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FirstLook Wurfroboter im Einsatz.

Vom Fernlenkmanipulator zum robotischen Fahrzeug

Von Peter Weiss

Vor dem Hintergrund der terroristischen Anschläge in Boston und der damit verbundenen Videoaufzeichnungen über die eingesetzten Hilfsmittel der Polizei wurden insbesondere die Einsatz-„roboter“ in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gebracht.
Im englischen Sprachgebrauch werden Fernlenkmanipulatoren grundsätzlich als Roboter bezeichnet. In der deutschen Sprachen bemühen wir uns, hier eine gewisse Unterscheidung vorzunehmen.

Beim Fernlenkmanipulatorfahrzeug, wie es bei der Polizei und beim Militär für die Fernmanipulation voniRobot 510 PackBot. Foto: ELP verdächtigen Objekten in der Vergangenheit und auch noch jetzt benutzt wird, handelte es sich im Grunde genommen um eine „Marionetten“-Maschine, die nur als die verlängerte Hand des bedienenden Entschärfers zu verstehen ist. Jeder Befehl wurde auf einem Eingabepult eingegeben und über Kabel oder Funk an das Fahrzeug als Fahr- oder Bewegungsvorgabe jedem einzelnen Gelenk des Systems weitergegeben. Die Beobachtung der Bewegungen und des Umfeldes erfolgte über diverse Videokameras. Die Anzahl und die intelligente Verteilung der Kameras  bestimmte die Effizienz der Fahrzeugkontrolle. Analoge Wirkfunk- und Großes Manipulatorfahrzeug. Foto: ELPVideoübertragungen zeigten häufig – auch im Einsatz – ihre Grenzen.

Computerbasierte, digitalisierte Steuerungen revolutionierten diesen Entwicklungsstand vor ca. 10 Jahren durch die Verwendung von computerisierten Befehlskonsolen und ebenfalls computerisierten Chassisantriebe. Die Kommunikation zwischen diesen beiden Computer-Befehlsstellen erlaubt es, dass Einzelbewegungen intelligent zusammengelegt bzw. überlagert werden und so die Einzelgelenksteuerung weitestgehend überflüssig wurde. Weiterhin waren jetzt programmierte Ausgangspositionen für bestimmte Arbeitsfunktionen möglich. Die Wirkfunk- und Videoübertragung erfolgten digitalisiert mit höheren Framerates; Bildszenen wurden flüssiger und Abbrüche innerhalb des definierten Sendebereichs nahezu eliminiert. Die Spread-Spectrum-Technologie ermöglichte eine bessere „Funkausleuchtung“ durch die Nutzung von Reflexionen in der Einsatz-Umgebung. Größenverhältnis. Foto: ELPAll diese Entwicklungen führten zu einem gewaltigen Entwicklungssprung bei den Fernlenkmanipulatoren.

Das Ziel dieser Entwicklungsschritte ist die Schaffung von semi- und vollautonomen Funktionen, die es dem Anwender erlauben oder zumindest erleichtern, sich auf die Kernelemente seiner Aufgabe im Einsatz zu konzentrieren. Der Begriff Roboter wird nun auch in der deutschsprachigen Begrifflichkeit verständlich.

Bei vielen Polizeieinsätzen, beim Militär in der IED- und EOD-Bekämpfung folgen die Fahrzeugprodukte der Firma iRobot Inc. (europäischer Partner ist die Firma ELP GmbH in Wuppertal) konsequent dieser Entwicklung bzw. zeigen die vorderste Frontlinie der hier verwendeten Technologien auf. Ende 2011 wurde die Softwarearchitektur AWARE2 als serienreif erklärt und in den Produktionslosen implementiert. Vorhandene Fahrzeuge älterer Version sind komplett nachrüstbar.

AMREL Laptop mit Handcontroller. Foto: ELPAuf der M-ELROB im Herbst 2012 in Thun, organisiert vom Fraunhofer Institut, konnte der aktuelle Entwicklungsstand von ELP GmbH überzeugend vorgeführt werden.
AWARE2 wird auf einem AMREL-Laptop (ähnlich ROCKY) als Bedienplattform geliefert. Die eigentliche Fahrzeugbedienung erfolgt über einen „game-Controller“ (eine modifizierte Ausführung des Logitech-controllers). Da AWARE2 auf den PackBot-Fahrzeugversionen genauso wie auf dem großen Fahrzeug „720®“ implementiert ist, können alle Fahrzeuge über dieselbe Bedienplattform gesteuert  werden.

