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Mercedes-Benz Guard

Moderner Sonderschutz im heutigen Automobilbau der Daimler AG

Von Helmut Brückmann

Als Erfinder des Automobils fühlt sich der älteste Automobilhersteller der Welt von jeher verpflichtet, die Automobiltechnik auf höchstem Niveau weiterzuentwickeln und immer wieder neue Maßstäbe zu setzen. Das gilt auch für sondergeschützte Automobile.

Die heutige Daimler AG ist nicht nur das älteste Automobil-Unternehmen der Welt, sondern auch der älteste Hersteller von sondergeschützten Personenkraftwagen und verfügt heute über die größte Produktpalette auf diesem Markt. Über die heutige Technik und der ihr zugrunde liegenden Schutzphilosophie sprach Markus Rubenbauer, Leiter Mercedes Benz Guard bei der Daimler AG in Stuttgart, anlässlich der 20. Fachkonferenz Personenschutz im Schlosshotel Prinz von Hessen in Friedewald. Diese Konferenz fand nur wenige Tage nach der Frankfurter Internationalen Automobilausstellung statt, bei der Daimler auch die neue sondergeschützte M-Klasse vorgestellt hatte (Schutzklasse VR4). Mit der sondergeschützten M-Klasse hat Daimler eine Marktlücke geschlossen, insbesondere in Lateinamerika, Mexico und Brasilien, wo gegen Straßenräuber ein leichterer Schutz genügt. „Aber“, sagt Rubenbauer, „wir haben auch schon aus Europa die ersten behördlichen Anfragen vorliegen, insbesondere für die Schutzklasse VR6.“

Markus Rubenbauer (vorne) Nach dem Vortrag, in der Kaffeepause, hatten die Tagungsteilnehmer im Hof des Schlosshotels Gelegenheit, den „Neuen“ aus der Guard-Familie zu besichtigen. Markus Rubenbauer, der nicht zum ersten Mal an der Fachkonferenz teilnahm, nutzte die Situation, den fachkundigen Konferenzteilnehmern die Modelle ML 500 in der Beschussklasse VR6 und VR4 sowie ein Fahrzeug der S-Klasse V12 (Prototyp) vorzuführen. Letzteres war eine richtige Premiere, denn der Prototyp der sondergeschützten neuen S-Klasse war nicht einmal während der IAA zu sehen gewesen, da er noch in der Erprobung war.

 

Anpassung an die Bedrohungsszenarien – ein ständiger Prozess

Wann immer Rubenbauer über die Sondergeschützten spricht, zeigt er gerne zwei Bilder, auf denen zwei Fahrzeuge der E-KLasse, gleich in Modell und Farbe, abgebildet sind. Dann bittet er zu entscheiden, welches der beiden Fahrzeuge gepanzert sei. Man muss raten, denn beide Fahrzeuge sind im Aussehen identisch – und Markus Rubenbauer mit dem ersten „modernen Automobil“. Foto: Daimler AGRubenbauer beim Thema: „Wenn Sie ein sondergeschütztes Fahrzeug benutzen, weil Sie es benötigen, dann möchten Sie eines nicht: auffallen! Die Unsichtbarkeit des Schutzes ist deshalb unser Ziel, wobei auch dem Laien klar sein dürfte, dass mit steigendem Schutz es auch immer schwieriger ist, dieses Ziel zu erreichen.“ In der Tat werden die Waffen der potenziellen Attentäter immer gefährlicher. Daimler kann für sich in Anspruch nehmen, gegen alle Angriffe gewappnet zu sein. Das geht bis zur Schutzklasse 10 und schützt damit sogar vor dem gefürchteten russische Scharfschützengewehr Dragunov (Kal. 7.62 x 54 Hartkern). Bei Daimler erfolgt eine ständige Anpassung an Waffentechnik und Bedrohungsszenarien. Alle technischen Verbesserungen durchlaufen ebenfalls die behördlichen Prüfverfahren, beispielsweise in den Beschussämtern von Ulm oder München. Wer viel Geld für ein sondergeschütztes Fahrzeug ausgibt, möchte natürlich keinerlei Abstriche bezüglich Komfort, Qualität und Haltbarkeit machen. Die Konstrukteure stellt das fast vor unlösbare Aufgaben, wenn ein hochtechnisiertes, luxuriös ausgestattetes Fahrzeug so bewehrt wird, dass es je nach Beschussklasse Sicherheit vor Angriffen bieten soll. „Das ist bezüglich des Gewichts etwa so“, sagt Rübenbauer, „als würde man einer S-Klasse noch eine E-Klasse aufs Dach schnallen. Dabei muss gewährleistet bleiben, dass alle Systeme des Fahrzeugs einwandfrei funktionieren – bis hin zu Nachtsicht- und Rückfahrkameras, trotz der 5 bis 6 cm dicken Scheiben.“ Es ist klar, dass die Konstruktion und der Bau der Fahrzeuge Zeit braucht. „Deshalb ist es wichtig, dass man im richtigen Moment das richtige Fahrzeug für die aus aller Welt stammenden Kunden bereithält. Und das mit oder ohne Behördenausstattung, für Heiß- und Kaltländer, nach EU-Norm und ohne, Erfüllung unterschiedlicher Abgasnormen.“

 

