge regelt.
          • In fast allen EU-Ländern liegt die Aufsicht über das Sicherheitsgewerbe beim Innenminister oder beim Justizminister. In Deutschland folgt die Zuständigkeit des Wirtschaftsministers aus der Regelung des Sicherheitsgesetzes in der Gewerbeordnung. Diese Konsequenz ist aber nicht zwingend. Die größere Sachnähe des Sicherheitsgewerbes und seiner Tätigkeit zur Erfüllung von Sicherheitsbedürfnissen eines Auftraggebers besteht zu den für die Innere Sicherheit zuständigen Innenministern, zumal es vielfältige Schnittstellen und Verknüpfungen zwischen privater und öffentlicher Sicherheit gibt. Die Innenminister von Bund und Ländern haben zwar die Forderung des BDSW, die Kontrolle für Unternehmen der Sicherheitswirtschaft zu übernehmen, überwiegend abgelehnt (DSD, Ausgabe 4-2014, S.49). Die negativen Antworten beschränken sich aber auf Erklärungen, die Zuständigkeit der Wirtschaftsminister habe sich „im Hinblick auf die notwendige Trennung von privaten und staatlichen Sicherheitsleistungen bewährt“, der Vollzug der Gewerbeordnung „obliege üblicherweise den Wirtschaftsministern“, es bestehe „kein Veränderungsdruck“. Eine enge und gute Zusammenarbeit zwischen der Polizei und der privaten Sicherheit „setze nicht zwingend voraus, dass die Zuständigkeit für beide Bereiche gebündelt wird“.

 

2. Tarifdschungel und Mindestlohn

Der BDSW hat in den 16 Bundesländern mit den Gewerkschaften rund 70 Tarifverträge für insgesamt etwa 400 Lohngruppen geschlossen. Für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit wurden in allen Bundesländern Zeitzuschläge vereinbart, aber die meisten dieser Vereinbarungen sind nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden. Dies führt zu einem klaren Wettbewerbsnachteil der 850 Mitgliedsunternehmen des BDSW gegenüber den nicht verbandsgebundenen Unternehmen. Dieser Nachteil kann nur dann kompensiert werden, wenn es gelingt, einen Tarifvertrag für Zeitschläge zu vereinbarten, der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärt wird.

Nach Aufnahme der Sicherheitsdienstleistungen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz 2011 hat der BDSW mit den Gewerkschaften einen Mindestlohn-Tarifvertrag abgeschlossen. Die Einführung des tarifvertraglichen Mindestlohnes ist zu begrüßen. Die damit verbundene Lohnerhöhung motiviert die Beschäftigten, stärkt die Verbundenheit mit dem Unternehmen und mindert die Fluktuation. Der ab 1. Januar geltende bundeseinheitliche Mindestlohn von 8,50 Euro beseitigt leider die Möglichkeit der Vereinbarung unterschiedlicher Mindestlöhne in den Bundesländern entsprechend unterschiedlicher Preislevel und Produktivitäten.

Der Mindestlohn wird nicht nur die Löhne in einigen Bundesländern um mehr als 13 % erhöhen, sondern auch zu entsprechenden Preissteigerungen führen. Soweit Kunden solche Preissteigerungen nicht nur zum Teil akzeptieren, wird personelle Dienstleistung teilweise durch langfristig kostengünstigere Sicherheitstechnik ersetzt werden.  Die Anhebung des Mindestlohnes wird auch zu einer deutlichen Lohnnivellierung zwischen ungelernten Sicherheitskräften und den geprüften Fach- und Servicekräften führen. Der Anreiz des Erwerbs einer Lohnerhöhung durch Qualifikationsmaßnahmen wird für ungelernte Sicherheitskräfte sinken.

Vor allem muss vermieden werden, dass der Mindestlohn nicht auf qualitativ geringwertige Tätigkeiten beschränkt bleibt, sondern im Vergabeverfahren auch für anspruchsvolle Tätigkeiten der Preiskalkulation zugrunde gelegt wird. Ein solches Preisdumping würde auf längere Sicht zur notwendigen Einsparung an Fortbildungsmaßnahmen und Ausstattungsmodernisierungen führen. Das würde die Qualität und die Zuverlässigkeit im Sicherheitsgewerbe auf Dauer herabsetzen.

