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 Marco Mille mit Plenum. Foto: privat

Eine Institution wird 20

Bericht zur 20. Personenschutzkonferenz am 25. und 26. September 2013 im Schlosshotel „Prinz von Hessen“ in Friedewald

Von Heidi Prochaska

Der von Statur eher kleine Mann steht auf, ergreift das Mikrofon und spricht die einleitenden Worte zur 20. Personenschutzkonferenz. Mehr als vierzig, vorwiegend männliche Teilnehmer verstummen und hören einem Mann zu, der gerne betont, dass Reden halten nicht sein Metier ist und er diese Passion lieber seinen hochkarätigen Referenten überlässt.

Dennoch geben seine Worte der Veranstaltung, die zur Institution geworden ist, Struktur und Rahmen. Vierzig Tage Fachkonferenz Personenschutz mit annähernd 250 Fachvorträgen, gehalten von Experten aus aller Welt – das kann sich sehen lassen.

Nein, ich will Helmut Brückmann nicht auf einen Sockel heben und ihn als „Sicherheitskönig“ feiern; es wäre ihm unangenehm. Doch dieser kurze Ausflug in die 20-jährige Arbeit für eine kleine, exklusive Branche ist erwähnenswert. Natürlich hat er Unterstützer, Mitstreiter und Ideengeber. Ganz nah und immer an seiner Seite: Inge Schuch, die jeder der zwanzig Konferenzen organisatorisch mit vorbereitet hat. Fachlich höchst kompetent: der Fallanalysenspezialist Bernd Pokojewski. Er und Inge Schuch sind die Einzigen, die auch an allen 20 Veranstaltungen teilgenommen haben.

Wieder dabei, verlässlich und innovativ: Stefan Bisanz, der einzige öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Personenschutz in Deutschland; und viele, viele mehr. Manchmal geht Brückmann allerdings seine ganz eigenen Wege, lädt Referenten ein, über die andere nur den Kopf schütteln, und freut sich beinahe diebisch, wenn diese seine Erwartungen erfüllen und der Vortrag überraschend gut ankommt.

Die 20. Personenschutzkonferenz ist dieses Jahr ein kleines Meisterwerk. Die Vorträge wirken abgestimmt, greifen thematisch ineinander und ergänzen sich wie selten. Die Referenten glänzen mit Offenheit, Klarheit und dem Bekenntnis, sich ihrer Aufgabe ganz verschrieben zu haben.

Den Reigen der Fachreferate eröffnete – wie meist in den letzten Jahren – Bernd Pokojewski mit Fallanalysen. Er belegte, dass Schuhwerfen auf Politiker nicht nur eine Schmähgeste im Orient ist. Offenbar gehört diese Art von Protest mittlerweile auch in Deutschland und in der Schweiz zum Brauchtum von Demonstranten.

Einer der Höhepunkte war sicherlich der intensive, mit sehr vielen persönlichen Empfindungen, Gedanken und Details versehene Vortrag über eine Entführung. In der Kaffeepause signierten Daniela Widmer und David Och ihr Buch. Die junge, hübsche dreißigjährige Daniela Widmer steht vor gesetzten Sicherheitsexperten und beschreibt mit schweizerischem Akzent achteinhalb Monate ihres Lebens in Gefangenschaft bei den Taliban. Sie selbst bezeichnet die sechstausendzweihundert Stunden als Kampf gegen die tägliche Todesangst. Sie wirkt gefasst und zerbrechlich zugleich. Gespickt mit nachrecherchierten Daten und Fakten, rast sie in rhetorischer Höchstgeschwindigkeit an 259 Tagen Geiselhaft vorbei, die nun zu ihrem Leben gehören. Ihr Partner, David Och, redet ebenfalls sehr schnell und verarbeitet schwierige Situationen mit Selbstironie, ganzem Körpereinsatz und bewegender Gestik und Mimik. So scheint die Schwere dieses „besonderen Lebensabschnitts“ für das Publikum und ihn selber eine Spur erträglicher.

Wie eine Einstimmung auf das Referat des Schweizer Paares berichtete zuvor Mario Schulz, Polizeirat und Leiter Personenschutz Ausland der Bundespolizei, über Stressbelastungen bei Geiselnahmen anhand eines Beispiels. Natürlich dürfen von ihm vorgetragene Beispiele keine wahren Fälle beschreiben. Dennoch zieht er das Publikum in seinen Bann. Mancher Zuhörer fragte sich, ob der Vortrag denn tatsächlich nur ein fiktives Beispiel beschreibt. Und mancher Personenschützer mag sich auch die Frage stellen, wie er wohl selbst in solchen Ausnahmesituationen reagieren würde.

