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Politische Lage / Sicherheitslage Slowakei nach dem Attentat auf Premier Fico

Eine Zusammenfassung von IAP-Dienst/München

Die Präsidentschaftswahl in der Slowakei hat die gesellschaftliche Spaltung zwischen pro-europäischen Kräften und dem Russland-freundlichen sowie Ukraine-kritischen Kurs des Regierungslagers bestätigt.

Präsidentschaftswahl

Bei der Präsidentschaftswahl (24.03.) wurde in der ersten Wahlrunde bei einer schwachen, aber dennoch zweithöchsten Wahlbeteiligung seit 1999 (rund 52 %) kein eindeutiges Ergebnis erzielt. Vier Kandidaten traten mit polarisierenden Programmen gegeneinander an. Die beiden bestplatzierten Bewerber (Korčok und Pellegrini) gingen am 06.04. in die Stichwahl. Der Wahlsieger Pellegrini löst die auslaufende Präsidentschaft von Zuzana Čaputová ab. Čaputová verzichtete nach persönlicher Bedrohung auf eine zweite Amtszeit. Ihre Amtszeit endet am 15.06.2024. Der letztliche Ausgang der Präsidentschafts-Stichwahl bildete den entscheidenden Handlungsgrund für den späteren Tatvorsatz und dessen Ausführung in unmittelbarer Nähe des Premiers.

Das Präsidentenamt in der Slowakei hat grundsätzlich repräsentative Funktionen. Mit dem Vetorecht bei Gesetzesvorschlägen und dem Recht zur Ernennung der Richter des Verfassungsgerichts kommt dem Präsidenten eine wesentlich höhere politische Machtfülle als vergleichsweise dem deutschen Bundespräsidenten zu.

Um das Präsidentenamt rangen der frühere, parteilose Botschafter (Posten in Deutschland und USA) und Ex-Außenminister der konservativ-wirtschaftsliberalen Vorgängerregierung, Ivan Korčok (59 / Korčok-Lager). Er errang mit 42,51 % mit seinem Europa-freundlichen und rechtsliberalen Kurs einen wichtigen Achtungserfolg und wurde von den oppositionellen, liberal-konservativen Parteien unterstützt. Er votiert für die Unterstützung der Ukraine und führte einen auf die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit ausgerichteten Wahlkampf. Korčok trat primär gegen den in der Slowakei populären Peter Pellegrini an.

Pellegrini-Lager

Parlamentspräsident Peter Pellegrini (48 Jahre / Hlas-SD Partei / linksdemokratisches Profil) errang im ersten Wahlgang 37,02 % der Stimmen. Er war 2018 als Smer-Mitglied Interims-Premier, nachdem Premier Fico wegen des Mordes an dem Investigativjournalisten Ján Kuciak zurücktrat. Pellegrini (ehemals Smer-Mitglied unter Fico [politischer Förderer Pellegrinis]) spaltete sich mit der sozialdemokratischen Hlas-Partei von der links-populistischen Smer ab, kehrte mit der eigenen Hlas-Partei aber wieder in die neue Fico-Regierung zurück. Pellegrini positionierte sich als Smer-Koalitionspartner mit einem Ukraine-kritischen und Russland-freundlichen Kurs und folgt damit der Ungarn-freundlichen Grundlinie unter Premier Robert Fico (Wahl am 30.09.2023). Drittplatzierter wurde der Russland-freundliche Ex-Richter des Obersten Gerichtshofs, Stefan Harabin (11,7 % [EU-kritisch, anti-westlich, rechtsnational]), dem die Kandidaten der ungarischen Minderheit (3 %) folgten. Stichwahl: Bei einer Wahlbeteiligung von rund 60 % siegte Pellegrini am 05.04. mit 53,2 %. Pellegrini hatte im Wahlkampf die Souveränität der Ukraine infrage gestellt und Kiew zu Friedensverhandlungen mit Russland aufgefordert und damit den grundsätzlich Ukraine-kritischen Kurs des Premiers vertreten. Zentrales Ziel von Pellegrini war primär das Präsidentenamt mit einer fünfjährigen Amtszeit.