 

3. Nachwuchs gewinnen

Die Geburtenrate liegt in Deutschland bei nur 1,4 bis 1,5 Kinder, die Erwerbsbevölkerung wird bis 2030 von 50 auf 42 Millionen zurückgehen. Aufgrund dieser demografischen Entwicklung, aber auch wegen der relativ günstigen wirtschaftlichen Konjunktur in Deutschland, wird es immer schwieriger, geeignete junge Bewerber für die Tätigkeit im Sicherheitsgewerbe zu gewinnen. Viele offene Stellen können nicht besetzt werden, etwa 10.000 allein bei den Mitgliedsunternehmen des BDSW. Und das Durchschnittsalter steigt auch im Sicherheitsgewerbe tendenziell an. Dabei sind Sicherheitsdienstleister auf Einsatzkräfte angewiesen, die in Auseinandersetzungen Rechtsgüter und ihre körperliche Unversehrtheit verteidigen können und in der Lage sind, einen zu Fuß flüchtenden Tatverdächtigen zu verfolgen, um ihn vorläufig festnehmen zu können. Wichtig ist es vor allem, jungen Bewerbern Möglichkeiten des Aufstiegs innerhalb eines Sicherheitsunternehmens durch Ausbildung und Weiterbildung aufzuzeigen. Je nach Größe brauchen Sicherheitsunternehmen einen realisierbaren Personalentwicklungsplan. Ebenso bedeutsam sind das Betriebsklima, Freizeitangebote und eine alle Mitarbeiter einbeziehende unternehmensinterne Kommunikation und Unternehmenskultur.

 

4. Verstärkung der Qualifizierungsoffensive

Das Sicherheitsgewerbe hat seit der Jahrhundertwende eine beispiellose Qualifizierungsoffensive gestartet. Die Möglichkeiten sind insbesondere durch die Einführung des 3-jährigen Ausbildungsberufs der Fachkraft für Schutz und Sicherheit und die 2-jährige Ausbildung zur Servicekraft für Schutz und Sicherheit sowie durch Qualifizierungsmöglichkeiten zur geprüften Schutz- und Sicherheitskraft (IHK), zum Meister für Schutz und Sicherheit (IHK), zum Betriebswirt (IHK/VWA/FH), zum Bachelor und Master of Arts (FH), zum Luftsicherheitsassistenten und zur Sicherheitskraft im Einzelhandel enorm gestiegen. Von 2003 bis 2012 sind 1.440 NSL-Fachkräfte und 241 leitende NSL-Fachkräfte geprüft worden.

Diese Qualifizierungsoffensive muss intensiv fortgesetzt werden, und dies aus mehreren Gründen:

          • Es gibt noch viel zu wenig ausgebildete Fachkräfte und Servicekräfte für Schutz und Sicherheit. Bisher sind nur ca. 7000 Beschäftigte ausgebildet worden. Das sind prozentual weniger als in anderen Dienstleistungsbranchen. Zu viele Bewerber brechen die Ausbildung vor der Prüfung ab. Jährlich werden nur ca. 1.300 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. 80 % aller im Sicherheitsgewerbe Beschäftigten haben nach einer Umfrage lediglich das Unterrichtungsverfahren durchlaufen, teilweise auch die Sachkundeprüfung abgelegt. Die Auszubildenden müssen vor Beginn ihrer Ausbildung über deren Anforderungen und das notwendige persönliche Engagement aufgeklärt werden. Und natürlich sollten sie während der Ausbildung betreut werden.
          • Weiterbildung muss weiter ausgebaut werden. Bei einer Befragung sah das mittlere Management den höchsten Weiterbildungsbedarf in der Sicherheitstechnik (40 %) und in der Führungslehre (30 %). Führungskräfte zeigten sich überzeugt von einem erheblichen Weiterbildungsbedarf, besonders im Arbeitsschutz, im Brandschutz und in Deeskalationstaktiken.
          • Mit Weiterbildung verbinden – unter 5.525 Befragten – 26 % die Erwartung von mehr Arbeitsplatzsicherheit, 23 % mehr Handlungssicherheit, 17 % ein höheres Bildungsniveau und 16 % beruflichen Aufstieg.
          • Es gibt einen zunehmenden Bedarf an Fachkräften, die besondere Fähigkeiten für besondere Einsatzbereiche benötigen. Insbesondere eine Branchensegmentierung in größeren Sicherheitsunternehmen erhöht die Notwendigkeit spezifischer Fähigkeiten, vor allem im IT-Bereich.
          • In den Lehrplänen der Ausbildungsberufe, in den Rahmenplänen der Hochschulstudiengänge und in der unternehmenseigenen Weiterbildung muss der Vermittlung technischen Wissens, insbesondere von IT-Grundkenntnissen, noch mehr Raum gegeben werden. Nur mit Managern und Fachkräften, die Grundkenntnisse der Sicherheitstechnologien beherrschen, die die Funktionen, Chancen und Risiken der technischen Produkte, ihrer Hard- und Software verstehen, wird die volle Integration der Sicherheitstechnik in Lösungsangebote wirklich gelingen.

