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Clankriminalität, Jugendkriminalitaet, Jugendgang
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Clankriminalität in Deutschland und staatliche Gegenmaßnahmen – Eine aktuelle Analyse

Von Prof. Dr. Stefan Goertz, Hochschule des Bundes, Bundespolizei

Mord, Drogen, Raubüberfälle, Schutzgelderpressungen: Kriminelle Familienclans haben in Deutschland in den letzten Jahren Rockerbanden und die Mafia aus den Schlagzeilen verdrängt. Vom Raub einer 100 Kilo schweren Goldmünze in Berlin bis zu Schießereien auf offener Straße und Gewalt gegen Polizisten und Verwaltungsbeamte: Immer häufiger geraten Akteure der Clankriminalität in die Berichterstattung. Durch Serien wie die deutsche Produktion „4 Blocks“ und „Dogs of Berlin“ schlagen sich die kriminellen Familienclans auch in der Popkultur nieder. Bei fast allen Razzien im Bereich krimineller Familienclans in den vergangenen Monaten in Deutschland stieß die Polizei auf Illegales. Bei diesen Razzien ging es unter anderem um illegalen Waffenbesitz, Drogenhandel, Schwarzarbeit, Steuerbetrug, Diebstahl, Körperverletzung und Erpressung.1

Dutzende kriminelle Familienclans existieren in Deutschland, teilweise sind sie für spektakuläre Straftaten verantwortlich, seit 2018 gehen die Behörden verschiedener Bundesländer, vor allem in Nordrhein-Westfalen, härter gegen kriminelle Familienclans vor. Im Kontext einer bundesweit und international konzertierten Aktion wurden allein in Deutschland Anfang Juni 2021 im Zusammenhang mit Clankriminalität mehr als 150 Objekte in Deutschland durchsucht.

Definitionen der deutschen Sicherheitsbehörden

Das Bundeskriminalamt definiert Clankriminalität im Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2019 aus dem November 2020 wie folgt:

„Clankriminalität ist die Begehung von Straftaten durch Angehörige ethnisch abgeschotteter Subkulturen. Sie ist geprägt von verwandtschaftlichen Beziehungen, einer gemeinsamen ethnischen Herkunft und einem hohen Maß an Abschottung der Täter, wodurch die Tatbegehung gefördert oder die Aufklärung der Tat erschwert wird. Dies geht einher mit einer eigenen Werteordnung und der prinzipiellen Ablehnung der deutschen Rechtsordnung. Dabei kann Clankriminalität folgende Indikatoren aufweisen:

  • Eine starke Ausrichtung auf die zumeist patriarchalisch-hierarchisch geprägte Familienstruktur
  • Eine mangelnde Integrationsbereitschaft mit Aspekten einer räumlichen Konzentration
  • Das Provozieren von Eskalationen auch bei nichtigen Anlässen oder geringfügigen Rechtsverstößen
  • Die Ausnutzung gruppenimmanenter Mobilisierungs- und Bedrohungspotenziale
  • Ein erkennbares Maß an Gewaltbereitschaft.“2

Im Bundeslagebild Organisierte Kriminalität für das Berichtsjahr 2018 aus dem November 2019 folgte erstmals eine ausführliche Betrachtung zum Thema „kriminelle Mitglieder ethnisch abgeschotteter Subkulturen“ (Clankriminalität) durch das Bundeskriminalamt. Bisher existiert in Deutschland keine bundesweit verbindliche Definition des Begriffs Clankriminalität.

Aktuelle Kriminalitätsbereiche und Akteure der Clankriminalität in Deutschland

Die Kriminalitätsbereiche der Clankriminalität in Deutschland sind:

  • Rauschgifthandel/-schmuggel
  • Eigentumskriminalität
  • Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachleben
  • Geldwäsche
  • Gewaltkriminalität
  • Kriminelle Vereinigungen
  • Schleusungskriminalität
  • Steuer- und Zolldelikte
  • Sozialleistungsbetrug
  • Illegaler Geldtransfer durch Hawala-Banking

Im Jahr 2019, dem Berichtsjahr des aktuellen Bundeslagebildes Organisierte Kriminalität des Bundeskriminalamtes aus dem November 2020, ermittelten Bundes- und Landesbehörden in 45 Verfahren von Organisierter Kriminalität, die der Clankriminalität zugeordnet wurden.3