Slowakei | Politische Grundlagen

Am 17. Juli 1992 löste sich die Slowakei aus der Staatenunion mit Tschechien (ehemals CSSR) und erzielte damit die staatliche Unabhängigkeit. Das „Slowakische“ gilt als westslawische Sprache wie Tschechisch oder Polnisch. Die slowakische Sprache erleichtert das Verstehen der serbo-kroatischen oder russischen Sprache. Rund 10 % der Bevölkerung sprechen ungarisch, die deutsch(-sprachige) Minderheit umfasst rd. 10.000 Menschen.

Vor dem Hintergrund der veränderten Sicherheitslage (Ukraine-Krieg) kommt der parlamentarischen Republik Slowakei als westlichem Grenz-/Nachbarland zur Ukraine hohe sicherheitspolitische Bedeutung zu. Die geopolitischen Faktoren hatten zentralen Einfluss auf die Parlamentswahl 2023 und die Präsidentschaftswahl 2024. Die Slowakei versteht sich als multinationaler/ethnischer Staat, untergliedert sich in acht Regionen und grenzt als Binnenland im Nordwesten an Tschechien, im Westen an Österreich, im Norden an Polen, im Osten an die Ukraine sowie im Süden an Ungarn. Die Regierungsstadt Bratislava ist wichtigster Wirtschaftsraum. Die Slowakei mit 5,45 Mio. Einwohnern ist neben Tschechien und Ungarn zugleich wichtiger Produktionsstandort der europäischen Automobilindustrie.

Politische Lage | Polarisierung überschattete den Wahlkampf

Premier Fico hat nach Amtsantritt durch die (gescheiterte) Einflussnahme auf die Rechtsverfassung des Landes seine Machtbasis abzusichern versucht und damit bis in die Gegenwart anhaltende politische Kontroversen auch im außerparlamentarischen Raum ausgelöst. Während sich bei der Stichwahl um das Präsidentenamt der spätere Wahlsieger Pellegrini als „Friedenspräsident“ (Schwerpunkt Außenpolitik) inszenierte, konzentrierte sich Korčok stärker auf die Justiz- und Innenpolitik. Pellegrini und Korčok thematisierten in ihren Wahlaussagen einen Richtungsstreit, der zwischen dem Abbau demokratisch-liberaler Regeln (Gefahr des Autoritarismus), einer Europa-freundlichen Linie des Liberalismus und der Wahrung der Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit die Fundamentalunterschiede verdeutlichte. Bei der Stichwahl kam der Unterstützung durch die nachplatzierten Kandidaten eine wahlentscheidende Rolle zu. Dem Präsidentenamt (Repräsentation, Kontrolle, Ernennungen sowie Oberbefehlshaber) steht ein außenpolitisches Mitgestaltungsrecht zu, jedoch keine Formulierung einer eigenständigen außenpolitischen Agenda.

Innere Lage | Spannungen seit Herbst 2023

Das Wahlergebnis offenbarte, neben den knappen Ergebnissen in den Niederlanden, Spanien und Portugal sowie neben den Divergenzen zum Ukraine-Russland-Verhältnis, die fortbestehenden und ebenso tiefgehenden gesellschaftlichen Spannungen in der Slowakei. Am 19.12.2023 wurden die gesellschaftlichen Spannungen im Zuge der umstrittenen Reformpläne zur Strafgesetzgebung (Lockerung der Strafen gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität, Abschaffung der Sonderstaatsanwaltschaft für Korruption und OK [USP], Entfallen des Schutzes von Whistleblowern u.a.) international sichtbar („Opposition, vereinigt euch gegen die Mafia“ / „Wir haben genug von Fico“). Die Proteste (SP: Bratislava) weiteten sich auf zahlreiche weitere Städte aus. Das Parlament hatte nachfolgend am 09.02.2024 (mit den Stimmen der Dreierkoalition) die umstrittene Justizreform beschlossen. Die Abstimmung wurde von der Opposition („Pro-Mafia-Paket“) boykottiert.