 

5. Qualitätsmanagement im Umbruch

Aus mehreren Gründen gewinnt das Qualitätsmanagement für Sicherheitsunternehmen eine immer größere Bedeutung: Je komplexer die zu lösenden Sicherheitsprobleme, insbesondere in der Industrie und der Logistikbranche werden, umso unabdingbarer sind Sicherheitsdienstleistungen von hoher Qualität. Vor allem die technologische Entwicklung in immer kürzeren Innovationszyklen verlangt qualitativ hochwertige sicherheitstechnische Lösungen. Die Erwartung an die Qualität von Sicherheitsdienstleistern ist durch die Bewertung des Sicherheitsgewerbes als Teil der Architektur der Inneren Sicherheit auch in der Politik und bei Auftraggebern der öffentlichen Hand gestiegen. Noch wichtiger als Qualitätsbeauftragte im Unternehmen – zentral und in der Linienfunktion – ist die Verinnerlichung des Qualitätsanspruchs bei allen Managern und eine entsprechende permanente Sensibilisierung der Einsatzkräfte. Zertifizierungen – nach ISO 9001 ebenso wie in einzelnen technischen Funktionsbereichen und Segmenten – sind ein wichtiges Instrument zur Förderung der Leistungsqualität. Es bedarf jährlicher Qualitätspläne mit entsprechenden Zielvorgaben. Zur Qualitätskultur des Sicherheitsunternehmens gehört neben Richtlinien und Sensibilisierungsmaßnahmen auch die Würdigung und Auszeichnung besonderer Leistungen mit Vorbildfunktion.

 

6. Wettbewerb im Sicherheitsmarkt: verschärft, verzerrt und aggressiv

Eine besondere Herausforderung auch im Jahr 2015 erwächst aus dem aggressiver gewordenen Sicherheitsmarkt. Die durch Tarifverträge und den Mindestlohn steigenden Löhne mindern die Gewinnmargen, denn Preiserhöhungen aufgrund der gestiegenen Löhne lassen sich nur teilweise durchsetzen. Die kommunalen Budgets  bleiben knapp. Soweit möglich werden Preiserhöhungen durch die Substitution personeller Dienstleistungen durch Sicherheitstechnik vermieden oder wenigstens reduziert. Es besteht die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen durch Umgehungen des Mindestlohns, indem Zeitzuschläge eingerechnet werden; und indem Anstellungsverträge für Zeiträume unter 6 Monaten abgeschlossen werden, weil für derart kurze Vertragslaufzeiten der Mindestlohn nicht greift. Lohn- und Preisdumping verzerren den Wettbewerb. Deshalb ist ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag für Zeitzuschläge für die Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit so wichtig.

 

7. Vom Mannstunden-Angebot zur Sicherheitslösung mit integrierter Technik

Wohl die größte aktuelle Herausforderung für das Sicherheitsgewerbe ist der Paradigmenwechsel vom Angebot einer verlangten Zahl von Einsatzstunden hin zum Angebot einer den objektiven Kundenbedürfnissen entsprechenden ganzheitlichen Sicherheitslösung. Der europäische Arbeitgeberverband CoESS hat dieses Thema auf die Agenda seiner Berliner Tagung im April 2015 gesetzt. Wirtschaftsunternehmen, die insgesamt das größte Kundensegment des Sicherheitsgewerbes bilden, sind auf umfassende Sicherheitslösungen angewiesen. Und viele kleine und mittlere Unternehmen verfügen nicht einmal über einen sachkundigen Sicherheitsmanager. Sie fachlich zu beraten und eine individuelle Sicherheitskonzeption zu entwickeln, verlangt Change Management im Sicherheitsunternehmen. Das setzt voraus, dass das Sicherheitsunternehmen über sicherheitstechnische Expertise, über ausreichende Kenntnisse in der Informations- und Kommunikationstechnik, über Branchenwissen und Informationen über Betriebsabläufe, Geschäftsprozesse sowie externe Vernetzungen des zu beratenden Unternehmens verfügt. Je vielfältiger Möglichkeiten und Produkte der Sicherheitstechnik sind, umso herausfordernder ist es für das beratende Sicherheitsunternehmen, die für den Kunden geeignetste, dauerhaft wirksamste und kostengünstigste Variante zu finden und in die Gesamtlösung zu integrieren. Da die meisten Sicherheitsunternehmen nicht in allen Sektoren der Sicherheitstechnik und insbesondere nicht in der IT-Sicherheitstechnik über ausreichende fachliche Kompetenz verfügen, müssen sie diese Lücken durch strategische Partnerschaften mit Technikanbietern füllen. Für den Kunden ist es in aller Regel günstig, alle Sicherheitsdienstleistungen und sicherheitstechnischen Anlagen „aus einer Hand“ zu bekommen. Sie sollten sich nicht damit belasten müssen, selbst dafür zu sorgen, dass einzelne Komponenten einer ganzheitlichen Sicherheitslösung kompatibel sind und verknüpft werden können. Am besten bedient werden Kunden durch das Sicherheitsunternehmen, das die erforderliche Sicherheitstechnik nicht nur projektiert und liefert, sondern durch eigene Kräfte installiert, betreibt und instand hält. Wird die Sicherheitstechnik vom Sicherheitsdienstleister selbst investiert und vorfinanziert, dann gewinnt der Kunde zusätzlich Planungssicherheit durch vereinbarte monatliche oder jährliche Gebühren. Und er kann den Sicherheitsdienstleister zur periodischen Modernisierung der eingesetzten Sicherheitstechnik verpflichten.