Durch Eingabe der Seriennummer erkennt AWARE2 welches Fahrzeug, welche Fahrzeugkonfiguration und welcher Fahrzeugtyp zu steuern ist und stellt das Menü mit allen Parametern auf dieses Fahrzeug ein.

In der Folge werden einige der Aware2 Funktionen kurz geschildert:

GPS-Kartierung
GPS-Orientierung. Ein geo-referenziertes Bild (Luftbildaufnahme, Karte, Satellitenbild) wird auf den Laptop aufgespielt. Bei der Fahrt des Fahrzeuges erfolgt eine Verfolgung (Überlagerung der Fahrzeugpositionen) des Fahrweges. Interessante Punkte können markiert zur späteren Untersuchung neu angefahren werden.

Retro-Traverse-Funktionen
Bei Verlust der Kommunikation fahrt das Fahrzeug autonom entsprechend der letztgegebenen Befehle bis zu 20 m bzw. bis zum Punkt des Kommunikationsverlustes zurück.

Selbstaufrichtung
Bei einem Umfallen des Gerätes informiert das Fahrzeug den Bediener und fragt, ob es sich selbst aufrichten und seine Mission fortführen darf.

Kurshaltung
Das Fahrzeug fixiert das vom Bediener anvisierte Ziel und gleicht aufgezwungene Richtungsänderungen (z.B. durch Schlaglöcher) selbständig aus.

Programmierte Armstellungen
Der Bediener kann bis zu drei zusätzliche Armpositionen als operative Ausgangsposition selbständig programmieren.

Greifkraftanzeige
Die effektive Greifkraft der Manipulationshand wird als Balkendiagramm angezeigt. Greifer und Kopfkamera können vom Bediener präzise gezielt geführt werden, ohne Rücksicht auf die Einzelgelenke des Arms zu nehmen. Bei Manipulationsaufgaben hält die Fahrkamera den Greifer in der Bildmitte.

Steuerung
Die Steuerung erfolgt alternativ entweder über den „game controller“ oder die Laptop-Tastatur.

Alle Fahrzeuge der Firma iRobot in ihrer aktuellen Version laufen nun unter der Softwarearchitektur AWARE2. Hierdurch ist die nahezu für alle Fahrzeuge abgeschlossene Entwicklung der „MESH“-Fähigkeit untereinander möglich. „MESH“ bedeutet, dass die Fahrzeuge untereinander kommunizieren und gegenseitig sich als Repeater oder Relaisstation unterstützen.

FirstLook mit Steuerpult. Insbesondere beim Einsatz des Wurfroboters „First Look“ bietet es sich an, diesen zusätzlich als Relaisstation für PackBotEOD und/oder 720® einzusetzen und so die Funk-/Videoübertragungsweite um einige hundert Meter zu erweitern.

Es liegen noch viele Entwicklungsschritte bis zum völlig autonom funktionierenden Gerät vor uns, aber der momentane Entwicklungsstand zeugt beeindruckend vom kontinuierlichen Forstschritt auch im Dienste des einzelnen Entschärfers.

AWARE2 erlaubt die Einbindung von Sensoren unterschiedlicher Hersteller in die Steuerungssoftware des Fahrzeuges. Einmal vom Programm erkannt, ist die Einbindung des jeweiligen Sensors problemlos und schnell auch im Feld möglich. Die Software erkennt nicht nur den Sensor, sie richtet auch die entsprechenden Parameter für die interne Kollisionsvermeidung ein.

Bei den Einsätzen in Boston konnte der in einem Boot versteckte Täter ausgemacht werden und anhand der dann verfügbaren Detailinformationen die Operation beendet werden.

In Fukushima sind zwei Geräte des Typs PackBot und zwei des Typs 720 seit nunmehr über zwei Jahren in der sogenannten heißen Zone im Einsatz und führen Erkundungs- und Reinigungsarbeiten durch.

 

 

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