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 Kontinuität plus Technik und Wirtschaftsschutz

Unmittelbar vor seiner ersten Vorstandssitzung nach seiner Wahl zum Präsidenten des BDSW Bundesverband der Sicherheitswirtschaft am 7. August 2013 hat Helmut Brückmann sich mit Gregor Lehnert (60) zu einem Interview getroffen. Lehnert, gelernter Polizeibeamter aus dem Saarland und späterer Staatssekretär in Thüringen, betreibt heute fünf eigene Sicherheitsunternehmen im Saarland und Rheinland-Pfalz. Die letzten drei Jahre war er einer der Vizepräsidenten des BDSW.

 

Helmut Brückmann: Herr Lehnert, herzlichen Glückwunsch zur Wahl als Präsident des BDSW. 91 Prozent der Delegierten haben für Sie votiert. Gegenkandidaten gab es nicht. Verhältnisse wie einst in der DDR?

 

Gregor Lehnert: Da es keinen Gegenkandidaten gab, habe ich darauf bestanden, dass geheim abgestimmt wird, also nicht per Akklamation. Zum einen hatte ich bei dem Wahlergebnis natürlich ein ambivalentes Gefühl. Ein Gegenkandidat wäre mir lieber gewesen. Zum anderen habe ich mich natürlich über dGregor Lehnertas mir entgegengebrachte Vertrauen gefreut. Ein Unbekannter war ich ja nicht, denn ich war bereits die letzten drei Jahre Vizepräsident. Man kannte also mich und meine Arbeit. Bei meiner Vorstellungsrede habe ich gesagt, dass ich bestimmte Eckpunkte habe, die ich im Falle der Wahl umsetzen würde. Alle wussten also, wen sie wählen. Ich bin zwar schon sehr lange im Verband, arbeite jedoch erst richtig nach der Wahl zum Vizepräsidenten mit, nachdem meine beiden Söhne in meine Unternehmen „eingestiegen“ sind und mir dadurch eine zeitliche Entlastung verschafften.

 

Ihnen geht der Ruf voraus, dass Sie als Präsident einiges anders machen werden als Ihr Vorgänger, zum Beispiel mehr Gewicht auf den Bereich Sicherheitstechnik legen werden – ein Gebiet, das bisher sehr vernachlässigt wurde, obwohl der Verband sogar seinen Namen in Bundesverband der Sicherheitswirtschaft änderte.

 

Gregor Lehnert: Das ist korrekt. Ich werde keinen Bruch mit der Arbeit meines Vorgängers vornehmen, sondern neben der Arbeit in der Tarifpolitik den Fokus stärker auf die Technik legen. Die Tarifpolitik meines Vorgängers, Stichwort Mindestlohn, werde ich fortsetzen und wird ein zentrales Thema bleiben.

 

 

Mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di liegt Ihr Verband ja schon seit Monaten im Clinch, worüber Flugreisende ein Lied singen können.

 

Gregor Lehnert: Ja, es gibt einen Streit mit ver.di oder Dissensen mit ver.di dahin gehend, dass ich der Meinung bin, ver.di macht im Augenblick keine Tarifpolitik und keine normalen Tarifverhandlungen, wie man sich das wünscht in einem Miteinander der Sozialpartner. Zurzeit wird da ein Stück Politik im wahrsten Sinne des Wortes gemacht: Es werden Forderungen in den Raum gestellt in der Erwartung, die Politik werde jetzt, wenige Wochen vor einer Bundestagswahl, diese Gedanken aufgreifen, Beträge übernehmen und Fakten schaffen, was wir so nicht wollen. Das ist keine Tarifpolitik, sondern das ist klassische Politik. Wir aber machen Tarifpolitik und führen Tarifverhandlungen. Das ist für mich etwas anderes.

 

Wenn ich richtig informiert bin, gab es mit ver.di in Sachen Mindestlohn schon eine informelle Einigung, die aber plötzlich widerrufen wurde.

 

Gregor Lehnert: Stimmt. Wir hatten in Vorgesprächen auf sachlicher Ebene bereits eine weitgehende Einigung erzielt. Plötzlich wurden alle Gespräche abgebrochen. Ver.di lebt im Augenblick in der Vorstellung, die Gunst der Stunde nutzen zu können und Tarifanhebungen zu fordern, die im Markt nicht verträglich sind. Und das ist unser Problem. Ver.di versucht jetzt, über ausgesuchte Bereiche wie beispielsweise Aviation, einen Hebel anzusetzen, um auf diesem Wege eine allgemeine Tarifanhebung abschließen zu können. Diesen Hebel zulasten Unbeteiligter anzusetzen, ist in der Sache unfair, das ist nicht in Ordnung. Geschäftsleute, Urlauber, Airlines und Flughafenbetreiber für die eigene Tarifpolitik zu missbrauchen, ist erbärmlich. Das muss man denen auch klipp und klar sagen. Und das tun wir auch.