Die EU-Kommission reagiert mit Kritik und forderte die Aussetzung der Reformen. Nachfolgend kritisierte die EU-Staatsanwaltschaft (EUStA) die Reformpläne als „ernsthaftes Risiko der Verletzung der Rechtsstaatlichkeit“. Am 23.01.24 hatte die EU-Kommission der Regierung Fico (seit 10-2023 im Amt) mit der Blockade von Finanzmitteln gedroht. Die Reformen der Regierung Fico werden innenpolitisch auch von der Opposition scharf kritisiert (Vorwurf: Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit). Die Justizreform des slowakischen Parlaments (Schnellverfahren) wurde in der Folge vom Verfassungsgericht kassiert. In der Folge konnte ein erstes Teilpaket (erhebliche Herabsetzung der Strafen für Bestechung und Betrug) nicht wie geplant zum 15.03. in Kraft treten. Die von der Opposition und Präsidentin Čaputová beanstandete Abschaffung der für Kriminalität und Korruption zuständigen Sonderstaatsanwaltschaft USP (mutm. Mitglieder der Regierungspartei von Premier Fico) blieb ohne juristische Beanstandung (Abschaffung in Kürze).

Die seit 2023 im Amt stehende Fico-Regierung sah sich von Beginn mit einer schwierigen Konsensfindung mit den politischen Eliten konfrontiert. Am 21.11.2023 hatte das slowakische Parlament in Bratislava nach viertägigen parlamentarischen Kontroversen der links-nationalen Regierung (in Koalition mit der sozialdemokratischen Hlas [Pellegrini] und der pro-russischen nationalen Volkspartei [SNS]) in einer knappen Entscheidung (78 Ja-Stimmen / 65 Gegenstimmen) das Vertrauen ausgesprochen (Folge: Stopp sämtlicher Waffenlieferungen an die Ukraine). Die Regierung Fico verwies wiederholt auf die Rückwirkungen der EU-Sanktionen, unter denen die Slowakei zu leiden hätte und dadurch im Vergleich der Lebensstandards an die vorletzte Stelle der EU (vor Bulgarien) zurückgefallen sei.

Slowakei – EU | Grundlagen

Die Slowakei ist seit 2004 NATO- und EU-Mitglied, wurde am 21.12.2007 in den Schengenraum aufgenommen (Aufhebung der EU-Grenzkontrollen) und wurde am 01.01.2009 in Vollendung der Westbindung Mitglied der Eurozone. Mit Blick auf die Bevölkerungszahl stellt die Slowakei 14 Abgeordnete im EU-Parlament sowie neun Vertreter im Wirtschafts- und Sozialausschuss (Beratungsgremium für Arbeitgeber-/Arbeitnehmerfragen und andere Interessengruppen). Mit Maroš Šefčovič ist die Slowakei mit einem Exekutiv-Vizepräsidenten in der EU-Kommission vertreten, der bislang für den in Veränderung stehenden europäischen „Green Deal“ sowie für inter-institutionelle Beziehungen und Vorausschau zuständig ist.

Letztmals im zweiten Halbjahr 2016 zeichnete die Slowakei turnusmäßig für die EU-Ratspräsidentschaft verantwortlich. Im Blickfeld der Übernahme der turnusmäßig an Ungarn folgenden EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2024 hat die slowakische Regierung einen engen Politikdialog mit Ungarn geplant. Beide Nationen waren bei der Amtseinführung von Präsident Putin (fünfte Amtszeit / 05-2024) in Moskau mit eigenen Delegationen präsent.

Einen weiteren Kritikpunkt bildete die Wahrung einer freien Presse. Auf Beschluss der Dreiparteienregierung wurde am 24.04. der Gesetzesvorschlag der rechtsgerichteten Kulturministerin Šimkovičová zur Auflösung des öffentlich-rechtlichen Senders RTVS (Vorwurf: mangelnde Objektivität) sowie zur Gründung der neuen Sendeanstalt STVR angenommen. Erwartet wird nun ein diesbezüglicher Parlamentsbeschluss für Juni 2024. Präsidentin Čaputová (Amtszeit bis 15.06.), die EU sowie die Opposition und die Medienverbände hatten die Entscheidung kritisiert (autokratischer Regierungsstil). Bereits im März 2024 hatten in Bratislava und Košice Zehntausende Menschen gegen die Auflösung des Senders protestiert.

