Skip to main content

Symbolbild © stock.adobe.com/# 45606180

Sicherheitsgewerbegesetz?

Von Heinz-Werner Aping

Da war mal `was …….

oder: Wie kompliziert sind Gesetzgebungsverfahren?

alternativ: Was sagt das über die Qualität von Regierungsarbeit?

„Veko-online hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung eines speziellen Gesetzes für das Sicherheitsgewerbe aufmerksam zu verfolgen und darüber zu berichten.“

Mit dieser Aussage hatten wir zuletzt in der Ausgabe 1/2024 unter dem Titel „SiGG (sic!)“  über den aktuellen Stand des Verfahrens zum geplanten Gesetz für das Sicherheitsgewerbe Anfang 2024 berichtet, nachdem im Sommer 2023 vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) den betroffenen Verbänden im Sicherheitsbereich und später den anderen Ministerien der Bundesregierung Gelegenheit geben worden war, zum bis dahin erarbeiteten Referentenentwurf eines Sicherheitsgewerbegesetzes (veröffentlicht am 28.07.2023) Stellung zu beziehen.
Unser Artikel schloss mit der Nachricht, dass „man“ (das BMI) zuversichtlich sei, dass das beabsichtigte Gesetz noch in 2024 Gültigkeit erlangen wird. Die Stellungnahmen seien gesichtet, Änderungsmöglichkeiten erwogen, die Abstimmung mit anderen Ministerien liefe erfolgreich. Es bestand tatsächlich oder angeblich das Ziel, zum Sommer 2024 den überarbeiteten Gesetzentwurf zur Kabinettsvorlage zu bringen, um anschließend das Gesetzgebungsverfahren im Deutschen Bundestag zu starten. Wir versprachen, weiter zu berichten. Tatsächlich hörten zumindest wir nichts mehr vom weiteren Verlauf. Den Veröffentlichungen des BMI war auch nicht zu entnehmen, dass es tatsächlich zur Kabinettsvorlage gekommen sei.

Mit Mail vom 24. September 2024 an die Pressestelle des Bundesministeriums für Inneres und Heimat (BMI) baten wir mit einer Frist von 14 Tagen um Auskunft zum gegenwärtigen Bearbeitungsstand des Entwurfes für das Sicherheitsgewerbegesetz.

Dazu sollte das BMI auch auf folgende Fragen antworten:

1. Gab es nach der Anhörung der Verbände und sonstiger Betroffener noch weitere schriftliche wie mündliche Einwendungen, Anfragen und Anhörungen. Wann und an wen sowie mit wem?
2. Welche Einwendungen zum bisher bekannten Entwurf des BMI haben andere Bundesministerien erhoben?
3. Sind Einwendungen seitens der Bundesländer und ihrer betroffenen Ministerien erhoben worden? Wenn ja, um welche handelt es sich dabei? Bitte ausführliche Darstellung.
4. Warum ist der Entwurf des Gesetzes nicht wie bisher für den Sommer geplant zur Kabinettsvorlage gebracht worden?
5. Was ist der gegenwärtige Stand des Verfahrens?
6. Für wann ist die Vorlage im Bundeskabinett und die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens im Deutschen Bundestag vorgesehen?
7. Wie sollen sich Verbände, Unternehmen, Sicherheitsdienstleister und andere Betroffene sachgerecht auf die geplanten und im bisher bekannten Entwurf des Gesetzes genannten Voraussetzungen sowie Bedingungen vorbereiten, wenn der Erlass   des Gesetzes weder zeitlich noch inhaltlich absehbar ist.

Am 1. Oktober 2024 veröffentlichte die Pressesprecherin des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW) unter der Überschrift „Sicherheitsgewerbegesetz auf der Tagesordnung der Kabinettssitzung - Ist die Sicherheit in Deutschland zukünftig noch gewährleistet?“ eine Mitteilung und berichtete darin , dass …“das neue Sicherheitsgewerbegesetz nach derzeitiger vorläufiger Kabinettszeitplanung erneut auf der Tagesordnung der nächsten Kabinettsitzung“… stehe. Der BDSW befürworte weiterhin die geplante Neureglung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und habe mehrmals versucht …“auf Probleme und Verbesserungsbedarf in den vorgelegten Referentenentwürfen und die sich abzeichnenden Schwierigkeiten durch eine Umsetzung in der derzeitigen Form hinzuweisen.“