Den Blick in ein „geschütztes Leben“ erlaubte zum ersten Mal eine weibliche Schutzperson, deren Schutzsituation Ein gelungener Versuch: Brigitte Lehner und Heidi Prochaska referieren im Dialog.mehr als 10 Jahre her ist. Helmut Brückmann stellte sie und ihre damalige Personenschützerin mit den Worten vor: „Ich weiß auch nicht genau, was jetzt auf uns zukommt. Zwei Referenten im Dialog haben wir noch nicht gehabt.“ Doch schnell überzeugten die beiden Frauen das kritische Publikum mit zum Teil individuellen Maßnahmen, großer Offenheit, klaren Worten und einem ungewöhnlichen Fazit. Brigitte Lehner, die Schutzperson, gestand freimütig, dass die sehr frühzeitige Einstellung einer Personenschützerin ihr Freiheit und Lebensqualität geschenkt hat. Das dem Publikum vorgelesene Feedback ihrer drei nun erwachsenen Kinder bestätigt ihre Bewertung. Sie verbinden auch nach vielen Jahren Personenschutz mit einem Gefühl der Sicherheit.

Wie sich das Leben einer Unternehmerfamilie nach einem Entführungsfall ändert, schilderte Stefan Bisanz, der als Prozessbeobachter am Tübinger Landgericht diesen Fall über ein Jahr lang begleitete. Er machte nicht nur das Täterprofil sichtbar, sondern auch den genauen Tathergang aus den unterschiedlichen Perspektiven – aus Täter und Opfersicht. Genau diese Situation wollte Brigitte Lehner als Schutzperson niemals erleben. Sie wurde während der Schilderungen ein paar Mal blass und bekam auf diese Weise nach vielen Jahren die Gewissheit, sich damals richtig entschieden zu haben.

Diskussionsstoff lieferten die Vorträge von Martin Kreutner über Korruption und Whistleblower sowie Dr. Hans-Christoph Quelle über den Abhörschutz und das derzeit sicherste Kommunikationsmittel auf dem Markt. Für die meiste Bewegung sorgte Markus Rubenbauer, der allen Autofans drei sondergeschützte Daimler in den Hof des Der bisher noch nicht offiziell vorgestellte Mercedes Guard war umschwärmt. Fotos (4): VekoSchlosshotels stellte. Nach seinem theoretischen Vortrag im Rittersaal (es wurde ja in einem Schloss getagt) setzte Rubenbauer seinen Vortrag zwischen den mitgebrachten Fahrzeugen fort. Eins der Fahrzeuge war brandneu; es durfte nur durch einen Testfahrer bewegt werden, da die Straßenzulassung und die letzte Beschussprüfung noch fehlten.

Marco Mille, Leiter Konzernsicherheit bei Siemens, verzahnte in seinem Vortrag Personenschutz und Konzernsicherheit zu einem funktionierenden Sicherheitsgetriebe mit dem Ergebnis: Eine Win-win-Situation für beide Seiten.

Den Vortragsreigen schloss Volker Wilken, Berufsfeuerwehrmann im gehobenen technischen Dienst der Feuerwehr in Frankfurt/M. Er bewies eindrucksvoll, dass man wahrhaftig keinen Sprengstoff benötigt, um die Hauptversammlung einer AG zu sprengen. Viel einfach geht’s mit Händeschütteln. Plakat der Aktion Saubere Hände. Noch immer werden 90 Prozent aller Krankheiten durch die Hände übertragen. Man kann aber auch sehr einfach Türklinken oder das angerichtete Büfett mit Viren infizieren. Wer von den anwesenden Personenschützern kümmert sich um solche Aspekte, wenn der Vorstand zu seinen Beratungen zusammenkommt? Welche Sicherheitsmaßnahmen werden in dieser Hinsicht in Bars oder zweifelhaften Etablissements angewendet? Der Referent erhielt auf seine rhetorischen Fragen natürlich keine Antwort.

„Und morgen seid ihr tot“. Diesen Satz hörten Daniela Widmer und David Och während ihrer Gefangenschaft unzählige Male. Sie haben darüber ein Buch geschrieben, welches es sogar auf die Bestsellerliste des SPIEGEL brachte. Jeder Teilnehmer erhielt ein Exemplar, das sich mancher von den beiden Autoren signieren ließ. Zur Erinnerung an die 20. Fachkonferenz gab es für jeden Teilnehmer noch eine gravierte moderne MagLite.

Zum Schluss bleibt mir nur noch zu sagen: „Vielen Dank Helmut Brückmann für eine ganz besondere Personenschutzkonferenz“.


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