Slowakei | Bilaterale Beziehungen

Slowakei – Tschechien: Der Politikdialog zwischen den beiden Bruder-/Nachbarstaaten Tschechien und Slowakei blieb unter Premier Fiala (im Amt seit 11-2021) nach der Wahl von Premier Fico (2023) angespannt und erreichte im Verlauf des Jahres 2024 einen weiteren Tiefpunkt (Eiszeit). Nachfolgend hatte Prag am 06.03. die Aussetzung der Regierungskonsultationen mit der slowakischen Regierung unter Premier Fico beschlossen. Premier Fiala verwies in seiner Begründung auf erhebliche Differenzen in außenpolitischen Fragen (Haltung zu Russland [Aufrechterhaltung der Wirtschafts- und Dialogbeziehungen durch Slowakei / Treffen auf Außenministerebene im Rahmen einer Konferenz in der Türkei am 02.03.]). Erst im November 2023 hatten die beiden Visegrád-Staaten die Fortsetzung der zwischenstaatlichen Konsultationen beschlossen.

Slowakei – Ungarn: Die Slowakei unter Premier Fico hatte sich ab 2023 weiter der ungarischen Linie angenähert, im Unterschied zu Ungarn („Die Zeit für eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine ist noch nicht gekommen“) werden Rüstungsexporte über slowakisches Gebiet und aus der Slowakei an die Ukraine weiter erlaubt. Premier Orbán hat am 16.01. in Budapest seinen slowakischen Amtskollegen Fico empfangen. Dabei würdigte Premier Orbán die bilateralen Beziehungen („noch nie so gut wie heute“) sowie die Bedeutung der Zusammenarbeit innerhalb der Visegrád-Gruppe (V4). Premier Fico sicherte Ungarn die slowakische Unterstützung im Streit mit der EU (Zurückhaltung von EU-Geldern) zu. Zentrale Politikanliegen bilden ferner die Themen Kernenergie (Ausbau), EU und innere Sicherheit. Präsident Orbán erklärte im Gegenzug die ungarische Bereitschaft, zur Luftraumüberwachung im slowakischen Luftraum beizutragen. Es war dies die zweite Auslandsreise von Ministerpräsident Fico seit Amtsantritt (25.10.2023 / Nationalratswahl 09-2023).

Slowakei – USA: Auf der Ebene deklaratorischer Politik werden die USA grundlegend kritisiert, von der Vorgängerregierung vereinbarte US-amerikanische Waffenlieferungen an die slowakischen Streitkräfte (leichter Kampfhubschrauber) weiter zugelassen. Erwartet werden zudem schärfere Positionen in der Migrations- und Flüchtlingspolitik gegenüber der EU-Kommission.

Slowakei – Deutschland: Bundeskanzler Scholz hat am 24.01. Premier Fico (nach einigen Treffen auf EU-Ebene) in Berlin empfangen. Beide Seiten würdigten die „exzellenten Wirtschaftsbeziehungen“ und stimmten sich im Vorfeld des EU-Sondergipfels ab (01.02. in Brüssel / SP: Beratungen über 50 Mrd. EUR-Paket für Kiew). Angesichts der Kehrtwende der Slowakei in der Ukraine-Politik appellierte Bundeskanzler Scholz an Premier Fico, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf zu unterstützen. Das Treffen in Berlin folgte auf den Antrittsbesuch von Premier Fico in der Ukraine (Treffen mit Premier Schmyhal in Uschgorod).