Der BDSW führt weiter aus, dass man angesichts der aktuellen Entwurfsfassung ein massives Problem auf die innere Sicherheit Deutschlands zukommen sehe und vertieft das mit drei besonderen Kritikpunkten. Zum einen scheine sich der Entwurf des Gesetzes nicht mit der Erhöhung der faktischen Sicherheit zu beschäftigen, sondern lediglich mit der Schaffung theoretischer Umstände. Im Weiteren sei der Wunsch nach mehr Qualität in der Zukunft der Branche der Angst vor dem Wegfall zehntausender Beschäftigter gewichen. Das neue Gesetz sehe die Erhöhung der Qualitätsanforderungen nämlich uneingeschränkt auch für die bereits langjährig beanstandungsfrei mit entsprechenden Tätigkeiten betrauten Sicherheitskräfte vor. Nach Ablauf einer Übergangsfrist dürften diese ohne Nachholung der bislang nicht erforderlichen Prüfung in ihren sicherheitssensiblen Funktionen nicht länger eingesetzt werden. Des Weiteren seien die Prüfungskapazitäten der Industrie- und Handelskammern (IHK) dieser Aufgabe nicht gewachsen. Sie seien jetzt schon nicht in der Lage, den aktuellen Bedarf zu decken. Und nicht zuletzt bemängelt der BDSW, dass die sog. Inhouse-Security in weiteren Bereichen von den im Gesetz vorgesehenen Anforderungen ausgenommen sei. Auf unsere Anfrage an das BMI vom 24.9. erfolgte erst einmal keinerlei Reaktion.

Nach „Erinnerung“ am 11. Oktober und Setzen einer Frist bis zum 16. Oktober antworte das BMI am 16.10. wie folgt:

„Ein mit den Ressorts fachlich abgestimmter Referentenentwurf liegt uns als federführendes Ressort vor.  Die nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) vorgesehene Beteiligung der Länder und Verbände wurde durchgeführt. Bei der anschließenden Überarbeitung des Entwurfs wurden die Stellungnahmen der Länder und Verbände einbezogen. Die Stellungnahmen der Verbände sowie Informationen zum aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens sind auf der Homepage des BMI veröffentlicht (https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/SiGG-Sicherheitsgewerbegesetz.html). Im nächsten Schritt soll möglichst zeitnah ein Kabinettbeschluss herbeigeführt werden. Den Kabinettsentwurf können Sie dann ebenfalls auf der Homepage des BMI einsehen. Die neuen Vorschriften finden erst Anwendung, wenn die technischen Voraussetzungen für den Betrieb des Sicherheitsgewerberegisters vorliegen. Dies wird einige Zeit beanspruchen. Daher bleibt § 34 GewO auch nach Inkrafttreten des SiGewG noch anwendbar und damit auch Zeit, notwendige Vorbereitungen für die sich ändernde Rechtslage zu treffen. Zudem sieht der Entwurf Übergangsregelungen zum Nachholen von Qualifikationen vor.“

Der Blick auf die o.g. Homepage des BMI führt einerseits auf den bekannten Referentenentwurf und andererseits auf die teils sehr umfangreichen Stellungnahmen der Verbände, insgesamt 18.

Im Einzelnen:

  • Bundesverband Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft e.V.“, ASW, 14.09.2023
  • Verband der deutschen Messewirtschaft, AUMA, ohne Datum
  • Bundesvereinigung Deutscher geld- und Wertdienst, BDGW, 15.09.2023
  • Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen, BDLS, 11.09.2023
  • Bundesverband der Sicherheitswirtschaft, BDSW, 15.09.2023
  • Bundesverband mittelständischer Sicherheitsunternehmen, BVMS, ohne Datum
  • Deutsche Industrie- und Handelskammer, DIHK, 14.09.2023
  • Europäischer Verband der Veranstaltungscentren, EVVC, 11.09.2023
  • Gewerkschaft der Polizei, GdP, 31.8.2023
  • di. , ohne Datum
  • Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, d.h. Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund DStGB, 30.08.2023
  • Vereinigung deutscher Stadionbetreiber e.V., VdS, 11.09.2023
  • Deutscher Fußballbund e.V., DFB, DFB Euro GmbH, Euro 2024 GmbH, 15.09.2023
  • Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft e.V., BDKV, 11.12.2023
  • Interessengemeinschaft der selbständigen DienstleisterInnen in der Veranstaltungswirtschaft e.V. isdv , 10.12.2023
  • Live Musik Kommission „LiveKomm“, Bundesverband der Musikspielstätten in Deutschland, 11.12.2023
  • Verband der Veranstaltungsorganisatoren e.V., VDVO, 07.12.2023
  • Verband für Medien- und Veranstaltungstechnik e.V., VPLT, 11.12.2023