Im aktuellen Lagebild Organisierte Kriminalität nett das BKA 20 OK-Gruppierungen der Mhallamiye, 14 OK-Gruppierungen arabischstämmiger Herkunft, vier OK-Gruppierungen „türkeistämmiger“ Herkunft, zwei OK-Gruppierungen mit Herkunft aus West-Balkan-Staaten, eine OK-Gruppierung mit Herkunft aus Maghreb-Staaten und vier OK-Gruppierungen anderer Herkunft.4

In Berlin, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen stellen die Polizei- und Ordnungsbehörden seit Jahren fest, dass Mitglieder krimineller Familienclans – teilweise in größeren Gruppenverbänden – durch aggressives Auftreten, Ordnungsstörungen und Straftaten die Bevölkerung einschüchtern und versuchen, bestimmte regionale Räume augenscheinlich für sich zu reklamieren. So berichten polizeiliche Einsatzkräfte von einer offenen Feindseligkeit, einer hohen und unmittelbar geäußerten Aggressivität, Respektlosigkeit und Gewalteskalation, die das Ziel verfolgen, behördliche Maßnahmen zu beeinflussen oder zu unterbinden.5

Drogenfund auf panamaischem Motorschiff
© Von United States Coast Guard - http://www.piersystem.com/go/doc/823/151515/, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2330498

Der Mord am Investigativjournalisten Peter de Vries und die Organisierte Kriminalität

Der Mordanschlag auf den Investigativjournalisten Peter R. de Vries Anfang Juli 2021, der jahrelang über die Organisierte Kriminalität berichtet hatte, sorgte europaweit für Entsetzen und Angst um die Pressefreiheit. Die Bundesregierung sprach von einem „hinterhältigen Anschlag“. Sofern sich bestätigen sollte, dass der Reporter aufgrund seiner journalistischen Tätigkeit angegriffen wurde, sei dies „ein klarer Angriff auf die Pressefreiheit“ gewesen, erklärte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz. EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem „Angriff auf unsere Werte der Demokratie und des Rechtsstaates“. Die internationale und die europäische Föderation der Journalisten sprach von „einem neuen tragischen Schlag gegen die Pressefreiheit in Europa“. Die Tagesschau fragte am 12.7.2021 in einem Bericht „Werden die Niederlande zum Narco-Staat?“ und erklärte, dass die „niederländische Regierung der Organisierten Kriminalität wenig entgegenzusetzen“ habe.6 Der Journalist de Vries hatte vor dem tödlichen Anschlag auf ihn einen Kronzeugen in einem großen Prozess gegen die Rotterdamer Drogen-Mafia beraten. Die genauen Hintergründe des Mordes an de Vries und die Rolle der Organisierten Kriminalität dabei werden augenblicklich von den Ermittlern untersucht.

Hintergründe der kriminellen Familienclans

Bei den Dutzenden kriminellen Großfamilien in Deutschland handelt es sich vornehmlich um türkisch-arabische Großclans. Ihre Mitglieder zählen zur Minderheit der sogenannten Mhallamiye-Kurden und kamen in den achtziger und neunziger Jahren als Flüchtlinge nach Deutschland. In Deutschland gehören nach Schätzungen des Bundeskriminalamts (BKA) rund 200.0000 Menschen zu solchen Großfamilien, wovon aber nur ein Teil kriminell wird, eine Feststellung, die sehr wichtig ist, da Vorverurteilungen unbedingt vermieden werden müssen.7 Die meisten Angehörigen der kriminellen Familienclans gelten offiziell als arbeitslos und beziehen Sozialleistungen. Die meisten kriminellen Familienclans stammen ursprünglich aus dem Libanon, aus Syrien, dem Irak und der Türkei. Vor allem im Ruhrgebiet wird häufig von „Libanesen-Clans“ gesprochen. Gemeint sind dann kriminelle Mitglieder von Familien, die ursprünglich aus der Türkei, aus dem Libanon und aus Syrien stammen, sie gehören zu den sogenannten Mhallami, einer arabischstämmigen Volksgruppe.8