Alleinstellungsmerkmal integriertes Schutzsystem

Schon die paar Beispiele machen klar, dass die Erfüllung solcher Anforderungen nur möglich ist, wenn sie von Anfang an bei der Planung eines Fahrzeuges mit berücksichtigt werden. Auf einen Nenner gebracht heißt das, dass bei der Konstruktion eines jeden Fahrzeugtyps bereits eine mögliche sondergeschützte Variante in Erwägung gezogen wird. Diese Philosophie bei Daimler heißt denn auch „integriertes Schutzsystem“ und ist jedem Nachrüster haushoch überlegen. Hinzu kommt, dass auch die sondergeschützten Fahrzeuge in Sindelfingen vom Band laufen. Das dürfte weltweit einmalig sein und lässt Schlüsse auf die Stückzahlen zu. Apropos weltweit: Es gibt nur drei Automobilhersteller, die sondergeschützte Fahrzeuge herstellen. Alle drei befinden sich in Keine Zertifizierung ohne bestandenen, amtlichen Beschusstest. Foto: Daimler AGDeutschland. Selbstverständlich gibt es auch andere Hersteller, „die auf Bestellung als Sonderanfertigung eines ihrer Fahrzeug panzern“, damit zum Beispiel dem französischen oder amerikanischen Staatspräsidenten mit eigener Automobilindustrie erspart bleibt, in einer in Deutschland gefertigten Staatskarosse vorzufahren.

Auch wenn die sondergeschützten Fahrzeuge vom Band laufen, so bedeutet das nicht, dass es sich um Großserien handelt. „Uns ist es gelungen, die Fahrzeuge in einem Kleinserienprozess mit reproduzierbarer Qualität herzustellen. Wir verfügen damit über gleichbleibende Qualität und die nötige ballistische Prozesssicherheit.“ Dabei leistet es sich das Unternehmen, für jeden Fahrzeugtyp ein eigenes Band zu unterhalten – und für jedes Band jeweils für den Fahrzeugtyp geschulte Mitarbeiter einzusetzen.

Rund 1,5 Tonnen zusätzliches Gewicht bringt die sondergeschätzte S-Klasse auf die Straße. Deshalb sind der Der erste M-Guard wurde während der IAA 2013 vorgestellt. Foto: Daimler AGgesamte Triebstrang und die gesamte Federung des Fahrzeugs verstärkt; ebenso die Bremsen, die über zwei Bremskolben verfügen. Bei dem Gewicht des Fahrzeugs mag sich auch der Laie vorstellen, welche Schwierigkeiten zum Beispiel das EPS zu meistern hat. Bereits während des Rohbaus wird der Schutz, also der Stahl, integriert, sodass er später kaum mehr zu erkennen ist. Das wird dadurch erreicht, dass er meistenteils nach Innen aufträgt und dadurch für den Betrachter nicht als Panzerung erkennbar ist.

Dass die Prototypen der Schutzfahrzeuge auf Herz und Nieren geprüft werden, muss wohl nicht besonders erwähnt werden. Daimler lässt sich das was kosten. Beim Test im Beschussamt werden 500 Schuss auf das Fahrzeug abgegeben, von denen nicht einer die Panzerung durchschlagen darf, auch nicht an den neuralgischen Stellen. Das sind Übergänge zwischen Türe und Dach oder Türe und B-Säule, aber auch zwischen Glas und Blech. Durch geschickte Überlappung der Karosseriebleche wird verhindert, dass Projektile sich im Innern „totlaufen“, wenn sie doch einmal ein Blech überwunden haben sollten. Querschläger, verirrte Kugeln im Innenraum werden so verhindert.

 

Weltweiter Service

Die hoch technisierten Fahrzeuge werden buchstäblich in alle Welt geliefert, wodurch sich von selbst die Frage nach dem Service stellt. Rubenbauer: „Wir bieten einen weltweiten Service an, der auch funktioniert. Wenn irgendwohin ein sondergeschütztes Fahrzeug ausgeliefert wird, dann ist auch sichergestellt, dass eine Daimler-Werkstatt den Service mit geschultem Personal übernimmt. Und wenn es wirklich mal ganz spezielle technische Probleme gibt, fliegt ein Spezialist, wir nennen ihn Flying Doctor, aus Stuttgart mit den notwendigen Ersatzteilen ein.“ Daneben gibt es in vielen Ländern auch Guard-Kompetenz-Center, zum Beispiel in Russland, Middle-East und Brasilien.

Auch nach dem Kauf und der Übergabe des Fahrzeugs ist für Daimler die Sache nicht abgeschlossen und bietet Der M-Guard im Wüstentest in der ältesten Wüste der Welt, der Namib  Foto: Daimler AGdeshalb ein Fahrertraining an. „Das allein ist nichts Besonderes, denn das machen andere Hersteller auch“, sagt Rubenbauer. Aber: „Mit jedem Kauf eines Fahrzeugs ist gleichzeitig auch das Recht verbunden, kostenlos zwei Fahrer zu unserem Training zu schicken. Für Kunden aus den nördlicheren Regionen bieten wir inzwischen sogar ein Wintertraining an. Beim Training werden nicht nur geschützte, sondern auch nicht geschützte Fahrzeuge eingesetzt. Es ist nämlich wichtig, dass man den Unterschied zwischen einem 1,5 t SLK und einem 4-t S-Guard kennt. Das Training schlaucht gewaltig, sodass abends die Hotelbar von unseren Kursteilnehmern meist nicht besucht wird.“ Was nicht angeboten wird, ist die Beherrschung besonderen Gefahrensituationen, wie Durchfahren von Feuer oder anderen Bedrohungsszenarien. Rubenbauer nimmt zu solchen Forderungen eindeutig Stellung: „Für solche Szenarien hat jede Sicherheitseinheit in einer Behörde oder in einem Unternehmen ihre eigene Philosophie. Da mag jeder üben, wie und was er will. Wir sind Automobilbauer! Uns ist bei unserem Fahrertraining wichtig, dass die Fahrer das Fahrzeug beherrschen und nicht umgekehrt.“