Slowakei – Ukraine: Die Slowakei hat unter der neuen Regierung die Militärhilfe für die Ukraine gestoppt und angekündigt, einen potenziellen NATO-Beitritt zu blockieren. Auf politischen Druck hin unterstützt Bratislava nun die weiteren EU-Hilfen sowie unter Verweis auf die Notwendigkeit der Erfüllung der EU-Beitrittskriterien (deklaratorisch) einen langfristigen EU-Beitritt. Die Regierungsvertreter haben sich am 11.04. bei einer gemeinsamen Sitzung in Michalovce (Ostslowakei / UKR-Grenzgebiet) wider Erwarten eine engere Zusammenarbeit vereinbart. Der Premier Fico sicherte seinem ukrainischen Amtskollegen Denys Schmyhal eine vollwertige Unterstützung bei den Bemühungen um einen EU-Beitritt zu. Konkret wurde eine engere Zusammenarbeit (nicht-militärisch) im Energie- und Verkehrssektor vereinbart. Dabei stand eine geplante direkte Eisenbahnverbindung mit dem zweitgrößten slowakischen Flughafen in Košice (Ost-SVK) im Mittelpunkt. Zudem sollte im Laufe eines Jahres die Rüstungszusammenarbeit auf eine neue Grundlage gestellt werden. Die ukrainische Seite würdigte das Treffen als „markanten Fortschritt [...] zu einer gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit“.

Slowakei | Außen-/Sicherheitspolitik

Die außen-/sicherheitspolitisch pro-russische Grundlinie von Premier Robert Fico und der Smer (Richtung – Slowakische Sozialdemokratie) sah eine weitgehende Neutralität gegenüber der Ukraine, ein striktes Verbot des slowakischen Truppeneinsatzes und die Verweigerung (weiterer) militärischer Hilfeleistungen zur Verteidigung der Ukraine gegen Russland vor. Während die Vorgängerregierung noch Waffenlieferungen (aus Altbeständen) im Wert von rund 1 Mrd. EUR liefert, vollzog sich unter Premier ein grundlegender Politikwechsel. Die NATO-Vereinbarungen sehen für die Slowakei den Aufbau einer schweren (Kampftruppen-)Brigade vor, die trotz der angespannten Beziehungen weiterhin Bestand hat. Premier Fico hat bereits 2023 seine Position gegen eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine bekräftigt und ein slowakisches Veto angekündigt („Grundlage für einen dritten Weltkrieg“). Der verspätet durchgeführte Antrittsbesuch in Uschgorod (Fico - Schmyhal | Amtsantritt Fico 10-2023) fand am 24.01. unter vergleichsweise distanzierten Bedingungen statt. Es gelang der slowakischen Regierung (Fico-Pellegrini) wie beabsichtigt nicht, EU-Wirtschaftssanktionen gegen Moskau zu blockieren und den Konfrontationskurs zur Ukraine aufrecht zu erhalten. Zugleich erklärte sich die Regierung bereit, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau mitzutragen. Die Slowakei ist weiterhin stark von russischen Energielieferungen sowie von der westlichen Sicherheitspolitik (NATO-Luftverteidigung) abhängig. Rund 350.000 ukrainische Flüchtlinge wurden von der Slowakei aufgenommen.Während Prag dem Beispiel von 24 NATO-Staaten folgte, die Genehmigung zur Stationierung von US-Truppen in Tschechien zu billigen, behielt die Regierung Fico die Distanz zu Washington (und Brüssel) bei. Die Ratifikation eines mit Tschechien vergleichbaren Abkommens (Ausbau und Nutzung von zwei Militärflughäfen) löste heftige Auseinandersetzungen aus, da nach Umfragen 67 % der Bevölkerung gegen eine Stationierung von US-Kräften votierte. In der Endphase des russischen Aufmarsches (02-2022) sahen noch 44 % der SlowakInnen die USA und die NATO als Grund der Ukraine-Spannungen. Das Stimmungsbild änderte sich erst nach dem russischen Angriff (62 % verurteilten Moskau). 

Slowakei | Profil des Premiers / Politische Laufbahn

Der viermalige Premier Robert Fico wurde am 15.05.2024 bei einem Besuch in Handlová angeschossen und lebendbedrohlich verletzt.

