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EUMEVIDEX Meeting Maranello Delegation Österreich
Foto: © Bundeskriminalamt Österreich

Leichte Beute

Von Siegbert Lattacher

Autos mit einem schlüssellosen Zugangssystem werden immer öfter gestohlen. Die Polizei setzt in der Bekämpfung der meist ausländischen Tätergruppen auf internationale Kooperation.

Die Zahl an Kfz-Diebstählen nimmt ab, trotzdem werden laut Polizei zunehmend Autos und Motorräder mit schlüssellosen Zugangssystemen (Keyless Go) gestohlen. Die Zentralverriegelung wird per Funk entsperrt, wenn sich der Autobesitzer dem Fahrzeug mit dem Keyless-Schlüssel nähert. Bei Motorrädern wird das Lenkerschloss entriegelt. Das Fahrzeug kann ohne Zündschlüssel durch Druck auf den Startknopf gestartet werden.

Autodiebe verwenden elektronische Tools, die den Fahrzeugschlüssel von Fahrzeugen mit einem „Keyless-Go-System“ simulieren. Sobald sich der Fahrer mit dem Keyless-Schlüssel vom Fahrzeug entfernt, begeben sich die Diebe in seine Nähe und bauen mit einer „Funkstreckenverlängerung“ eine Funkbrücke zum Kfz auf. Dabei täuschen sie dem Auto die Nähe des Schlüssels vor und können es über eine größere Entfernung hinweg geräuschlos öffnen und starten.

„Die Diebe hinterlassen in der Regel keine Spuren“, sagt Georg Pöchacker vom Büro 3.2 (allgemeine Kriminalität) im Bundeskriminalamt. „Das Auto fährt, bis der Motor abgestellt wird oder der Treibstoff verbraucht ist. Die gestohlenen Autos werden meist ins Ausland gebracht, wo ein neuer Schlüssel programmiert wird.“ Diese Diebstahls-Methode ist seit einigen Jahren bekannt und betrifft nur Autos mit Keyless-Go-Systemen.

Fahrzeug-Identifizierung. Hinter den Diebstählen stecken organisierte Tätergruppen, die international tätig sind. Die Täter verändern häufig individuelle Merkmale der Fahrzeuge, um deren Identifizierung zu verhindern. Die Polizei in Deutschland und in Österreich erstellte Fahndungsbehelfe, die es den Kollegen erleichterten, gestohlene Fahrzeuge zu erkennen. Im Herbst 2000 wurde auf Initiative des bayerischen Landeskriminalamts die Arbeitsgruppe „EuFID – Europäische-Fahrzeug-Identifizierungs-Datei“ ins Leben gerufen, in der auch Österreich vertreten ist. EuFID wurde in mehrere Sprachen übersetzt und steht Kfz-Fahndungsspezialis­ten in Europa zur Verfügung. EuFID kann in Österreich von jeder Polizistin und jedem Polizisten eingesehen werden.

Internationale Zusammenarbeit

Autodiebe verwenden elektronische Tools, die den Fahrzeugschlüssel von „Keyless-Go-Systemen“ simulieren
Foto: © ADAC
Viele Fahrzeuge, die in Österreich gestohlen werden, landen meist im Ausland. Hochwertige Fahrzeuge werden oft auf Bestellung gestohlen. Daher ist in der Bekämpfung der Kfz-Kriminalität die Kooperation mit ausländischen Polizeibehörden und Fahrzeugherstellern notwendig. Mag. Ewald Ebner, Mag. Martin Hofer, Georg Pöchacker, Horst Reisner, MSc vom Bundeskriminalamt sowie Andreas Kummer und Andreas Köck von der Soko Kfz, Andreas Hamberger von der Soko Kfz West und Johannes Sinnhuber vom Landeskriminalamt Niederösterreich nahmen im Mai 2018 an Tagungen zur Bekämpfung der Kfz-Kriminalität teil. Darunter an der Europatagung für Kfz-Identifizierungs-Experten (European Meeting of Vehicle Identification Experts – EUMEVIDEX) vom 7. bis 9. Mai 2018 bei der Ferrari-Hauptverwaltung in Maranello in Italien. Experten aus ganz Europa diskutierten dort über Strategien und Methoden, wie man entfremdete oder manipulierte Fahrzeuge oder Fahrzeugteile erkennen kann. In Salzburg fand vom 22. bis 23. Mai 2018 die jährliche Tagung des Fahrzeugdaten-(FADA)-Arbeitskreises statt. Daran nahmen neben Vertretern von Fahrzeugherstellern, Ermittler aus Österreich, Deutschland und Südtirol teil. Die Veranstaltung wurde vom Bundeskriminalamt ausgerichtet. Mit der FADA-Anwendung kann vom Hersteller eine Auskunft über Fahrzeugdaten erlangt werden.