 

8. Organisatorische Änderungen im Sicherheitsunternehmen werden nötig.

Mit der Ausweitung und Differenzierung des Leistungsportfolios sind Veränderungen in der Organisation und der Infrastruktur der Sicherheitsunternehmen zwangsläufig verbunden. Zu den Herausforderungen der kommenden Jahre gehört innerhalb der Sicherheitsunternehmen eine Branchensegmentierung, damit einzelne Kompetenzteams sich intensiv mit den Sicherheitsbedürfnissen und segmentspezifischen Lösungen für eine bestimmte Branche konzentrieren können. Es macht Sinn, diese Branchensegmentierung neben der regionalen Struktur des Unternehmens einzurichten. Mit einer solchen Hybridorganisation kann das Unternehmen alle Kundenbereiche kompetent abdecken. Insbesondere um möglichst viele anspruchsvolle Funktionen der Unternehmenssicherheit wahrnehmen zu können, ist eine Branchensegmentierung geboten.

Die zunehmende Bedeutung der Sicherheitstechnik und ihre Integration in Lösungskonzeptionen machen vor allem bei den größeren Sicherheitsunternehmen den Aufbau einer zentralen Technikabteilung erforderlich. Damit alle sicherheitstechnischen Aspekte auch bei den einzelnen Projekten im Rahmen der lokalen Aufträge fachkundig berücksichtigt werden, müssen daneben in jeder regionalen Gliederung und für jedes Branchensegment sicherheitstechnische Experten zur Verfügung stehen.

Digitalisierung ist ein Megatrend in der Wirtschaft. Sie wirkt sich auch auf Sicherheitsdienstleistungen aus. Die in die Dienstleistungen integrierte Technik funktioniert zunehmend nicht mehr analog, sondern digital, gleich, ob es sich um intelligente Gefahrenmeldetechnik, um algorithmische Software in Videokameras oder die digitale Messung von Menschenströmen im Rahmen von Großveranstaltungen handelt. Digitalisiert wird auch die Infrastruktur der Sicherheitsunternehmen. Die Digitalisierung unterstützt die Einsatzvor- und -nachbereitung, die Informationssammlung sowie den zügigen Datentransfer. Anzahl und Anforderungsprofil für den Einsatz der benötigten Kräfte sowie deren Zeit- und Dienstpläne lassen sich elektronisch erarbeiten, die Arbeitsmittel der Beschäftigten elektronisch verwalten. Digitalisierte Kalkulationsprogramme erleichtern die Angebotsabgabe in Ausschreibungsverfahren.

Die Diversifizierung der Sicherheitsunternehmen verlangt eine intensive unternehmensinterne Kommunikation, damit Informationen und Erfahrungen zeitnah möglichst systematisch und vollständig weitergegeben werden. Das Rad muss nicht zweimal erfunden werden. Dieser unternehmensinterne Informations- und Wissensaustausch ist für jeden Manager eine „Bringschuld“. Er wird nur dann permanent funktionieren, wenn er von einer unternehmenseigenen Wissens- und Datenbank unterstützt wird, die selbstverständlich gegen Sabotage und Spionage sorgfältig geschützt werden muss. Auch das gehört zu den zukünftigen Herausforderungen.

 

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