 

Damit ist der Mindestlohn in diesem Jahre passé?

 

Gregor Lehnert: Der wird in diesem Jahr wohl nicht mehr Realität werden, obwohl es möglich gewesen wäre. In wenigen Minuten wird dies Thema unserer Vorstandssitzung sein.

Ich möchte dem Ergebnis jetzt nicht vorgreifen, aber in der Tat ist es so, dass die Verhandlungen festgefahren sind. Weil auch dort ver.di in der Vorstellung lebt, und das sagen die auch: „Die Politik wird es richten“. Nach dem 22. September wird es einen allgemeinen, branchenübergreifenden Mindestlohn von 8,50 € geben. Warum sollen die mit uns unterhalb dieser Schwelle noch irgendwelche Vereinbarungen treffen? Und auf meine Frage, was macht denn dann überhaupt noch einen Sinn, dass wir über Tarife verhandeln, dann wird mir gesagt: „Ja, die 8,50 €, die stehen dann mal und dann setzen wir uns zusammen und reden über on top.“ Das ist fern der Realität im Markt. Wir müssen jetzt aufpassen, dass Kunden nicht eine Gegenrechnung aufmachen und sagen: „Was wir mal outgesourced haben, das war ja ganz vernünftig und richtig. Doch wenn uns das zu teuer wird, dann machen wir unsere Sicherheit wieder selbst und arbeiten mit eigenem Personal wie früher.“ Die wirtschaftliche Situation ist ja längst nicht so toll, wie sie immer dargestellt wird. Es gibt ja durchaus Branchen, die Probleme haben. Und wir arbeiten branchenübergreifend. Ich muss als Verband immer das Ganze sehen. Ich mache ja keine Tarife für einen Kunden X und andere für den Kunden Y, sondern wir machen einen Tarif für die Branche. Und die Branche muss diesen Lohn im gesamten Markt umsetzen können. Das gilt für die ganz Großen in unserem Verband, aber auch für die Kleinen und für die Mittleren.

 

Sie wollen auch das Thema Wirtschaftsschutz forcieren?

 

Gregor Lehnert: Ja, darf ich anknüpfen an das, was ich vorhin gesagt habe? Die Kontinuität im Bereich Tarifpolitik in der Nachfolge Wolfgang Waschulewskis und die etwas stärkere Fokussierung auf Zukunftsthemen im Verband sind unsere Schwerpunkte. Dabei ist das Thema Wirtschaftsschutz ebenfalls ganz wichtig. Denn die meisten unserer mittelständischen Kunden haben keine eigene Sicherheitsabteilung. Fragen der Sicherheit, die nicht in die Kompetenz des Werkschutzes fallen, bleiben meist unbeantwortet. Eine kompetente Beratung gibt es selten, ist aber in unserer global vernetzen Welt erforderlich. Das hat auch die Politik begriffen und sucht nach Lösungsmöglichkeiten im Sicherheitsgefüge unseres Landes. Wir haben uns als Verband für dieses Tätigkeitsfeld zur Verfügung gestellt und möchten mit Unterstützung von Sicherheitsbehörden unsere Arbeit anbieten. Womit gleichzeitig auch diese Behörden selbst entlastet würden.

Dazu ist es erforderlich, dass wir auch auf diesem Gebiet der Sicherheit eine hohe fachliche Kompetenz erhalten. Es gibt einige hundert Unternehmen, die dann davon profitieren können. Das hat auch die Politik verstanden und uns weitgehende Unterstützung zugesagt, da wir bundesweit tätig sind. Wirtschaftsschutz mit seinen weit gespannten Themenfeldern ist ein wichtiges Zukunftsprojekt unseres Verbandes. Wir gehen das Thema zunächst politisch an und sind in Berlin auf offene Ohren gestoßen. Gespräche mit Bundesoberbehörden stehen auf unserer Agenda für die nächsten Monate.

 

Dabei wird manches Ressentiment zu überwinden sein. Viel Glück.

 

 

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