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„Der Erfolg von morgen beginnt heute“

Ein Bericht zur Delphi-Studie „Corporate Security 4.0 – Einflussfaktoren und Anforderungen“

Dr. Harrer/ Research Coordinator Corporate Security & Resilience
Transfer Center Strategy, Global Risk & Corporate Security Intelligence -
Technische Hochschule Ingolstadt

Von Heinz-Werner Aping

Die Überschrift enthält keine neue Weisheit. Die gute Geschäftsfrau und der gute Geschäftsmann, egal ob handelnd, produzierend oder dienstleistend, weiß das. Was ich morgen produzieren will, muss heute entwickelt werden. Was ich morgen verkaufen will, muss heute produziert, geliefert, organisiert oder vorbereitet werden: Material, Logistik, Personal, Technik-Einsatz, finanzielle, rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen und vieles mehr.

Das verlangt nach Ideen, nach Geld und Investment, nicht zuletzt auch nach Mut im Hinblick auf Risiken. Um das abzusichern, bedarf es einer sauberen Analyse der Lage, der Bedingungen, der Marktsituation. Ob es ein Lagebild oder eine Marktanalyse ist, immer wird das Ziel verfolgt Fehlinvestitionen zu vermeiden oder zu verhindern und Gewinn zu erzielen. Die erfolgreiche Geschäftsfrau und der erfolgreiche Geschäftsmann starten nicht als gedankenloser Glücksritter. Sind diese Überlegungen auf den Bereich „Sicherheit“ anwendbar? Kann ich Sicherheit und Anforderungen an Sicherheit, hier für Unternehmen, professionell in der aktuellen Situation und für die Zukunft beschreiben? Es gibt nicht wenige stammtischreife Beschreibungen, was unter Sicherheit zu verstehen ist. Daraus folgende Überlegungen, was alles zu „unternehmen“ ist, egal ob politisch, behördlich, privatwirtschaftlich, in der Organisation eines Betriebes oder als Dienstleister, sind dann von entsprechendem Wert. Leider oft genug wurde in der Vergangenheit in Sachen Sicherheit eine gegenwärtige „Sicherheitslage“ oder z.B. Kriminalitätslage inhaltlich eher schwach und je nach Interessenlage für die Zukunft nur als „schlimmer zu erwarten“ beschrieben. Von Qualität ist das weit entfernt und wird glücklicherweise zunehmend von niemandem (mehr) akzeptiert. Die besseren Überlegungen versuchen u.a. mit sozialwissenschaftlichen Methoden eine aktuelle Lage zu analysieren und ggf. eine mögliche zukünftige Lage zu beschreiben, um anschließend Entscheidungsnotwendigkeiten herauszuarbeiten. Ein Weg der Professionalisierung ist, mittels der Szenario-Methode eine fundierte Einschätzung und somit Grundlage für zukunftsgerichtete Entscheidungen zu bekommen. Es gab ernsthaftes und seriöses Bemühen sowie engagierte entsprechende Projekte. Die Erarbeitung von üblicherweise drei unterschiedlichen Szenarien und daraus abgeleiteten Prognosen ist ein Fortschritt, bleibt aber im Nutzwert für die Praxis oftmals begrenzt, u.a. da die Komplexität durch dieses Vorgehen eher erhöht wird. Dabei geht es nicht darum, die in der Wissenschaft oft genug genutzte Methodenkritik zu üben, um Ergebnisse, die einem nicht gefallen zu diskreditieren. Aber tatsächlich gibt es natürlich noch andere methodische Alternativen, eine belastbare und gute Grundlage für zukunftsgerichtete Entscheidungen zu schaffen.

Eine Möglichkeit um die Aufmerksamkeit der Entscheider auf ein konkretes Zukunftsbild zu fokussieren, ist die sogenannte Delphi-Methode. Auch dabei handelt es sich um ein Verfahren zur Einschätzung zukünftiger Ereignisse, Trends, technischer Entwicklungen und mehr. Grundlage ist ein systematisches und mehrstufiges Befragungsverfahren einschließlich Rückkopplungsschritten einer größeren Zahl von Experten in einem bestimmten Gebiet. Diesen Weg wählte Dr. Harrer in einem Forschungsprojekt, das er im zweiten Halbjahr 2021 im Auftrag der „Research Community Security“ (RC Security) noch unter dem Dach des Institute for Technology, Innovation and Customer Centricity (TICC) der EBS Universität Wiesbaden durchgeführt hatte.

Die RC Security ist eine von Dr. Harrer initiierte und koordinierte offene Arbeitsgruppe von Sicherheitsverantwortlichen international tätiger Unternehmen. Die Arbeitsgruppe befasst sich mit empirischer Forschung u.a. zu den Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Sicherheit von Unternehmen und auf die Arbeit der Unternehmenssicherheit.

Zum Thema „Corporate Security 4.0 – Einflussfaktoren und Anforderungen“ erarbeitete Dr. Harrer mit Unterstützung der RC Security und einem bewusst heterogen zusammengestellten Panel von Expertinnen und Experten eine umfangreiche Studie, die bisher noch nicht veröffentlicht wurde, VEKO-online in der Kurzversion aber bereits vorliegt.

Die Studie ist seriös, folgerichtig aufgebaut und gegliedert, systematisch und methodisch ordentlich, mit Quellen genauso wie mit Literaturverzeichnis ausgestattet. Sie ist gut lesbar, verlangt aber etwas Zeit. Allein die Kurzversion der Studie umfasst 62 Seiten.

In sieben Arbeitsphasen einschließlich vier Workshops, zwei Befragungswellen mittels Interviews und Fragebogen und in einem Zeitraum von fünfeinhalb Monaten wurden Daten erhoben bzw. gewonnen und verschiedene Facetten eines Zukunftsbildes für die Corporate Security ausgearbeitet. Im Mittelpunkt standen mündliche und schriftliche Befragungen von Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen und Bereichen. Dabei waren 14 Akteure, die im Bereich der Security-Community tätig sind, aber auch 19 Personen, die nicht im Sicherheitsbereich wirken. Die Akteure werden in der Studie zwar nicht namentlich, aber mit dem Hintergrund ihrer jeweiligen Firma oder Institution benannt. Die Auswahl zeigt bekannte und anerkannte Adressen und beweist den Stellenwert der Studie.

Im Ergebnis wurden sechs Trendfelder, die nach Einschätzung der Teilnehmer wesentliche Herausforderungen für die Unternehmenssicherheit beschreiben und auch fünf Handlungsfelder benannt, in denen Anforderungen an die Arbeit der Sicherheitsverantwortlichen aufgezeigt werden. In seinem Vorwort zur Studie führt Dr. Harrer aus, dass diese Handlungsfelder Aussagen darüber tätigen, welche Akteure welche Maßnahmen ergreifen sollten, um den identifizierten Herausforderungen der Zukunft wirkungsvoll begegnen zu können. Als Trendfelder, die nach Einschätzung des Panels Einfluss auf Sicherheit international tätiger Firmen haben, kristallisierten sich heraus:

  • Digitale Transformation
  • Wandel der globalen Wirtschaft
  • Klimawandel
  • Wertewandel
  • Konvergenz der physischen und digitalen Welt
  • Cyber Threats

Die schriftlichen Bewertungen von 25 zukunftsgerichteten Thesen durch das Experten-Panel bestätigten und ergänzten das gewonnene Zukunftsbild. Außerdem konnten Themencluster zu den künftigen Anforderungen an betriebliche Sicherheitsverantwortliche gefunden und zu fünf Handlungsfeldern mit insgesamt 32 konkreten Handlungserfordernissen verdichtet werden. Zehn dieser Handlungserfordernisse wurden von der RC Security als Schwerpunkt-Anforderungen ausgewählt und durch das Experten-Panel priorisiert. Um die Studie zu zitieren: „Hierbei erhielten die Handlungserfordernisse im Bereich der Konvergenz physischer und digitaler Sicherheit die höchste Priorisierung, knapp gefolgt von den Themen „Digitalisierungsstrategie für die Corporate Security“ und „Business Continuity Strategie für das Unternehmen und die Corporate Security“.

Die Ergebnisse der Studie im Detail und ihrer Fülle wiederzugeben ist nicht Ziel dieses Artikels.  Für VEKO-online ist es wichtig darüber zu berichten, wenn über das Thema Sicherheit nicht in Dramaturgien oder Schwarz-Weiß-Szenarien fabuliert wird, sondern über theoretische wie praktische „Qualitäten“ zu informieren und ggf. dem geneigten Leser oder der Leserin einen Hinweis darauf geben. Inhaltlicher Schwerpunkt im Handlungsfeld „Staat/Politik/Wirtschaft“ ist der institutionelle und organisatorische Unterstützungsbedarf für den Wirtschaftsschutz der deutschen Unternehmen. „Auf viele Trends und Herausforderungen für die aktuelle und künftige Sicherheit können die betrieblichen Sicherheitsverantwortlichen keinen direkten Einfluss nehmen“, so die Bewertung in der Studie.


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Daraus ergäben sich Anforderungen an die Vertreter von Staat und Politik, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, die Vernetzung zwischen staatlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren zu verbessern. Dazu gehört der Aufbau eines nationalen Wirtschaftsschutzzentrums genauso wie Etablierung eines nationalen Wirtschaftsschutzbeauftragten aus der Politik. Im Handlungsfeld „CSO/CIO/CSIO – TOP - übergreifend“ wird die Notwendigkeit einer Strategie für das Zusammenwachsen von physischer und digitaler Sicherheit erörtert. Unstrittig greifen die physische und die digitale Welt als Folge der Digitalen Transformation immer stärker ineinander. Das haben allerdings auch Angreifer längst erkannt und suchen gerade an den Nahtstellen nach Schwachstellen. Kurz gesagt: Sicherheit kann nur im Zusammenspiel physischer wie digitaler Maßnahmen erreicht werden. Also bedarf es einer entsprechenden Strategie für die Konvergenz beider Bereiche. Inhaltlicher Schwerpunkt im Handlungsfeld „CSO/CIO/CISO - Technische Maßnahmen“ ist die Notwendigkeit, moderne Technologien wie Data Analytics, Künstliche Intelligenz und Drohnen für den Schutz des Unternehmens und seiner Geschäftsaktivitäten zu nutzen. Auch im Quantum Computing ergeben sich Innovationen, die man monitoren und rechtzeitig für den Schutz des Unternehmens einsetzen sollte - idealerweise bevor sie von Kriminellen für Angriffe missbraucht werden.

Inhaltlicher Schwerpunkt im Handlungsfeld „CSO/CIO/CSIO – Organisatorische Maßnahmen - ist die Notwendigkeit einer noch intensiveren Vernetzung innerhalb und außerhalb der Security Community. Die Integration oder Vernetzung verschiedener Akteure selbst innerhalb der Firmen ist nicht überall entwickelt oder geübte Praxis. Nicht überall sind taugliche und aktuelle Strategien und Notfallpläne für den Umgang mit hybriden Angriffen erarbeitet worden. Hierbei könnten z.B. konvergente Security Operations Center (SOC) etabliert und interne/externe Kompetenzteams für Security Investigations aufgebaut werden. Inhaltlicher Schwerpunkt des Handlungsfeldes „CSO/CIO/CSIO – Personelle Maßnahmen“ ist die Notwendigkeit, das Kompetenzportfolio der Security weiterzuentwickeln und neue Kompetenzprofile für Sicherheitsbeschäftigten zu erarbeiten. Der Grund hierfür ist, dass die Digitalisierung im Unternehmen auch zu einer Digitalisierung der betrieblichen Sicherheitsfunktionen führen wird und hierfür einerseits zu wenige „IT-affine“ Beschäftigte in der Corporate Security zu finden sind - und andererseits der Arbeitsmarkt quasi leer ist. Daher müssen sich die Sicherheitsorganisationen u.a. darauf fokussieren, sich ihre eigenen „Digitalisierungsexperten“ heranzuziehen bzw. auszubilden. Sinnvoll ist auch, das Business-Verständnis der Security-Experten ausbauen, um ihre Akzeptanz als „Business Partner“ zu erhöhen. Außerdem geht es bei den personellen Maßnahmen auch um die Entwicklung und Pflege einer Sicherheitskultur im Unternehmen.

Das Lesen der Studie „Corporate Security 4.0 – Einflussfaktoren und Anforderungen“ ist das Eine, sich mit Dr. Harrer und Mitwirkenden der Studie auseinander zu setzen das Andere. So haben Unterzeichner und Dr. Harrer sowie Volker Buss, Chief Security Officer der Firma Merck als Mitglied der RC Security, ein gut zweistündiges ausführliches Video-Gespräch geführt, das mehr ein sehr angeregter und professioneller Austausch als ein klassisches Interview war. Deshalb wird an dieser Stelle auch darauf verzichtet, über dieses Gespräch in klassischer Form der Wiedergabe von Frage und Antwort zu berichten. Über die Chance, alle der genannten Handlungserfordernisse erfüllt zu sehen, geben sich Dr. Harrer und Volker Buss natürlich keinen Illusionen hin. Das ist aber auch nicht erforderlich, denn erfreulicherweise zeigt die Studie auch verschiedene interessante Ansatzpunkte mit größerer Hebelwirkung. Beispielhaft sei hier das Thema „Nationales Wirtschaftsschutzzentrum“ genannt. Natürlich gibt es bereits Aktivitäten, Kontakte, ggf. Netzwerke verschiedenster Art, beispielsweise die Initiativen der Verfassungsschutzämter im Kontakt mit Verbänden und einzelnen anfragenden Firmen, oder die „Global Player-Runde“ des BKA. Der Wissens- und Informationsaustausch von Behörden und Wirtschaft ist im Ansatz die richtige Idee. Alle Behörden haben mittlerweile Beauftragte für entsprechende Kontakte installiert und sind hier auch aktiv. Diese Initiativen erreichen jedoch nicht jeden Verantwortlichen und jedes Unternehmen. Andere Kontakte werden z.T. nur über die Verbände wie ASW oder BDSW gepflegt und sind daher nicht für jedes Unternehmen nutzbar. Daher halten Dr. Harrer und Volker Buss mit Blick auf interessante Diskussionen im Rahmen der Datenerhebung zur Studie weitergehende Schritte für sinnvoll. Denkbar wäre z.B. der Aufbau einer ggf. privatwirtschaftlichen Institution, in der sich Vertreter aus den relevanten Behörden und Experten aus der Wirtschaft zusammenfinden, Informationen und Erkenntnisse teilen und mit Unterstützung moderner Technologien qualifizierte und belastbare Lagebilder erstellen. Natürlich wären es der Staat und die großen Unternehmen, die hier vorrangig Input liefern. Vom Austausch würden dann aber auch mittelständische Unternehmen, Kleinbetriebe und Start-ups profitieren. Eine Unterstützung für den Wirtschaftsschutz von Unternehmen aller Branchen und Größen wäre so möglich. Eine weitere von vielen Panel-Teilnehmern favorisierte Option ist die „Etablierung eines nationalen Wirtschaftsschutzbeauftragten“. Das könnte z.B. eine honorige politische oder privatwirtschaftliche Person sein, z.B. ein Ex-Minister oder ein Ex-Vorstand aus einem DAX-Unternehmen. Auf jeden Fall jemand, der respektierten Zugang im parlamentarischen wie ministeriellen Bereich hat und in der Lage ist, unabhängig von Partikular-Interessen die Sicherheitsbelange der Wirtschaft zu formulieren und zu vertreten. So könnte die Umsetzung von genannten Erfordernissen aus dem Handlungsfeld „Staat/Politik/Wirtschaft“ ein regelrechter „Game Changer“ werden -  insbesondere für die mittleren und kleinen Firmen, die aus verschiedenen Gründen keine eigene Sicherheitsabteilung haben. Ein weiterer Ansatzpunkt ist das Thema „Business-Verständnis der Sicherheitsbeschäftigten“. Aus Sicht von Volker Buss ist das betriebliche Sicherheitsmanagement eine „Enabling Function“ im Unternehmen. Als eine solche muss die Corporate Security das Business verstehen und die Bedarfe des Business an Sicherheitsmaßnahmen erkennen - und daraus ihre Governance ableiten. Hier besteht die Notwendigkeit bei Business und Security eine gemeinsame Sicht auf die Welt und ein gemeinsames Verständnis für erforderliche und angemessene Maßnahmen zu entwickeln. Schließlich geht es für die Security darum, erfolgreiche Geschäftsaktivitäten auch unter schwierigen Rahmenbedingungen bzw. in Anwesenheit von Sicherheitsrisiken zu ermöglichen. Bemerkenswert ist, dass die Studie im Sommer und Herbst 2021 erarbeitet wurde, also zu einem Zeitpunkt, als der aktuelle Ukrainekrieg noch weit weg war. In der derzeitigen Situation im Sommer 2022 ergeben sich viele Lageentwicklungen, Debatten und Handlungserfordernisse, die schon in der Studie aus der damals zugänglichen Perspektive identifiziert und diskutiert wurden.

Der Ukrainekrieg ist für den Verfasser nicht die Ursache, dass vieles „neu“ gedacht werden muss. Es ist „nur“ der durch ein furchtbares Brennglas von Leid und Tod verdichtete Anlass aufzuzeigen, wo schon seit vielen Jahren Defizite bestehen, die jetzt unter erheblichem finanziellem und zeitlichem Druck behoben werden müssen. Die Politik in ihren etablierten Strukturen, die Unternehmensführung, die ihre Firma zukunftssicher gestalten muss oder die breite teilnehmende Öffentlichkeit, alle spüren und wissen, dass wir vor erheblichen Änderungen von gewohnten Zuständen, Abläufen, Organisation usw. stehen, um zukunftsfähig oder bestenfalls zukunftssicher zu sein. Das gilt nicht zuletzt oder sogar insbesondere für die Sicherheitsbelange der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft. Voraussetzung für sichere Geschäftsaktivitäten trotz der sich z.T. wandelnden Sicherheitsrisiken sind professionelle Analysen, Bewertungen, Strategien und Handlungskonzepte. Die hier vorgestellte Delphi-Studie“ brachte aus Sicht der RC Security eine Vielzahl wichtiger Erkenntnisse. Einige davon sind bereits in die Sicherheitsplanungen der Mitgliedsunternehmen eingeflossen.

Es ist zu hoffen, dass in Zukunft noch mehr derartige Studien durchgeführt werden, um die Arbeit der Sicherheitsverantwortlichen mit interessanten Erkenntnissen, neuen Perspektiven und sinnvollen Handlungsempfehlungen zu unterstützen.

Alle Sicherheitsforscher, die an einem fachlichen Austausch oder einer möglichen Zusammenarbeit mit der RC Security interessiert sind, sind eingeladen mit Herrn Dr. Harrer Kontakt aufzunehmen (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.).

Der Erfolg von morgen beginnt heute .......


 

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Verlauf – Auswirkungen – Einordnung

Operation „Morgengrauen“

Beitrag zur Lagefeststellung: „Gaza-Krieg 2022“

Von Thomas M. Wandinger

Die Konstellationen zwischen den USA und China gleichen sich in verschiedenen Punkten mit jenen im Nahen Osten. Die Konfrontationen halten auf hohem Niveau an und haben sich in 2022 zugespitzt, dennoch sind die wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen den USA und China weiterhin hoch.

Eine vergleichbare Situation besteht zwischen Israel und den palästinensischen Akteuren in beiden Regionen, im Westjordanland sowie im Gazastreifen. Die Kriege ereignen sich in Ein-/Zwei-Jahresschritten und entladen sich eruptiv auf immer höherem Niveau (Raketensalven mit über 1.100 Projektilen), dennoch besteht die Abhängigkeit fort. Den „Nahost-Konflikt“ kennzeichnen im Kern drei Konfliktebenen (arabisch-israelische Ebene [Tendenz: fallen], palästinensisch-israelische Ebene [Tendenz: Stagnation], iranisch-israelische Ebene [Tendenz: Eskalations-Szenar]). In der Staatenpraxis hat sich der Nahost-Konflikt verstetigt (1), primär auf die Ebene des Anti-Terror-Kampfes zurückdrängen lassen (2) und sich mit dem iranisch-israelischen Gegensatz zugleich strukturell verändert (3).

Die aktuellen Gewaltaustragungen, die Motive und Handlungszwänge lassen sich unter Würdigung des israelisch-iranischen Gegensatzes besser verstehen, der derzeit im Rahmen eines Schattenkrieges (Sabotage-/Cyberangriffe, Attentate, Giftanschläge im Iran, Terroranschläge des PIJ, der Al-Aqsa-Brigaden und der Hamas in Israel) stattfindet und dessen eskalatorischer Scheitelpunkt im Blickfeld iranischer Nuklearambitionen noch nicht erreicht ist.

Die Operation „Breaking Dawn“ (Operation „Morgengrauen“) begann nach der israelischen Anti-Terror-Sonderoperation (Luftschlag gegen PIJ-Führung) am Nachmittag des 05.08.2022 (arabischer Feiertag) und endete nach drei Kriegstagen am 07.08. durch eine von Ägypten und Katar (Geldgeber für Gaza) vermittelte Waffenruhe. Im Rahmen der 66 Stunden dauernden Operation hat die israelische Luftwaffe mit Luftkriegsmitteln und Drohnen mehr als 170 Ziele bekämpft. Ob bei der Anti-Terror-Operation alle Zielpersonen ausgeschalten wurden, ist unklar. Diesen wird die Vorbereitung von Terroranschlägen gegen Israel zur Last gelegt. Bei der Operation wurden keine zivilen Ziele angegriffen oder geschädigt. Die vorgeschaltete israelische Anti-Terror-Sonderoperation wurde nach dringlicher Vorwarnung auf einen anstehenden, großangelegten Terroranschlag (präventiv) durchgeführt. Zugleich wurden nach vorgeschalteten Grenzschließungen zum Gazastreifen (02.08.) im Westjordanland bei Razzien 20 Festnahmen vollzogen (davon 19 in Verbindung zum PIJ). Es war dies der erste reale Kriegseinsatz für den neuen Übergangs-Premier Jair Lapid und Verteidigungsminister Gantz.

Kriegsziele

Aus israelischer Sicht wurde mit der Liquidierung von zwei militärischen Spitzenfunktionären des Palästinensischen Dschihad (PIJ [1] | Taisir al-Dschabri und Khaled Mansour [Kdr der südlichen Division des Gazastreifens] am 04.08. durch Präzisions-Luftangriff), der Zerschlagung illegaler Waffenfabriken/-depots, Raketenabschussbasen, Angriffstunnelbauten (2) und Führungseinrichtungen (3) die Kriegsziele gegen die Terrororganisation erreicht. Auf palästinensischer Seite wurden 300 Verletzte und 61 Tote gemeldet, davon 15 durch „friendly fire“ des PIJ (Niedergang von Raketen auf eigenem Gebiet). Auf israelischer Seite gab es keine Verluste, nur wenige Leichtverletzte. Dennoch bleibt die angegriffene Eshkol-Region mit den Ballungsräumen Ashkelon und Sderot im Süden Israels eine sensible Gegend. Dort liegt eine hohe Bevölkerungsdichte vor, zudem ist die Region wirtschaftlich bedeutend. In der Region sind diverse europäische/deutsche Firmen, die dort auch Produkte entwickeln lassen.

Profil des „Palästinensischen Dschihad“

Der „Palästinensische Islamische Dschihad“ (PIJ) ist eine sunnitisch-islamistische, nationalistische (Kampf-)Organisation, die von Israel, der EU, den USA und weiteren Staaten (darunter GBR, CAN) als Terrororganisation eingestuft wird. Der PIJ wurde 1981 durch Mitglieder der ägyptischen Muslimbruderschaft vor dem Hintergrund der Islamischen Revolution im Iran gegründet. Die personelle Stärke wird auf über 1.000 Kämpfer geschätzt. Erklärtes Ziel bildet die Vernichtung Israels und Errichtung eines islamischen Staates Palästina in den Grenzen vor 1948. Im Gegensatz zu anderen palästinensischen Gruppen wie der Fatah (inkl. Al-Aqsa-Brigaden) oder Hamas lehnt der PIJ (finanzielle und materielle Unterstützung aus dem Iran) politische Verhandlungen ab und sieht sich als Speerspitze des Widerstandes und den Krieg mit Israel als ideologischen Kampf. Das Verhältnis zur Hamas im Gazastreifen ist weiter angespannt. Der PIJ lehnt die Teilnahme der Hamas am politischen Prozess ab und positioniert sich als radikalerer Rivale (Druck auf Hamas [Stärkung radikaler Positionen, Fortsetzung des bewaffneten Kampfes]), gleichzeitig bekennt sich die Hamas zu gemeinsamen Angriffen mit dem PIJ gegen Israel. Seit der Errichtung der Sicherheitsmauer um Gaza tritt der PIJ insbesondere durch Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen auf israelisches Territorium in Erscheinung. Es werden jedoch immer wieder auch terroristische Angriffe und (Bomben-)Anschläge in Israel verübt (wie 2017).

Eine Hamas-Rakete im Getreidefeld von Israel
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PIJ-Gegenangriffe

Im Verlauf der PIJ-Gegenreaktion wurden nach israelischen Angaben rund 1.100 Kurzstreckenraketen abgefeuert, wobei jede fünfte auf palästinensisches Gebiet niederging und dort zu hohen Eigenverlusten führte. Die Fehlschüsse wurden in Teilen von israelischen Kameras festgehalten und veröffentlicht. Die nach Israel eingeflogenen Raketen des PIJ richteten infolge der tief gestaffelten Luftabwehr (System „Iron Dome“ [Abschussrate: 99 %]) nur geringen Schaden an. Rund 610 Raketen landeten auf freiem Feld oder im mediterranen Küstenbereich.

Waffenruhe

Mit Beginn der formellen Waffenruhe am 07.08. (23:30 Uhr Ortszeit) wurden die beiden wichtigsten Grenzübergänge zum Gazastreifen (Erez [Fußgänger] / Kerem Shalom [Wirtschaftsverkehr]) wieder geöffnet, um den Transport medizinischer Güter, Treibstoff für das einzige Kraftwerk in Gaza, Nahrungsmittel und Baumaterial zu ermöglichen. Israel kontrolliert zwei von drei Grenzübergängen, der Grenzübergang Erez wurde am 06.08. mit Mörserfeuer angegriffen. Der von Ägypten kontrollierte Grenzübergang Rafah ist seit 2021 geschlossen. Die Waffenruhe wird seitens der Gaza-Division (höherer Bereitschaftsgrad) weiter überwacht.

Konflikthintergrund

Bereits 2019 kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen gegen den Palästinensischen Dschihad. Zu dessen Eröffnung wurde im Vorfeld der Palästinenserführer Baha Abu al-Ata getötet (Vorgänger von Taisir al-Dschabri). Der Krieg 2019 war ebenfalls von massiven Raketensalven geprägt, die nur geringen Schaden anrichteten. Auch 2019 wurden die Verhandlungen zur Waffenruhe von den Vereinten Nationen initiiert und von Ägypten geführt.