Viele der Mhallami wurden nach dem Ersten Weltkrieg aus der Türkei vertrieben und siedelten sich im Libanon an, oftmals fehlten ihnen die Mittel für Pässe und eine Einbürgerung. Als im Libanon 1975 der Bürgerkrieg ausbracht flohen viele der Mhallami nach Deutschland. Sie kamen über Ost-Berlin in den Westen, beantragten Asyl und wurden auf verschiedene Bundesländern verteilt, vor allem nach Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen. Dort gab es einen Abschiebestopp, sie erhielten als Staatenlose sofort eine Duldung und blieben im Land. Bei nicht wenigen von ihnen blieb der Duldungsstatus bestehen, über Generationen.9 Wichtig festzustellen ist, dass Menschen mit einem Duldungstatus es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben, eine selbständige Tätigkeit ist ihnen untersagt, eine Beschäftigung als Arbeitnehmer ist nur auf Antrag und nach Zustimmung durch die Ausländerbehörde möglich. Manche Experten sehen hierin eine mögliche Ursache dafür, dass sich aus der Perspektivlosigkeit heraus kriminelle Netzwerke innerhalb der Großfamilien gebildet haben.10

Weiße Rosen auf dem Dam-Platz in Amsterdam, um den Journalisten Peter de Vries zu unterstützen, 11. Juli 2021
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Mitglieder krimineller Familienclans leben häufig in einer abgeschotteten Parallelwelt und erkennen staatliche Strukturen nicht an. Straftaten werden zu internen Probleme erklärt, die innerhalb der Familien von sogenannten Friedensrichtern geregelt werden.11 Das wesentliche Kriterium der Zugehörigkeit des Einzelnen zu einem Familienclan ist die tatsächliche familiäre Verwandtschaft. Dahinter stehe „eine segmentäre, hierarchisch, meist patriarchalisch, geprägte Struktur, die nach dem Prinzip der gemeinsamen Abstammung organisiert ist“, so ein Sprecher des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen.12

Wie sind die kriminellen Familienclans organisiert? Die Zugehörigkeit des Einzelnen zum Familienclan definiert sich ausschließlich über das Kriterium der Verwandtschaft. Daher sprechen die Sicherheitsbehörden von „Familie als krimineller Solidargemeinschaft“.13 Weiter gehen die Behörden von einer hierarchisch, patriarchalisch geprägten Struktur innerhalb der kriminellen Familienclans aus, die nach dem Prinzip der gemeinsamen Abstammung organisiert sind. Ebenfalls charakteristisch für die kriminellen Familienclans ist ein nach außen dokumentiertes Macht- und Gewinnstreben, auch durch die Besetzung öffentlicher Räume.

Nach Ansicht des Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, haben deutsche Behörden in der Vergangenheit Fehler gemacht, als in den 1980er und 1990er Jahren arabische Familien etwa aus dem Libanon und der Türkei nach Deutschland kamen und sich zu kriminellen Clans entwickeln konnten. Als einen Grund dafür nannte der Präsident des Bundeskriminalamtes, dass sich die Zuwanderer ohne Bleibeperspektive an bestimmten Orten ansiedelten, dort abgeschottet lebten und ohne hinreichende Konsequenzen vielfach kriminell wurden. Für die Zukunft plädiert Münch daher für gute Integrationsangebote und konsequente Ermittlungen gegen Mehrfach- und Intensivtäter, die ihr Aufenthaltsrecht auch verlieren müssten.14 Münch betonte, dass die Polizei „sehr wachsam“ sei, damit sich diese Integrationsversäumnisse bei den seit 2015 im Zuge der Flüchtlingskrise zugezogenen Flüchtlingen nicht wiederhole.15

Legale Geschäftsfelder der Clankriminalität in Deutschland

In folgenden legalen Geschäftsfeldern sind kriminelle Familienclans in Deutschland tätig:

  • Gastronomie und Shisha-Bars: Der Betrieb von Shisha-Bars hat sich als ein zentraler Faktor im Kontext krimineller Aktivitäten durch Angehörige krimineller Familienclans entwickelt. Als Treffpunkt für Clanmitglieder dienen die Bars der Kontaktpflege und damit auch zur Vorbereitung und Verdeckung von Straftaten. Hierbei bieten Shisha-Bars erhebliches Potenzial für Geldwäschehandlungen durch die Investition in Immobilien oder aber für steuerlich relevante Tatbestände.16
  • Glücksspiel-Szene, Wettbüros: Ähnlich den Shisha-Bars bieten von Angehörigen türkisch-arabischstämmiger Familienclans betriebene oder kontrollierte Glücksspielstätten eine Basis für Kontakte zur Vorbereitung und Begehung von Straftaten. Darüber hinaus können über Manipulationen an Spielgeräten erhebliche Mittel erwirtschaftet werden, die im Einzelfall die Nutzer der Geräte, die Betreiber sowie den Fiskus schädigen. Daneben bietet die Investition in Glücksspielstätten oder in Wettbüros die Möglichkeit zur Investition kriminell erlangter Gelder in die Legalwirtschaft und damit die Grundlage für Geldwäschehandlungen.17
  • Rapper-Szene: Angehörige türkisch-arabischstämmiger Clanfamilien verfügen über vielfältige Bezüge zu Teilen der Rapper-Szene. Dabei erfahren sie ein erhebliches Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit, die der eigenen Reputation außerhalb des Milieus von Familienclans dienen soll. Die Nähe der „Gangster-Rapper“ zur Kriminalität ist ein der Szene immanenter Teil der Außendarstellung und dient sowohl der Verkaufsförderung als auch der Bindung der Fans.18
  • Security-Dienstleistungen: Diese stellen ein Geschäftsfeld dar, in welchem Mitglieder von kriminellen Familienclans tätig sind. So wird teilweise von Konkurrenzkämpfen mit anderen typischerweise im Türstehermilieu etablierten Gruppierungen (OMCG) berichtet. Dies gilt auch für Drohungen gegenüber Gastronomen, die Leistungen eines konkurrierenden Security-Dienstleisters annehmen. Zusammenfassend bietet die Tätigkeit „an den Türen“ auch die Kontrollmöglichkeit über den Drogenhandel in der jeweiligen Gastronomie. Und die Bereitschaft, Security-Personal den jeweiligen Sozialversicherungsträgern zu melden, ist nur sehr gering ausgeprägt.19
  • Investitionen in Immobilien in Deutschland: Den deutschen Behörden liegen Hinweise auf Investitionen illegal erlangter Mittel durch Angehörige krimineller Familienclans in den nationalen Immobilienmarkt vor. Dieses Vorgehen dient einerseits der Geldanlage und andererseits der Vermögenssicherung durch Maßnahmen der Verschleierung (Geldwäsche, § 261 StGB). Die Verdachtsmomente auf Seiten der Ermittlungsbehörden stützen sich oftmals auf ein dubioses und wirtschaftlich nicht nachvollziehbares Verhalten des Käufers im Kontext des Immobilienerwerbs oder auf ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem Wert der erworbenen Immobilie und den gegenüber den Finanzbehörden deklarierten Einkommensverhältnissen des vermeintlichen Erwerbers („Strohmann“) bzw. des tatsächlichen Käufers.20

Staatliche Gegenmaßnahmen

Nachdem die Gefahr der Organisierten Kriminalität durch Clankriminalität über viele Jahre politisch und medial kaum thematisiert wurde, haben verschiedene Bundesländer, allen voran Nordrhein-Westfalen, das Thema Clankriminalität zu einer Priorität für die Innere Sicherheit erklärt. Permanente Razzien, Hausdurchsuchungen und Kontrollen sollen in Nordrhein-Westfalen die Clanstrukturen schwächen. Eine weitere Gegenmaßnahme der letzten Monate besteht darin, kriminell erlangtes Vermögen abzuschöpfen. Sachwerte, wie beispielsweise Immobilien, bei denen der Verdacht besteht, dass sie mit Geld aus illegalen Geschäften bezahlt wurden, dürfen von den Behörden beschlagnahmt werden. Gleiches gilt, wenn der Verdacht der Geldwäsche besteht.