Hintergrund: Robert Fico wurde am 15.09.1964 in Topoľčany in der damaligen Tschechoslowakei (CSSR) geboren. Der aus bescheidenen Verhältnissen stammende Fico studierte von 1982 bis 1986 Jura an der Comenius-Universität Bratislava. Nach seinem Wehrdienst bei der Tschechoslowakische Volksarmee (1986-1987) und der Weiterqualifikation zur Ausübung des Richteramtes studierte er 1988-1992 am Staats- und Rechtsinstitut der Slowakischen Akademie der Wissenschaften. Nachfolgend arbeitete Fico zunächst am Rechtsinstitut des slowakischen Justizministeriums (zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter, ab 1991 stv. Leiter des Instituts). Im Zeitraum 1994-2000 fungierte Fico als Vertreter der Slowakei bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte (EKMR) und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Fico ist verheiratet und hat einen Sohn.

Politische Laufbahn: Fico trat am 14.04.1987 der „Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei“ (KSČ) bei. Nach seinem Austritt 1990 engagierte er sich bei der postkommunistischen „Partei der demokratischen Linken“ (SDĽ), für die er 1992 erstmals in den slowakischen Nationalrat einzog (Chef des SDĽ-Parlamentsklubs 1996-1998). Ein Jahr später trat Fico (als Vizevorsitzender der SDĽ) unter dem Vorwurf der unzureichenden Unterstützung aus der Partei aus und gründete noch 1999 die Partei Smer („Smer – slovenská sociálna demokracia“ | dt.: „Richtung – Slowakische Sozialdemokratie“). Im Zeitraum 2002 bis 2006 war Fico Vorsitzender des Smer-Parlamentsklubs. Bei der vorgezogenen Neuwahl 2006 kam Fico nach dem Wahlsieg der Smer (29,1 %) erstmals in Regierungsverantwortung (Koalition mit SNS und HZDS | erste Amtszeit 2006-2010). Bei der nachfolgenden Wahl 2010 wurde die Smer zwar stärkste Kraft (34,8 %), die Regierungskoalition verlor jedoch ihre Mehrheit, wodurch Fico als Oppositionsführer (2010-2012) das Amt des Vizepräsidenten des Parlamentes übernahm. Bei der vorgezogenen Nationalratswahl 2012 kam die Smer auf 44,4 % der Stimmen und stellte nachfolgend alleine die Regierung (zweite Amtszeit 2012-2016). Im Jahr 2014 kandidierte Fico als Präsidentschaftskandidat, unterlag im zweiten Durchgang dem von der Opposition unterstützten Kandidaten Andrej Kiska. Nach der Nationalratswahl 2016 (Absturz der Smer auf 28,3 %) bildete Premier Fico eine Koalition mit der nationalistischen SNS, der liberalen slowakisch-ungarischen Partei Most-Híd und der konservativen #Sieť (dritte Amtszeit 2016-2018). Die Ermordung des Investigativjournalisten Ján Kuciak (02-2018 / Recherche zu Korruption und Mafia-Verbindungen von Regierungskreisen) führte zu Massenprotesten und Rücktrittsforderungen gegen Fico. Einem Misstrauensvotum zuvorzukommend reichte Fico am 14.03.2018 seinen Rücktritt ein. Nach der Parlamentswahl 2020 (Smer: 18,28 %) wurde die Smer bei der Nationalratswahl 2023 (22,9 %) wieder stärkste Kraft und Fico trat zum 25.10.2023 seine vierte Amtszeit an (Dreierkoalition aus Smer, Hlas und SNS). Der Wahlkampf 2023 war zwischen den politischen Kontrahenten mit Schärfe geführt worden, die Spannungen schlugen zeitweise in (Straßen-)Gewalt und Handgreiflichkeiten im Parlament um.