Bewertung

Der „Gaza-Krieg 2022“ war die opferreichste Gewalteskalation seit über einem Jahr und zugleich die kürzeste seit 2007 (Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen). Der Krieg führt neben den PIJ-Verlusten zu keinen Positionsverbesserungen der Palästinenser. Im Unterschied zu den Vorjahren hat sich die führende Palästinenserorganisatin im Gazastreifen (Hamas) nicht am Krieg beteiligt. Israel ist nicht auf die Forderungen des PIJ eingegangen, inhaftierte PIJ-Führungspersonen (wie Bassam al-Saadi) freizugeben. Die damit einhergehende Schwächung des PIJ erhöht nicht nur die Spaltung der Palästinenser, sondern konsolidiert damit auch den Führungsanspruch der Hamas im Gazastreifen. Der „Gaza-Krieg 2022“ hat zu einer Reduktion der Stromverfügbarkeit auf vier Stunden (1), zur partiellen Abrüstung des PIJ („disarmament by war“ [2]) sowie zu einer strategischen Schwächung des PIJ (3) geführt. Der Verlauf des Krieges hat zudem offenbart, dass der PIJ technisch-taktisch nicht in der Lage ist, technisch hochstehende und insbesondere treffsichere Kurzstreckenraketen zu bauen. Der Gazastreifen zählt gegenwärtig rund 2 Mio. Einwohner und befindet sich in einer permanenten sozio-ökonomischen Mangelversorgung. Beobachter warnen seit längerem, dass sich die soziale Perspektivlosigkeit eskalatorisch entladen könnte.

Ausblick

Die Operation „Morgengrauen“ kann als nahöstlicher Stellvertreter-Krieg zwischen Israel und Iran verstanden werden, da der PIJ in Israel als Kampforganisation der iranischen Theokratie verstanden wird. Zugleich können die seit Januar 2022 anhaltenden Anti-Terror-Operationen im Westjordanland und die Operationen gegen Ziele in Gaza als Konfliktkontinuum und als ein Konflikt mit zwei unterschiedlichen Fronten verstanden werden.

Militärische Ebene

Die Operation „Morgengrauen“ hat auf militärischer Ebene unter Beweis gestellt, dass die Hamas, der Palästinensische Dschihad (PIJ) oder die bewaffneten Gruppen der Fatah den israelischen Sicherheits-/Streitkräften in allen Kampf- und Konfliktaustragungsarten massiv unterlegen sind. Dennoch halten diese aus unterschiedlichen Erwägungen am bewaffneten Kampf fest. Die Operation „Morgengrauen“ hat der Weltöffentlichkeit am Beispiel des Systems „Iron Dome“ zugleich die Effektivität der israelischen Waffentechnik unter realen Gefechtsbedingungen unter Beweis gestellt. Dabei wurde mit über 1.100 Einschüssen zudem nachgewiesen, dass eine Systemsättigung derzeit nicht zu erreichen ist, da das „in Stellung bringen“ von Abschussbasen von der Luftwaffe (Drohnen, Satelliten) frühzeitig erkannt wird. Die vom PIJ-Generalsekretär ausgerufene „Kapitulation Israels“ (Einwilligung in Waffenruhe) kann nur als Ansinnen verstanden werden, vom neuerlichen Sieg Israels abzulenken.

Subregionale Ebene

Bereits beim Waffengang im Jahr 2019 schaltete sich die Hamas, als vorherrschende Macht im Gazastreifen mit rund 6.000 Kämpfern, nicht in den Konflikt ein. Die Zurückhaltung wurde bei der Operation „Morgengrauen“ beibehalten. Beide Waffengänge führten zusammenfassend zu einem Machtzuwachs der Hamas im innerpalästinensischen Bruderkampf. Es war nach Angaben israelischer Regierungsstellen indes zu keinem Zeitpunkt gesichert, dass die Hamas stillhalten würde. Obwohl die Hamas und der PIJ gemeinsame Ziele teilen (Nichtanerkennung, Vernichtung Israels), konzentriert sich die Hamas seit 2018 (mit Ausnahme des „Elf-Tage-Krieges“ 05-2021) stärker auf die Wahrung der Hausmacht in Gaza, während der PIJ als offensive (iranisch unterstützte und gesteuerte) Organisation die Aggression gegen Ziele in Israel trägt und sich stärker um Zellen auch im Westjordanland (Dschenin, Nablus) bemüht. In Ermangelung der Kräfte der Hamas positioniert sich der PIJ als die radikalere Organisation gegen den zionistischen Feind. Während die Hamas durch Wahlen Legitimität zu erreichen versucht, lehnt der PIJ als Kampforganisation demokratische Verfahren konsequent ab. Daher muss sich der PIJ auch nicht vor der palästinensischen Öffentlichkeit rechtfertigen, was seine Bedrohungshöhe und Brutalität steigert („freie Hand“). Eine Einheit der Widerstandsfront ist daher nicht erkennbar, der PIJ bleibt isoliert und verstärkt die Annahme über innerpalästinensische Richtungskämpfe.

Wahlkampfveranstaltung der Hamas in Ramallah mit den getöteten Vorbildern Yasin und Rantisi auf einem Plakat
© Von Hoheit (¿!) - Übertragen aus de.wikipedia nach Commons durch Ervaude mithilfe des CommonsHelper.Own work (Originaltext: selbst photographiert), CC BY-SA 2.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5638738

Sozio-ökonomische Ebene

Mit dem neuerlichen Kriegszustand vertieft sich die Gefahr, dass sich eine weitere Generation palästinensischer Jugendlicher radikalisiert und sich die Konfliktspirale auf eine neue Generation überträgt. Durch die Grenzschließung konnten rund 12.000 PalästinenserInnen nicht zu ihrem Arbeitsplatz in Israel gelangen (Lohnausfälle). Inwieweit der israelische Sieg Auswirkung auf die Wahlen hat, ist noch ungeklärt.

Strategische Ebene

Mit Ausnahme des Iran sind weder Israel (Vorfeld von Wahlen), noch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter Präsident Abbas (Empfang durch US-Präsident Biden 06-2022) oder Ägypten (Stabilisierung der Lage auf dem Sinai) noch andere arabische Mächte (Libanon, Syrien [Wahrung der Stabilität nach innen]) an einem Gaza-Krieg interessiert. Keine der Mächte im ersten konzentrischen Kreis noch im zweiten konzentrischen Kreis (Russland, Türkei, Saudi-Arabien) zeigen Interessen an einem Krieg, der bestehende Logistikprobleme (Getreidelieferungen, Wertschöpfungsketten) weiter vertiefen würde. Im Ergebnis hat die Operation „Morgengrauen“ die Stabilität des Nahen Ostens widersprüchlicher Weise verbessert, da der PIJ wichtiges Führungspersonal und an Image in der eigenen Machtbasis verloren und eine tiefgehende militärische Schwächung (Verbrauch von Raketen, Zerschlagung von Infrastrukturen und Tunnels) erfahren hat, die einer partiellen Abrüstung gleichkommt.

Iron Dome Rocket Interceptions of Hamas Rockets- Southern Israel- Night Attack On Ashdod City
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Folgerungen (deutsche Perspektive)

Die Entsendung potenzieller europäischer/deutscher Mitarbeiter in (Forschungs-) Unternehmen in den Süden Israels muss mit Blick auf die Konfliktempirie/-kontinuität vier Grundkonstellationen berücksichtigen. Der Fokus richtet sich

  1. auf eruptiv, katapultartig ausbrechende Kriegshandlungen mit marginaler Vorwarnzeit, die primär mit Kurzstreckenraketen, improvisierten Kampfdrohnen, Sprengstoff-Flugobjekten und Mörserfeuer ausgetragen werden, sich zudem an raumfernen, dezentralen Ereignissen (wie Zugriffsoperationen von SOF-Kräften, etc.) entzünden und sich durch Verbund-/Verkettungseffekte zu einem Großkriegs-Szenario im Nahbereich entwickeln können (Überraschungseffekt),
  2. auf eine damit zusammenhängende sofortige Unterbrechung der Mobilität (Einstellung der Zugverbindungen, des Straßenverkehrs, der Bewegungsmöglichkeit [Leben im Bunker]),
  3. auf die Bedeutung der Vorbereitung auf eine solche Konstellation (realitätsnahe Entsende-Briefings, Notfallverhalten, Medikamentenvorsorge, Vorratshaltung) und
  4. auf grundlegend geänderte Evakuierungsbedingungen in Israel (als Konstante). Diese sind ausschließlich durch israelische Kräfte sinnvoll (Zeitpunkt, EvakOp-Route) oder im Blickfeld der Kurzzeit-Dauer heftiger Konfliktintervalle (mit der Ausnahme von Rückverlegungen und Bunkeraufenthalten) entweder nicht möglich (Flugverbot) oder auch gar nicht erforderlich.

Zur Verbesserung der persönlichen „Situational Awarness“ werden israelische (Raketen-)Warn-Apps, körperliche Fitness sowie für Firmen-/Behördenangehörige ein IAP-ERMS-System (als deutsche App) empfohlen, das dem entsendenden Unternehmen die Lokalisierung eigener Mitarbeiter und die geschützte Kommunikation mit georeferenzierter Bildübertragung ermöglicht. Haben Sie Vertrauen zu den israelischen Sicherheitskräften, denn sie handeln mit Bedacht, politisch verpflichtet und zählen zu den besten der Welt.

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Profil IAP GmbH

Die 1983 gegründete IAP GmbH bietet auf der Grundlage eines ganzheitlichen Ansatzes professionelle Informations-, Lagebild- und Managementdienstleistungen zur Schaffung und Wahrung der Informations- und Führungsüberlegenheit weltweit. Wir unterstützen als deutscher Sicherheitsdienstleister mit eigenem Lagezentrum sowie basierend auf einem georeferenzierten Lage- und Wissensmanagementsystem (IAP InfoSys) die Planungs-, Lageverfolgungs- und Entscheidungsprozesse ausgehend von der Reisesicherheit bis zum Krisenmanagement in Hochrisikozonen. Mit der Bereitstellung eines praxisbewährten Notfall-/Rettungs- und Kommunikationssystems binden unter Wahrung deutscher Daten- und Sicherheitsstandards Boden- und Luftbewegungen in Echtzeit in ein integriertes Lagebildsystem ein. Im Bereich Special Mission Services unterstützen wir bei der Durchführung komplexer Fact Finding-, Sonder- und Transportaufgaben zur Wahrung der Interessen unserer Auftraggeber.

 

Drohnen bei Paketauslieferung
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Wie steht es aktuell um die Drohnen bei der Paketlieferung?

Wie werden Drohnen derzeit in der städtischen Logistik eingesetzt und welches Potenzial bringen sie mit?

Obwohl sie sich noch im Anfangsstadium befinden, finden Drohnen in der Logistik- und Lieferbranche bereits eine breite Anwendung. Es gibt zahlreiche erfolgreiche Beispiele für den Einsatz von Drohnen bei der Beförderung von Päckchen, Paketen, Lebensmitteln, Impfstoffen und medizinischen Hilfsgütern sowie Ersatzteilen und Militärausrüstung. Logistik- und Technologieunternehmen haben sich zusammengetan und verzeichnen langsam, aber stetig Fortschritte bei der Nutzung von Drohnen als praktikablen Lieferkanal.

Während einige der großen Akteure wie Amazon und DHL in Anbetracht ihres riesigen Geschäftsumfangs weiterhin nur Versuche durchführen, gibt es einige Erfolgsgeschichten, die über das Pilotstadium hinausgehen.

Wing, eine auf Drohnenlieferungen spezialisierte Tochtergesellschaft von Alphabet, meldete für das Jahr 2021 mehr als 140.000 Kundenlieferungen, was einer Steigerung von 600 % gegenüber dem Jahr 2020 entspricht.

Die Drohnen von Matternet fliegen seit mehr als vier Jahren in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post über Schweizer Städten, und zwar außerhalb der Sichtweite.

Im November 2021 hat sich Walmart mit Zipline zusammengetan, um einen On-Demand-Lieferservice für Gesundheits- und Verbrauchsartikel in der Nähe des Hauptsitzes in Arkansas zu starten.

Manna, ein autonomer Drohnenlieferdienst in Irland, der Kaffee und Lebensmittel ausliefert, hat nach eigenen Angaben bereits 65.000 Lieferflüge absolviert und plant eine Expansion in Europa.

Es ist nicht verwunderlich, dass es kleinen, auf Drohnentechnologie spezialisierten Start-ups gelungen ist, sich durch die Entwicklung von Nischenfähigkeiten in kleinerem Maßstab einen Namen zu machen, während die größeren Akteure damit kämpfen, ihre Drohnenoperationen im Rahmen der bestehenden technologischen und rechtlichen Beschränkungen zu skalieren.

Worin liegen die größten Vorteile der Drohnen?

Drohnen bieten eine Reihe von Vorteilen, die sie zu einem attraktiven Lieferkanal für Logistikunternehmen machen:

Geringere Betriebskosten: Der Betrieb von Drohnen ist relativ kostengünstig im Vergleich zu herkömmlichen Transportmitteln für die Zustellung auf der letzten Meile. Da sie batteriebetrieben sind, werden sie von Ölpreisschwankungen nicht beeinflusst. Und aufgrund des autonomen Charakters der Drohnenzustellung sind die Arbeitskosten wesentlich geringer.

Schnelle Lieferung: Drohnen können zu einer erheblichen Verkürzung der Lieferzeiten beitragen. Dies könnte vor allem bei Lebensmitteln, Medikamenten, Hilfsgütern und verderblichen Waren eine entscheidende Rolle spielen. Bei der Auslieferung von COVID-19-Impfstoffen durch UPS in Winston-Salem, North Carolina, wurde dies bereits erprobt: Bei der neuen Liefermethode wurden speziell für Drohnen entwickelte Kühlkettenverpackungen verwendet.

Sicher und umweltfreundlich: Mit speziellen Korridoren für Drohnen können sie sich als eine der sichersten Möglichkeiten für die Lieferung von Waren erweisen - und das auch noch praktisch emissionsfrei, was zu einer geringeren CO2-Bilanz der Logistikbranche führt. Außerdem verursachen sie im Vergleich zu Straßenfahrzeugen weniger Lärmbelästigung.

Betriebliche Effizienz: Drohnen können auf nahezu direktem Weg zum Lieferort fliegen, was zu schnelleren und zuverlässigeren Lieferungen führt. Dank der eingebauten GPS-Technologien verfügen Lieferdrohnen über bessere Navigationsfähigkeiten und eine höhere Erfolgsquote als Menschen.

Zustellung auf der letzten Meile: In Gebieten, die mit herkömmlichen Transportmitteln schlecht angebunden sind, hat die Zustellung per Drohne das Potenzial, die Logistik zu verändern, indem sie sie besser zugänglich macht und es den Unternehmen ermöglicht, ihren Lieferradius zu erweitern.

Gibt es Nachteile, Risiken oder unbeabsichtigte Folgen?

Die Drohnenbranche befindet sich noch in der Entwicklung; die zugrunde liegende Technologie, die Batterieleistung, die Speicherkapazität, die Größe der Nutzlast, die Verarbeitungskapazität und die Kosten werden sich voraussichtlich verbessern, wenn mehr Investitionen in diesen Bereich fließen. Was sind die Nachteile/Risiken, mit denen sich die Branche auseinandersetzen muss, wenn sie die Drohnenlieferung zu einer serienreifen Lieferoption machen will?

Hohe Investitionskosten: Drohnen erfordern erhebliche Kapitalinvestitionen für den Aufbau und Ausbau der Infrastruktur. Wenn sie sich durchsetzen, dürften die Größenvorteile dazu beitragen, diese Kosten zu senken.

Energiebedarf: Es besteht immer das Risiko, dass die Stromversorgung knapp wird, was zu fehlgeschlagenen Lieferungen oder einer erfolglosen Rückkehr zur Basis führt. Je mehr Intelligenz in Drohnen für die Navigation oder die Datenkommunikation eingebaut wird, desto mehr werden die Bordbatterien beansprucht.

Risiko eines Ausfalls: Die heute verfügbaren Drohnen sind im Vergleich zu herkömmlichen Methoden mit einem höheren Ausfallrisiko behaftet, was verständlich ist, wenn man bedenkt, dass sich die Drohnentechnologie auf einem Entwicklungspfad befindet und es einige Zeit dauern wird, bis sie einen stabilen Zustand erreicht.

Risiko für die Privatsphäre: Die Menschen werden Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes haben, da Drohnen GPS und Kameras nutzen, um Wohnungen zu finden und Pakete zuzustellen. Es gibt bereits zahlreiche Rechtsfälle im Zusammenhang mit Drohnen, die ohne Zustimmung in der Nähe von Privatgrundstücken geflogen wurden.

Zunehmender Luftverkehr: Die zunehmende Nutzung von Drohnen wird zu einer Überlastung des Luftraums und damit zu einem erhöhten Unfallrisiko führen. Dies erfordert die Entwicklung spezieller Drohnenkorridore, den Aufbau einer Infrastruktur für sichere Starts und Landungen und die Festlegung von Vorschriften für einen sicheren Betrieb.6. Sicherheitsrisiko: Derzeit dürfen sich Drohnen in den meisten Fällen nicht außerhalb der Sichtweite des Piloten befinden. Für eine erfolgreiche Umsetzung von Drohnenlieferungen müssen Drohnen jedoch in der Lage sein, autonom und ohne Aufsicht zu fliegen. Dies bedeutet, dass die Drohnen eine Kollisionsvermeidungs- und Sicherheitsintelligenz benötigen. Ein solcher Standardrahmen muss für alle Arten von Drohnen eingeführt werden., andernfalls besteht ein hohes Risiko von beispielsweise Kollisionen oder dem Verlust von Waren.

Auswirkungen auf die Tierwelt: Die Anwesenheit von Drohnen in geringer Höhe kann für Vögel gefährlich sein und auch die übrige Tierwelt stören. Es gibt bereits Fälle, in denen Vögel Drohnen angreifen, weil sie sie fälschlicherweise für eine Bedrohung oder eine Beute halten.

Welche Art von Bewegung muss es an der Regulierungsfront geben, um die weitere Nutzung zu unterstützen?

Es liegt auf der Hand, dass der aktuelle Rechtsrahmen nicht in der Lage ist, den Drohnenbetrieb im derzeitigen Umfang zu unterstützen. Da mit einem Wachstum der Branche gerechnet wird, müssen die Regulierungsbehörden für die Luftfahrt, wie die EASA in der EU und die CAA im Vereinigten Königreich, neue Vorschriften für den Drohnenbetrieb erlassen oder bestehende erneuern.

In dem Maße, in dem sich die Technologie weiterentwickelt und Drohnen immer praktikabler werden, müssen auch die Vorschriften angepasst werden. Derzeit gibt es unterschiedliche Vorschriften von nationalen, regionalen und lokalen Behörden, die sich auf die Reichweite, das Gewicht, die Geschwindigkeit, die Flughöhe und die Flugstunden am Tag beziehen. Die Luftfahrtbehörden müssen ein gemeinsames und einheitliches Regelwerk sowie allgemeingültige Leitlinien verabschieden, die den Betreibern die nötige Flexibilität geben, um die Vorschriften durch qualitative und quantitative Methoden zu erfüllen.

BVLOS-Drohnenflüge (Beyond-Visual-Line-of-Sight) erfordern in vielen Ländern zusätzliche Zertifizierungen und Genehmigungen durch die Luftfahrtbehörden, da ein erhebliches Risiko des Verlusts von Gütern, Unfällen und Verletzungen von Menschen besteht. Die Technologie und die Betriebssysteme sind noch nicht so ausgereift, dass die Aufsichtsbehörden BVLOS-Drohnenflüge im nicht segregierten Luftraum genehmigen können. Dies ist eine der größten Herausforderungen bei der Ausweitung von Drohnenanwendungen. Bevor Drohnen außerhalb der Sichtweite fliegen dürfen, müssen weitere Untersuchungen, technologische Fortschritte und branchenweite Standards festgelegt werden.

Es wird erwartet, dass eine globale, branchenweite Regelung die Fernidentifizierung von Drohnen vorschreibt, was bedeutet, dass Drohnen während ihres Fluges ein eindeutiges Identifikationssignal aussenden müssen.

Die Regulierungsbehörden müssen die Vorfahrtsregeln so ändern, dass Drohnen auch im unteren Luftraum fliegen dürfen.

Es müssen verschiedene Kategorien von Anforderungen an die Pilotenausbildung eingeführt werden, die für verschiedene Anwendungen und Anwendungsfälle geeignet sind, wie zum Beispiel Extended Visual Line of Sight (EVLOS) oder Beyond Visual Line of Sight (BVLOS).

Wie könnte der Drohneneinsatz längerfristig das Ökosystem der städtischen Logistik im weiteren Sinne beeinflussen?

Vieles deutet darauf hin, dass Drohnen ein integraler Bestandteil künftiger Lieferketten und intelligenter Stadtinfrastrukturen sein werden. Die Vorteile, die Drohnen in einem städtischen Logistik-Ökosystem bieten, indem sie eine schnellere, effizientere, kostengünstigere und vor allem nachhaltige Lieferung ermöglichen, machen sie für die Logistikbranche äußerst attraktiv. Im Zuge des Mentalitätswandels vom E-Commerce zum Q-Commerce werden die Lieferungen auf der letzten Meile zum zentralen Diskussionspunkt, und Drohnen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Doch ebenso wie bei Elektroautos muss auch für Drohnen eine unterstützende Infrastruktur und branchenweite Vorschriften geschaffen werden, um sie zu einer praktikablen und nachhaltigen Option zu machen.

Der Markt für Lieferdrohnen wächst bereits und wird auch weiterhin exponentiell wachsen, aber um erfolgreich zu sein, muss er sich in das Ökosystem der bestehenden Transportmöglichkeiten einfügen. Lokale Lebensmittellieferungen, E-Commerce, verderbliche Waren und medizinische Lieferungen sind einige der vielversprechenden Bereiche, in denen ein deutlichen Aufschwung für Drohnenlieferungen zu erwarten ist. E-Commerce-Giganten können beispielsweise ihr Liefernetz mit Hilfe von Drohnen auf ländliche, weniger bevölkerte Gebiete ausweiten, in denen die Nachfrage geringer ist und der Einsatz von Drohnen im Vergleich zu traditionellen Lieferwagen finanziell sinnvoll ist.

In einem Wettlauf um Lieferungseffizienz und Wachstum wird die Zukunft der städtischen Logistik intermodal sein, eine optimale Mischung aus Schiene, Straße, See- und Luftverkehr, und Drohnen werden eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Ziellinie zu überqueren.

-PM cognizant-

 

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Rechtsextremismus und Linksextremismus in Deutschland

Die aktuelle Analyse der deutschen Sicherheitsbehörden

Prof. Dr. Stefan Goertz, Hochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei

Dieser Beitrag untersucht aktuelle Akteure und Trends im deutschen Rechtsextremismus und im deutschen Linksextremismus. Als Quellenbasis dient der aktuelle Verfassungsschutzbericht aus dem Juni 2022. Einführend werden aktuelle Straftaten und Trends in diesen beiden Phänomenbereichen von Extremismus beleuchtet. Auch das Vorwort des aktuellen Verfassungsschutzberichtes, verfasst von der Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist in Bezug auf das Bedrohungspotenzial, das in Deutschland von Rechts- und Linksextremisten ausgeht, ist sehr aufschlussreich. Abschließend wird der aktuelle linksextremistische „Antimilitarismus“ im Kontext zum Ukrainekrieg und den sicherheitspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung („Zeitenwende“) beschrieben.

In ihrem Vorwort für den aktuellen Verfassungsschutzbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus dem Juni 2022 erklärt Bundesinnenministerin Nancy Faeser, dass sie „insbesondere im Kampf gegen den Rechtsextremismus, der größten extremistischen Bedrohung für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung […] als Bundesinnenministerin einen Schwerpunkt meiner politischen Arbeit“ setze.1 Mit dem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus habe sie „im März 2022 kurzfristig wirksame repressive und präventive Maßnahmen vorgestellt“. Ihr Ziel sei es, „Radikalisierung zu stoppen, rechtsextreme Netzwerke zu zerschlagen und Extremisten konsequent die Waffen zu entziehen. Um den Nährboden von Hass und Gewalt auszutrocknen, müssen zudem diejenigen, die im Netz Hass und Hetze verbreiten, identifiziert und zur Verantwortung gezogen werden“.2

Gleichzeitig verweist Bundesinnenministerin Faeser jedoch auch darauf, dass „das Gefahrenpotenzial im Linksextremismus unverändert hoch“ sei. Bundesweit bestehe „im gewaltorientierten Linksextremismus ein hohes Radikalisierungsniveau. 2021 ist die Zahl gewaltbereiter Linksextremisten nach den deutlichen Zuwächsen in den Vorjahren erneut angestiegen und liegt nun bei 10.300 Personen, von denen 8.000 als „Autonome“ gelten. Die Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten hat sich mit über 6.100 Delikten auf einem hohen Niveau verfestigt. Sie werden von konspirativ und professionell agierenden Kleingruppen planvoll und gezielt durchgeführt.3

Dieser Artikel beleuchtet die beiden Extremismusphänomenbereiche Rechtsextremismus und Linksextremismus in Deutschland Bezug auf ihre aktuellen Straftaten und Trends, auf der Grundlage einer Auswertung des aktuellen Verfassungsschutzberichtes aus dem Juni 2022.

