Tätigkeitsberichte sind in aller Regel Erfolgsgeschichten.

Klagemauer oder Kontrolleur?

Der Beauftragte für die Landespolizei in Rheinland-Pfalz

Von Dr. Reinhard Scholzen

Seit dem Jahr 2014 gibt es in Rheinland-Pfalz einen Beauftragten für die Landespolizei. Der Start war holprig, aber mittlerweile scheint dies eine Erfolgsgeschichte zu sein.

Vor mehr als 20 Jahren ereigneten sich in der Hansestadt Hamburg mehrere Fälle polizeilicher Gewalt. Im Jahr 1996 ging ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss den Vorkommnissen nach und schlug sodann die Schaffung einer unabhängigen Institution vor, bei der sich die Bürger gegen polizeiliches Handeln beschweren konnten. Zwei Jahre später hob der rot/grüne Senat diese unabhängige Polizeikommission aus der Taufe, die aber organisatorisch an die Innenverwaltung angegliedert war. Sie bestand aus drei ehrenamtlich tätigen Mitgliedern, die vom Senat der Stadt berufen wurden. Die Kritik aus den Reihen der Polizei blieb bestehen und für die oppositionelle Hamburger CDU war diese Stelle der „fleischgewordene Ausdruck des Misstrauens gegenüber der Polizei.“1 Nachdem Ronald Schill von der „Partei Rechtsstaatliche Offensive“ zum Innensenator ernannt worden war, wurde sie im Jahr 2001 wieder abgeschafft.

Von der Beschwerdestelle zum Beauftragten

Neue Impulse brachte ein im Jahr 2010 veröffentlichter Bericht von Amnesty International, in dem zahlreiche Polizeiübergriffe auf Bürger aufgelistet wurden. Als Dieter Burgard übernimmt in Rheinland-Pfalz eine Doppelfunktion: Er ist der „Beauftragte für die Landespolizei“ und der „Bürgerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz“.Gegenmaßnahme schlug man die Schaffung unabhängiger Polizei-Beschwerdestellen vor.2 Im Sommer 2014 war Rheinland-Pfalz der Vorreiter. Als erstes Bundesland installierte es einen Beauftragten für die Landespolizei. Offenbar war die Arbeit von Dieter Burgard, der in Personalunion auch der Bürgerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz ist, vorbildlich; denn zwei Jahre später schufen auch Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg diese Ämter. Unter anderem in Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wird derzeit über den Aufbau einer solchen Institution diskutiert.

Im Vorfeld war diese in Rheinland-Pfalz sehr umstritten. Die SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten als Reaktion auf den Amnesty-Bericht im Jahr 2011 im Koalitionsvertrag die Schaffung einer „Beschwerdestelle gegen die Polizei“ beschlossen. Dagegen liefen die Polizeigewerkschaften Sturm. Dies führte dazu, dass sowohl der Name als auch die Zuständigkeiten des Amtes verändert wurden. Letztlich schuf man eine Aufgabe, die dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ähnelt: ein Anwalt aller Polizisten im Land. Damit war die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zufrieden. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) blieb skeptisch. Ebenso wie die CDU-Opposition im Mainzer Landtag befürchtete sie mehr Schaden als Nutzen und wertete die neu geschaffene Stelle als „Misstrauensvotum des Landes, des Dienstherrn gegenüber unseren Polizisten.“

Mittlerweile liegt der zweite Tätigkeitsbericht vor, der den Zeitraum von Sommer 2015 bis Sommer 2016 umfasst. Nicht ohne Stolz verweist der Beauftragte auf vorangegangene positive Berichte in der Presse. So habe „Die Rheinpfalz“ herausgestellt, das Amt fördere Transparenz und Bürgernähe und leiste zudem auch der Polizei gute Dienste. Dieter Burgard leitet daraus eine „weitgehende Akzeptanz dieser neuen Funktion sowohl bei den Bürgerinnen und Bürgern wie auch bei den Beamtinnen und Beamten der Landespolizei“ ab.

Eingaben und Beschwerden an den Beauftragten für die Landespolizei

 

Neue Anliegen 2015-2016

Gesamtzahl

abgeschlossen

offen

Beschwerden von Bürgern

57

51

6

Eingaben von Polizisten

40

26

14

Selbstaufgriff

1

1

0

Auskunftsersuchen

3

1

2

Summe

101

79

22

Bemerkenswert und zweifelsohne erfreulich ist, dass bei elf Beschwerden von Bürgern und sieben Eingaben von Polizisten eine Lösung im Sinne der Betroffenen erreicht werden konnte.