Kriminelle Familienclans sind in den letzten Jahren und Monaten deutlich stärker in den Fokus der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) geraten: Im Jahr 2019 waren nach Angaben des Innenministeriums von NRW rund 6.100 Straftaten von 111 türkisch-arabischen Clans verzeichnet worden. Im Jahr 2018 waren es noch rund 4.600 Delikte von 104 Clans gewesen. Der regionale Schwerpunkt der Clankriminalität liege im Ruhrgebiet. Der Innenminister von NRW, Herbert Reul (CDU), sagte nach einer landesweiten Razzia Anfang Juni 2021, „das ist heute ein Schlag gegen die erste Liga der Clankriminalität“ und die „Politik der 1.000 Nadelstiche“ gegen die Clankriminalität habe sich ausgezahlt, es sei den Ermittlern gelungen „die DNA der Kriminellen“ zu entschlüsseln.21

Zur Bekämpfung der Clankriminalität existieren im Land Nordrhein-Westfalen (NRW) als auch für gesamte Bundesrepublik verschiedene Handlungskonzepte, die jeweils unterschiedliche phänomenologische als auch regionale Situationen berücksichtigen. In NRW wird eine Null-Toleranz-Strategie im Umgang mit dem Thema Clankriminalität verfolgt, die nach Angaben der Behörden in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Kontrollmaßnahmen mündete. Allein im Jahr 2019 führte die nordrhein-westfälische Polizei 871 Kontrollaktionen in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen im Rahmen der Einsatzkonzeption „360 Grad-Betrachtung wirksamer Maßnahmen gegen die Clankriminalität“ in NRW durch. Dabei wurden 2036 Objekte kontrolliert, darunter 828 Shisha-Bars, 216 Restaurants, 145 Wettbüros und 87 Spielhallen. Bei 199 kontrollierten Objekten kam es im Rahmen der Kontrollmaßnahmen zu Schließungen. Es wurden 1196 Strafanzeigen gefertigt und 3848 Ordnungswidrigkeiten festgestellt.22

Um eine nachhaltige Bekämpfung von Clankriminalität zu gewährleisten, zählt die Durchführung von Finanzermittlungen zum Standardrepertoire. Die Analyse der Finanzströme trägt zum Erkennen der Strukturen, zur Aufdeckung der Tatbeiträge und zur Identifizierung der im Verborgenen agierenden Profiteure bei. Eine Erfolgreiche Vermögensabschöpfung soll den kriminellen Netzwerken die Möglichkeit zur Geldwäsche, zur Realisierung von Gewinnen und zur Reinvestition in neue Aktivitäten entziehen. Im Jahr 2019 lag die Sicherungssumme durch vermögensabschöpfende Maßnahmen in 31 Verfahren gegen Clanangehörige und Mittäter bei über zwei Millionen Euro. Daneben ist zur Unterstützung der Bekämpfungsmaßnahmen seit dem Jahr 2018 im LKA NRW eine ressortübergreifende Ermittlungsgruppe aus Mitarbeitern von Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung und Polizei eingerichtet. Diese Task Force ermittelt in den Bereichen gewerbsmäßige Geldwäsche, Clankriminalität und organisiertem Sozialleistungsmissbrauch.23

Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zur "Sicherheitskooperation Ruhr zur Bekämpfung der Clankriminalität". V.l.n.r.: Thomas Kufen (Oberbürgermeister der Stadt Essen), Andreas Jung (Präsident der Bundespolizeidirektion Sankt Augustin), Herbert Reul (Innenminister NRW), Sören Link (Oberbürgermeister der Stadt Duisburg), Colette Hercher (Präsidentin der Generalzolldirektion), Norbert Dahmen (Rechts- und Ordnungsdezernent der Stadt Dortmund).
© Moritz Leick, Stadt Essen

Nach Angaben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen ist eine „effektive Bekämpfung der Clankriminalität nur durch die Vernetzung und Kooperation mit den zuständigen Sicherheits-, Ordnungs-, Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden möglich“. Als Beispiel für sich entwickelnde institutionalisierte Zusammenarbeitsformen im Kampf gegen die Clankriminalität ist die vom Innenministerium NRW eingerichtete „Sicherheitskooperation Ruhr zur Bekämpfung der Clankriminalität“ („Siko Ruhr“).