Rechtsextremismus in Deutschland – Aktuelle Straftaten, aktuelle Trends

Dem Phänomenbereich Rechtsextremismus ordneten die deutschen Sicherheitsbehörden im Jahr 2021 20.201 Straftaten zu – im Vorjahr waren es noch 23.604 –, von den 21.964 Straftaten waren 12.255 Propagandadelikte – im Jahr 2020 noch 13.659 – Propagandadelikte nach §§ 86, 86a StGB und 945 Gewalttaten (im Vorjahr noch 1.023 Gewalttaten). Neben zwei versuchten Tötungsdelikten zählt hierzu auch ein vollendetes Tötungsdelikt, bei dem der Täter seine Frau, deren drei Kinder und sich selbst tötete. In einem Abschiedsbrief hatte der Mann antisemitische Verschwörungsideologien im Kontext der Coronapandemie geäußert.4

Beim Personenpotenzial Rechtsextremismus zählten die deutschen Verfassungsschutzbehörden für das Jahr 2021 33.900 Personen, im Vorjahr waren es noch 33.300. Die Zahl der Rechtsextremisten, die als gewaltorientiert eingestuft werden, ist auf 13.500 Personen angestiegen, im Jahr zuvor waren es noch 13.300.5 Beim Personenpotenzial Rechtsextremismus zählen die deutschen Verfassungsschutzbehörden aktuell 11.800 in Parteien, davon 3.150 bei der NPD, 500 bei „DIE RECHTE“, 650 bei „Der III. Weg“ und 7.500 unter „sonstiges rechtsextremistisches Personenpotenzial“, wozu das Bundesamt für Verfassungsschutz die Anhänger „des formal aufgelösten Personenzusammenschlusses ‚Der Flügel‘ (Verdachtsfall Rechtsextremismus)“ der AfD sowie der „Jungen Alternative“ zählt.6 In parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen zählt das Bundesamt für Verfassungsschutz für das Jahr 2021 8.500 Personen, im „weitgehend unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzial“ 15.000, was nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften insgesamt 33.900 macht.7

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In Bezug auf die Strategien und die Ideologieelemente der rechtsextremistischen Akteure führt das Bundesamt für Verfassungsschutz aus, dass das rechtsextremistische Demonstrationsgeschehen im Jahr 2021, dem zweiten Jahr der Pandemie, hinsichtlich der Mobilisierung wieder erheblich unter dem Einfluss der Coronapandemie und den Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, die zu einem erheblichen Rückgang des Versammlungsaufkommens auf 88 Demonstrationen führten (im Jahr 2020 noch 233 Versammlungen), stand. Den Kampfsport bewerten die Verfassungsschutzbehörden für die rechtsextremistische Szene nach wie vor als organisationsübergreifendes und verbindendes Element. Trotz pandemiebedingter Einschränkungen wurden Kampfsporttrainings in eigenen Szeneobjekten oder im Freien durchgeführt. Allerdings fanden im Jahr 2021 keine größeren Kampfsportwettbewerbe statt. So konnte der Versuch, eine Ersatzveranstaltung für die rechtsextremistische Kampfsportveranstaltung „Kampf der Nibelungen“ im benachbarten Ausland durchzuführen, von den Sicherheitsbehörden durch eine länderübergreifende Zusammenarbeit verhindert werden.8

Wie bei den Versammlungen konstatiert das Bundesamt für Verfassungsschutz für das Jahr 2021, dass die Anzahl von rechtsextremistischen Musikveranstaltungen und deren Besuchern auf einem deutlich niedrigeren Niveau als vor der Pandemie war. Dennoch hätte sich die rechtsextremistische Musikszene in Deutschland trotz der schwierigen Rahmenbedingungen der Jahre 2020 und 2021 aber „weiterhin agil und aktionsfähig“ gezeigt. Das zeige der sprunghafte Anstieg von Musikveranstaltungen ab Mitte 2021, nachdem Teile der Corona-Schutzmaßnahmen aufgehoben worden waren. Zudem seit im Jahr 2021 eine – im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit – überdurchschnittlich hohe Zahl neuer rechtsextremistischer Tonträger veröffentlicht worden.9

Antisemitismus und antisemitische Narrative als wesentliche rechtsextremistische Aktionsfelder wurden nach Angaben der deutschen Verfassungsschutzbehörden durch die Coronapandemie noch verstärkt. Die Pandemie stelle einen entscheidenden Faktor bei der Verbreitung von offenen oder chiffrierten antisemitischen Verschwörungstheorien dar. Beispielhaft seien hier Narrative zu nennen, nach denen eine „geheime Elite“, die in der Regel aus „jüdischen“ oder als „jüdisch“ klassifizierten Personenkreisen wie den Familien Rothschild und Rockefeller oder der sog. „Hochfinanz“ bestehe, die „Pandemie und die Impfungen zur Versklavung der Menschheit“ benutze.10 So habe sich in Form des „Great Reset“ mittlerweile eine coronabezogene Verschwörungserzählungen mit antisemitischen Versatzstücken ausgebreitet. Die Verschwörungserzählung „Great Reset“ behauptet, dass eine „globale Elite“ in Politik und Wirtschaft eine globalisierte Diktatur anstrebe. Vor allem über Soziale Medien werden antisemitisch konnotierte Verschwörungserzählungen auch über die Grenzen des rechtsextremistischen Spektrums hinaus verbreitet.11

Neben dem seit Jahren vorherrschenden rechtsextremistischen Agitationsthema Migration und seit 2020 der Coronapandemie sowie staatliche Gegenmaßnahmen waren im Jahr 2021 nach Angaben der deutschen Verfassungsschutzbehörden mutmaßlich linksextremistisch motivierte Angriffe gegen die rechtsextremistische Szene ein bestimmendes Thema innerhalb dieser Szene in Deutschland. Thematisiert wurden dabei vor allem die zwischenzeitliche Häufung dieser Delikte im Frühjahr 2021 sowie die teilweise „neue Qualität gezielter und planmäßiger Angriffe“. Neben einer hohen Anzahl von Sachbeschädigungen, beispielsweise durch Brandanschläge auf Szeneobjekte und von Rechtsextremisten genutzte Fahrzeuge vor allem in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, kam es nach Angaben der deutschen Sicherheitsbehörden zu gezielten gewalttätigen Übergriffen auf einzelne Protagonisten des deutschen Rechtsextremismus. So wurde am 11. März 2021 der Vorsitzende der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (JN) Paul Rzehaczek in seiner Wohnung in Sachsen von mehreren als Polizisten verkleideten Personen schwer verletzt.12 Ein ähnlicher Überfall –vermutlich ebenso von gewaltbereiten Linksextremisten verübt – ereignete sich am 28. Mai 2021 auf einen Neonazi und seine Lebensgefährtin in Thüringen. Diese Übergriffe führten in der Analyse der deutschen Sicherheitsbehörden dazu, dass sich Rechtsextremisten als Opfer eines „linken Terrorismus“ durch die „Antifa“ inszenierten. Die rechtsextremistische Szene habe in dieser Situation vorübergehend interne Differenzen zugunsten der „nationalen Sache“ überwunden. Szeneprominente Rechtsextremisten haben Vernetzungsbestrebungen vorangetrieben, um dem politischen Gegner und den eigenen Szeneangehörigen Stärke und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. In Propagandavideos wurde verkündet, „dass man sich von den Gewalttaten nicht einschüchtern lasse“.13

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) argumentiert, dass es bundesweit und über Organisationsgrenzen von Rechtsextremisten hinweg zu einer ungewöhnlichen Solidarisierung gekommen sei. Selbst Personen(-gruppen) aus Spektren innerhalb der rechtsextremistischen Szene, die bislang in einem politischen, ideologischen oder geschäftlichen Konkurrenzverhältnis zueinander gestanden hätten, haben sich nach Angaben des BfV einander angenähert. Um das Narrativ der „Opferrolle“ zu etablieren, initiierte das „COMPACT-Magazin“ in diversen Formaten– beispielsweise mit einer Beitragsserie in „COMPACTTV“ und über ein eigenes „COMPACT Spezial“-Heft  – eine Berichtsserie über die linksextremistische „Antifa“ und deren vermeintlichen Unterstützerkreis. Verschiedene verschwörungstheoretische Konstrukte wurden in der Analyse des BfV bemüht, um der Politik, den „Mainstream-Medien“ und Bildungseinrichtungen eine Mitschuld an der andauernden Angriffsserie gegen Protagonisten des deutschen Rechtsextremismus zuzuweisen.14 Neben der Vernetzung mithilfe propagandistischer Aktivitäten legten deutsche Rechtsextremisten auch einen Fokus auf gemeinsame Selbstverteidigungsstrategien. Auf lokaler Ebene boten sich gewaltorientierte Rechtsextremisten an, um Szeneobjekte zu bewachen, und „bestreiften“ diese zeitweilig. Schulungen zum Thema Selbst- und Objektschutz thematisierten „legale Bewaffnung“ und den Notwehrparagrafen des Strafgesetzbuchs.

Linksextremismus in Deutschland – Aktuelle Straftaten, aktuelle Trends

Dem Linksextremismus wurden im Jahr 2021 6.142 (im Jahr 2020 noch 6.632) Straftaten erfasst, darunter 987 (2020 noch 1.237) Gewalttaten. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten sank damit um 7,4 %, die Zahl der Gewalttaten um 20,2 %. Von den linksextremistisch motivierten Gewalttaten wurden 572 Fälle in das Themenfeld „Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden“ eingeordnet. Die Zahl der Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten verminderte sich auf insgesamt 264 Delikte, während die Zahl der Gewalttaten gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole um 30,8 % auf 471 zurückging (2020: 681). Angestiegen (plus 6,6 %) ist hingegen die Zahl der Gewalttaten im Themenfeld „Kampagnen gegen Umstrukturierung“ (2021: 290, 2020: 272). Gut 90 % der Gewalttaten in diesem Themenfeld (262) wurden in Berlin begangen.15 Das linksextremistische Personenpotenzial stieg 2021 um 1,2 % auf insgesamt 34.700 Personen und mehr als jeder vierte Linksextremist wird als gewaltorientiert eingestuft. Linksextremistische Akteure in Deutschland sind nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz u.a. Autonome, Anarchisten, dogmatische Linksextremisten,, die „Interventionistische Linke“, „...ums Ganze! – kommunistisches Bündnis“, „Perspektive Kommunismus“ (PK), Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union“ (FAU), Gruppe ArbeiterInnenmacht“ (GAM), deutsche Sektion der „Liga für die Fünfte Internationale“, „REVOLUTION“ (REVO), Jugendorganisation der „Gruppe ArbeiterInnenmacht“, „Rote Hilfe e.V.“, „junge Welt“, Deutsche Kommunistische Partei“, „Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend“, Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“, „REBELL“, Sozialistische Gleichheitspartei“, deutsche Sektion des „Internationalen Komitees der Vierten Internationale“, Sozialistische Alternative“/„Sozialistische Organisation Solidarität“, Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE“, Sozialistische Linke“, Antikapitalistische Linke“ sowie „marx21“.16

Die „Rote Hilfe e.V.“ (RH) ist mit rund 12.100 Mitgliedern und bundesweit etwa 50 Ortsgruppen nach Angaben des BfV die größte und eine der wichtigsten Gruppierungen im deutschen Linksextremismus. Innerhalb der letzten vier Jahre habe die RH einen starken Mitgliederzuwachs erfahren. Ihr primäres Betätigungsfeld ist „die Unterstützung von linksextremistischen Straftätern sowohl im Strafverfahren als auch während der Haftzeit. Sie bietet ihnen politischen und sozialen Rückhalt und leistet juristische sowie finanzielle Unterstützung. Ihre Agitation zielt darauf ab, das strafrechtliche Abschreckungspotenzial zu mindern und die Legitimität des demokratischen Verfassungsstaates infrage zu stellen.“17

Infostand der Roten Hilfe 2013 in Hannover
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In Bezug auf weitere wichtige Akteure im Bereich des Linksextremismus stellt das BfV, dass Linksextremisten die öffentliche Aufmerksamkeit zur Verbreitung ihrer Ideologie benötigen. Gewaltorientierte Linksextremisten brauchen zudem eine Plattform, um Straf- und Gewalttaten öffentlich vermitteln und ihren Forderungen Nachdruck verleihen zu können. Nach dem Verbot von „linksunten. indymedia“ im August 2017 hat sich die linksextremistische Internetplattform „de.indymedia“ zum wichtigsten Informations- und Propagandamedium für die linksextremistische Szene im deutschsprachigen Raum entwickelt. Eine Vielzahl an Beiträgen weist einen Bezug zu linksextremistischer Gewalt und Straftaten auf oder sind selbst von ihrem Inhalt her strafrechtlich relevant. So werden regelmäßig Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlicht und zu weiteren Taten aufgerufen. Auch erfolgen über „de.indymedia“ immer wieder Veröffentlichungen von Bildern und personenbezogenen Daten „unliebsamer Personen“ im Rahmen von „Outings“. In der Gesamtschau lassen die Beiträge auf „de.indymedia“ eindeutig eine verfassungsfeindliche Linie erkennen, die in der Bearbeitung der Plattform als gesicherte linksextremistische Bestrebung resultiert.18

Bundesweit besteht im gewaltorientierten Linksextremismus seit Jahren ein hohes Radikalisierungsniveau. Das BfV stellt seit Jahren fest, dass die Gewaltbereitschaft bei einigen Linksextremisten derart ausgeprägt sei, „dass sie sich vom Rest des gewaltorientierten Spektrums abgrenzen und in kleinen Gruppen eigene, akribisch geplante und häufig äußerst brutale Taten begehen“. Diese Entwicklungen zeigen sich vor allem in den Schwerpunktregionen Berlin, Hamburg und Leipzig. Aber auch in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass sich ein Teil der gewaltorientierten linksextremistischen Szene zunehmend radikalisiert.19

Die deutschen Verfassungsschutzbehörden beobachten seit Monaten und Jahren, dass linksextremistische Angriffe zielgerichteter und professioneller geworden seien, die Opfer zunehmend auch auf einer persönlichen Ebene betroffen seien. Sie würden in ihrem privaten oder beruflichen Umfeld mit hoher Aggressivität attackiert, ihre Wohnungen, Geschäftsräume und Fahrzeuge gezielt beschädigt oder in Brand gesetzt. Dazu kommt es immer wieder zu direkten körperlichen Angriffen gegen politische Gegner oder Polizeibeamte, wobei die linksextremistischen Täter auch schwere körperliche Verletzungen verursachen. Einige linksextremistische Täter gingen in den letzten Monaten und Jahren bereits jetzt so brutal vor, dass sie auch den möglichen Tod der Opfer zumindest in Kauf nehmen.20 Vor allem bei Angriffen auf als Rechtsextremisten ausgemachte Personen ist das Vorgehen der linksextremistischen Tätergruppen nach Auffassung der deutschen Sicherheitsbehörden sehr professionell und zeugt im Auftreten von einer ausgeprägten Selbstsicherheit. So verkleideten sich Linksextremisten beispielsweise zur Begehung schwerer Gewalttaten gegen Rechtsextremisten als Polizisten, um Zugang zu Wohngebäuden zu erlangen. Sie führten Werkzeuge mit, um damit Wohnungstüren gewaltsam zu öffnen, ihre Opfer gezielt anzugreifen und schwer zu verletzen. Diese Art der Tatbegehung erfordert eine intensive Vorbereitung, im Vorfeld werden der Tagesablauf und die persönlichen Lebensumstände der potenziellen Opfer detailliert ausgekundschaftet und die Taten dann arbeitsteilig ausgeführt.21

Mit der Erheblichkeit linksextremistischer Gewalttaten in den letzten Jahren und Monaten habe sich nach Auffassung der deutschen Sicherheitsbehörden auch der dahinterstehende Täterkreis verändert. So gebe es in mehreren Bundesländern Hinweise darauf, dass sich innerhalb der gewaltorientierten linksextremistischen Szene klandestin operierende Kleingruppen herausbilden. Diese begehen eigene Tatserien und schotten sich aufgrund ihrer gesteigerten Gewaltbereitschaft vom Rest der Szene ab. Die Tonlage im Spektrum gewaltorientierter Linksextremisten habe sich insgesamt verschärft. Weitreichende Aussagen bis hin zur Androhung schwerer Gewalt oder auch der Bedrohung mit dem Tod werden stillschweigend toleriert. So wurde auf einer Demonstration gegen eine vermeintliche „Kriminalisierung von Antifaschismus“ am 18. September 2021 in Leipzig der Leiter der Soko LinX des Landeskriminalamts Sachsen öffentlich mit dem Tode bedroht. Eine Gruppe schwarz vermummter Teilnehmender zeigte ein Plakat, auf dem in Anspielung auf die Ermordung Hanns Martin Schleyers durch die linksterroristische „Rote Armee Fraktion“ (RAF) unter Nennung seines vollen Namens zu lesen war: „BALD IST ER AUS DEIN TRAUM, DANN LIEGST DU IM KOFFERRAUM.“22

Als seit Jahre etabliertes Agitationsfeld gewaltbereiter Linksextremisten gilt im Kampf gegen den bei Linksextremisten verhassten Staat die Polizei als das zentrale Feindbild gewaltorientierter Linksextremisten. Gegen ihre Einsatzkräfte, Fahrzeuge und Einrichtungen richten sich mit Abstand die meisten linksextremistischen Gewalttaten. Zu den im Jahr 2021 560 von Linksextremisten verübten Gewaltdelikten gegen die Polizei zählen unter anderem ein versuchtes Tötungsdelikt, 182  Körperverletzungen, 15  Brandstiftungen und 241 Widerstandsdelikte. Aus Sicht von Linksextremisten stehe dabei jede verletzte Polizeikraft für eine Schwächung des „Repressionsstaates“ und gleichzeitig für eine Demonstration der eigenen Stärke. Diese linksextremistische Auffassung verletzt in der Analyse der deutschen Verfassungsschutzbehörden nicht zuletzt auch die Menschenwürde der angegriffenen Polizeibeamten.23

Vor allem gewaltorientierte Linksextremisten „sprechen Polizeibediensteten ihr Menschsein konsequent ab und verunglimpfen sie als ‚Marionetten des Systems‘ und ‚Bullenschweine‘, die es allein schon aufgrund ihrer Berufswahl verdienten, physische Gewalt zu erfahren“. Dieses gemeinsam hochstilisierte Feindbild bietet der linksextremistischen Szene Orientierung und stärkt ihren Zusammenhalt sowie ihre Gewaltbereitschaft. Bei Demonstrationen, Zwangsräumungen, Abschiebungen oder Festnahmen stehen sich Linksextremisten und Polizei regelmäßig gegenüber. Dabei kommt es immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen und gezielten Angriffen auf Polizeibeamte. Regelmäßig werden diese durch den Bewurf mit Pyrotechnik, Flaschen und Pflastersteinen – mitunter schwer – verletzt.24

Am 1. Mai 2021 kam es in mehreren deutschen Städten zu Ausschreitungen und Angriffen auf die Polizei; rund 100 Einsatzkräfte wurden dabei verletzt. Bei der jährlichen „Revolutionären 1. Mai-Demo“ in Berlin wurden Polizeibeamte mit Flaschen, Steinen und Böllern beworfen und auch direkt körperlich angegriffen. In Frankfurt am Main kam es aus einer Demonstration heraus zu teilweise massiven Angriffen auf die Polizei. Unter anderem wurden dabei Fahnenstangen gezielt unter das Helmvisier der Einsatzkräfte gestoßen, um diese schwer zu verletzen. Im Kontext mit der bevorstehenden Räumung des „Köpi-Wagenplatzes“ setzten unbekannte Täter – vermutlich gewaltbereite Linksextremisten – am 12. Oktober 2021 in Berlin einen Reifenstapel in der Nähe des Szeneobjekts „Rigaer94“ in Brand. Zusätzlich blockierten sie eine Straße mit einem Transparent, auf dem unter anderem ein Anarchiezeichen und die Abkürzung „ACAT“ (All Cops Are Targets) zu sehen waren. Eintreffende Einsatzkräfte der Polizei wurden aus den umliegenden Häusern heraus massiv mit Pflastersteinen beworfen. Feuerwehrkräfte mussten von der Polizei vor Steinwürfen geschützt werden, um den Brand löschen zu können.25

In Bezug auf die Polizei führen die deutschen Verfassungsschutzbehörden aus, dass „im Kampf gegen den bei Linksextremisten verhassten Staat die Polizei das zentrale Feindbild gewaltorientierter Linksextremisten“ sei. Gegen die Einsatzkräfte, Fahrzeuge und Einrichtungen der Polizei richten sich mit Abstand die meisten linksextremistischen Gewalttaten. Die konsequente Fokussierung auf die Polizei als primäres Feindbild biete linksextremistischen Gruppen zusätzliche Vernetzungsoptionen hin zu ideologisch weniger gefestigten Gruppen, so das BfV.26

Eine besondere Bedeutung für autonome Linksextremisten hat die sog. „Eroberung“ und „Verteidigung von Freiräumen”. „Da Autonome die öffentliche Ordnung nicht anerkennen, ignorieren sie bestehende Eigentumsverhältnisse und errichten Orte, an denen sie selbst über die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens bestimmen wollen“, erläutert das BfV. Dies können besetzte Häuser, kollektive „Wohnprojekte“ und selbstverwaltete Kulturzentren sein, die als Symbole des „Widerstands frei von staatlicher Überwachung“ und „kapitalistischer Verwertungslogik“ betrachtet werden. Jegliche staatlichen Eingriffe werden von autonomen Linksextremisten als Angriff auf die Selbstbestimmung verstanden. Autonome Linksextremisten reagieren auf staatliche Maßnahmen wie Durchsuchungen, Begehungen oder Räumungen regelmäßig mit gewaltsamen Protesten, Sachbeschädigungen oder Brandanschlägen auf beteiligte Unternehmen, „Luxusimmobilien“ oder die Polizei. Der „Preis“ für entsprechende politische oder wirtschaftliche Entscheidungen soll auf diese Weise „in die Höhe getrieben“ und Entscheidungsträger beeinflusst werden. Hinzu kommen persönliche Drohungen gegen mutmaßlich Verantwortliche und Angriffe auf Polizeibeamte.27

Der Ukrainekrieg und linksextremistischer „Antimilitarismus“

Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg konstatierte im Mai 2022, dass die deutsche linksextremistische Szene vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges das seit Jahren bekannte linksextremistische Agitationsthema „Antimilitarismus“ verstärkt in den Mittelpunkt rücke. Grund hierfür seien die derzeitigen politischen Entwicklungen im Kontext des Ukrainekriegs, vor allem die Entscheidung der Bundesregierung, die Militärausgaben zu erhöhen und Waffen in die Ukraine zu liefern. Wie jüngste Aktionen zeigen, gewinnt das Thema auch für Baden-Württemberg zunehmend an Relevanz.28

 In der Nacht auf den 29. April 2022 wurde die Fassade des Stuttgarter SPD-Büros mit roter Farbe beschmiert. Wie in einem Selbstbezichtigungsschreiben auf der linksextremistischen Internetplattform „de.indymedia.org“ nachzulesen ist, sollte die Partei damit „als Kriegstreiber markiert“ werden. Durch die Tat sei „das Blut der Arbeiter:innen der Welt, das durch ihre Waffen zweifelsohne fließen wird, symbolisch an die Fassade“ gebracht worden. Am Ende des Beitrags wird dazu aufgerufen, im Themenfeld Antimilitarismus aktiv zu werden: „Lasst uns antimilitaristisch aktiv werden, die Kriegsindustrie stören, Waffenexporte blockieren und revolutionär für ein Anderes [sic!] System kämpfen“.29

Wenige Stunden später kam es zu einem sehr ähnlichen Fall, am 30. April 2022 wurden die Fenster einer Filiale der Deutschen Bank im Zuge einer Demonstration in Waiblingen mit dem Schriftzug „Kriegsprofiteure“ versehen. Hierdurch sollte laut eines weiteren Selbstbezichtigungsschreibens auf „de.indymedia.org“ darauf aufmerksam gemacht werden, dass die „Deutsche Bank zu den größten Investoren der Rüstungsindustrie [gehört]“. Am Ende des Beitrags findet sich der Aufruf: „Krieg, Krise, Kapitalismus – diesem System den Kampf ansagen!“30

Schon Anfang April wurde auf „de.indymedia.org“ unter der Überschrift „Rüstungsindustrie angreifen!“ eine neue Plattform vorgestellt, auf der Informationen, wie beispielsweise Adressen, veröffentlicht wurden. Unter den veröffentlichen Adressen finden sich auch zahlreiche Unternehmen aus Baden-Württemberg. Ziel der Plattform sei es, einen „Beitrag“ dazu zu leisten, „Rüstungsunternehmen, ihren Zulieferern, Beratern, Logistikern, Finanziers und Lobbyorganisationen“ zu schaden, indem sie anhand der online verfügbaren Informationen „effizient“ getroffen werden sollten.31

Auch Ende April gründete sich unter der Internetadresse „hauptfeind.de“ erstmals ein bundesweites Bündnis, das sich explizit gegen die beabsichtigte Neuausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik stellt („Zeitenwende“). Unter dem Motto „Offensive gegen Aufrüstung – Klassenkampf statt Burgfrieden“ haben sich bislang 29 Gruppen zusammengeschlossen, darunter auch mehrere linksextremistische Akteure aus Baden-Württemberg. Mit Verweis auf die aktuellen Entwicklungen im Kontext des Ukraine-Konflikts und in Orientierung an einem leninistischen Zitat verweist das Bündnis darauf, dass „unser Hauptfeind im eigenen Land steht“. „Als Kriegsgegner:innen in Deutschland sind unsere Feinde die deutschen Rüstungskonzerne und Banken, ihre politischen Handlanger in den Parteispitzen der bürgerlichen Parteien, sowie die Medien, die uns aufhetzen sollen. Diese müssen wir angreifen und entlarven.“32

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Fazit

Nancy Faeser bezeichnet in ihrem ersten Vorwort für den jährlichen Verfassungsschutzbericht als Bundesinnenministerin den Rechtsextremismus als „größte extremistische Bedrohung für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung“ und nennt als Indiz dafür u.a. das Potenzial gewaltorientierter rechtsextremistischer Personen, das aktuell 13.500 Personen beträgt.33 Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus mit seinen sehr zahlreichen und sehr unterschiedlichen Akteuren werden aus der Sicht der Extremismusforschung für viele Jahre eine wesentliche Bedrohung der Inneren Sicherheit Deutschlands darstellen.34 Die Übergänge von Rechtsextremismus zu Rechtsterrorismus sind in den letzten Jahren fließend geworden. Rechtsextremistische und rechtsterroristische Inhalte, Narrative, Verschwörungserzählungen und Vernetzungen stellen hierbei eine neue Dimension dar.

Im gleichen Vorwort zum aktuellen Verfassungsschutzbericht aus dem Juni 2022 erwähnt Bundesinnenministerin Faeser aber auch, dass „das Gefahrenpotenzial im Linksextremismus unverändert hoch“ sei und bundesweit „im gewaltorientierten Linksextremismus ein hohes Radikalisierungsniveau“ bestehe.

Die oben beschriebene aktuelle strategische Schwerpunktverschiebung innerhalb der linksextremistischen Szene hin zu Agitation rund um das Thema Ukrainekrieg, sicherheitspolitische Maßnahmen der deutschen Bundesregierung sowie „Antimilitarismus“ zeigt erneut, dass die Phänomenbereiche von Extremismus versuchen, an aktuelle gesellschaftliche Themen anzuknüpfen. Das Ziel der unterschiedlichen Phänomenbereiche von Extremismus besteht jeweils darin, die eigenen Deutungsangebote in aktuell geführten, gesellschaftlichen Debatten zu verankern.