Beschwerden von Bürgern

Vergleichsweise häufig erhielt der Beauftragte Beschwerden in Fällen von Streitigkeiten unter Nachbarn. Bekanntlich dauern diese häufig über Jahre an und erwachsen meist aus Bagatellen. Daraus ergeben sich häufig wechselseitige Anzeigen, die bei der unterliegenden Partei dann wieder Klagen gegen die eingesetzten Polizisten provozieren, und es wird der Landesbeauftragte dann als letzte Lösungsmöglichkeit gesehen. Darüber hinaus liefern immer wieder Verkehrskontrollen den Anlass für eine Beschwerde. Das kann ein Rollerfahrer sein, der sich darüber beklagte, als Autofahrer nie, auf zwei Rädern jedoch in kurzen Abständen mehrfach von der Polizei kontrolliert worden zu sein. Über ein Zuviel an Kontrolle und die Wegnahme seines Handys durch die Beamten beschwerte sich auch ein junger Mann: Er hatte die Rheinland-pfälzische Polizisten bei einer Übung im Standort der Bundespolizei in Sankt Augustin.Polizeikontrolle mit seinem Mobiltelefon aufgezeichnet. Ein 88-jähriger Autofahrer beschwerte sich darüber, dass die Polizei seinen Führerschein beschlagnahmte. Dass er sehr unsicher gefahren war und auf die Beamten einen „orientierungslosen Eindruck“ machte, hatte er wohl schon wieder vergessen. Andere Bürger beklagten, in ihrer Region seien zu wenige Polizisten im Einsatz oder die Polizei habe zu lange gebraucht, um den Einsatzort zu erreichen. In einem Fall dauerte es 78 Minuten bis die Streife eintraf. Die vom Landesbeauftragten angestoßene Untersuchung des Falls zeigte, dass keine „Eilbedürftigkeit erkennbar war, die ein unverzügliches Erscheinen der Polizei vor Ort erforderlich gemacht hätte.“ Drei Mädchen aus einem Ort in der Eifel hatten sich bedroht gefühlt. Es mag sein, dass es sie beruhigt, wenn der Landesbeauftragte sicher ist: „Im Fall einer erkennbaren Eilbedürftigkeit wäre die Polizei jedoch in der Lage gewesen, unter Zurückstellung anderer nicht dringlicher Aufträge, unverzüglich bei den Anruferinnen zu erscheinen.“ Vielleicht auch nicht.

Eingaben von Polizisten

Auch bei den insgesamt 40 Eingaben von Polizeibeamten an den Landesbeauftragten zeigen sich deutliche thematische Schwerpunkte. Zudem fällt auf, dass das Einschreiten des Landesbeauftragten nicht selten einen grundsätzlichen Wandel in Gang setzte. Sei es die nur 1,58 m große junge Frau, die sich gegen die Ablehnung ihrer Bewerbung wehrte und woraufhin die bis dahin vorgeschriebene Mindestgröße von 1,62 m aufgehoben wurde oder die vormals rigide Bewertung eines Sehfehlers. Eingaben kamen auch von Anwärtern für den Polizeidienst, die die geforderten Leistungen in der Ausbildung nicht erbringen konnten: Im Jahr 2015 mussten in Rheinland-Pfalz 54 Anwärter ihren Traum, Polizist zu werden, wegen mangelhafter Leistungen begraben. Ein anderes, weites Feld stellt die Besoldung dar. Es wurde über verfallene Mehrarbeitsstunden und entgangene Wechselschichtzulage geklagt, wobei ein Fall ins Auge sticht: Ein rheinland-pfälzischer Polizist hatte sich 2005/2006 freiwillig für die UN-Friedensmission im Kosovo gemeldet. Nach seiner Rückkehr vergaß seine Polizeidirektion, ihn wieder zum Wechselschichtdienst anzumelden. Erst im Jahr 2015 fiel dieses Versäumnis dem Polizisten auf. Nach den Buchstaben des Gesetzes war die Nachzahlung der Zulage nur rückwirkend für drei Jahre möglich, somit sind dem Mann rund 4.000 Euro entgangen.

Der Anwalt der Polizisten besuchte von Sommer 2015 bis Sommer 2016 vier Einrichtungen der Polizei: das Landeskriminalamt, die Bereitschafts- und Das staatliche Gewaltmonopol führt mitunter zu Interessenkonflikten. Mehrere Bundesländer sehen unabhängige Vermittler als Problemlöser.Wasserschutzpolizei und die Zentralstelle für Polizeitechnik in Mainz. Das Spezialeinsatzkommando besuchte er nicht; so erklärt es sich wohl, dass er in seinem Bericht vom „Sondereinsatzkommando“ spricht.

Im gleichen Zeitraum besuchte Dieter Burgard 36 Stadt- und Kreisverwaltungen. Er betont, dass er das Gespräche mit dem Bürger in seiner Doppelfunktion als Bürgerbeauftragter und als Beauftragter für die Landespolizei sucht und diese Termine daher auch für Polizisten offen sind. Betrachtet man dies zusammen mit der bereits angeführten Auswertung der Tätigkeit, führt dies zu dem Schluss, dass das im Jahr 2014 in Rheinland-Pfalz geschaffene Amt des Beauftragten für die Landespolizei mehr eine Beschwerdestelle gegen die Polizei als ein Anwalt für die Polizei ist.

Alle Fotos: © Verfasser

 

Quellen:

[1]  Siehe unter www.cilip.de/2000/12/09/die-hamburger-polizeikommission-tragfaehiges-modell-unabhaengiger-polizeikontrolle/

[2]  Vgl. Hartmut Aden: Polizeibeauftragte und Beschwerdestellen in Deutschland. Erfolgsbedingungen und neue Trends in den Ländern. Unter: www.hwr-berlin.de
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Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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