Es ist hier nicht der Raum, die einzelnen Stellungnahmen dar- und gegenüberzustellen. Um diese Aufgabe und ggf. daraus resultierende Änderungen und/oder Ergänzungen des bisher vorliegenden Referentenentwurfs sind die Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen im BMI nicht zu beneiden, nicht zu vergessen mögliche Änderungswünsche und/oder Vorbehalte anderer Ministerien. All das sollte nach dem bisherigen Kenntnistand allerdings zum Sommer 2024 abgeschlossen und so weit finalisiert sein, dass eine Kabinettsvorlage (mit dem Entwurf, der dann in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren gegeben wird) erfolgt. Welche Gründe dazu geführt haben, dass das bisher nicht erfolgt ist, …darüber schweigt das BMI. Auf unsere diesbezüglichen Fragen ist die Antwort des BMI (s.o.) nicht eingegangen. Ein ggf. bedeutsamer Aspekt könnte der Hinweis in der Antwort auf unsere Presseanfrage sein, dass

… „Die neuen Vorschriften … erst Anwendung (finden), wenn die technischen Voraussetzungen für den Betrieb des Sicherheitsgewerberegisters vorliegen.  … Daher bleibt § 34 GewO auch nach Inkrafttreten des SiGewG noch anwendbar und damit auch Zeit, notwendige Vorbereitungen für die sich ändernde Rechtslage zu treffen.“

Unser Kommentar:

Ein Gesetzgebungsverfahren ist immer eine komplizierte Angelegenheit. Das trifft insbesondere für ein Gesetz zu, dass in Form eines Stammgesetzes erstmalig komplexe Sachverhalte in einem eigenständigen Gesetz regelt. Dazu kommt, dass je nach Interessenlage betroffener Stellen und Verbände teils sehr divergierende Einwendungen oder Forderungen erhoben werden. Nicht zuletzt sind die derzeitigen anderen Anforderungen an das BMI (Sicherheitspaket, Migrations-Problematik u.v.m.) sehr groß. Es ist hoffentlich nicht anzunehmen, dass bisher mit dem SiGG befasste Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu anderen priorisierten Aufgaben abgezogen wurden. Schließlich sind im privaten Sicherheitsbereiche weit über 200.000 Menschen tätig. Möglicherweise sind vor allem die notwendigen oder geplanten personellen wie technischen Voraussetzungen i.Z.m. der Sicherheitsüberprüfung, Fachprüfungen usw. so weitreichend und kompliziert, dass diese erst mit erheblicher Verzögerung zu verwirklichen sind. Das könnte und müsste verständlich und offen kommuniziert werden. Es sind viele Menschen, Firmen, Verbände, Verwaltungen und mehr davon betroffen. In dem Maße, wie das nicht geschieht, wächst Raum für Spekulationen, z.B. einseitige Berücksichtigung bestimmter Interessen oder mehr. Denkbar wäre auch, nicht zugeben zu wollen, dass man bei der Idee zur Schaffung dieses Gesetzes keinen Überblick hatte, was alles davon betroffen sein könnte und berücksichtigt werden müsste.

Hätte, könnte…..

Die gegenwärtige Informationslage und der zumindest öffentlich vermittelte schlechte Zustand der Ampel-Regierung gibt Raum zur Annahme, dass das Gesetz zur Regelung der Verhältnisse im privaten Sicherheitsgewerbe in der aktuellen Legislaturperiode nicht mehr geschaffen wird. Die Verzögerung und das Schweigen über die Umstände lassen auch in diesem Feld das Vertrauen in gute Regierungsarbeit, hier die des BMI, leider nicht wachsen, sondern stärken eher die Kritiker, die ein Ende der gegenwärtigen Bundesregierung herbeisehnen. Ob das in einer neuen Regierungskonstellation anders werden würde…..ist eine berechtigte Frage, die sich hier jetzt aber noch nicht stellt. Es bleiben zumindest die Wachstumsraten bezüglich Politikverdrossenheit zu beobachten. Zumindest eine andere Kommunikationspolitik könnte wenigstens etwas helfen.

Der oben vorliegende Artikel wurde zu Ende Oktober 2024 geschrieben und für die aktuelle Ausgabe von VEKO online vorbereitet. Das Ende der Koalitionsregierung aus SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen am Abend des 6.November war zu diesem Zeitpunkt nicht zu kalkulieren. Über ein vorgezogenes Ende der sog. „Ampel-Regierung“ wurde in den zurückliegenden Wochen zwar viel spekuliert, aber vorgesehen oder für alle sicher war es nicht. Das jetzige Ende der Koalitionsregierung aus SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen bedeutet für den Entwurf eines Stammgesetztes für den Bereich der privaten Sicherheitswirtschaft nunmehr ganz sicher, dass frühestens einige Monate nach einer neuen Wahl zum Deutschen Bundestag mit einer Vorlage des Entwurfs im dann neuen Kabinett und anschließend mit den parlamentarischen Beratungen im Deutschen Bundestag zu rechnen ist.

Sollte das dann noch bis 2026 dauern....?