-Dieser Beitrag stellt die persönliche Auffassung des Autors dar.-

Quellen:

1  Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat (2022): Verfassungsschutzbericht 2021, Berlin, S. 4.
2  Vgl. ebd.
3  Vgl. ebd.
4  Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat (2022): Verfassungsschutzbericht 2021. Kurzzusammenfassung, Berlin, S. 8.
5  Vgl. ebd., S. 11.
6  Vgl. ebd., S. 11.
7  Vgl. ebd.
8  Vgl. ebd., S. 13-14.
9  Vgl. ebd., S. 14-15.
10  Vgl. ebd.
11  Vgl. ebd.
12  Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat (2022): Verfassungsschutzbericht 2021, S. 62-63.
13  Vgl. ebd., S. 63.
14  Vgl. ebd., S. 63-64.
15  Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat (2022): Verfassungsschutzbericht 2021. Kurzzusammenfassung, Berlin, S. 8-9.
16  Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2020/verfassungsschutzbericht-2019.pdf?__blob=publicationFile&v=10, S. 151-170 (21.7.2022).
17  Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat (2022): Verfassungsschutzbericht 2021., S. 34.
18  Vgl. ebd.
19  Vgl. ebd., S. 125.
20  Vgl. ebd., S. 125-126.
21  Vgl. ebd., S. 126.
22  Vgl. ebd., S. 126-127.
23  Vgl. ebd., S. 132-133.
24  Vgl. ebd., S. 133.
25  Vgl. ebd., S. 133-134.
26  Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat (2022): Verfassungsschutzbericht 2021. Kurzzusammenfassung., S. 30-31.
27  Vgl. ebd., S. 31.
28  Vgl. https://www.verfassungsschutz-bw.de/,Lde/_Antimilitarismus_+bei+Linksextremisten+zunehmend+im+Fokus (25.7.2022).
29  Vgl. ebd.
30  Vgl. ebd.
31  Vgl. ebd.
32  Vgl. ebd.
33  Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat (2022): Verfassungsschutzbericht 2021, Berlin, S. 3-4.
34  Ausführlich dazu siehe Goertz, S. (2022): Extremismus und Sicherheitspolitik – Studienkurs für die Polizei und die Verfassungsschutzbehörden. Wiesbaden, Kapitel 3 sowie Goertz, S. (2021): Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland. Eine analytische Einführung für Polizei und Sicherheitsbehörden. Hilden.

 

Symbolbild
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Feuerwehrverbände reagieren entsetzt auf Haushalts-Planungen

Etat des Bundesinnenministeriums soll drastisch gekürzt werden – vfdb und DFV: Eine Katastrophe für den Bevölkerungsschutz

Mit Entsetzen und völligem Unverständnis haben die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) und der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) auf Meldungen aus dem Bundestag reagiert, wonach der Etat des Bundesinnenministeriums im kommenden Jahr um mehr als 2,22 Milliarden Euro sinken soll.

„Wenn das Vorhaben umgesetzt werden sollte, kann der Staat wohl kaum noch seiner Verpflichtung nachkommen, die Bevölkerung zu schützen“, sagte vfdb-Präsident Dirk Aschenbrenner, „das wäre eine Katastrophe.“ DFV-Präsident Karl-Heinz Banse ergänzte: „Die Fähigkeit, bei Katastrophen und Krisen künftig besser aufgestellt zu sein als bisher, würde damit nicht verstärkt, sondern verringert.“

Beide Präsidenten erinnerten an die Notwendigkeiten, die nach jüngsten Ereignissen von Experten erkannt worden waren. Dazu zähle neben der Starkregenkatastrophe nicht zuletzt die enorme Herausforderung durch die Pandemie, aber auch durch die Flüchtlingskrise – ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. „Und auch die aktuellen Wald- und Vegetationsbrände zeigten deutlich auf, wie und wo Deutschland mehr statt weniger investieren müsse“, so Aschenbrenner und Banse weiter.

Erst im Februar hatte die vfdb in einem Schreiben an Bundesinnenministerin Nancy Faeser anlässlich des Koalitionsvertrages der Regierungsparteien Empfehlungen zur Optimierung des Bevölkerungsschutzes in Deutschland gegeben. Unter anderem wurde darin neben der Schaffung einer operativ-taktischen Führungseinrichtung auf Bundesebene auch die Entwicklung eines staatlichen Krisenmanagements angeregt. Ferner forderten die Experten eine bundeseinheitliche Warnung und Information der Bevölkerung in Gefahrenlagen.

Bereits im November 2021 hatte der Deutsche Feuerwehrverband den Bund aufgefordert, durch eine auskömmliche Finanzierung dafür Sorge zu tragen, dass die Organisationen im Zivil- und Katastrophenschutz die Anforderungen der Zukunft erfolgreich bewältigen können. „Auch in Reaktion auf die Auswirkungen der zunehmenden Klimaveränderung bedarf es einer besonderen Aufmerksamkeit zur Stärkung der Resilienz und einer weiteren Verbesserung im Bereich der Warnung der Bevölkerung“, wandte sich DFV-Präsident Banse an die Vorsitzenden der Regierungsparteien.

In einem weiteren Schreiben forderte die vfdb Anfang April eine deutliche Erhöhung der Haushaltsansätze für die zivile Verteidigung. Bislang hätten die Aufwendungen des Bundes für den Zivilschutz nur ein Volumen, das etwa 0,3 Prozent des Wehretats entspreche, hieß es darin. Neben einer starken Armee sei jedoch für den Schutz des Landes auch eine leistungsfähige zivile Verteidigung erforderlich. „Selbst eine Verdoppelung der Haushaltsansätze für den Zivilschutz würde den Bundeshaushalt insgesamt nur geringfügig belasten“, so vfdb-Präsident Aschenbrenner.

Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine hatte sich DFV-Präsident Karl-Heinz Banse Anfang März an Bundesinnenministerin Nancy Faeser gewandt und auf die Umsetzung neuer Maßnahmen im Bereich der zivilen Verteidigung, etwa bei den Führungsstrukturen oder der Beschaffung von CBRN-Technik, gedrungen: Neben der notwendigen Fortentwicklung der militärischen Verteidigung müsse allerdings und konsequenterweise auch ein besonderer Fokus auf die damit zwangsläufig verbundenen Fähigkeiten im Bereich der zivilen Verteidigung gelegt werden.

Die Neuausrichtung des Bevölkerungsschutzes war eines der bestimmenden Themen auch beim 29. Deutschen Feuerwehrtag im Juni in Hannover. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte dort ein klares Bekenntnis zum Deutschen Feuerwehrverband und zu den Feuerwehren in ganz Deutschland abgegeben und das Engagement und die Arbeiten der Feuerwehren in den unterschiedlichsten Einsatzlagen und für die Gesellschaft im Allgemeinen gewürdigt: „Die Feuerwehr ist der wesentliche Bestandteil der Sicherheitsarchitektur in Deutschland, so müssen wir sie auch behandeln“, hatte Faeser betont. Die Bundesinnenministerin hatte ihre Unterstützung bei der Durchsetzung der Forderung nach einer ständigen Vertretung des Deutschen Feuerwehrverbandes als direkter Vertretung der Feuerwehren im neuen Gemeinsamen Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz des Bundes und der Länder zugesichert.

-PM vfdb-

 

Nachrichtendienstrecht

Nachrichtendienstrecht.
Markus Löffelmann; Mark A. Zöller,
Baden-Baden 2022,
288 Seiten.
ISBN 978-3-8487-6723-6.
Ladenverkaufspreis 29,90 €.
Markus Löffelmann lehrt als Professor für nationales und internationales Sicherheitsrecht an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Berlin. Mark Zöller ist Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und das Recht der Digitalisierung an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Die Autoren sind sich der Probleme ihres Themas sehr bewusst: „Das Recht der Nachrichtendienste stellt sich als eine überaus zerfaserte, auf zahlreiche Gesetze verteilte Materie dar, welche einer inneren Ordnung weitgehend entbehrt.“ Diesen Befund stützt ein Blick auf die vorhandene Literatur. Zwar gibt es zum Thema mehrere von Juristen verfasste Überblicksdarstellungen, Handbücher und Aufsätze. Darüber hinaus schrieben Vertreter anderer Fachrichtungen zahlreiche Darstellungen zum Allgemeinen und Besonderen. Dennoch bleiben manche Aspekte eine terra incognita.

Bevor die Autoren auf die drei deutschen Nachrichtendienste im Detail eingehen, werfen sie zunächst einen kurzen Blick auf deren Geschichte vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Sodann beschreiben sie den Platz der Geheimdienste in der deutschen Sicherheitsarchitektur und danach die verfassungsrechtlichen Grundlagen. Im Hauptteil werden unter den Kapitelüberschriften „Verfassungsschutz“, „Auslandsnachrichtendienst“ und das „Nachrichtenbezogene Handeln im militärischen Bereich“ BfV, BND und MAD behandelt. Der Aufbau dieser drei zentralen Teile des Buches ist gleich. Nach einer Betrachtung der „Regelungsstruktur“ folgt die Beschreibung der „Aufgaben“ und dann werden „wichtige Befugnisse“ erläutert. An diese Beschreibungen der Geheimdienste schließen sich die Kapitel „Datenverarbeitung und Zusammenarbeit“ und die „Kontrolle der Nachrichtendienste“ an.

Diese straffe Strukturierung bringt ein Höchstmaß an Ordnung in die Darstellung. Die dem Thema inhärenten Schwierigkeiten, die zum Teil seit Jahrzehnten zu bisweilen erbittert geführten wissenschaftlichen Kontroversen führten, kann jedoch auch die beste Gliederung nicht überwinden. Allem anderen voran ist dies die Debatte über das Für und Wider des Trennungsgebotes, also die aus dem „Polizeibrief“ vom 19. April 1949 abgeleitete vielfältige Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten. Stichwortartig beschreiben die Verfasser die beide Institutionen trennenden Elemente, also die befugnisrechtliche, funktionelle, organisatorische, personelle und informationelle Dimension. Die Autoren befürworten das Trennungsgebot und zitieren an dieser Stelle den Rechtswissenschaftler Christoph Gusy. Dieser beschreibt in seiner grundlegenden Arbeit über Grundrechte und Verfassungsschutz formelhaft die Notwendigkeit zwischen Polizei und Geheimdienst einen möglichst klaren Trennstrich zu ziehen: „Wer (fast) alles weiß, soll nicht alles dürfen; und wer (fast) alles darf, soll nicht alles wissen.“ Gleichwohl reden Löffelmann und Zöller nicht einer Scheuklappenmentalität das Wort. Sie stellen heraus: „Das informationelle Trennungsgebot darf also nicht dahin gehend missverstanden werden, dass ein Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden untereinander ausgeschlossen wäre.“

Einen zweiten Punkt gewichten sie ebenso recht hoch: die funktionale Trennung zwischen der Tätigkeit der Nachrichtendienste und der Polizei. Wie diffizil diese Trennung ist, darf man wohl aus dem Umstand ableiten, dass sich das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2013 in seiner Entscheidung zur Antiterrordatei ausführlich zu diesem Punkt positionierte. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses Urteils entzünden sich an diesem Punkt immer wieder Kontroversen, obwohl es doch so einfach klingt, wenn die Autoren daraus den richtungsweisenden Satz wiederholen: „Herkömmliches Demarkationskriterium gegenüber dem polizeilichen Handeln ist die konkrete Gefahr.“ Die Autoren deuten lediglich an, dass die Dinge im Zeitverlauf immer komplizierter werden, um sodann hervorzuheben: „Die Nachrichtendienste handeln zwar nach wie vor primär im Gefahrenvorfeld, haben dort aber Gesellschaft bzw. Konkurrenz bekommen. Dafür verantwortlich ist in erster Linie die Ausweitung polizeilicher Handlungsbefugnisse auf das Gefahrenvorfeld in den modernen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzen.“

Neben dem Trennungsgebot gerät immer wieder das Nebeneinander von 16 Landes- und einem Bundesamt für Verfassungsschutz in die Kritik. Insbesondere dann, wenn sich eine problematische Lage im Innern ergibt. Die Verfasser beschreiben die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Verfassungsschutzgesetze im Bund und in den Ländern als „Flickenteppich einer reaktiven Änderungsgesetzgebung.“ Mag sein, dass dies ursächlich auch auf die regelmäßig hektischen Gesetzesänderungen zurückzuführen ist, die in Hochphasen des Terrorismus zu beobachten sind. Dies war so im Jahr 1972 und ebenso 30 Jahre später. Zuerst waren es die Taten der Baader-Meinhof-Bande, sodann der Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001, die zu gravierenden Gesetzesänderungen und Umstrukturierungen der Nachrichtendienste führten.

Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass auch die „Datenverarbeitung und Zusammenarbeit“ nicht frei von juristischen Problemen ist. Die Autoren stellen heraus, gerade dieser Bereich sei „in hohem Maße unübersichtlich“ und es ließen sich hier „aufgrund ihrer extremen Ausdifferenzierung nur schwer übergreifende Strukturen erkennen.“ Sie sehen sehr wohl, dass ein Zuviel an Regelungen einer effektiven Arbeit der Geheimdienste entgegensteht. Daher brechen sie eine Lanze dafür, „durch Kooperationsrecht eine Ausnahme vom funktionellen Trennungsgebot“ zu regeln.

Dies ist kein kühner Vorschlag, denn die auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelte „Kontrolle der Nachrichtendienste“, die im letzten Kapitel behandelt wird, zeichnet sich durch eine „Kontrollarchitektur“ aus, in der die bereits angesprochene „Zerfaserung der gesamten Rechtsmaterie“ besonders deutlich zutage tritt. Zudem zeigt sich an dieser Stelle der „Interessen- und Wertekonflikt zwischen einem Informationsbedürfnis einerseits und Geheimhaltungsbedürfnissen andererseits.“ Dieser Konflikt sei ein wesentlicher Bestandteil nachrichtendienstlicher Tätigkeit und müsse „auch rechtspolitisch immer wieder neu justiert werden.“

An der Arbeit der Verfassungsschützer schieden sich zu allen Zeiten die Geister. Wie sehr ihr Tun selbst zum Instrument des politischen Kampfes wurde, zeigt sich in dem gebetsmühlenartig wiederholten Vorwurf, die Hüter der Verfassung seien auf dem rechten Auge blind oder in den zum Teil heftigen Reaktionen auf die Einstufung eines Vereins oder gar einer Partei als Prüf-, Verdachts- oder Beobachtungsfall.

Den Charakter eines Lehrbuches unterstreichen die an besonders kniffligen Stellen eingefügten Beispielsfälle. Es gelingt den Autoren, eine schwierige Materie anschaulich darzustellen. Dennoch werden Geheimdienste in Deutschland aus vielen Gründen stets ein schwieriges Thema bleiben, das sich bei aller rechtsstaatlichen Einfriedung immer in einem vielfältigen Überschneidungsbereich bewegen wird.

Dem Rezensenten sei abschließend ein kleiner Perspektivwechsel erlaubt. Vielleicht sollte man angesichts der großen Herausforderungen der Gegenwart weniger ängstlich auf die Vergangenheit der deutschen Geheimdienste – insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus – blicken, sondern mit der Gewissheit, dass unser Rechtsstaat funktionsfähig ist, den Nachrichtendiensten mit mehr Vertrauen als Misstrauen begegnen.

-Von Dr. Reinhard Scholzen-

 

 

Zahlreiche Weltpremieren von SALTO auf der security Essen 2022

Die Cloud-Plattform SALTO Homelok für die Wohnungs-
wirtschaft vereint die Vorteile der kabellosen Vernetzung
über das SALTO Virtual Network (SVN) mit einer in der
Cloud gehosteten Managementsoftware.

© SALTO Systems
SALTO Systems präsentiert auf der security Essen (Halle 6, Stand 6B27) zahlreiche Weltpremieren für die Zutrittskontrolle: die neue cloudbasierte Plattform SALTO Homelok, die völlig neue Möglichkeiten beim Zutrittsmanagement für die Wohnungswirtschaft eröffnet, Mobile Access ohne Apps sowie viele neue Hardwaremodelle.

Darüber hinaus stehen vielfältige Integrationen – mit den Lösungen der in den letzten Jahren übernommenen Unternehmen, aber auch mit Drittanbietern – im Fokus des Messeauftritts.

Das Highlight auf dem 336 Quadratmeter großen Stand von SALTO stellt die komplett neu entwickelte Cloud-Plattform SALTO Homelok für die Wohnungswirtschaft dar. Homelok vereint die Vorteile der kabellosen Vernetzung über das SALTO Virtual Network (SVN) mit einer in der Cloud gehosteten Managementsoftware. Die Plattform besticht mit höchster Sicherheit, Skalierbarkeit und Integrationsfähigkeit sowie enormem Funktionsreichtum. Immobilienbesitzer und -verwalter erhalten hiermit ein Tool, mit dem sie ihre Liegenschaften komfortabel, flexibel sowie effizient bewirtschaften können und das sich nahtlos in Smart Living Ökosysteme einbinden lässt.

Darüber hinaus stellt SALTO in Essen als einer der ersten Zutrittsanbieter weltweit eine Integration vor, bei der digitale Schlüssel direkt im Mobilgerät gespeichert werden können. Damit wird Mobile Access innerhalb der cloudbasierten Zutrittslösungen von SALTO noch komfortabler und insbesondere unabhängig von der Installation jedweder App. Nutzer müssen dann nur noch ihr Smartphone oder ihre Smartwatch vor den Leser halten, ohne das mobile Endgerät entsperren oder eine App öffnen zu müssen. Zugleich garantiert die Integration Sicherheit und Datenschutz für Nutzer, Gäste, Besucher und Systemadministratoren.

SALTO hat in den vergangenen zwei Jahren durch die Akquisition von mehreren Unternehmen sein Angebot erheblich ausgeweitet. Auf der security Essen wird erstmals das Zusammenspiel der verschiedenen Lösungen live zu sehen sein. Dazu zählen die Schrankschließ-, Terminal- und Zutrittslösungen von GANTNER, die biometrischen Lösungen von Cognitec, die bargeldlosen Kassen- und Zahlungssysteme von contidata sowie das Besuchermanagement von Bluefield. Darüber hinaus zeigt SALTO seine Expertise bei Integrationen mit unterschiedlichen Technologiepartnern, u.a. mit Videoüberwachung und Fingerprintsystemen.

Auf der Messe feiern überdies etliche neue Hardwaremodelle ihre Premiere. Hier ragen vor allem die elektronischen Beschläge XS4 One+ und XS4 Mini+ heraus, die nun mit derselben modernen Chipplattform wie der XS4 Original+ ausgestattet sind und darüber hinaus in der Bauform angepasst wurden. Ferner sind das neue Modell G3 des elektronischen Vorhangschlosses SALTO Neoxx sowie Funktionsverbesserungen beim elektronischen Zylinder SALTO Neo zu sehen.

SALTO Systems zusammen mit GANTNER, Cognitec, contidata und Bluefield auf der security vom 20. bis 23. September 2022 in Essen: Halle 6, Stand 6B27.

-PM SALTO-

 

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bvfa empfiehlt raschen Umstieg auf fluorfreie Schaumfeuerlöscher

Der bvfa – Bundesverband Technischer Brandschutz e. V. empfiehlt in seinem neu erschienenen Positionspapier „Schaum-Feuerlöscher und Fluorverbot“, bei Neu- oder Ersatzbeschaffungen bzw. Nachfüllungen von Schaumlöschern bereits jetzt auf nachhaltige Lösungen ohne Fluorzusatz umzusteigen.

Hintergrund sind die kürzlich bekannt gewordenen Entwürfe gesetzlicher Regulierungen, nach denen bereits mittelfristig mit Nutzungseinschränkungen bei fluorhaltigen Schaum-Feuerlöschern zu rechnen ist. Nach den dort enthaltenen Übergangsfristen bzw. Ausnahmeregelungen müssten heute gekaufte fluorhaltige Schaumlöscher bereits vor Ablauf ihrer regulären Nutzungsdauer erneut ausgetauscht bzw. umgerüstet werden. Der bvfa empfiehlt deshalb bereits jetzt einen möglichst schnellen Umstieg auf Alternativen ohne den Zusatz perfluorierter Tenside. Die im bvfa zusammengeschlossenen Hersteller haben bereits leistungsfähige Schaumlöscher entwickelt und zertifiziert, die zukunftsfähig und nachhaltig ohne Fluorzusätze auskommen. Weitere Informationen sind bei Service- und Fachhandelspartnern erhältlich und im BrandschutzKompakt Nr. 63 nachzulesen.

Die hohe Leistungskraft herkömmlicher Schaumlöscher resultiert aus der Verwendung von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS). Diese synthetisch hergestellten Fluorverbindungen sind in die Diskussion gekommen, weil erkannt wurde, dass sie biologisch nicht abbaubar sind und auf Dauer in der Natur verbleiben. Bei unkontrollierter Freisetzung können sich PFAS dann in Nahrung und Trinkwasser anreichern. Daher plant die Europäische Union für diese Stoffe weitreichende Beschränkungen. Für aktuelle Schaumlöscher bedeutet dies ein mögliches Verbot der im Schaum enthaltenen C6-Fluorchemie (Perfluorhexansäure).

-PM bvfa-

 

Drei Leben im Gegenwind

Rainer von Mühlen,
Drei Leben im Gegenwind,
1. Auflage 2022,
TeMedia Verlags GmbH,
Bonn, ISBN 978-3-941350-09-0,
323 Seiten,
25,00 €
Die Anzahl der Sicherheitsberater steigt wie auch die Nachfrage zunehmend. Lange Zeit rekrutierten sie sich aus den Angehörigen der Sicherheitsbehörden wie Polizei, Bundeswehr und Nachrichtendiensten, wenn auch sich diese Tätigkeitsfelder, die rechtlichen Möglichkeiten und der Umfang der Beratung zur Wirtschaft unterscheiden. Vielfach ist auch ein viel größeres und umfangreiches Fach- und Erfahrungswissen erforderlich, um in der Wirtschaft qualitativ hochwertig beraten und bestehen zu können.

Es sind komplexe und innovative Sicherheitslösungen gefragt, die Behörden oftmals nicht alleine erbringen können. Der Begriff des Sicherheitsberaters ist jedoch bis heute nicht definiert und geschützt, so dass sich auf diesem Markt auch viele Akteure bewegen können, die nicht über die erforderlichen Qualifikationen oder Erfahrungen verfügen. Rainer von zur Mühlen zeigt mit seiner Biographie auf, dass er ein Leuchtturm in der Branche darstellt, der über weitreichende Qualifikationen verfügt, die er nicht in einem sicherheitsbehördlichen Kontext erworben hat. Dennoch und gerade deshalb ist er erfolgreich. Ein beispielgebender Lebenslauf, der zum Nachdenken anregt.

Der Autor

Der Autor des Werkes, Rainer Adalbert Heinrich von zur Mühlen, Jahrgang 1943, ist ein anerkannter und geschätzter Sicherheitsexperte, Fachbuchautor, Verleger und Herausgeber. Er gründete die VON ZUR MÜHLEN’SCHE (VZM) GmbH, die in diesem Jahr ihr 50jähriges Bestehen begeht und eine der größten international agierenden Beratungs-, Planung-, und Ingenieurgesellschaften darstellt. Darüber hinaus entwickelte von zur Mühlen im Jahr 1974 im Handelsblatt Verlag den Informationsdienst Sicherheits-Berater, welchen er im TeMedia-Verlag fortführt. 1982 folgte die Gründung der SIMEDIA Akademie. Einem anerkannten Bildungsträger von Seminaren, Tagungen, Foren und Kongressen mit Sicherheitsbezug. Seine im Jahr 1972 verfasste Diplomarbeit zum Thema „Computer-Kriminalität – Gefahren und Abwehrmaßnahmen“ im Hermann Luchterhand Verlag erschienen, war einer seiner ersten größten Erfolge und verhalf ihm zum Durchbruch. In Politik und Wirtschaft wird er anlassbezogen als Berater zu Sicherheitsthemen herangezogen und hat an vielen richtungsentscheiden Beschlüssen mitgewirkt. Eine überaus fachlich breite Expertise und ein praktisches Erfahrungswissen, welches sich in der Qualität seiner Publikationen widerspiegelt.

Die wesentlichen Inhalte der Publikation

Auf den ersten Blick ist das Buch “lediglich nur“ eine Biographie. Der fachkundige Leser erkennt jedoch sehr schnell, dass es sich bei dem Werk um weitaus mehr handelt. Nahezu jede Zeile enthält wesentliche Informationen, die für die Tätigkeit in der Sicherheitsbranche genutzt werden können. Die geschilderten Erfahrungen sind zeitlos und auf die aktuelle Situation zu transferieren. Ein unschätzbarer Wert für die Beratung in der heutigen Zeit. Das Buch eröffnet die Möglichkeit aus den langjährigen Erfahrungen des Beraters von zur Mühlen zu lernen. Die Publikation ist kurzweilig und lädt zum Lesen ein. Das Werk weckt die Neugier und zwingt nahezu zum Weiterlesen. Eine Publikation, die durchaus den Anspruch eines Lehrbuches erheben kann. Der Autor beschreibt sein Leben in einer Vielzahl von kleinen Episoden, die alle auf Tatsachen beruhen.

Der Autor gliedert seine Publikation in „Drei Leben“.

In seinem ersten Kapitel beschreibt von zur Mühlen seine Kindheitstage vom Kriegende und der Nachkriegszeit in Berlin. Er erzählt von seinen spannenden und gefährlichen Erkundungen in den Trümmern der Stadt, über die Schicksale von Familien, die Rückkehr des Vaters aus der Gefangenschaft und seine anschließenden geheimdienstlichen Tätigkeiten. Die Darstellungen sind nahezu alle in einem geschichtlichen Bezug eingebettet. Der Leser bekommt anhand der Erzählungen des Autors einen sehr guten Einblick in das Leben der Berliner nach Kriegsende: Wohnungsnot, Energieknappheit, Lebensmittelrationierung, Berlin Blockade, Schwarzmarkthandel und die Teilung Deutschlands.

Das zweite Leben beschreibt seine Zeit in Bonn. Das Ende seiner Schulzeit, seine Hochschulausbildung, die 68er Bewegung mit Uni-Besetzungen und seine Tätigkeit im Vorstand der Jungen Union, die auch zu einem Treffen mit Ludwig Erhardt führte. Auch in dieser Zeit spielten die Nachrichtendienste eine Rolle in seinem Leben.

Das letzte Kapitel ist das dritte Leben, welches die ersten Schritte des Sicherheitsberaters von zur Mühlen bis zum heutigen Tage beschreiben. Von zur Mühlen berichtet von seiner Firmengründung der VZM GmbH aufgrund eines Großauftrages von IBM, seine Aktivitäten als Verleger und Herausgeber sowie seine Beratungsleistungen für die Politik im Zusammenhang mit der Einführung des Datenschutzes in Deutschland. In seinen Darstellungen greift er auch den Titel der Publikation mehrmals auf und stellt deutlich heraus, dass es auch an der einen oder anderen Stelle „Gegenwind“ gab und die Sicherheitsbranche ein Haifischbecken ist. Es wäre verwunderlich, wenn nicht auch in dem dritten Leben des Autors die Spionage eine Rolle spielt. Er berichtet unter anderem über seine Erfahrungen mit geheimdienstlichen Tätigkeiten bei Aufenthalten in China und Kiew sowie von einem dreistündigen Treffen mit Markus Wolf, dem ehemaligen Chef der Hauptverwaltung Aufklärung im Ministerium für Staatssicherheit.