In Cancun in Mexiko fand Ende Mai 2018 die 3. Interpol-Weltkonferenz zur Bekämpfung der internationalen Kfz-Kriminalität statt. Österreich war durch Georg Pöchacker und Andreas Köck (Soko Kfz) vertreten. Die dreitägige Arbeitstagung wurde vom Interpol-Generalsekretariat Lyon in Zusammenarbeit mit Mexikos Generalstaatsanwaltschaft (Procuradoría General de la República) organisiert. Die Tagung diente zur Förderung des Informationsaustausches und zur Ausarbeitung von Strategie- und Operationsmaßnahmen gegen die internationale Kfz-Kriminalität.

Soko Kfz

In der Bekämpfung der Kfz-Kriminalität ist die seit 2009 tätige Sonderkommission Kraftfahrzeug (Soko Kfz) des Bundeskriminalamts erfolg­reich. Die Soko-Mitarbeiter forschten 2017 37 Verdächtige aus und nahmen 13 davon fest. 161 gestohlene Kfz mit einer Schadenssumme von 3,7 Millionen Euro wurden Tätergruppen zugeordnet. 34 Kfz im Gesamtwert von über zwei Millionen Euro wurden im In- und Ausland sichergestellt. Neben den operativen Maßnahmen unterstützen die Ermittler der Soko Kfz in- und ausländische Dienststellen bei Anfragen und Überprüfungen und sind für Aus- bzw. Weiterbildung zuständig. Auch bei der internationalen Bekämpfung des Handels mit gestohlenen Fahrzeugteilen leis­tet die Soko Unterstützung. Nachdem im ersten Quartal 2017 eine Steigerung der Zahl von Pkw-Diebstählen in Wien und Niederös­terreich festgestellt wurde, ermittelten die Soko-Mitglieder mit Kollegen der Landeskriminalämter Wien und Niederösterreich fünf serbische Tätergruppen und nahmen Täter auf frischer Tat fest.

Tests

Experten des deutschen und des österreichischen Automobilclubs – ADAC und ÖAMTC – haben 25 Fahrzeuge mit „Keyless“-System getestet. (www.adac.de/keyless). Alle ließen sich mit einer relativ einfachen Methode öffnen. Nach Ansicht der Automobilclub-Experten lassen sich die für den Diebstahl erforderlichen Geräte mit geringem Aufwand aus handelsüblichen Elektronikbauteilen herstellen.

Tipps gegen Kfz-Diebstahl

Sichergestellte Sende- und Empfangseinheit für die Schlüsselsignale
Foto: © Bundeskriminalamt Österreich
Die Polizei rät Fahrern, die ein Auto mit der Keyless-Go-Technologie besitzen, ihr Fahrzeug in einer versperrbaren Garage abzustellen. Der Autoschlüssel sollte geschützt werden, damit die Funkwellen des Schlüssels nicht ins Freie dringen und verlängert werden können. Diebe, die Keyless-Go-Autos stehlen, müssen diese mit laufendem Motor tanken, weil das Fahrzeug nach abstellen des Motors nicht mehr gestartet werden kann. Wer das beobachtet, sollte das Kennzeichen des Autos notieren und die Polizei verständigen. Mechanische oder elektronische Sicherungen können das Wegfahren verhindern oder erschweren.

Mechanische Sicherungen: Ein Sperrstock am Lenkrad verhindert ein Lenken. Er sollte alarmgesichert sein. Mechanische Gangschaltungssperren verhindern das Schalten und das Fortbewegen des Fahrzeuges. Sie blockieren das Schalten im eingelegten Rückwärtsgang (manuelles Getriebe) oder in eingelegter Parkposition (Automatikgetriebe), sodass andere Gänge oder Wählstufen zum Losfahren nicht eingelegt werden können. Mechanische Sicherungen eignen sich für ältere Fahrzeuge, stellen aber keinen Einbruchsschutz dar.

Elektronische Sicherungen: Original vorhandene Alarmanlagen können durch das Überdrehen des Türschlosses überlistet werden. Es empfiehlt sich der Einbau einer zusätzlichen Alarmanlage vor allem bei Fahrzeugen der gehobenen Preisklassen. Profis setzen alles daran, um an die Autos heranzukommen. Empfehlenswert sind eine Alarmanlage oder eine elektronische Wegfahrsicherung. Elektronische Wegfahrsperren unterbrechen meist Zündung, Zündspule und Benzinpumpe und können nachträglich im Kfz eingebaut werden. Der Wagen lässt sich nur mit einem zusätzlichen Chip oder nach Eingabe eines Codes starten. Der Chip kann im Zündschlüssel integriert werden. Vorsicht ist geboten, weil sich der Chip mitunter kopieren lässt. Schlüssel daher nicht in fremde Hände geben. Alarmanlagen sollten nur von Fachwerkstätten eingebaut werden, weil der Einbau kompliziert ist und die Alarmanlage genau eingestellt werden muss. Ein Hinweis auf das Vorhandensein einer Alarmanlage schreckt viele Täter ab.

Der Beitrag ist im Magazin des österreichischen Innenministeriums „Öffentliche Sicherheit“ erschienen. „Öffentliche Sicherheit“ als Hyperlink (https://www.bmi.gv.at/magazin/magazin.aspx?id=117)