Ein weiterer Sektor ist die Prävention und hierbei die Entwicklung von Aussteigerprogrammen und präventiven Modelle, die vor allem Kindern und Jugendlichen Wege aus dem Clanmilieu aufzeigen soll.24

Fazit

Die vorrangig von Clankriminalität betroffenen Bundesländer – Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen sowie Bremen – haben in den letzten Monaten und Jahren unterschiedliche Konzepte und Maßnahmen entwickelt, um Clankriminalität, ihren Strukturen und Akteuren zu begegnen. Die an den staatlichen Gegenmaßnahmen gegen Clankriminalität beteiligten Behörden werden zukünftig ihre Taktiken und Mittel regelmäßig und frühzeitig auf ihre Wirksamkeit überprüfen müssen und die Kriminalpolitik der einzelnen Bundesländer muss die Flexibilität in der Bekämpfung von Clankriminalität erhöhen. Ein aktuell positives Beispiel hierfür ist das Land Nordrhein-Westfalen und seine Kriminalpolitik im Bereich der Gegenmaßnahmen von Clankriminalität. Noch mehr Fahndungsdruck und eine noch intensivere Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Politik sind nötig, um die Organisierte Kriminalität und Clankriminalität in Deutschland zurückzudrängen. Ein Schlüssel dazu ist die Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen und ein intensiverer regelmäßiger Informationsaustausch aller beteiligten staatlichen Akteure sowie die Stärkung der wissenschaftlichen Analysekompetenz in diesem Kriminalitätsbereich. Erste Erfolge im Kampf gegen die Clankriminalität sind zu verzeichnen, aber dieser Kampf steht immer noch relativ stark am Anfang.

-Dieser Beitrag stellt die persönliche Auffassung des Autors dar.-

 

Quellen:

1  Vgl. Goertz, S. (2020): Clankriminalität in Deutschland – eine aktuelle Analyse, in: Polizei Studium Praxis 3/2020, S. 3.
2  Bundeskriminalamt (2020): Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2019, 6.11.2020, S. 30.
3  Vgl. Bundeskriminalamt (2020): Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2019, 6.11.2020, S. 31.
4  Vgl. ebd., S. 31.
5  Vgl. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (2018): Clankriminalität –Lagebild NRW 2018, S. 6.
6  https://www.tagesschau.de/ausland/europa/anschlag-kriminalreporter-niederlande-105.html (20.7.2021).
7  Vgl. https://www.derwesten.de/staedte/duisburg/arabische-clans-libanesen-nrw-essen-ruhrgebiet-id216091719.html (21.7.2021).
8  Vgl. Goertz, S. (2020): Clankriminalität. Organisierte Kriminalität als Bedrohung für die Innere Sicherheit. In: Die Kriminalpolizei 2/2020, S. 27-28.
9  Vgl. ebd.; https://www.derwesten.de/staedte/duisburg/arabische-clans-libanesen-nrw-essen-ruhrgebiet-id216091719.html (22.7.2021).
10  Vgl. ebd.
11  Vgl. ebd.
12  Vgl. ebd.
13  Vgl. https://www.derwesten.de/staedte/duisburg/arabische-clans-libanesen-nrw-essen-ruhrgebiet-id216091719.html (23.7.2021).
14  Vgl.https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/brennpunkte_nt/article180405242/Bundeskriminalamt-hat-kriminelle-Araber-Clans-im-Visier.html (24.7.2021).
15  Vgl. Goertz, S. (2020): Clankriminalität. Organisierte Kriminalität als Bedrohung für die Innere Sicherheit. In: Die Kriminalpolizei 2/2020, S. 27-28.
16  Vgl. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, Clankriminalität – Lagebild NRW 2018, 2019, S. 17-19; Goertz, S. (2020): Clankriminalität in Deutschland – eine aktuelle
Analyse, in: Polizei Studium Praxis 3/2020, S. 4-5.
17  Vgl. ebd.
18  Vgl. ebd.
19  Vgl. ebd.
20  Vgl. ebd.
21  Vgl. https://www1.wdr.de/nachrichten/landesweite-razzia-clankriminalitaet-100.html (27.7.2021).
22  Vgl. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (2020): Clankriminalität NRW 2019, S. 24-26.
23  Vgl. ebd.
24  Vgl. ebd.

 

Über den Autor
Prof. Dr. Stefan Goertz
Prof. Dr. Stefan Goertz
Prof. Dr. Stefan Goertz, Professor für Sicherheitspolitik, Schwerpunkt Extremismus- und Terrorismusforschung, Hochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei
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