Das Fazit zur Publikation

Die Publikation weist einen hohen Praxisbezug auf und ist mehr als nur eine Biografie.

Diejenigen, die das Buch beginnen zu lesen, können nicht aufhören. Es weckt die Neugier und das Interesse des Lesers, den Ausgang der Episoden zu erfahren.

Das Werk ist für diejenigen eine Pflichtlektüre, die sich mit der Sicherheitsberatung auseinandersetzen. Die Publikation stellt eine wesentliche Grundlage für die wissenschaftliche Diskussion dar. Sie sollte daher auch Eingang in die themenbezogene Aus- und Fortbildung finden, da die Erfahrungen des Autors von einem unschätzbaren Wert sind und in bisherigen Veröffentlichungen nicht zu finden sind.

Im Ergebnis ist die Publikation von hoher Qualität geprägt, spannend, sehr lesens- und empfehlenswert.

- Von Prof. Marcel Kuhlmey, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin-

 

Die Cloud-Zutrittskontrolle SALTO KS wurde erneut nach ISO 27001 zertifiziert.
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SALTO KS erneut nach ISO 27001 zertifiziert

Clay Solutions B.V. – ein Unternehmen der SALTO Group – hat das Audit für die Zertifizierung nach ISO 27001 der cloudbasierten Zutrittslösung SALTO KS wieder erfolgreich abgeschlossen.

Die Cloud-Zutrittslösung SALTO KS wurde dafür von unabhängiger Seite geprüft und als konform mit dem international verbreitetsten Standard für Informationssicherheit bewertet. Die Zertifizierung nach ISO 27001 bestätigt, dass SALTO KS ein hohes Maß an Datensicherheit gemäß branchenüblicher Best Practices erreicht und entsprechend hohe Sicherheit für die Türen und Nutzer seiner Anwender gewährleistet.

SALTO KS bietet eine sehr viel bessere Funktionalität und Leistungsfähigkeit als jede mechanische Schließanlage. Mit dem System lässt sich eine kabellose Echtzeit-Zutrittskontrolle ohne Softwareinstallation umsetzen. Über die Cloud-Plattform lassen sich obendrein Drittanwendungen schnell und einfach mit dem Zutrittsmanagement integrieren.

Die ISO 27001 wird von der International Standardization Organization (ISO) veröffentlicht. Die Norm beschreibt, wie Unternehmen mit einem ISMS (Information Security Management System) die Informationssicherheit gewährleisten. Zugleich formuliert sie Anforderungen zur Verhinderung von Sicherheitslücken. Wenn diese Anforderungen durch den erfolgreichen Abschluss eines Audits erfüllt werden, erhält das Unternehmen die ISO 27001-Zertifizierung.

-PM SALTO-

 

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Bevölkerungsschutz: „Noch viel zu schleppend“

vfdb ruft zur effizienteren Nutzung von Experten-Know-how auf

Die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) hat die Ankündigung von Bundesinnenministerin Nancy Faser für einen Neustart im Bevölkerungsschutz begrüßt. „Jedoch ist ein Jahr nach der Starkregenkatastrophe im Ahrtal bereits absehbar, dass die Umsetzung noch viel zu schleppend vorangeht“, kritisierte vfdb-Präsident Dirk Aschenbrenner. Das gelte beispielsweise für moderne Warnsysteme, die Ministerin Faser angekündigt habe. Wichtig sei es, das vorhandene Know-how auf allen Gebieten der Gefahrenabwehr effizient zu nutzen und zeitnah anzuwenden. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Relevanz eines funktionierenden Bevölkerungsschutzes für die Resilienz der Gesellschaft in Krisensituationen habe die vfdb erst kürzlich ein „Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz" innerhalb der eigenen Organisation geschaffen, um auf Fragestellungen aus Politik und Gesellschaft kurzfristig reagieren zu können und so einen Beitrag zur Etablierung wissenschaftlich fundierter und praxisorientierter Lösungen zu leisten.

Aschenbrenner forderte, in dem jetzt vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) neu gegründeten „Gemeinsamen Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz“ neben den – wie die Ministerin es ausdrückte – Akteuren von Bund, Ländern und Hilfsorganisationen auch die Kommunen eng mit einzubinden. Die vfdb hatte bereits Anfang des Jahres in einem Schreiben an die Bundesinnenministerium Vorschläge für ein staatliches Krisenmanagement gemacht. Der Brief sei, wie Präsident Aschenbrenner bedauerte, bis heute unbeantwortet geblieben.

Mit Blick auf Pläne für ein neues Warnsystem trat Aschenbrenner Überlegungen bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entgegen, das bestehende UKW-Hörfunknetz zugunsten des neuen Standards DAB+ abzuschaffen. „Solche Pläne gehen völlig an der Realität vorbei, denn die Mehrheit der Menschen ist nach wie vor auf die herkömmliche Ultrakurzwelle angewiesen“, sagte der vfdb-Präsident. „Das gilt insbesondere für Batterieradios, die ja gerade in einem Katastrophenfall genutzt würden.“

-PM vfdb-

 

Terrorismusforschung.

Interdisziplinäres Handbuch für Wissenschaft und Praxis.

Interdisziplinäres Handbuch für Wissenschaft und Praxis.
Liane Rothenberger, Joachim Krause, Janis Jost, Kira Frankenthal (Hrsgg.),
Baden-Baden 2022,
862 Seiten.
ISBN 978-3-8487-6321-4.
Ladenverkaufspreis 98 €.
Seit dem Ende der 1960er Jahre bedroht der Terrorismus die Staaten der westlichen Welt. Die Motive der Täter wandelten sich – die meisten Taten sind dem Links-, Rechts- oder dem von Islamisten ausgehenden Terrorismus zuzuordnen – und ebenso wechselten Hochphasen terroristischer Aktivitäten mit Phasen relativer Ruhe ab. Als gesicherte Erkenntnis darf ebenso gelten, dass die Staaten mit unterschiedlichen Maßnahmen auf diese Bedrohung reagierten: Die Schaffung von Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs ist hier zu nennen und ebenso mehr oder weniger umfangreiche Gesetzesänderungen.

70 Autoren haben für diesen Sammelband einen Beitrag geleistet. Das Spektrum der behandelten Themen ist breit. Es umfasst fünf Blöcke: Erscheinungsformen, Ursachen und Radikalisierung, Wahrnehmung und Auswirkungen, Gegenmaßnahmen und Terrorabwehr sowie die Forschungsmethodischen Zugänge. Der Soziologe Peter Waldmann stellt in seinem Vorwort heraus, der Sammelband zeichne sich durch die seltene Besonderheit aus, dass zu diesem „brisanten Thema“ die „wissenschaftlichen Kompetenzen mit den Erfahrungen und Anliegen von Praktikern“ kombiniert würden. Er unterstreicht die Fortschritte in der Erforschung des Terrorismus und greift dazu beispielhaft einen Aspekt in der Ursachenforschung heraus. Galt es noch vor wenigen Jahrzehnten als ausgemacht, dass Terroristen „eine anomale Persönlichkeitsstruktur aufweisen“ – so beurteilte man früher die Führungsspitze der Roten Armee Fraktion (RAF) – so wird der Weg zum Terrorismus seit etwa Mitte der 1980er Jahre anders gesehen. Heute sind die Wissenschaftler nahezu unisono davon überzeugt, dass sich einerseits ganz „normale Gläubige in diese Form des Extremismus hineinsteigern konnten“ und andererseits die „Karriere in einer terroristischen Gruppe kein unausweichliches Schicksal“ ist. Dies ist ein weiterer Ansatzpunkt des Sammelbandes, denn er will auch aufzeigen, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, „den Weg in die Gewalt zu durchbrechen“.

Ohne Zweifel ist es bei diesem Thema zielführend, einen die wissenschaftlichen Fächer übergreifenden Ansatz zu wählen. Dass dies im vorliegenden Buch umgesetzt wird, belegen die Herausgeber durch eine Tabelle, in der sie die Autoren in 30 Fachrichtung einordneten. Am häufigsten – leider wird weder die Anzahl noch der Prozentsatz angegeben – finden sich Politikwissenschaftler, gefolgt von Psychologen und Soziologen. Am unteren Ende stehen Sportwissenschaftler und Polizeiwissenschaftler, Literaturwissenschaftler und Philosophen.

Dieser interdisziplinäre Ansatz ist, wie gesagt, gerechtfertigt, angesichts der thematischen Komplexität. Jedoch birgt diese Herangehensweise in sich mehrere Probleme. Der Leser steht vor der Herausforderung, dass er mit der in jedem wissenschaftlichen Fach unterschiedlichen Sprache konfrontiert wird. So ist eine „Krise“ für einen Mediziner etwas gänzlich anderes als für einen Geisteswissenschaftler. Manche Autoren des Sammelbandes bemühten sich, diesen Knackpunkt durch eine bewusst einfache, allgemeingültige Sprache zu umgehen. Jedoch führt dies dann zwangsläufig zu sprachlichen Unschärfen.

Ein Kernproblem der Terrorismusforschung ist es, eine allgemein verwendbare Definition dessen anzubieten, was Terrorismus ist. Ein Problem, das nur bei einer sehr oberflächlichen Betrachtung lösbar erscheint. In dieser Hinsicht vielleicht vergleichbar mit einem Kernproblem der Mathematik: eine Antwort auf die Riemannsche Vermutung zu finden. In mehreren Beiträgen des Sammelbandes werden die Geschichte des Terrorismus, seine Erscheinungsformen und Modi Operandi beschrieben. Eine Definition des Begriffs wird nicht versucht, statt dessen ausgehend von der Annahme, dass Terrorismus ein „grundsätzlich umstrittener Begriff der politischen Sprache ist“ festgestellt, und zu Recht darauf verwiesen, dass der Grund dafür darin zu suchen ist, dass „die Definitionshoheit und der Definitionsgegenstand selbst auch dem geschichtlichen Wandel unterworfen“ ist. Dies zeigt sich besonders deutlich in dem Umstand, dass sich in der Vergangenheit sehr viele Beispiele dafür finden lassen, dass aus ehemaligen Terroristen Staatsmänner wurden.

Bei der Erforschung der Ursachen für den Weg in den Terrorismus war die deutliche Verbreiterung des Betrachtungswinkels sehr hilfreich, wie bereits angedeutet. Darüber hinaus werden in den 14 Beiträgen dieses Kapitels aber auch neue Themen betrachtet, die sich durch technische Neuerungen ergaben. So etwa ganz allgemein das Internet und hier besonders die sozialen Medien. Zusammengefasst werden die Erkenntnisse über Religion und Terrorismus sowie Musik und Terrorismus, Letzteres festgemacht am Beispiel des „Rechtsrocks“.

Die größte thematische Breite wird in dem Kapitel „Wahrnehmung und Auswirkungen“ erreicht. Hier geht es unter anderem um den angenommenen Widerspruch zwischen Sicherheit und Freiheit, die Frage, was die Angst vor Terrorismus in demokratischen Staaten bewirkt oder es werden die rechtlichen Implikationen des Themas angerissen. Des Weiteren wird aber auch teilweise in mehreren Beiträgen behandelt, wie Terrorismus Medien verändert oder wie sich die Angst vor dem Terrorismus auf Sportveranstaltungen auswirkt. Hier wird aber auch der Krieg gegen den Terrorismus dargestellt, der durch die Terroranschläge vom 11. September 2001 ausgelöst wurde.

Eng mit diesem Kapitel verknüpft sind die unterschiedlichen Maßnahmen zur Verhütung terroristischer Anschläge. Diese werden unter der Überschrift „Gegenmaßnahmen“ ebenso beschrieben wie Aspekte der medizinischen oder psychologischen Opferversorgung. In sich hoch komplexe Themen – so allen anderen voran die Frage der Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten und Polizei – können lediglich angerissen werden, ebenso die wichtige Frage, wie Terrorismus finanziert wird.

Im Kapitel über die Forschungsmethodischen Zugänge liefern Alexander Kocks und Kevin Moull einen zwar knappen, aber dennoch aussagekräftigen Überblick über die Methoden der Terrorismusforschung. Diese Darstellung bildet gleichsam den Schlüssel zum Verständnis des Gesamtthemas. Allerdings betonen die Autoren sehr stark die Chancen des interdisziplinären Ansatzes, die inhärenten Probleme lassen sie in den Hintergrund treten.

Der Sammelband beinhaltet zahlreiche wichtige Aufsätze und ist schon allein deshalb für eine Betrachtung des Phänomens Terrorismus unverzichtbar. Die unterschiedlichen Bewertungen dürfen nicht als Mangel gewertet werden, auch wenn die Gegensätze teilweise schroff sind. So besteht ein Autor darauf, dass sich Guerillagruppierungen signifikant von terroristischen Organisationen unterscheiden. Eine Bewertung, die nicht alle Autoren des Sammelbandes teilen. Probleme werden nicht verschwiegen. Die Herausgeber beschreiben in ihrer Einleitung, dass mehrere Autoren beklagen, häufig fehle zwischen den Begriffen Extremismus und Terrorismus die Trennschärfe. Insbesondere gelte dies für die Wahrnehmung in der breiten Öffentlichkeit. Stimmt. Dann stellen sie jedoch fest, dass diese Einordnung „die Grundlage für einen Großteil der öffentlichen – nicht zuletzt finanziellen – Zuwendung ist.“ Dies bedeutet, dass die Wissenschaft Unschärfen akzeptiert, um die notwendige finanzielle Zuwendung zu erlangen. Freie Wissenschaft sieht sicher anders aus.

Ein anderes Problem lastet hingegen ohne Not auf diesem Buch. Einem vermeintlichen Zeitgeist folgend, entschieden sich die Herausgeber dafür, die Beiträge durchgehend zu gendern. Sie meinen: „Der Doppelpunkt stört die Lesbarkeit des Wortes nicht sonderlich.“ Jedoch nehmen sie ein Wort aus: Terrorist und Terroristen sind für die Herausgeber männlich. Auch das begründen sie: Die Akteure seien mehrheitlich Männer, zudem „würde das Gendern eines – in einem Handbuch zur Terrorismusforschung – derart häufig vorkommenden Wortes den Lesefluss dann doch ernsthaft beeinträchtigen.“ Dass Terroristen mehrheitlich Männer sind, darf man getrost in Frage stellen. Dabei muss man nicht an das weitgehend unerforschte Thema der islamistischen Terroristinnen denken. Vielmehr widerlegt die Darstellung von Gisela Diewald-Kerkmann „Frauen, Terrorismus und Justiz“ diese Annahme eindrucksvoll. Sie betrachtet darin akribisch die Prozesse gegen weibliche Mitglieder der RAF und der Bewegung 2. Juni. Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin, Brigitte Mohnhaupt, Irmgard Möller – um nur die deutschen Top-Terroristinnen zu nennen –, waren alle weiblich. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Gisela Diewald-Kerkmann für diesen Sammelband einen Beitrag geschrieben hat, aber mancher mag vielleicht darüber schmunzeln, dass sich in ihrem Aufsatz die Worte „Terroristin“ und „Terroristinnen“ finden und das gleich mehrfach.

-Von Dr. Reinhard Scholzen-

 

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Der Gasmangel-Blackout

Eine neue aktuelle Gefahr für das Krisenmanagement von Verwaltungsstäben und Notfallstäben von Unternehmen

Von Dr. rer. nat. Diplom Geograph Hans-Walter Borries

Spätestens seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzung von Russland mit der Ukraine (24.02.2022) und den darauf ausgerichteten Sanktionen der westlichen Staaten gegen Russland rücken Gasminderlieferungen aus Russland für Europa und Deutschland in den Focus der Betrachtung eines nachhaltigen Krisenmanagements zur Prävention eines Ausfalles der Gasversorgung und deren Auswirkungen auf eine führende Industrienation wie Deutschland.

Eine Importabhängigkeit von russischen Gaslieferungen von teilweise über 50% wirft die Frage auf, was passiert, wenn die Gaslieferungen aus Russland gänzlich oder in wichtigen Größenordnungen ausbleiben (seit 27. Juli 2022 nur noch ca. 20% des täglichen Maximalkapazitäten durch Nord Stream 1).

Namhafte Fachzeitungen, wie z. B. die WirtschaftsWoche (23. Juni.2022), hinterfragten bereits vor Wochen mögliche Auswirkungen in der Gasdebatte mit Slogans wie „die Kriegsmangelwirtschaft rückt näher“ oder sahen den „Kalten Entzug vom russischen Gas – Deutschland droht ein Notstandswinter“ (Handelsblatt 08. Juli.2022).

Das Problem dieser starken Abhängigkeit von russischen Gasmengen liegt darin, dass man diese Größenordnung nicht von heute auf morgen (in wenigen Monaten), und wenn die kalte Winterjahreszeit naht, kompensieren kann. Selbst Notfallpläne vergangener Zeiten und auch bundesweite Übungen, wie z. B. die LÜKEX 2018, gingen nicht von einem „Wirtschaftskrieg ähnlichen Zustand eines weitgehenden Lieferstopps aus Russland mit flächenhaften Auswirkungen für ganz Deutschland über mehrere Monate aus, man sah eher eine punktuell begrenzte Gasmangellage z. B. aufgrund von kurzfristige Lieferengpässen oder einem lokalen Stromausfall von wenigen Stunden.

Damit stellt sich für ein gutes und vorausschauendes Krisenmanagement von Verwaltungen (Land, Kreisen und kreisfreien Städten) sowie von Notfallstäben von Unternehmen, insbesondere von den KRITIS-Sektoren, die Aufgabe, wie man diesen bisher unbekannten Zustand einer möglichen kurzfristig eintreffenden Notstandslage („Katastrophe) vorplanen und somit die Auswirkungen zumindest mildern, wenn schon nicht mehr verhindern kann.

Seit Wochen werden in der Sommerurlaubsphase aus der Politik und von Verwaltungen erste Sparvorschläge vorgebracht, die alle zum Reduzieren und Runterfahren der Heizungen auf eine Mindertemperatur, den Verzicht auf Beleuchtung, Kochen und Reduzierung der Wärme vom Duschwasser etc. aufrufen; es muss aber die Frage berechtigt gestellt werden, kann man damit die Minderleistungen aus Russland, im schlimmsten Fall („Worst Case“) von 30 bis 55%, kompensieren und was geschieht, wenn diese Maßnahmen zum Einsparen nicht den gewünschten Effekt mit sich bringen.

Eine aktuelle Studie vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (bdew) vom 17. März .2022) geht der Frage nach potentiellen Einsparungsbereichen im Falle einer Gasmangellage sowie Kompensationsmöglichkeiten nach und kommt zu dem Ergebnis, dass Einsparungen bei Haushalten im Bereich Heizen max. 10 bis 15% erbringen, in einzelnen Industrie-/Gewerbebrachen (einschließlich Handel) aber bei unter 10% liegen und in Summe alle Bereiche nur max. 19%, d. h. ungefähr nur 1/3 der aus Russland zu liefernden Gasmengen durch solche Sparmaßnahmen zu erreichen wären. Zu wenig um bei den derzeitigen Speichermengen von Gasspeichern in Deutschland (Stand 04. August.2022: ca. 69 %) eine Einspeichermenge von 80% zum 1. Oktober 2022 und 90 % bis zum 1. November 2022 zu erzielen und damit wenige Wochen im kalten Winter 2022/23 durchzuhalten, um laut Berechnungen der Bundesnetzagentur dann bis zum 1. Februar 2023 noch ca. 40 % Gasmengen zu haben. Erst recht, wenn der kommende Winter lang und mit extremen Tiefsttemperaturen sehr hart werden könnte.

Demzufolge sollten Krisen-/Verwaltungsstäbe und Notfallstäbe von Unternehmen die nächsten noch sommerlich geprägten Wochen nutzen, ihre Gefahrenabwehrpläne und Notfallpläne dahingehend zu hinterfragen und zu optimieren, und somit den Notfallplan „Gasmangel-Blackout-Gefahr“ als wichtige Aufgabe zur Krisenvorsorge anzuerkennen und als wichtige Aufgabe aufzunehmen. Damit verbunden gehen erstmals Bestandsuntersuchungen vor, welche Kunden in einer Gebietskörperschaft als „geschützte Kunden“ einzustufen wären, für die vorranging eine Gasversorgung in einer Mangelsituation noch machbar wäre.

Gemäß Gesetzestext wird speziell im § 53a EnWG grundlegende soziale Dienste bzw. Einrichtungen aufgeführt, wie auch in Artikel 2 Nummer 5b Erdgas-SoS-VO vorgesehen, als geschützte Kunden zu definieren. Als „grundlegende" soziale Dienste sind solche erfasst, die dem Schutz solcher Bevölkerungsgruppen dienen, und die – ähnlich wie Haushaltskunden – eine besonders hohe schutzbedürftig aufweisen. Gemeint sind Einrichtungen, bei denen eine Unterbrechung der Gasversorgung ohne besonderen Schutz zu einer weitergehenden Gefahr für Gesundheit oder Leben von Personen führen würde. Im Detail sind dies Einrichtungen in denen Menschen vorübergehend oder dauerhaft stationär behandelt werden oder leben und diese nicht ohne Weiteres verlassen können sowie Einrichtungen, die hoheitliche Aufgaben zur öffentlichen Sicherheit zu erfüllen haben:

  • Krankenhäuser und Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen gemäß § 107 SGB V, stationäre Pflegeeinrichtungen gemäß § 71 Absatz 2 SGB XI,
  • stationäre Hospize gemäß § 39a Absatz 1 SGB V,
  • Einrichtungen zur Pflege und Betreuung behinderter Menschen gemäß § 71 Absatz 4 SGB XI,
  • Justizvollzugsanstalten gemäß § 139 StVollzG, sowie
  • z. B. Feuerwehr, Polizei und Bundeswehreinrichtungen, sowie die Dienststellen (und Gebäude) aller Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS – „Blaulichtorganisationen).

Diese Zustandsprüfung sollte vorurteilsfrei durchgeführt werden, auch wenn sie ergibt, dass wichtige Gebäude (Bauten) der BOS-Organisationen selber mit Gas beheizt werden und für Kochzwecke allein (nur) Gas verwendet wird, die dann bei Ausfall der Gasversorgung durch externe Energieträger zu kompensieren wären. Die Situation durfte bei einer Gasmangel-Lage weitaus schwieriger sein als „nur“ in einem Stromausfall. Bei einem partiellen Stromausfall über wenige Stunden können fest installierte oder mobile Notstromaggregate mit ausreichend Treibstoffmengen gewisse Kompensationen übernehmen und so die Durchhaltefähigkeit sichern. Bei einem flächendeckenden und zugleich landandauernden Gasausfall sind solche Ersatzmaßnehmen kaum möglich, da mobile Gasliefer- und Heizgeräte kaum in ausreichender Menge und mit Anschlussmöglichkeiten an die Baulichkeiten zum nachträglichen Einspeisen zur Verfügung stehen.

Erschwerend kommt hinzu, dass bei einem Ausfall der Gasversorgung die Gasanschlüsse und Thermen bei Wiederhochfahren und Vollleistung des Gasnetzes sehr aufwendig gewartet werden müssen. Berechnungen aus kleinen partiellen Gasmangel-Lagen in Stadtteilen zeigen, dass – je nach Dauer des Versorgungsausfalles – die Notwendigkeit einer sog. „Gebrauchsfähigkeitsprüfung des Netzes“ besteht, welche den Arbeits- und Prüfaufwand noch weiter erhöht. Erste grobe Schätzungen einzelner Netzbetreiber weisen darauf hin, dass der Personaleinsatz von Fachkräften für die Durchführung dieser Maßnahmen um ein Vielfaches langer als bei einer Stromausfall-Lage andauernd wird. Bei jedem weiteren Ausfall der Gasversorgung müssen erneut diese Maßnahmen von Fachpersonal vor Einschalten der Anlagen aufwendig geprüft werden. Um die Dimension der Schadenslage an einem Beispiel zu verdeutlichen konnte man in WELT Online am 4. Juli 2022 nachlesen, dass bei einer Stadt von rund 100.000 Einwohnern eine flächendecke Prüfung der Gasanschlüsse – unter der Voraussetzung, dass es genügend Fachpersonal gibt, ca. 4 Monate dauern würde.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass wenn für ganz Deutschland die Gasmangel-Lage eintritt, kein Hochfahren des Gasnetzes in wenigen Wochen allein aufgrund des Mangels an Gas-Fachkräften mehr möglich sein dürfte.

Daher sollten speziell die öffentlichen Verwaltungen mit ihren Ordnungsbereichen (-ämtern) und die Krisen-/Verwaltungsstäbe von Land-/Kreisen und kreisfreien Städten in einen zweiten Arbeitsschritt die Ausbildung deren Stäbe auf eine solche Versorgungslage ausrichten. Es geht um die Schaffung von Wärmeinseln in Gebäuden und Hallen, um zumindest Teile der Bevölkerung, man rechnet mit Werten um 30 bis 40%, die zudem noch mobil sind, für wenige Stunden im kalten Wintertag (z. B. einer Schnee-/Eislage mit Sturm) Möglichkeiten zum Aufwärmen und zu Aufnahme von Warmverpflegung und wärmenden Getränken zu schaffen. Dabei müssen diese Einrichtungen den Corona-Schutzauflagen entsprechen und öffentlich bekannt sein und ebenso leicht zugänglich sein.

A man stands next to a green field kitchen, view from the back
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Auf die Krisen-/Verwaltungsstäbe und die Einsatzkräfte einschließlich aller BOS kommt somit eine riesige Logistikaufgabe zu. Zum einem das Herrichten und Beheizen von geeigneten Gebäuden und zum anderen das Organisieren von Nutzerströmen und die Verteilung von Lebensmitteln mittels mobiler Feldküchen. Eine Aufgabe, die wir als solche bislang nicht gekannt haben, die unsere Ur-/Großeltern in den Kriegszeiten zu Ende des Ersten Weltkrieges („Steckrübenwinter, Hungersnot“) und im Zweiten Weltkrieg in den ausgebombten Städten leider erlebt haben, die heute aber keiner mehr kennt und somit alle Erfahrungen zum Umgang mit dieser „Katastrophe“ fehlen.

Diese wichtigen Aufgaben, so negativ vom Denken als furchtbare Version belegt sind, sollten verantwortungsvolle Hauptverwaltungsbeamte (Landräte/innen, Oberbürgermeister/innen, Bürgermeister/innen) jetzt in Form von Stabsübungen mit deren Krisen-/Verwaltungsstäben und Einsatzleitungen einschließlich aller BOS ausplanen und üben. Eine besondere Aufgabe kommt dabei der Zusammenarbeit und den fachlichen Austausch mit den Notfallstäben von Stadtwerken zu, die ihre Versorgungskunden (Verbraucher = Bürger) sehr gut kennen und die im Vorfeld jetzt mit einer Aufklärungskampagne für Sparmaßnahmen und Notfallkonzepte starten sollten. Lieber rechtzeitig ein „klares Lagebild“ mit möglichen Gefahrenlagen und Einschränkungen kommunizieren als in wenigen Wochen dann den Exodus kurzfristig auszurufen.