Bewertung: Robert Fico gilt als einer der erfahrensten Politiker der Slowakei. Fico sah sich mehrfach Vorwürfen der Korruption und Mafiaverstrickungen ausgesetzt. Ermittlungen gegen Fico wegen Steuervergehen und der Bildung einer kriminellen Vereinigung wurden eingestellt. Nach seinem politischen Comeback im Herbst 2023 hat Fico politische Kontroversen auch im außerparlamentarischen Raum und auf EU-Ebene verursacht. Der in seiner vierten Amtszeit stärker dirigistische und pro-russische Kurs Ficos (weitgehende Neutralität gegenüber der Ukraine) hat einerseits zu einem engen Schulterschluss mit Ungarn, anderseits zu Spannungen mit der EU und dem Visegrád-Partner Tschechien (Absage von Regierungskonsultationen durch Prag) geführt. Auch innenpolitisch stießen die umstrittenen Reformen/Reformpläne der Regierung Fico (u.a. Auflösung des öffentlich-rechtlichen Senders RTVS, Abschaffung der für OK-Delikte und politische Verbrechen zuständigen Sonderstaatsanwaltschaft USP, Verringerung von Strafen für Korruption und Wirtschaftskriminalität) auf massive Kritik. Die Opposition (Mobilisierung von Massenprotesten) moniert eine Gefährdung des Rechtsstaates und warf der Regierung vor, Korruptionsfälle aus früheren Regierungszeiten der Smer-Partei vertuschen zu wollen.

Attentatsversuch 15.05.2024

Premier Fico wurde am 15.05.2024 gegen 14:45 Uhr nach einer Regierungssitzung vor dem Haus der Kultur in Handlová (Trenčiansky kraj) rund 150 km nordöstlich von Bratislava angeschossen (fünf Schüsse, Nahbereich). Fico wurde in einem lebendbedrohlichen Zustand (u.a. Bauchschuss) per Rettungshubschrauber in das F.D. Roosevelt Universitätskrankenhaus in Banska Bystrica verlegt. Das Attentat erfolgte im Nachgang an zwei erfolgreich verlaufene Herzoperationen (3-facher Bypass). Der Zustand des Patienten gilt einen Tag nach dem Angriff noch als kritisch, stabil, aber ansprechbar. Der männliche Täter (71-jähriger Slowake, legaler Waffenbesitz, ehem. MA einer priv. Sicherheitsfirma) wurde noch am Tatort festgenommen. Die Ermittlungen ergaben, dass der Täter als Einzeltäter handelte, kein Mitglied einer extremistisch-terroristischen Vereinigung war, aber aus erklärter politischer Motivation handelte (Ablehnung des machtpolitischen Zusammenspiels Fico – Pellegrini und der aktuellen Regierungspolitik [kritische Faktoren der Reformpolitik]). Das slowakische und internationale Establishment verurteilte die Tat als „Attentat auf die Demokratie“.

Zeitraum vor Amtsantritt

Im Zeitraum vor dem Amtsantritt der Regierung Fico lieferte Tschechien T-72 Kampfpanzer sowie die Slowakei das (ex-russ.) Flugabwehrraketensystem S-300 und weiteres Material an die Ukraine. Im Gegenzug erhielt die Ukraine zeitbegrenzt Patriot-Einheiten aus den USA sowie aus Deutschland (Maßnahme der integrierten NATO-Luftverteidigung). Die Regierung unter Premier Heger stimmte dabei der Stationierung von rund 2.000 NATO-MilPers. zu (rund 700 aus DEU). Die Waffenhilfe wurde von beiden Seiten auch als Maßnahme der Vorneverteidigung und damit als Stärkung der eigenen Sicherheit deklariert. Beide (heute getrennte Staaten) waren 1968 von der Roten Armee besetzt worden.

Außenhandelspolitik Slowakei

Der Exportwirtschaft kommt weiterhin höchste Bedeutung zu. Wichtigste Handelspartner bei den Einfuhren waren 2022 mit 21 % Deutschland, Tschechien (12,1 %), Ungarn (8,7 %), Polen (7,8 %) und Frankreich (5,8 %). Bei den Abnehmerländern slowakischer Exporte führten 2022 Deutschland (14,1 %), Tschechien (9,1 %), China (7,8 %), Russland (7,4 %), Südkorea (5,7 %) sowie Polen (5,4 %) und Ungarn (4,7 %). Zusammengefasst ist die EU dominierender Handelspartner und Stabilitätsexporteur (Einfuhren: über 56 % | Ausfuhren: über 35 %). (tw/nis/fm/iap)