Zugleich sollte jetzt schon informiert werden, dass bei Ausfall der Gasversorgung der Einsatz von elektrischen Heizgeräten (z. B. Konvektorheizgeräte, Ölradiatoren, Keramikheizlüfter) mit einer Leistung von 2000 bis 2500 Watt bei mehreren Millionen Haushalten und in Verwaltungen und Büroräumen von Unternehmen schnell das Stromnetz mit mehreren Gigawatt-Einheiten (20 bis 30 GW), speziell am Abend und in der Nacht belasten würde. Zu einer Zeit, da im Winter die „Dunkelflaute“ kaum Energie von Solarenergie und Windkraftanlagen zur Verfügung stehen und die geplante Abschaltung von AKW für die Stromerzeugung und das Herunterfahren von Kohlekraftwerken als wichtige Strom-, Fernwärme- und Prozessenergie noch immer nicht zurückgenommen wurde. Experten sehen unmittelbar nach dem Gasmangel-Blackout die gestiegene Gefahr eines Strommangel-Blackouts in kalten Winterwochen, der dann auch das wichtige Kommunikationsnetz zum Zusammenbruch führen lässt.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Lage derzeit sehr ernst ist und dass die wenigen Wochen noch vor dem kalten Winter für Präventions- und Krisenkonzepte genutzt werden sollten. Besonnenes Abwägen aller Risiken und ein Aufzeigen erster Lösungs- und Kompensationsmöglichkeiten sollten jetzt angegangen werden. Externe Fachberater können hierzu Hilfestellungen bei der Optimierung von Gefahrenabwehrplänen als auch Ausbildungs- und Übungskonzepten geben. Ein zielführendes Handeln im Sinne eines „guten“ Krisenmanagement ist jetzt mehr denn je gefragt.

 

Löschflugzeug im Einsatz
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Verbände fordern dringend Verbesserung der Einsatzmöglichkeiten

Luftfahrzeuge für die Gefahrenabwehr:

vfdb und DFV verfassen gemeinsames Positionspapier mit konkreten Vorschlägen – „einfacher und einheitlicher“

Die Einsatzmöglichkeiten von Luftfahrzeugen für die Gefahrenabwehr in Deutschland müssen nach Erkenntnissen von Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz dringend verbessert werden. Insbesondere müssen Hubschrauber, Drohnen und Flächenflugzeuge einsatztaktisch und kommunikationstechnisch besser eingebunden werden.

In einem gemeinsamen Positionspapier geben die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) und der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) Ratschläge für entsprechende Regelungen. Ziel ist es nach den Worten von vfdb-Präsident Dirk Aschenbrenner und DFV-Präsident Karl-Heinz Banse, für den Einsatz der Feuerwehren und der anderen Mitwirkenden in der Gefahrenabwehr Hilfestellung sowohl für den Alltag als auch für die Vorbereitung zu geben.

 „Der Einsatz von Luftfahrzeugen in der Gefahrenabwehr insbesondere bei Flächenlagen, aber auch bei ungewöhnlichen Ereignissen in exponierten Gebieten ist aktueller denn je“, betonen DFV und vfdb. Besonders drastisch sei dies bei der Starkregenkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr deutlich geworden. Aber auch die jüngsten Wald- und Vegetationsbrände hätten die Defizite aufgezeigt.

 In einem sieben Punkte umfassenden Katalog fordern die beiden Organisationen beispielsweise eine Vereinfachung der Anforderungswege und Angleichung der Kostenstrukturen, die – wie es heißt – „auf keinen Fall zu Lasten vor allem kleinerer Gemeinden gehen“ dürfen. Ferner sei es notwendig, dass die Anforderung der ersten ein bis zwei Luftfahrzeuge, zum Beispiel Helikopter zur Menschenrettung mit Winde oder mit Außenlastbehälter zur Löschunterstützung aus der Luft, für den ersten Einsatzleiter schnell, einfach und direkt über seine zuständige Leitstelle möglich werde.

 Verbessert werden müssen nach Auffassung der Experten auch die Möglichkeiten für die Zusammenarbeit und Nutzung aller Betreiber sowohl in der Luft wie auch der Bedarfsträger und Einsatzkräfte am Boden. Die Einsatzmöglichkeiten und -grenzen müssten zudem Teil der Ausbildung sein. „Dazu ist der Ausbau der bisher viel zu wenigen Ausbildungsstellen nötig, und es müssen weitere Möglichkeiten geschaffen werden“, so die Anregung in dem Positionspapier. Als mögliches Vorbild werden andere EU-Länder wie zum Beispiel Frankreich genannt, das mit seiner Zivilschutzschule in Valabre in Europa die zentrale Aus- und Fortbildungsrolle im Luftfahrzeugeinsatz zur Gefahrenabwehr übernommen habe.

Mehrzweckhubschrauber sind nach Erkenntnissen von DFV und vfdb das einzige Mittel, mit denen Menschen aus absoluten Notsituationen gerettet werden können. „Wir brauchen davon so viele, dass wir in hinreichend kurzer Zeit überall in Deutschland die nötige Hilfe aus der Luft einsetzen können“, so die Forderung. Bemängelt wird ferner, dass die Zivilschutzhubschrauber des Bundes derzeit nahezu ausschließlich als Rettungshubschrauber eingesetzt werden. „Das ist der Bedeutung des Wortes nicht angemessen und auch nicht für diesen Zweck ausreichend“, heißt es wörtlich. Aktuell handele es sich um einen eher kleineren Hubschraubertyp (EC bzw. H 135) mit sehr eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten. Jeder Zivilschutzhubschrauber müsse aber im Katastrophenschutz und der erweiterten Gefahrenabwehr sinnvoll und auch in Höhenlagen und auch bei schlechten Sichtverhältnissen gut einsetzbar sein.

Notwendig sei unter anderem eine Transportfähigkeit von mindestens 2.000 Liter Wasser als Außenlast und eine Aufnahmefähigkeit von mindestens sechs voll ausgerüsteten Einsatzkräften sowie weiteren Geräten sowie die sofortige Einsatzmöglichkeit einer Winde zur Rettung von Menschen aus gefährdeten Lagen. Als erforderlich wird außerdem die Transportmöglichkeit von liegenden Patienten mit entsprechender notfallmedizinischer Ausstattung sowie die Möglichkeit der Bilddatenerzeugung sowohl als Video- wie Infrarot mit Datenübermittlung zu den Bodenkräften genannt.

 Als „nicht zielführend“ nennt das Positionspapier für Deutschland den Einsatz von Löschflugzeugen, da sie nur in wenigen der Aufgabengebiete eingesetzt werden können.

Positionspapier Einsatz von Luftfahrzeugen in der Gefahrenabwehr

-PM vfdb-

 

Zu den Hauptaufgaben von Detektiven gehören unter anderem Observationen
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Detektive

Vom Schnüffler zum Bodyguard   

Von J. Brunhofer/H. Zwickl
Erstveröffentlichung - Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 5-6/2022

Waren Detektive früher vor allem mit dem „Ausschnüffeln“ untreuer Ehepartner beschäftigt, arbeiten sie heute etwa auch an der Aufklärung von Wirtschaftskriminalität oder im Personenschutz.

Überall dort, wo nicht die Staatsgewalt verpflichtet ist, Leib und Leben des Bürgers zu schützen, kommen vielfach Detektive oder Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten zum Einsatz. Heute ist der Detektiv auch ein Multitalent in Sachen Technologie: Nicht nur der Einsatz von Spionagetechnik, sondern vor allem das Aufspüren solcher und die Cyber-Kriminalität sind seine Aufgabengebiete.

Umfangreiche Aufgaben.

„Detektivarbeit ist zunächst Kopf- und dann Teamarbeit. Die Fallexploration und Vorbereitung samt Sachverhalts- und Aktenstudium sind zum wichtigsten Teil geworden“, sagt Mag. Andreas Schweitzer, Vorsitzender des österreichischen Detektiv-Verbandes. Ein tragfähiges Ermittlungs- und Beweisführungskonzept sei der Beginn einer erfolgreichen Fallbearbeitung. Berufsdetektive von heute seien Forensiker, Kriminalisten, Beweistaktiker, Spurensicherer, Fernmeldetechniker etc. „Die nächste Generation wird sicher mit weiteren und neuen Aufgabenbereichen konfrontiert sein“, sagt Schweitzer. Ein Beispiel bildet hier die Suche nach Audio- und Videowanzen. „Hier verfügen wir in Österreich über hochqualifizierte Kollegen, die im Ausland ausgebildet worden sind und solche Geräte aufspüren können. Auch im Bereich der Forensik wie DNA- und Vaterschaftsanalysen oder Drogenanalysen sind wir gut ausgebildet und mit Fach-Kollegen vernetzt“, erläutert Schweitzer. Bei den Methoden gebe es immer etwas Neues. „Jeder hat seinen Zugang. Es gibt Berufsdetektive, die ihren Beruf pragmatisch und welche, die ihn auch philosophisch leben, die also in die soziale und gesellschaftliche Tiefe gehen und nach den Ursachen fragen. In jedem Fall ist aber Hartnäckigkeit, die auf dem Fundament hochprofessioneller Ausbildung ruht, unumstößliche Voraussetzung, die auch umgesetzt wird“, sagt Schweitzer.

Bekannte Fälle.

Viele Kriminalfälle sind mithilfe von Berufsdetektiven aufgeklärt worden. Der bekannteste bleibt wohl der „Fall Lucona“, aufgedeckt von Walter Penk-Lipovsky und Dietmar Guggenbichler, beide bereits verstorben. Die Lucona war mit einer Bombe gesprengt worden. Sechs Menschen wurden getötet, der wahre Wert der Fracht betrug eine Million Schilling und war Schrott. Der Versicherungsbetrug brachte die Republik zum Wanken, der Schiffseigner und Chef der Zuckerbäckerei Demel in Wien Udo Proksch sowie seine Mittäter gingen in Haft.
Nicht minder spektakulär war die Aufklärung des Grubenunglücks von Lassing im Jahr 1998, bei dem zehn Menschen gestorben waren. Auch hier waren es Detektive, „die den Beweis erbrachten, dass das Grubenunglück durch zügellosen und rechtswidrigen Schwarzabbau herbeigeführt worden war“, sagt Schweitzer. Das sind nur zwei Beispiele, die die Detektivarbeit im Medienrummel und damit im Licht der Öffentlichkeit darstellten – zumeist Teil der Detektiv-Taktik. Doch der Alltag sieht anders aus.

Keine „Schattendjangos“.

„Wir sind keine „Schattendjangos“. Wir behandeln den Hans Navratil von der Achter-Stiege genauso wie den Vorstandsvorsitzenden eines Weltkonzerns. Wir besinnen uns jedoch darauf, unsere Mittel und Wege nicht in die Medien, sondern vielmehr in den Erfolg zu tragen. Fast Jeder kennt schon Jemanden, der einen Berufsdetektiv kennt. Wir sind in den letzten Jahrzehnten aus unserem Schattendasein ausgebrochen. Das liegt nicht nur an uns selbst, sondern vielmehr an den Klienten und ihren Bedürfnissen“, sagt Schweitzer.

Ihre Kunden.

Ihre Kunden Versicherungen, Handelskonzerne, Immobilientreuhänder oder Berufsorganisationen wie etwa Kammern. „Detektive, die für Versicherungen arbeiten, beweisen etwa Tatbestände nach § 151 StGB – Versicherungsmissbrauch, oder liefern Material, um im Zivilprozess unberechtigte Forderungen von Versicherungskunden abwehren zu können“, erklärt Schweitzer. Detekteien, die für Liegenschaftseigentümer oder Hausverwaltungen arbeiten, liefern Material, um unberechtigte, betrügerische Eintrittsversuche in alte und günstige Mietverträge zu verhindern.
Im Familienrecht betrifft das z.B. immer noch die Erstellung von Scheidungsbeweisen. „Die Schuldfrage ist nach wie vor entscheidend, ob man eine Scheidung gewinnt, oder existenzgefährdend verliert, weil man die Untreue des Scheidungsgegners nicht beweisen kann“, sagt Schweitzer. Darüber hinaus liefern Detektive im Familienrecht Beweise, die zu einer Übertragung der Obsorge oder zu einer Einschränkung/Ausweitung des Kontaktrechts führen können. Der Arbeitsablauf der Detektive orientiert sich an kriminalistischen und forensischen Grundregeln. Die Detektive von heute haben keine Anzeigepflicht – wie etwa Ärzte –, können persönliche Daten abfragen, unterliegen aber genauso dem Datenschutz und sie tragen eine Waffe, wenn sie einen Waffenpass haben und operativ tätig sind, etwa wenn sie zum gewerblichen Personenschutz berechtigt sind.

Personenschutz.

Personenschutz: Aufgabe ist es, Leib und Leben zu schützen, Gefahren und Risiken vorzeitig zu erkennen, um eine Entführung oder einen Anschlag zu vermeiden.
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Markus Schimpl, seit 1991 Sicherheitsberater und Personenschutzexperte mit ziviler und militärischer internationaler Einsatz- und Berufserfahrung, erklärt den Unterschied zwischen staatlichem und zivilem Personenschutz in Österreich: „Ersteren durch Polizei und Militär bekommen Staatsbesuche, Minister, die Landeshauptleute, Bundesratsmitglieder und Personen des Zeugenschutzprogramms. Prinzipiell ist aber diese Bedingung unabhängig von Beruf oder der Bekanntheit einer Person. Zivilen Personenschutz bekommen Menschen, die aus versicherungstechnischer Sicht einen solchen haben müssen oder Menschen, die es sich einfach leisten wollen.“

Drei Gefährdungsstufen.

Im staatlichen, wie auch im zivilen Personenschutz wird die zu beschützende Person eingestuft:

  • Gefährdungsstufe I: Die Person ist erheblich gefährdet, mit einem Anschlag ist jederzeit zu rechnen.
    Gefährdungsstufe II: Die Person ist gefährdet, ein Anschlag ist nicht auszuschließen.
    Gefährdungsstufe III: Eine Gefährdung der Person ist nicht auszuschließen.

Auch wenn es in Österreich so gut wie niemand mitbekommt, gibt es eine Vielzahl an Personen, die aufgrund ihres Reichtums oder ihrer gesellschaftlichen Stellung privaten Personenschutz genießen. Vor allem überall dort, wo Immobilien sehr teuer sind, leben Menschen mit einem besonderen Schutzbedürfnis – Wörthersee, Kitzbühel, Salzburg oder Wiener Nobelbezirke, um nur einige zu nennen. Aber auch in den Tourismusregionen Österreichs werden immer wieder besonders gefährdete Personen von privaten Firmen geschützt.
„Die Prävention dient vor allem dazu, Gefahren und Risiken vorzeitig zu erkennen, um Entführung oder gar Ermordung zu vermeiden“, sagt Schimpl. „Man muss auch fairerweise sagen, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, aber mit einer guten präventiven Arbeit kann das Risiko minimiert werden.“

Ausbildung bei staatlichen Institutionen.

Um Krisensituationen im Personenschutz zu bewältigen und in diesen vor allem handlungsfähig zu bleiben, ist ein professionelles Training wichtig. „Diese hochwertigen Ausbildungen und Trainings findet man meist in staatlichen Institutionen wie Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs“, erklärt Schimpl. „Im Zivilen gibt es diese Ausbildung und Trainings in dieser Qualität selten. Im staatlichen Bereich hat man, wenn man solche Trainings beginnt, meist eine langjährige Einsatzerfahrung in Spezialeinheiten hinter sich und somit startet man in diese spezielle Ausbildung mit einem ganz anderen Basiswissen und essenziell wichtiger Grundfertigkeiten.“ Die Problematik im Sinne der Sicherheit im zivilen Personenschutz besteht laut Schimpl meist darin, dass von der Schutzperson zum operativen Team eine oder mehrere Personen zwischengeschaltet sind. Diese haben meist nur wenig bis kein Basiswissen operativer Tätigkeit und das geht natürlich zu Lasten der Sicherheit. Wenn Sicherheitsmängel erkannt werden, egal von wem im Team, so gehören diese umgehend angesprochen und optimiert.

Die Ausbildung.

Die Ausbildung zum qualifizierten Personenschützer hat sich gewandelt. Kein privater Anbieter kann es sich heutzutage leisten, unqualifiziertes Personal zu beschäftigen. In Sachen Personenschutz sowie detektivischer Arbeit kann man sich nicht nur mehr auf staatliche Ausbildungseinrichtungen verlassen. „Die Grundausbildung zum Personenschutz ist umfangreicher, intensiver und in der Qualität behördennäher, als man sich vorstellen kann“, sagt Andreas Schweitzer, der bei der Campus Security & Trainings Group die Ausbildung zur TÜV-zertifizierten Personenschutzfachkraft absolviert.
Dr. Franz Wulz, MBA, einst selbst Polizei- und Justizangehöriger (Einsatztrainer und stellvertretender Ausbildungsleiter), leitet seit mehreren Jahren diese personenzertifizierte Ausbildung und ist ein international angesehener Experte auf diesem Gebiet.

Sicherheitsfirmen.

Sicherheitsdienst: Die private Bewachung von Gebäuden und Veranstaltungen oder die Personenkontrollen auf Flughäfen sind wesentliche Geschäftsfelder der Detektive. >br>© stock.adobe.com/# 341061798

Der wohl unbekannteste Bereich im Berufsfeld des Sicherheitsgewerbes (Berufsdetektiv/Bewachung) ist der Wachdienst. Die private Bewachung von Gebäuden, Veranstaltungen oder im Auftrag der öffentlichen Sicherheit verrichtete Tätigkeiten wie Personenkontrollen auf Flughäfen ist heute ein wesentliches Geschäftsfeld des Sicherheitsgewerbes.

Das breite Spektrum an Sicherheitsfirmen zeigt sich auch am Beispiel von Axel Wochinger. Der Österreicher ist Geschäftsführer eines führenden Security-Unternehmens in der Nähe von München, der Result Group. Zuvor war er zwölf Jahre Offizier bei der Österreichischen Militärpolizei, was er selbst für eine hervorragende Grundlage für seine jetzige Tätigkeit bezeichnet: „Sicherheitsexperten haben die Verhandlungsführung mit Erpressern und Entführern übernommen, beispielsweise bei Cyber-Erpressungen oder Schiffsentführungen vor der Küste Somalias.“ Derzeit unterstützt das Unternehmen die Evakuierung von lokalen Mitarbeitern aus den Kriegsgebieten in der Ukraine – Result Group hat ein eigenes Evakuierungseam in der Ukraine im Einsatz, unterstützt von einem erfahrenen Team aus Analysten und Krisenmanagementexperten aus Deutschland.

Auch für Mag. Johannes Glöggler, den Geschäftsführer der Eventus-cpi GmbH steht fest: „Der Krieg in der Ukraine wird das geschäftliche Umfeld für österreichische Firmen im Ausland langfristig verändern – leider nicht zum Besseren.“ Genau hier setzt die Firma Eventus an, indem über die drei Divisionen Consulting, Protection und Intelligence hinweg ganzheitliche Produkte angeboten werden.
„Sicherheits- und Intelligence-Produkte sind kein „Nice-to-have“ mehr, sondern ein existenzieller Erfolgsfaktor der Kategorie „Must-have“. Derzeit wird es immer wichtiger und wird auch im Sinne von Compliance und Stakeholdern verlangt, dass sich private Unternehmen selbst schützen können, was den Staat mit seinen nicht beliebig vorhandenen Kapazitäten entlastet.
„Je nach Einsatzbereich und rechtlicher Möglichkeit stellen wir dafür aktive oder ehemalige Mitglieder des österreichischen Bundesheeres, der Polizei und anderer Behörden in den Dienst unserer legitimen österreichischen Klienten. Das Spektrum reicht von Personenschutz für Familien und Manager über VIP-Event-Security wie die Weißwurstparty beim Stanglwirt bis hin zu Sicherheitskonzepten für private und gewerbliche Immobilien, sowie für Unternehmen zur Abwehr von Interessensschädigungen aller Art, nach aktuellen Ö-NORM und ISO-Standards“, erläutert Glöggler.

Detektiv im Wandel.

Was als „Schnüffeltätigkeit“ begonnen hat, ist heute ein vielschichtiger und hochspezialisierter Beruf der Sicherheitsbranche. „So wie die Ausübung anderer Gewerbe im Laufe der Zeit durch ein Dickicht aus Regeln und Vorschriften immer mühsamer geworden ist, so ist es auch den Detektiven ergangen“, sagt Schweitzer.

Wie wird man Detektiv?

Voraussetzungen sind Volljährigkeit und ein einwandfreier Leumund. Interessenten absolvieren eine Ausbildung als Berufsdetektivassistent in einem zugelassenen Unternehmen. Dann kann man zur behördlichen und kommissionellen Prüfung antreten und den Sprung in die Selbständigkeit wagen. „Eine standardisierte Ausbildung gibt es derzeit noch nicht, ist aber kurz vor Planungsabschluss. Erste Kurse laufen bereits und es gibt auch schon erfolgreiche Absolventen hinsichtlich einer eigenen staatlichen Prüfung.

Seriöse Detektive.

Seriöse Detektive sind sich ihrer Verantwortung gegenüber ihrem Berufsstand, gegenüber jenen, die von ihrer Arbeit betroffen sind (Prozessgegner und Verdächtige) und nicht zuletzt gegenüber ihren Klienten bewusst“, sagt Schweitzer. „Wenn Berufsdetektive tätig werden, dann greifen sie in die Grundrechte Dritter ein – zwangsläufig. An diesem Punkt erkennt man auch den Grad der Seriosität und Professionalität. Die Kunst der Detektivarbeit liegt darin, einerseits die ,erdrückende Beweislast‘ zu beschaffen, den Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz aber nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln durchzuführen“, erläutert Schweitzer. Eine großartige Homepage sei kein Gütesiegel. „Billiganbieter, die mitunter behaupten, dass eine ordentliche Observation mit nur einem statt zwei Observanten möglich ist, sollten mit Vorsicht genossen werden. Hier wird oft billig und nicht günstig gekauft. Die Nachschau, ob der Berufsdetektiv in einem Berufsverband mit strengen Regeln Aufnahme gefunden hat, ist ein weiterer Tipp“, sagt Schweitzer.

 

Hubschrauber im Einsatz zur Waldbrandbekämpfung
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Extremhitze, Trockenheit und Wind

Feuerwehrexperten warnen vor katastrophalen Bränden in der Vegetation!

Die Gefahr riesiger Vegetationsbrände in Deutschland und anderen europäischen Ländern wird immer größer. Nach Einschätzung von Feuerwehrexperten wird insbesondere die Kombination aus hohen Temperaturen, großen Trockenheit und starken Winden die Lage in den nächsten Tagen weiter verschärfen. Für die kommende Woche haben die Meteorologen für weite Teile Deutschlands Temperaturen von deutlich mehr als 30 Grad und Windgeschwindigkeiten in Böen bis zur Stärke 6 vorhergesagt.

„Es ist zu befürchten, dass die Situation noch gefährlicher werden könnte als im Katastrophenjahr 2018“, sagt Dr. Ulrich Cimolino, Vorsitzender des Arbeitskreises Waldbrand im Deutschen Feuerwehrverband (DFV) und Vegetationsbrandexperte der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb). „Damals verursachten Waldbrände und Dürre allein in Europa Schäden von 3,9 Milliarden Dollar.“ Als besonders dramatisch sieht Cimolino die Langfristvorhersage, wonach die kritische Wetterlage mit relativ hohen Temperaturen und viel zu großer Trockenheit noch bis in den August anhalten werde.

Nach Beobachtung der Feuerwehren ist trotz Niederschlags in einigen Regionen die Bodentrockenheit und Durchschnittstemperatur derzeit größer als üblicherweise zu Beginn des Sommers. „Diese Ausgangslage wird in weiten Teilen Europas und in Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit zu ausgedehnten Vegetationsbränden führen, die sich schnell entwickeln“, betont Cimolino.

Der Gefahrenschwerpunkt werde in Deutschland voraussichtlich in einem mehrere hundert Kilometer breiten Band von Südwesten nach Nordosten liegen. Hier gebe es vermutlich die höchsten Temperaturen und das bei zum Teil frischem Wind (Windstärke 5). Aber auch nicht so extrem von Hitze betroffene Bereiche seien gefährdet. Das gelte insbesondere für das Bergland wegen der Hanglagen, auf denen sich Feuer besonders schnell ausbreiten könne. Die Temperaturen würden auch nachts nur wenig fallen, während gleichzeitig nach der aktuellen Vorhersage ganztägig mit böigem Wind gerechnet werden müsse.

Cimolino weist alle Partner im Einsatz darauf hin, dass die Brandbekämpfung schnell, massiv und gleichzeitig nachhaltig durchgeführt werden müsse: „Jedes Glutnest wird bei dieser Wetterlage spätestens mit auffrischendem Wind sofort wieder für den nächsten Brand sorgen. Insbesondere die Nachlöscharbeiten müssen daher sorgfältig und möglichst mit Wärmebildkontrolle auch aus der Luft durchgeführt werden.“

DFV-Präsident Karl-Heinz Banse und vfdb-Präsident Dirk Aschenbrenner haben in einem gemeinsamen Appell dazu aufgerufen, die Warnungen und Empfehlungen der Feuerwehrexperten ernst zu nehmen:

  1. Rauchen, offenes Feuer, Grillen etc. ist vom 1. März bis 31. Oktober in den Wäldern in ganz Deutschland (in einigen Ländern ganzjährig!) verboten, sondern auch in allen anderen Vegetationsbereichen zu unterlassen, insbesondere dann, wenn es dort trocken ist. Bitte nutzen Sie dafür befestigte Plätze mit ausreichend großen nicht brennbaren Bodenflächen.
  2. Jeder Verdacht auf ein Feuer sollte sofort über die Notrufnummer 112 gemeldet werden. Je früher ein Brand entdeckt wird, umso schneller kann er noch mit dann guter Aussicht auf Erfolg bekämpft werden.
  3. Geben Sie den Ort des Feuers möglichst genau an. Dazu kann man bekannte Objekte, Wegkreuzungen, oder auch die Rettungspunkte der Rettungskette Forst benutzen. Soweit Sie über ein Mobiltelefon mit einer Standortfunktion verfügen, können Sie auch diese benutzen, um ihren Standort zu übermitteln. Beachten Sie dabei, das ist allerdings unter Umständen nicht die konkrete Lage des z.B. am gegenüberliegenden Berghang gesehenen Feuers!
  4. Die Feuerwehren sollten sich z.B. so vorbereiten:
    1. Kontrolle der Zusatzbeladung Vegetationsbrandbekämpfung.
    2. Geeignete leichte Persönliche Schutzausrüstung bereitlegen und auch bei anderen Einsätzen mitführen.
    3. Kontakte zu den Land- und Forstwirten mit den notwendigen Spezialmaschinen zur Einsatzunterstützung sowie deren konkrete Verfügbarkeit überprüfen.
    4. Unterstützung für den Wassertransport prüfen und aktualisieren (Landwirtschaft, Bauhöfe, Firmen etc.).
    5. Einheiten aus der Vorplanung für überregionale Einsätze sollten ihre Zusammenstellung aktualisieren. (Ferienzeit und eigene Gefahrenlage beachten!)
    6. Einsatztaktik nochmals besprechen, dabei insbesondere auf die Gefahrenlage von schnell laufenden, da windgetriebenen Feuern eingehen!
    7. Überregionale Einheiten – insbesondere auch solche für den Luftfahrzeugeinsatz, die im Rahmen der Amtshilfe angefordert werden sollen, frühzeitig über die vorgesehenen Stellen kontaktieren und um Bereitstellung der entsprechenden Einsatzmittel ersuchen.
    8. Beachten Sie in der Einsatzvorbereitung und im Einsatz die regionale Wetterlage und deren Entwicklung.
  5. Land- und Forstwirte sollten
    1. Löschmöglichkeiten am Fahrzeug mitführen (z.B. Feuerlöscher)
    2. die Maschinen und deren Motoren vor und nach der Arbeit überprüfen, um z.B. verschmutzte Filter, defekte Hydraulikschläuche etc. zu wechseln.
    3. während der Arbeit ihre Geräte und Maschinen beobachten und bei Problemen (steigenden Temperaturen, Warnungen etc.) die Arbeit unterbrechen, den trockenen Bereich verlassen und auf einem Weg oder einer unbewachsenen Stelle die Maschine kontrollieren.
    4. bei Verdacht auf ein Feuer ebenfalls sofort die Feuerwehr alarmieren.
    5. größere bzw. abgelegenere Arbeitsbereiche sollten z.B. bei der Feldarbeit mit einem Traktor mit Grubber bzw. im Wald bzw. Buschbereich mit einem Wasserfass begleitet werden. So können bei einem Feldbrand die nicht betroffenen Bereiche mit einem Schutzstreifen gesichert und das Feuer so von der umgehend alarmierten Feuerwehr einfacher und schneller bekämpft werden.
  6. Einheiten zur Luftfahrzeugunterstützung der Behörden für Sicherheit und Ordnung (BOS) sollten ihre Verfügbarkeit prüfen, einen möglichst hohen Klarstand bei den Fluggeräten und Besatzungen vom kommenden Wochenende an bereitstellen und sich darauf einstellen, parallele Anforderungen zu mehreren Einsatzorten abdecken zu müssen.
  7. Unterstützende Behörden oder Firmen sollten ihren Fuhrpark vorbereiten. D.h. Wasserfässer füllen, ggf. notwendige Übergangsstücke bereitlegen.

Der AK Waldbrand hat über den DFV dazu folgende Fachempfehlungen zur Einsatzunterstützung herausgegeben:

https://www.feuerwehrverband.de/fachempfehlung-vegetationsbrand-aktualisiert/
https://www.feuerwehrverband.de/app/uploads/2022/03/DFV-FE_Luftfahrzeuge_2022.pdf

-PM vfdb-

 

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Geldautomatensprengungen

Von Dr. Reinhard Scholzen

Die Lagebilder des Bundeskriminalamtes „Angriffe auf Geldautomaten“ liefern viele Fakten zu den Sprengungen von Geldautomaten, lassen aber auch Fragen offen.

Strohn, Jünkerath, Gerolstein, Hillesheim, Daun. Diese fünf Orte liegen im Landkreis Vulkaneifel, der für seine landschaftlichen Reize bekannt ist und regelmäßig erste Preise bei der Wahl der schönsten Wanderwege erringt. Bei Geologen ist die Vulkaneifel berühmt für ihre weltweit einzigartigen Gesteinsformationen, die, eng nebeneinanderliegend, tiefe Blicke in unterschiedliche Phasen der Erdgeschichte ermöglichen. Krimi-Freunde schätzen den „Tatort Eifel“. Weitaus weniger bekannt ist, dass auch Kriminologen etwas mit diesen Dörfern und Städten in der Eifel verbinden: Allen ist gemeinsam, dass dort in letzter Zeit ein oder gleich mehrere Geldautomaten gesprengt wurden.

Modus Operandi

Physische Angriffe auf Geldausgabeautomaten (GAA) sind keine neue Straftat. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts kam dabei schweres Handwerkszeug wie Brecheisen und Spaltaxt zum Einsatz. Mit neu konstruierten, deutlich stabileren Geldautomaten änderte sich schrittweise der Modus Operandi: Die Täter rissen mit brachialer Gewalt das ganze Gerät aus seiner Verankerung oder rückten ihm an unterschiedlichen Stellen mit Trennschneidern oder diversen Schweißapparaten zu Leibe.

Etwa ab dem Jahr 2013 wandelte sich die Tatbegehung noch einmal deutlich, als die Zahl der Automatensprengungen zunahm. Das Bundeskriminalamt veröffentlichte erstmals im Sommer 2016 die Erkenntnisse zu diesen Straftaten in dem Bundeslagebild „Angriffe auf Geldautomaten.

Seit dem Herbst 2015 nahmen die Fälle von Geldautomatensprengungen rasant zu. Die Auswertung des BKA ergab, dass häufig Orte in Nordrhein-Westfalen (70 Fälle) und Niedersachsen (28 Fälle) betroffen waren. Seither verzeichnet Nordrhein-Westfalen beständig und mit deutlichem Abstand zu den anderen Bundesländern die höchsten Fallzahlen (auf die Häufigkeitszahlen gehen wir weiter unten ein). Auffällig ist ein Blick auf die Monate, in denen die meisten dieser Straftaten verübt wurden. Im Oktober 2015 ereigneten sich 19, im November 32 und im Dezember sogar 43 Geldautomatensprengungen.

Die Vorgehensweise der Täter änderte sich. Im Lagebericht für das Jahr 2015 führte das BKA aus, häufig würden die Geldautomaten „durch Einleitung eines Gases bzw. Gasgemisches und dessen anschließende Zündung gesprengt.“ Dabei gab es Unterschiede im Detail. So wurden verschiedene Gase, Zündquellen und auch Zündleitungen verwendet. Lediglich in Einzelfällen wurde gewerblicher Sprengstoff benutzt. Dies änderte sich rasch. Im Jahr 2018 erfasste das BKA 20 Fälle, in denen die Täter einen Festsprengstoff verwendeten. Für das Jahr 2020 konstatierte das BKA einen „sprunghaften Anstieg mit festen Explosivstoffen.“ Über die Gründe führten die Autoren aus, viele Betreiber hätten neue Geräte beschafft, die mit innovativen Sicherungssystemen wie etwa Gasneutralisationssystemen ausgestattet seien. Darauf reagierten die Täter. Für das Jahr 2021 stellte das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) fest, dass zwei Drittel der Taten mit „Blitz-Knall-Körpern“ begangen wurden. In den ersten Monaten des Jahres 2022 stieg der Anteil der mit Feststoffen verübten Geldautomatensprengungen in NRW auf 87 Prozent.

Die nordrhein-westfälische Polizei macht auf ihrer Internetseite auch umfangreiche Angaben zur Tatbegehung: „Bei der überwiegenden Anzahl der Fälle werden durch die Täter zwei Sprengungen durchgeführt. Zunächst wird der ‚Kopf‘ des GAA mit einer ersten Sprengung geöffnet, um dann im Rahmen einer zweiten Sprengung ein so genanntes ‚Fascia-Paket‘ einzuführen und umzusetzen. Aufgrund der deutlich höheren Sprengwirkung von Explosivstoffen im Vergleich zu Gassprengungen entstehen regelmäßig hohe Schadensbilder an Gebäuden und der umliegenden Infrastruktur mit unkalkulierbaren Gefahren für unbeteiligte Dritte sowie eingesetzte Kräfte.“

Täter und Tatorte

Eng miteinander verknüpft sind die Tatbegehungsweisen und die Tätergruppen. Bereits im ersten Bundeslagebild „Angriffe auf Geldautomaten“ stellte das BKA im Jahr 2015 heraus, „nur in wenigen Fällen“ seien Einzeltäter am Werk, fast immer würden die Taten von Tätergruppierungen begangen, die arbeitsteilig vorgingen. Es handelt sich somit in der Regel um Straftaten nach § 244a StGB, dem schweren Bandendiebstahl. Von Beginn an kamen viele Täter aus den Niederlanden und wiesen einen Migrationshintergrund aus Marokko auf. Nach Erkenntnissen der niederländischen Polizei und des LKA NRW waren die Täter überwiegend männlich und zwischen 18 und 35 Jahre alt. Die meisten lebten in den niederländischen Großstädten Utrecht, Rotterdam oder Amsterdam. Das LKA NRW beschrieb sie als „oftmals sehr polizeierfahren“, die sensibel auf verdeckte polizeiliche Maßnahmen reagierten und ständig dazulernten. Auch in der Gegenwart kommen viele Täter aus den Niederlanden, dies unterstreicht die Festnahme von 13 Tatverdächtigen im Juni 2022.

In den BKA-Lagebildern angegebene Zahl der Tatverdächtigen im Zusammenhang mit Geldautomatensprengungen

Jahr

Tatverdächtige

Nähere Erläuterungen

2015

20

Darunter zehn Deutsche, vier Niederländer

2016

45

Darunter 20 Niederländer

2017

35

Überwiegend Niederländer

2018

128

Überwiegend Niederländer

2019

132

68% reisende Täter

2020

168

Zwei Drittel reisende Niederländer

2021

124

50,8% Niederländer

Bereits im Jahr 2015 ging das Bundeskriminalamt davon aus, dass die zunehmende Zahl der Automatensprengungen in Deutschland ursächlich mit verstärkten Präventionsmaßnahmen in niederländischen Geldinstituten und dem hohen Verfolgungsdruck in unserem Nachbarland einherging. In den Folgejahren blieb der Anteil niederländischer Täter hoch und ebenso waren es in erster Linie Geldautomaten in ländlichen Regionen oder am Stadtrand, die gesprengt wurden. Vor diesem Hintergrund war es vorhersehbar, dass seit dem Jahr 2017 vermehrt auch Tatorte in Rheinland-Pfalz in der Statistik erschienen. Dort wurden im Jahr 2016 fünf Geldautomaten gesprengt, im Folgejahr waren es 23. Als Erklärung wiesen die Autoren des Lagebildes auf die in NRW und in Niedersachsen „eingerichteten zentralen Ermittlungskommissionen sowie eine intensive Zusammenarbeit mit den niederländischen Strafverfolgungsbehörden“ hin. Dies führte zu einem Verdrängungseffekt, wodurch die Täter vermehrt Objekte in Hessen und Rheinland-Pfalz ins Visier nähmen.

Bei vielen Straftaten ist es nicht einfach, Antworten auf vermeintlich einfache Fragen zu finden. In welchem Bundesland ereignen sich die meisten Sprengungen von Geldautomaten? ist eine solche, schwierig zu beantwortende Frage. Beschränkt man sich nur auf die Zahl der Fälle, so bleibt außen vor, wie viele Menschen in diesem Bundesland leben und es wird nicht dessen Flächengröße berücksichtigt. Um ein Gesamtbild zu zeichnen müsste unter anderem auch betrachtet werden, wie groß die Gesamtzahl der in einem Bundesland aufgestellten Geldautomaten ist, wo diese aufgestellt und wie sie gesichert sind. Die Häufigkeitszahl, also die Zahl der Geldautomatensprengungen umgerechnet auf je 100.000 Einwohner, liefert somit einen zwar griffigen, keineswegs aber alles erklärenden Wert.

Häufigkeitszahl der Sprengungen von Geldautomaten (inklusive Versuche)

Bundesland

Jahr

 

2021

2020

2019

Baden-Württemberg

0,21

0,37

0,31

Bayern

0,13

0,18

0,21

Berlin

0,71

0,11

0,28

Brandenburg

0,54

0,08

0,20

Bremen

0,44

1,00

0,14

Hamburg

0,05

0,06

0,06

Hessen

0,89

0,48

0,85

Mecklenburg-Vorpommern

0,31

0,19

0,06

Niedersachsen

0,69

0,56

0,56

Nordrhein-Westfalen

0,85

0,98

0,59

Rheinland-Pfalz

0,56

0,85

0,54

Saarland

0,61

0,30

0,60

Sachsen

0,10

0,15

0,34

Sachsen-Anhalt

0,60

0,73

0,59

Schleswig-Holstein

0,03

0,31

0,17

Thüringen

0,28

0,50

0,32

Schäden und Beute

Im BKA-Lagebild für das Jahr 2015 sticht ins Auge, dass die Täter in 37 Prozent der Fälle keinen Erfolg hatten, also kein Bargeld erbeuteten. Im Folgejahr verließen sie sogar in 60 Prozent der Fälle den Tatort ohne Beute. Danach schwanken die Zahlen stark: 2017 machten die Verbrecher in 48 Prozent der Fälle Beute, 2018 waren es 37 Prozent, 2019 41 Prozent, 2020 endeten 38 Prozent der Taten für die Täter erfolgreich, im vergangenen Jahr waren es 48 Prozent.

Ohne auf Details einzugehen, stellte das BKA für das Jahr 2015 heraus: „Der durch die Straftaten verursachte Sachschaden übersteigt den Beuteschaden in vielen Fällen deutlich. Bei einzelnen Straftaten entstand ein Sachschaden in sechsstelliger Höhe.“ Im Jahr 2017 wurden in Einzelfällen Schäden angerichtet, die sogar über einer Million Euro lagen. Ein Jahr später gab das BKA die Gesamtsumme der Begleitschäden mit einem „mittleren zweistelligen Millionenbereich“ an. Nähere Angaben über Beute und Schadenshöhe finden sich in der Betrachtung des Jahres 2019. Als durchschnittliche Beutesumme wurden 107.000 Euro angegeben (Gesamtsumme 2019: 15,2 Mio. Euro) und die Begleitschäden durch die Geldautomatensprengungen wurden wie in den Vorjahren auf einen „mittleren zweistelligen Millionenbereich“ geschätzt. 2020 stieg die Gesamtsumme der Beute auf 17,1 Millionen Euro an und steigerte sich im Jahr 2021 nochmals auf 19,5 Millionen Euro. Nach wie vor überstiegen die Begleitschäden diesen Wert deutlich.

Präventionsmaßnahmen

Bereits im Oktober 2015 gab das LKA NRW für die Betreiber von Geldautomaten Handlungsempfehlungen heraus. Sie waren das Ergebnis eines intensiven Erfahrungs- und Informationsaustauschs, an dem auch die Produzenten unterschiedlicher Sicherheitstechniken beteiligt waren. Darüber hinaus nahmen an den Gesprächen auch Vertreter von Versicherungen und Polizisten aus den Niederlanden teil.

Diese Erfahrungen und die Erkenntnisse aus anderen Bundesländern – beispielsweise die im Jahr 2018 in Rheinland-Pfalz geschaffene Projektgruppe „Sprengung von Geldautomaten“ – flossen im Jahr 2019 in den Maßnahmenkatalog ein, den die Projektgruppe „Geldautomatensprengungen“ der „Kommission Polizeiliche Kriminalprävention“ erarbeitete. Hieraus ergaben sich ständig aktualisierte Empfehlungen zur Umsetzung unterschiedlicher Sicherungsmaßnahmen an die Betreiber von Geldautomaten. Hierzu zählen auch diverse Sicherungssysteme, von denen in der Öffentlichkeit Farbpatronen sowie Spezialkleber bekannt sind, die die Geldscheine für die Täter unbrauchbar machen.

Das LKA NRW geht aber noch einen Schritt weiter. Seit dem Jahr 2020 drängt es darauf, das Aufstellen von Geldautomaten nur dann zuzulassen, wenn ausreichende Sicherungen vorhanden sind.

Die Innenminister wollen noch mehr über diese Straftaten wissen. Sie gaben daher im Jahr 2020 den Auftrag an die Landeskriminalämter, die Datenlage umfassend zu erfassen. Zu diesem Zweck wurde von einer Projektgruppe ein „Erfassungsbogen zur Tatortaufnahme – Sprengung von Geldautomaten“ verfasst. Die IMK will die Ergebnisse während ihrer Herbsttagung 2023 besprechen.

Auf dieser Grundlage ging die 215. Sitzung der Innenministerkonferenz im Dezember 2021 das Thema an. Die Ergebnisse sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Ebenso wenig die Resultate des TOP 32 in der IMK-Sitzung vom Juni 2022, in dem die Möglichkeiten der „Bekämpfung des Deliktsphänomens Sprengungen von Geldausgabeautomaten“ besprochen wurden.

Bereits jetzt kann man jedoch sagen, dass die Erklärungen und damit die daraus zu ziehenden Konsequenzen nicht auf der Hand liegen. Betrachtet man den eingangs erwähnten Landkreis Vulkaneifel, so wird dies deutlich. Zwar hat Rheinland-Pfalz umgerechnet auf die Bevölkerung bundesweit die geringste Polizeidichte, aber mehrere der gesprengten Automaten in der Vulkaneifel standen nur wenige hundert Meter von einer Polizeiinspektion beziehungsweise einer Polizeiwache entfernt. Da greift das Argument des weiten Weges zum Tatort schlichtweg nicht.

Ein Aspekt kommt in der bundesweiten Betrachtung bisher zu kurz, hat jedoch in großflächigen, aber nur dünn besiedelten Regionen durchaus schwerwiegende Auswirkungen auf die Bevölkerung: Viele Banken schließen ihre Filialen nach Geldautomatensprengungen für immer. Diesen Weg will der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Vulkaneifel nach der Automatensprengung in der Filiale in Jünkerath, bei der Ende Juni 2022 ein Schaden von 300.000 bis 400.000 Euro entstand, nicht gehen. Dietmar Pitzen betonte: „Wir bleiben in Jünkerath, werden den Standort wieder aufbauen“. Allerdings werde dies Monate dauern, denn es sei an der Geschäftsstelle ein Totalschaden entstanden, da die Druckwelle auch die sieben Büros der Filiale zerstört habe. Weite Wege zum nächsten Geldautomaten werden den Kunden jedoch erspart. Bargeld können sie gebührenfrei am Geldautomaten der Volksbank erhalten.

 

„Die Ampel würgt“
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Wenn die innere Sicherheit zur Fußnote wird

Anmerkungen zum Stellenwert eines wichtigen Politikfeldes im aktuellen Koalitionsvertrag

Von Bernd Walter, Präsident eines Grenzschutzpräsidiums a.D., Berlin

Wer sich für Fragen der Inneren Sicherheit interessiert und Banalitäten wie „Freiheit, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit sind die Grundlagen für das friedliche Zusammenleben“ oder „Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt“ nicht unbedingt für Jahrhunderterkenntnisse einer zukunftsorientierten Sicherheitspolitik hält, wird selbst bei intensivem Studium des Sicherheitsbereiches im aktuellen Koalitionsvertrags der Ampelregierung keinen Erkenntnisgewinn aus dem vorliegenden unsystematischen Konglomerat von Allgemeinplätzen, Wunschvorstellungen, Absichtserklärungen, Verallgemeinerungen und unbelegten Behauptungen ziehen, zumal die Umsetzung bewusst nebulös bleibt und eine grundlegende und zukunftsorientierte Strategie fehlt. Auch wenn die Verfasser derartiger Koalitionsverträge nicht als Anwärter für den Pulitzer-Preis gelten und strategisches Denken in der bundesdeutschen Sicherheitspolitik eher ein Nischendasein führt, hätte man bei einem derartigen Opus, das Sicherheitsfragen gerade mal 5 Seiten widmet, gerade im Bereich der inneren Sicherheit durchaus mehr Systematik, eine stringentere Argumentation und insbesondere eine wegweisenden, dem anspruchsvollen Titel („Mehr Fortschritt wagen“) gerechter werdende Leitidee erwarten dürfen. Stattdessen findet man ein offenbar durch nach Proporz zusammengesetzten Arbeitsgruppe erarbeitetes kleinteiliges Sammelsurium tatsächlicher und vermeintlichen Sicherheitsthemen vor, in dem die beteiligten Parteien ihre unterschiedlichen innenpolitischen Steckenpferde ohne Rücksicht auf inhaltliche Konsistenz zu Papier brachten.

Es gehört zu den Defiziten bundesdeutscher politischer Willensbildung, dass gerade die beiden Bereiche, die eine konsistente politische und fachliche Meinungsbildung und eine Legislaturperiode unabhängige Kontinuität über einen langen Zeitkorridor erfordern, zur Manövriermasse in Koalitionsverhandlungen verkommen sind. Es sind dies der gesamte Bildungssektor und die Gewährleistung der inneren Sicherheit, die als föderale Residualkompetenzen im politischen Meinungsstreit besonders strapaziert werden. Dabei erfordert gerade die innere Sicherheit im föderalen Staat mit seiner Vielzahl von Sicherheitsakteuren und unterschiedlichen Kompetenzen als grundsätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung eine einvernehmliche Strategie als Leitidee und ein ressortübergreifendes Steuerungsorgan. Wesentliche Essenzen wirksamer Strategien sind die nüchterne Analyse der Lage, eine präzise Zielformulierung und die Erarbeitung der Pfade zur Zielerreichung. Um Bestand zu haben, müssen sie langfristig angelegt sein, die unterschiedlichen Politikfelder verknüpfen, die erforderlichen Ressourcen bereitstellen und den Willen zur Durchsetzung erkennen lassen. Sicherheitspolitische Leitlinien, die eine Bewertung als Strategie rechtfertigen, sind in Deutschland jedoch rar gesät. Vielmehr wird die nationale Sicherheitsdiskussion durch anlassbezogene Zufallsentscheidungen, Engscheidungen nach Kassenlage, parteipolitisch bedingte Kontroversen und einem Mangel an systemischem Denken bestimmt. Ursachen sind neben ideologischen Frontstellungen in Sicherheitsfragen und föderale Alleingänge sowohl die Vielzahl von Sicherheitsakteuren als auch eine nur gering ausgeprägte wissenschaftliche Grundlagenforschung in Sicherheitsfragen.

Betrachtet man die Maßnahmen der Sicherheitspolitik in den letzten Jahren, mangelt es vordergründig um verbindliche programmatische Festlegungen. Überhaupt bestehen nur zwei Grundsatzpapiere und diese auch nur in Ansätzen. Das aktuelle Exponat ist die Neufassung des Weißbuches zur Sicherheit in Deutschland und zur Zukunft der Bundeswehr aus dem Jahre 2016. Die Erarbeitung wurde weitgehend dem Bundesverteidigungsministerium überlassen mit dem Ergebnis, dass eine umfassende integrative Sicherheitskonzeption nicht erfolgte. Eine Abstimmung zwischen den einzelnen Sicherheitsressorts kam nicht zustande, obwohl die grundsätzlichen Probleme durchaus bekannt waren. Sein Hauptnachteil ist die Tatsache, dass die Lösung grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Probleme erst gar nicht in die nähere Betrachtung kam. Das zweite Grundsatzpapier ist das am 17. Juni 1972 durch die Ständige Konferenz der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder verabschiedete „Programm für die Innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland“, welches im Jahre 1974 überarbeitet und fortgeschrieben wurde. Eine weitere Fortschreibung erfolgte 1994 und in den Jahren 2008/2009. Es ist das wesentliche nationale strategische Grundsatzprogramm der deutschen Innenpolitik und beinhaltet eine Reihe von politischen Leitlinien und Vorgaben. Eine Bezugnahme durch das Weißbuch erfolgte bezeichnenderweise erst gar nicht. Eine Orientierung an den dort niederlegten und unverändert geltenden Herausforderungen wäre auch für die Verfasser des Koalitionsvertrages von Gewinn gewesen. Dazu muss man das Papier allerdings kennen.

Zurück zum Koalitionsvertrag. Selbst die Innovationsbereitschaft verheißende Titular „Mehr Fortschritt wagen“ ist -abgesehen davon, dass der Inhalt ihr nicht gerecht wird- nicht von sonderlicher Originalität, zumal dieses Motto bereits von Willy Brandt in seiner ersten Regierungserklärung im Jahre 1969 bemüht wurde. In der 18. Legislaturperiode hieß es bereits „Deutschlands Zukunft gestalten“, in der 19. Legislaturperiode dann „Ein neuer Aufbruch für Europa-eine neue Dynamik für Deutschland.“ Allenfalls besteht der nunmehr verheißende Fortschritt darin, dass die Innere Sicherheit trotz ihrer herausragenden Bedeutung als fundamentales Politikfeldunter der amorphen Sammelüberschrift „Innere Sicherheit, Bürgerrechte, Justiz, Verbraucherschutz und Sport“ versteckt wird, deren innere Logik, bei der inneren Sicherheit, Verbraucherschutz und Sport gleichgestellt werden, sich selbst phantasievollen Zeitgenossen nicht erschließen dürfte. In der 18. Legislaturperiode lautete der relevante Abschnitt immerhin noch „Moderner Staat, innere Sicherheit und Bürgerrechte“, in der Fassung der 19. Legislaturperiode „Ein handlungsfähiger und starker Staat für eine freie Gesellschaft“.

Eurocopter AS332 Super Puma
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Nun sind Überschriften nicht nur stilistisches Beiwerk, sondern lassen bereits Stellenwert der einzelnen Politikfelder bei den Verfassern sowie die dazugehörigen Umsetzungsabsichten und Schwerpunktsetzung erkennen. Dies lässt sich augenfällig am Beispiel der Bundespolizei festmachen. Die Verfasser der 18. Legislaturperiode wollten die Bundespolizei als kompetente und effektive Strafverfolgungsbehörde stärken, gut qualifizierte Bereitschaftspolizeien vorhalten und in Kriminalitätsschwerpunkten mit zusätzlichen Mitteln mehr Videotechnik einsetzen. In der 19. Legislaturperiode wollte man sich dafür einsetzen, dass die Bundespolizei bundesweit im Rahmen bestehender Zuständigkeiten und Aufgaben eingesetzt wird, so auch zu Bekämpfung von Straftaten an Kriminalitätsschwerpunkten. Die Festlegungen hatten einen deutlichen innovativen und auf Leistungsverbesserung bedachten Charakter. Ähnliche Erkenntnisse zum sicherheitspolitischen Mehrwert für die personalstärksten Polizeiorganisation in Deutschland sucht man im aktuellen Koalitionsvertrag vergeblich.

So fällt den Verfassern zu den Polizeien des Bundes lediglich die Einführung eines unabhängigen Polizeibeauftragten ein, ein Lieblingsprojekt der Grünen, mit dem sie schon mehrmals in der Vergangenheit scheiterten. Mit keiner Silbe wird erwähnt, dass bereits jetzt die Liste der Beauftragten der Bundesregierung der Bundesbeauftragten sowie der Koordinatoren der Bundesregierung nach § 21 Abs. 3 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien 42 Stelleninhaber umfasst, deren Effizienz noch nicht einmal ansatzweise evaluiert wurde, von den Zusatzkosten ganz zu schweigen. Statt der Einführung eines weiteren bürokratischen Kontrollmonstrums wäre die Bundespolizei vielmehr an der seit über dreißig Jahren erforderlichen Novellierung des von der Entwicklung überholten Bundespolizeigesetzes und der Bestimmungen über die Anwendung unmittelbaren Zwanges gelegen, deren Umsetzung in der letzten Legislaturperiode an der Ländervertretern der SPD scheiterte. Hierzu erfährt man aber im Koalitionsvertrag lediglich, dass eine etwaige Novellierung ohne die Befugnis zur Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung erfolgen soll, womit man ohne nähere Prüfung der Folgen das Ergebnis vorwegnimmt und der Bundespolizei nach Ansicht aller Fachleute erforderliche Befugnisse zur erfolgreichen Bekämpfung des Terrorismus und der Organisierten Kriminalität vorenthält. Zu dieser Manifestation eines offensichtlichen Desinteresses an Problemen des Polizeirechts passt auch die Tatsache, dass von der im 19. Koalitionsvertrag geforderten Erarbeitung eines gemeinsamen Musterpolizeigesetzes keine Rede mehr ist. Forderte der 19. Koalitionsvertrag noch den Ausbau und die Weiterentwicklung intelligenter Videoüberwachung an Brennpunkten, wird nunmehr flächendeckende Videoüberwachung und die biometrische Erfassung zu Überwachungszwecken abgelehnt, obwohl nach einer Allensbachumfrage 78 Prozent der Bevölkerung die biometrische Gesichtserkennung zur Verbrechensbekämpfung an Bahnhöfen und Flugplätzen befürworten.

Auffällig ist, dass die Verfasser als Bundespolitikersouverän die prioritäre Zuständigkeit der Länder für Polizeifragen missachten. Bei der Absicht, für eine „bürgernahe, gut ausgestattete und ausgebildete Polizei zu sorgen“ wurde offensichtlich nicht erkannt, dass dies allenfalls für die Bundespolizeien und für den bescheidenen Zuständigkeitsrahmen des Inspekteurs der Bereitschaftspolizeien der Länder gelten kann, denn für die Ausstattung und Ausbildung der des Großteils des nationalen Polizeikörpers sind die Länder zuständig.

Überwachungskameras in Wohngegenden
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Dies gilt gleichermaßen für die Forderung nach mehr Bürgernähe und transparenter Fehlerkultur in der Aus- und Fortbildung der Polizei, wobei offensichtlich die weitreichenden länderspezifischen Umsetzungen nicht bekannt sind.

Störend wirkt auch, dass in dem Papier weniger die Optimierung der Leistungsmöglichkeiten der staatlichen Organe im Vordergrund steht, als vielmehr die Absicht, die Kontrolle und Überprüfung der Sicherheitsorgane zu intensivieren, eine Tendenz, die sich wie ein roter Faden durch die einzelnen Abschnitte zieht. So auch die pseudonyme Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten, die die Koalitionäre-wenn überhaupt- nur bei der Bundesbereitschaftspolizei durchsetzen können ein. Bei allen anderen Polizeieinrichtungen des Bundes ist die Forderung gegenstandslos.

Den ambitiösen Anspruch auf Fortschrittlichkeit soll wohl auch die permanente Berufung auf Wissenschaftlichkeit und Expertentum suggerieren. Hierzu folgendes Glanzstück kommender Sicherheitspolitik: „Wir sorgen für eine vorausschauende, evidenzbasierte und grundrechtsorientierte Sicherheits-und Kriminalpolitik. Dies werden wir mit einer unabhängigen interdisziplinären Bundesakademie begleiten. Die Eingriffe des Staates in die bürgerlichen Freiheitsrechte müssen stets gut begründet und in ihrer Gesamtwirkung betrachtet werden. Die Sicherheitsgesetze wollen wir auf ihre tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen sowie auf ihre Effektivität hin evaluieren. Deshalb erstellen wir eine Überwachungsgesamtrechnung und bis spätestens Ende 2023 eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation der Sicherheitsgesetze und ihrer Auswirkungen auf Freiheit und Demokratie im Lichte technischer Entwicklungen. Jede zukünftige Gesetzgebung muss diesen Grundsätzen genügen. Dafür schaffen wir ein unabhängiges Expertengremium (Freiheitskommission), das bei zukünftigen Sicherheitsgesetzgebungsvorhaben berät und Freiheitseinschränkungen evaluiert.“ Abgesehen davon, dass die nicht näher definierte interdisziplinäre Bundesakademie und die unabhängige Freiheitskommission im Falle einer -allerdings eher unwahrscheinlichen- Implementierungsmaßnahme zumindest Betätigungsfelder für beschäftigungslose Sozialwissenschaftler und wissenschaftliche Mitarbeiter ähnlicher Provenienzen bereitstellen würden, ist Gesetzgebung und die Überprüfung der sich daraus ergebenden Konsequenzen zuvörderst Aufgabe der Legislative. Man könnte sich aber auch ein Beispiel an Art. 170 der Schweizer Bundesverfassung nehmen, wonach die die Bundesversammlung dafür sorgt, dass die Maßnahmen des Bundes auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

Mit der Forderung nach einer Überwachungsgesamtrechnung, die die FDP-Fraktion bereits Anfang 2021 mit der Bundestagsdrucksache 19/23695 in die parlamentarische Diskussion einführte, soll das bisher nur als abstraktes Wissenschaftsmodell vorliegende periodischen Überwachungsbarometers praktisch Hand bar gemacht werden, um die tatsächliche Überwachungslast der Bevölkerung durch die Sicherheitsbehörden möglichst realitätsnah zu erfassen. Das Freiburger Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht entwickelte dazu im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung ein Konzept, mit dem sich eine Überwachungs-Gesamtrechnung operationalisieren lässt. Es ist in dieser Form weltweit einmalig, dürfte aber in Hinblick auf den materiellen und personellen Aufwand zumindest in dieser Legislaturperiode nicht umsetzbar sein, zumal es zwischenzeitlich genügend Verfahren gibt, um die Effektivität von Gesetzen zu überprüfen und um festzustellen, inwieweit Gesetze in ihren Intentionen der Gesetzeswirklichkeit gerecht werden. Die Verfahren, unter dem Begriff Gesetzesevaluation oder Gesetzesfolgenabschätzung bekannt geworden, werden zunehmend zu einem notwendigen Element der Gesetzgebungsmethodik. Insbesondere im Sicherheitsbereich gibt es zunehmend mehr Regelungen mit einer möglichen Verfallszeit. Prüffaktoren sind insbesondere Effizienz und Effektivität.

So prätentiös diese Verfahren sind, so unterentwickelt sind sie zurzeit noch in der Praxis. Zum Teil werden noch nicht einmal die Evaluierungspflichten eingehalten, wie der Bundesdatenschutzbeauftragte z.B. in Hinblick auf die nach dem 11.9.2001 erlassenen Anti-Terror-Gesetze monierte. Und an die Einfügung einer Gesetzesevaluation in das Grundgesetz, wie es die Eidgenossen im Art. 170 ihrer Verfassung praktiziert haben, ist schon gar nicht zu denken. Die Schweizer Regelung dient u.a. der Überprüfung, wie sich bedeutsame politischer Sachverhalte, die bei Abfassung der Verfassung nicht vorhersehbar waren, auf diese auswirken. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht der Politik eine Pflicht zum Nachbessern gesetzlicher Regelungen ins Stammbuch geschrieben (BVerfGE 56,78). Der Gesetzgeber habe nicht nur beim Erlass eines Gesetzes die verfassungsrechtlichen Grenzen einzuhalten, sondern trage auch die Verantwortung, dass die Gesetze in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz bleiben (BVerfGE 15,350). Dies gilt gleichermaßen für die Absicht nach einer „grundlegendem Revision der umfangreichen Anzahl von Datenbanken“, bei der nicht eine kritische Überprüfung der Datenschutzregelungen für eine effektive Polizeiarbeit im Vordergrund steht, sondern die Stärkung des Rechtschutzes sowie der Datenaufsicht durch der Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Aus ähnlichen Vorhaben der Vergangenheit wurde bisher nur bekannt, dass sie zeitaufwändig und teuer waren und in der Regel folgenlos blieben. Bei der Forderung nach Öffnung der Polizei für eine „unabhängige Forschung“ darf man auf eine adäquate Umsetzung gespannt sein, belegen doch die meisten bereits vorliegenden Forschungserkenntnisse dass viele Gruppierungen, die sich der Polizeiforschung verschrieben haben, sich eher in deutlicher Distanz zu den Trägern des Gewaltmonopols positionieren, während Forschungsergebnisse, die der Optimierung der Arbeit der Sicherheitsbehörden dienen, abgesehen von einigen technischen Teilbereichen recht überschaubar blieben.

Ebenfalls eher symbolischen Charakter hat die Forderung, den „Periodischen Sicherheitsbericht“ gesetzlich zu verankern. Zwar wird suggeriert, dass die beiden vorliegenden Berichte wesentlich zum Erkenntnisgewinn in der Sicherheitsgewährleistung beigetragen haben, was erkennbar aber nicht der Fall war, denn in der Sicherheitsdiskussion haben sie bisher nur eine marginale oder gar keine Rolle gespielt.

Besonders gespannt darf man auf die Umsetzung der ambitionierten Absicht sein, die „Sicherheitsarchitektur in Deutschland einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen und die Zusammenarbeit der Institutionen für die Sicherheit der Menschen effektiver zu gestalten.“ Dabei scheint offensichtlich nicht klar zu sein, dass eine „Gesamtbetrachtung“ ohne Umsetzung der daraus resultierenden Konsequenzen vergebliche Liebesmüh ist, denn bei realistischer Betrachtungsweisehaben weder die Föderalismusreformen noch die umfangreichen und personal- und zeitintensiven Untersuchungsberichte der letzten Jahre im Zusammenhang mit terroristischen Ereignissen verwertbare Ergebnisse im Gefolge gehabt.

So liegt bereits mit dem Bericht des 2. NSU- Untersuchungsausschusses seit dem 22. August 2013 eine in dieser Form und in diesem Umfang noch nie erstellte Analyse zu den möglichen Ursachen der schrecklichen Mordserie des NSU und den grundsätzlichen sicherheits- und rechtspolitischen Defiziten vor. Der Ausschuss beschreibt in einem eigenen Kapitel unter anderem ausführlich Maßnahmen zur besseren Vernetzung von Polizei und Verfassungsschutz und zur Kooperation von Bund und Ländern, aber das sein Hauptverdienst besteht darin, dass er jenseits aller parteipolitischen Vorbehalte und in aller Deutlichkeit die gesamte föderale Sicherheitsarchitektur Nachkriegsdeutschlands auf den Prüfstand gestellt, durchleuchtet und transparent gemacht hat. Zu dem für die polizeiliche und nachrichtendienstliche Arbeit besonders wichtigen Informationsaustausch und zur Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden kommt er unter der Zwischenüberschrift „Abschottung, Konkurrenzdenken, Eitelkeiten und fehlende Eigeninitiative haben das Handeln über weite Strecken bestimmt“ zu dem Ergebnis, dass eine weitere besorgniserregende Erkenntnis der Ausschussarbeit war die, dass die im gesamten NSU-Komplex beteiligten Behörden kaum effektiv zusammengearbeitet haben und das wesentliche Informationen, die insbesondere für das Auffinden des untergetauchten Trios lange vor dem Beginn der Mordserie wichtig, wenn nicht sogar entscheidend, gewesen wären, nicht sachgerecht ausgetauscht worden sind. Diese Defizite sind auch hier wieder auf allen Ebenen festzustellen:

  • zwischen polizeilichen Einheiten innerhalb eines Bundeslandes,
  • zwischen Polizei und Verfassungsschutz innerhalb eines Bundeslandes,
  • zwischen Polizeien und Verfassungsschutzbehörden mehrerer Bundesländer und
  • zwischen den Verfassungsschutzbehörden der Länder und dem Bundesamt für Verfassungsschutz.

Diese Defizite aufzuarbeiten, dafür fehlt den bundespolitischen Koalitionären allerdings für weite Bereiche die Zuständigkeit, denn es handelt sich vielfach um Länderdefizite und damit könnte allenfalls die Innenministerkonferenz für Abhilfe sorgen. Dort hat allerdings der Bund kein Stimmrecht.

In Hinblick auf die ohnehin angespannte Haushaltslage des Bundes und der krisenhaften Kumulation von politischen Katastrophen, mit der sich die derzeitige Regierung konfrontiert sieht, kann allerdings hoffnungsfroh davon ausgegangen werde, dass viele der kostenintensiven und personalaufwändigen Einrichtungen ohnehin nicht in dem Zeitraum institutionalisiert werden können, der der derzeitigen Regierung zu Verfügung steht: wie ähnliche Vorhaben der Vorgängerregierungen werden sie im Orkus des Vergessens verschwinden. Wenn denn überhaupt unter dem Vorwand der Wissenschaftlichkeit alles bisherigen Produkte der Legislative und Exekutive überprüft werden sollen/müssen, dann gibt es sicherlich lohnendere Einsparungspotenziale. So z.B. die Frage, warum die Ampel bisher 271 Millionen für externe Berater ausgegeben hat, wobei allein das Bundesministerium des Innern 80 Verträge im Wert von 237 Millionen abgeschlossen hat. Fachkundige Kritiker meinen nicht ganz zu Unrecht, dass der Einkauf externen Sachverstands zu teuer und in Hin blick auf die die Heerschar von Mitarbeitern in den Ministerien auch nicht erforderlich sei.

Auch wenn nicht verkannt wird, dass das Papier im Bereich der inneren Sicherheit einige positive Ansätze hat, ist das Gesamtfazit für diesen Bereich eher ernüchternd. Wenn drei Koalitionäre sich zu um ein konsensuales Papier bemühen, kann nicht erwartet werden, dass sie ihre ursprünglichen gegensätzlichen Positionen aufgeben und jeder sich um die Manifestation seiner Lieblingsthemen bemüht sein wird, so dass beim eigentlichen Regierungshandeln immer wieder neue Kompromisse ausgehandelt werden müssen. So kann es nicht wundernehmen, dass z.B. bei der Vorratsdatenspeicherung und bei der Nutzung von Staatstrojanern, mit denen die Sicherheitsbehörden verschlüsselte Nachrichten mitlesen können, konträre Positionen immer wieder aufeinanderstoßen

wenn die Absichten der Koalitionäre die Stärkung der Bürgerrechte im Grunde löblich waren, darf im Grund nicht verkannt werden, dass ausweislich der in den letzten Jahren erstellten Sicherheitsreports die Sorge der Zivilbevölkerung nicht durch die tatsächlichen oder vermeintlichen Übergriffe eines übermächtigen Leviathans bestimmt wurden, sondern dass echter staatlicher Schutz vor ubiquitärer Kriminalität und ausufernder Gewalt an allen Fronten vermisst wurde. In gleicher Richtung zielt ein Arbeitspapier der Bundesakademie über Sicherheitspolitik, in dem unter Hinweis auf das Hamburger Institut für Sozialforschung ein Mangel auf strategischer Ebene festgestellt wird: „Man vermisst den uneingeschränkten Gestaltungswillen der Politik, sich den gesamtstaatlichen Ansatz zu eigen zu machen, vorhandene Erfahrungen zu bündeln und die Kohärenz der Sicherheitsarchitektur voranzubringen.“1 Führende Vertreter der Bundesakademie für Sicherheitspolitik stellten als Ergebnis eines Seminars fest, dass Deutschland in Hinblick auf die geostrategischen Rahmenbedingungen ein die Ressortpolitiken integrierendes „(…) strategisches Gesamtkonzept entwickeln [muss, d. Verf.], das die koordinierte – ressortübergreifende – Nutzung aller politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, militärischen und ökologischen Instrumente einbezieht“2 um eine kohärente Politik aller Akteure in Konfliktfällen durchzusetzen. Dazu seien der Aufbau einer strategischen Analyseeinheit der Bundesregierung und die Schaffung eines nationalen Sicherheitsberaters im Bundeskanzleramt erforderlich.“

 

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Jedes zweite Fertigungsunternehmen rechnet mit Zunahme von Cyberangriffen – bei weiterhin lückenhafter Cybersicherheit

Die Hälfte der Industrieunternehmen (51 Prozent) geht davon aus, dass die Zahl der Cyberangriffe auf Smart Factories[1] in den nächsten 12 Monaten steigen wird. Dennoch sagt ebenfalls fast jeder zweite Hersteller (47 Prozent), dass die Cybersicherheit der eigenen intelligenten Fabriken nicht im Fokus der höchsten Managementebene steht. Erst wenige Hersteller verfügen über ausgereifte Strukturen in allen kritischen Bereichen der Cybersicherheit.

Die mit dem Industrial Internet of Things (IIOT) geschaffene Konnektivität der Smart Factories erhöht die Gefahr durch Cyberangriffe in der intelligenten Industrie exponentiell. Zu diesen Ergebnissen kommt das Capgemini Research Institute in seiner neuen Studie Smart & Secure: Why smart factories need to prioritize cybersecurity.

Rund 53 Prozent der Unternehmen – sowohl weltweit als auch in Deutschland – denken, dass Smart Factories in Zukunft Hauptziele von Cyberangriffen sein werden. In der Schwerindustrie gehen davon sogar 60 Prozent aus, im Pharma- und Life-Sciences-Sektor 56 Prozent. Ein ausgeprägtes Gefahrenbewusstsein führt jedoch nicht automatisch dazu, dass Unternehmen entsprechend vorbereitet sind. Unzureichende Aufmerksamkeit des obersten Managements, knappe Budgets und menschliche Faktoren werden als die größten Hürden für Cybersicherheit genannt, die sie zu überwinden haben.

„Hersteller kennen die Vorteile der digitalen Transformation und investieren entsprechend massiv in Smart Factories – ein riskanter Schritt, wenn Cybersicherheit nicht von Beginn an integriert ist. Die wachsende Angriffsfläche, Vernetzung und die Menge an Betriebstechnologie sowie IIOT-Geräten machen Smart Factories zu einem leichten Ziel für Cyberkriminelle“, sagt Torsten Jüngling, Head of Cybersecurity bei Capgemini in Deutschland. „Solange dies keine Priorität des Vorstands ist, wird es Unternehmen schwerfallen, der Gefahr effektiv zu begegnen, ihre Mitarbeitenden und Zulieferer fortzubilden sowie die Kommunikation zwischen den Cybersecurity-Teams und der C-Suite verbessern.“

Hürden für sichere Smart Factories: Fehlende Tools und nicht-standardkonforme Prozesse

Die Studie zeigt, dass Cybersicherheit für viele Unternehmen kein Grundstein ihrer Strategie ist; nur 51 Prozent integrieren standardmäßig Cybersicherheitspraktiken in ihre Smart Factories. Anders als bei IT-Plattformen sind möglicherweise nicht alle Unternehmen in der Lage, die Maschinen in einer Smart Factory im laufenden Betrieb zu überprüfen.

Die Sichtbarkeit von Betriebstechnologie (OT) und IIOT-Geräten auf Systemebene ist notwendig, um zu erkennen, sobald sie kompromittiert wurden. 77 Prozent der Unternehmen sind besorgt darüber, dass zur Reparatur oder Aktualisierung von OT-/IIOT-Systemen regulär nicht-standardkonforme Prozesse angewandt werden. Diese Problematik ist zum Teil auf die geringe Verfügbarkeit der richtigen Tools und Prozesse zurückzuführen. Allerdings denkt die Hälfte der Unternehmen in Deutschland und weltweit, dass Cyberrisiken für Smart Factories in erster Linie von den Netzwerken ihrer Partner und Zulieferer ausgehen. 28 Prozent haben zudem beobachtet, dass die Zahl der Mitarbeiter oder Zulieferer, die infizierte Geräte wie Laptops und Mobilgeräte zur Installation oder zum Patchen von Smart-Factory-Anlagen mitbringen, seit 2019 um 20 Prozent gestiegen ist.

Menschen – nicht Technologien – bleiben die größte Gefahr für die Cybersicherheit

Nur wenige der befragten Unternehmen gaben an, dass ihre Cybersicherheitsteams über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, um bei Vorfällen dringende Sicherheits-Patches ohne externe Unterstützung durchzuführen. Eine häufige Ursache für diese verbreitete Schwachstelle besteht darin, dass Cybersecurity Manager fehlen, um die erforderlichen Weiterbildungsprogramme einzuführen.

In Verbindung mit dem Fachkräftemangel wird dies zu einer Herausforderung: 57 Prozent der Unternehmen halten den Mangel an Fachkräften für die Cybersicherheit von Smart Factories für weitaus akuter als für den Bereich der IT-Sicherheit. Viele Unternehmen berichten, dass ihre Cybersicherheitsanalysten überlastet sind von der Vielzahl an OT- und IIOT-Geräten, die sie überwachen müssen, um Angriffe zu erkennen und zu verhindern. Darüber hinaus sehen sich 43 Prozent der Cybersicherheitsmanager in Deutschland und weltweit nicht in der Lage, auf Angriffe in ihren Smart Factories und Produktionsstandorten zu reagieren.

Zu wenig Zusammenarbeit zwischen den Leitern von Smart Factories und dem Chief Security Officer ist für über die Hälfte der Befragten – 53 Prozent weltweit, 58 Prozent in Deutschland – ebenfalls ein bedenklicher Umstand. Diese Kommunikationslücke beeinträchtigt die Fähigkeit von Unternehmen, Cyberangriffe frühzeitig zu erkennen, was zu einem größeren Ausmaß der Schäden führen kann. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) der deutschen Unternehmen gab an, dass Verluste in der Vergangenheit hauptsächlich durch Verzögerungen bis zur Entdeckung von Cyberangriffen entstehen konnten.

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Cybersecurity-Vorreiter sichern sich Wettbewerbsvorteile

Es gibt Vorreiter unter den Herstellern – 6 Prozent, in der als Studie „Cybersecurity Leaders“ bezeichnet –, die in ihren Smart Factories schon ausgereifte Konzepte für die entscheidenden Dimensionen der Cybersicherheit umsetzen: Sensibilisierung, Reaktionsfähigkeit und Implementierung. Aus der Studie geht hervor, dass sie ihren Wettbewerbern dadurch in mehreren Aspekten überlegen sind: 72 Prozent können sich gegen Cyberangriffe schützen und deren Auswirkungen minimieren, und 74 Prozent sind in der Lage, bekannte Angriffsmuster frühzeitig zu erkennen. Dies ist nur bei 41 bzw. 46 Prozent der anderen Unternehmen der Fall.

Basierend auf der Auswertung und den Erfahrungen der ermittelten „Cybersecurity Leaders“ empfehlen die Studienautoren einen sechsstufigen Ansatz für die Ausarbeitung einer effektiven Cybersicherheitsstrategie für Smart Factories:

  • Durchführung eines umfassenden Cybersecurity Assessments
  • Sensibilisierung des gesamten Unternehmens für Cybergefahren für Smart Factories
  • Definition der Verantwortlichkeiten für die Risiken von Cyberangriffen
  • Einführung von Frameworks für Cybersicherheit in Smart Factories
  • Entwickeln von auf Smart Factories zugeschnittenen Cybersicherheitspraktiken
  • Aufbau einer Governance-Struktur und eines Frameworks zur Kommunikation mit der Unternehmens-IT

Die vollständige Studie, eine Infografik stehen hier zum Download für Sie bereit.

-PM Capgemini Germany-

 

Symbolbild
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Bundesweiter Warntag am 8. Dezember 2022

Bund, Länder und Kommunen testen alle Warnsysteme für Krisen- und Katastrophenfälle

Die Innenministerinnen und Innenminister von Bund und Ländern haben beschlossen, dass der Warntag 2022 am 8. Dezember stattfindet. Ziel ist, die Menschen in Deutschland über die unterschiedlichen Warnmittel in Gefahrensituationen zu informieren und damit auch stärker auf den Bevölkerungsschutz insgesamt aufmerksam zu machen.
Der Warntag ist ein gemeinsamer Aktionstag bei dem Bund und Länder, sowie teilnehmende Kreise, Städte und Gemeinden in einer Übung ihre Warnmittel erproben. Um 11:00 Uhr aktivieren die beteiligten Behörden und Einsatzkräfte zeitgleich unterschiedliche Warnmittel. 

Bundesinnenministerin Nancy Faeser:

„Wir müssen uns für die Zukunft besser für Krisenlagen wie Wetterextreme, Waldbrände oder Hochwasser wappnen. Dazu gehören vor allem moderne Systeme, um die Bevölkerung bei Gefahren schnell und zielgerichtet zu warnen. Neue Systeme müssen wir testen, um sie später präzise einsetzen zu können. Am 8. Dezember wird es deshalb einen bundesweiten Warntag geben, bei dem auch erstmals eine Testwarnmeldung der höchsten Warnstufe bundesweit an Handys versandt wird. Das ist der erste Test für die Warnung per Cell Broadcast. Wir brauchen für eine effektive und verlässliche Warninfrastruktur verschiedene Warnsysteme. Dazu gehören auch Sirenen und unsere Warn-App NINA. Beim bundesweiten Warntag werden wir alle in Deutschland genutzten Warnmittel erproben.“

Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK):

„Mit dem bundesweiten Warntag 2022 wird auch eine intensive Testphase für Cell Broadcast eingeleitet. Diese bedeutet einen neuen Stellenwert in der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung: Während die Menschen die Testphase nutzen können, um sich mit dem neuen Warnkanal vertraut zu machen, werden wir mit dem Feedback und den Live-Rückschlüssen daraus die beteiligten Schnittstellen weiter bestmöglich aufeinander abstimmen. Dadurch wird es möglich, technische Anpassungen und Optimierungen so vorzunehmen, dass zum angestrebten Wirkbetrieb in 2023 Cell Broadcast optimal genutzt und in den Warnmix integriert wird.“

Aktuell wird gemeinsam mit den Mobilfunknetzbetreibern mit Hochdruck an der Einführung des neuen Warnkanals Cell Broadcast gearbeitet. Im Rahmen des Warntags soll der Warnkanal Cell Broadcast erstmalig getestet werden. Dazu soll eine Testwarnmeldung bundesweit versendet werden. Diese erscheint dann auf allen Endgeräten, die in einer Mobilfunkzelle eingebucht sind und über die Empfangsfähigkeit von Cell Broadcast-Nachrichten verfügen. Die Mobilfunknutzerinnen und -nutzer werden bis zum Warntag über die Möglichkeiten informiert werden.

Ende Februar 2023 soll Cell Broadcast den Wirkbetrieb aufnehmen und die bisherigen Warnmittel wie die Warn-App NINA, Radio, Fernsehen oder digitale Werbetafeln ergänzen. 

Weitere Informationen zu den Warnmitteln finden Sie hier: 
https://www.bbk.bund.de/DE/Warnung-Vorsorge/Warnung-in-Deutschland/Warnmittel/warnmittel_node.html

-PM BBK-