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 © Körber-Stiftung

Nach US-Wahlen: Deutsche verlieren Vertrauen in US-Demokratie

Umfrage der Körber-Stiftung zu Deutschlands Rolle in der Welt, wichtigsten Partnern und außenpolitischen Herausforderungen

Die Wahlen in den USA haben die Sicht der Deutschen auf die US-Demokratie beeinflusst: Bei 53 Prozent der Befragten ist das Vertrauen in die US-amerikanische Demokratie geschwächt, lediglich 34 Prozent sind in ihrem Vertrauen gestärkt. Eine knappe Mehrheit der Deutschen befürwortet derzeit zudem eine größere Unabhängigkeit Deutschlands und Europas von den USA (51 Prozent). Das zeigt die repräsentative Umfrage »Einmischen oder zurückhalten?« der Körber-Stiftung, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Kantar Public.

Nach dem Wahlsieg von Präsidentschaftskandidat Joe Biden gehen 78 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger von einer Normalisierung der transatlantischen Beziehungen aus. Diese hatten unmittelbar vor den US-Wahlen einen neuen Tiefpunkt erreicht: 79 Prozent der Befragten bewerteten die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland im September 2020 noch als »sehr schlecht« oder »eher schlecht«. 74 Prozent der US-Bürgerinnen und Bürger empfanden die deutsch-amerikanischen Beziehungen laut einer parallel vom Pew Research Center durchgeführten Studie hingegen als »sehr gut« oder »eher gut«. »Die letzten vier Jahre waren eine enorme Belastungsprobe für das transatlantische Verhältnis. Dass die Deutschen mehrheitlich eine Normalisierung unter Joe Biden erwarten, zeigt jedoch: der entstandene Schaden ist nicht irreparabel«, kommentiert Nora Müller, Leiterin des Bereichs Internationale Politik der Körber-Stiftung, die Umfrageergebnisse.

Hoffnungsträger Joe Biden 

Vor den US-Wahlen stand es schlecht um die transatlantischen Beziehungen: Die USA unter Präsident Donald Trump wurden mit 25 Prozent der Nennungen als drittgrößte Herausforderung für die deutsche Außenpolitik gesehen. Lediglich 10 Prozent der Befragten sahen die Vereinigten Staaten vor den Wahlen als wichtigsten Partner Deutschlands. Zudem waren die USA für eine Mehrheit der Deutschen »kein Partner« bei den Themen Klimaschutz (84 Prozent), Förderung des Freihandels (58 Prozent), Schutz von Menschenrechten und Demokratie (57 Prozent) und Umgang mit China (63 Prozent). Der Wahlsieg Joe Bidens beeinflusst nun merklich die Bewertung der transatlantischen Partnerschaft. Im November gewinnen die USA bei der Frage nach Deutschlands wichtigstem außenpolitischen Partner 13 Prozentpunkte hinzu: 23 Prozent sehen die USA nach den Wahlen als wichtigsten Partner Deutschlands. Wie in den Vorjahren rangiert Frankreich mit 43 Prozent der Stimmen auf Platz eins der wichtigsten außenpolitischen Partner. Vor den US-Wahlen im September lag dieser Wert noch bei 54 Prozent.

Die Britinnen und Briten bewerten ihr Verhältnis zu den USA übrigens weitaus positiver als die Deutschen: 52 Prozent nennen die USA als wichtigsten außenpolitischen Partner. Deutschland steht hier mit 15 Prozent an zweiter Stelle. Dies ergab eine parallel von der Britischen Botschaft Berlin durchgeführte Studie. Deutschland wird von den Britinnen und Briten jedoch in einzelnen Themenbereichen stärker als die USA als Partner wahrgenommen: Klimaschutz (64 Prozent zu 22 Prozent gegenüber den USA), Menschenrechte und Demokratie (61 Prozent zu 41 Prozent) sowie europäische Sicherheit (62 Prozent zu 29 Prozent).

Deutsche vertrauen der Demokratie

Die internationalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts lassen die Deutschen nicht an der Demokratie zweifeln. 85 Prozent der Befragten sind vielmehr der Meinung, dass demokratische Staaten Krisen wie Pandemien oder den Klimawandel besser meistern als nicht-demokratische Staaten.  

Dabei empfinden die Deutschen ihr eigenes Land (7,9 von 10 Punkten) im Vergleich zu Frankreich (7,5), Großbritannien (6,4), den USA (5,0) oder Polen (4,9) am demokratischsten. Eine knappe Mehrheit (51 Prozent) spricht sich dafür aus, dass Deutschland nicht-demokratischen Ländern verbieten sollte, in deutsche Infrastruktur-Projekte zu investieren, 42 Prozent sind gegen ein solches Verbot.

Die größten Herausforderungen für deutsche Außenpolitik: Migration und Russland

Die Deutschen sehen in der Migration eine der größten Herausforderung für die deutsche Außenpolitik. Mit 27 Prozent wurden Präsident Wladimir Putin und Russland am zweithäufigsten als größte Herausforderung genannt. Möglicherweise haben die Situation in Belarus und die Vergiftung des Oppositionellen Alexei Nawalny dazu geführt, dass die Deutschen kritischer als bisher auf Russland blicken – 2019 machte Russland lediglich 6 Prozent der Nennungen aus. Klima – 2019 mit 31 Prozent noch auf Platz eins der außenpolitischen Herausforderungen – spielt mit 8 Prozent nur noch eine marginale Rolle. Auch das bestimmende Thema in 2020 – Corona – sehen die Deutschen weniger als eine außenpolitische Herausforderung (14 Prozent).

Deutsche Vorbehalte gegenüber China

Im April 2020 ergab eine Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung, dass 36 Prozent der Deutschen enge Beziehungen zu China wichtiger empfinden als enge Beziehungen zu den USA. Dieser Aussage stimmten im September 2020 nur noch 27 Prozent der Befragten zu. 56 Prozent der Deutschen sehen hingegen enge Beziehungen zu den USA als wichtiger an (April 2020: 37 Prozent). Im Fall einer mit dem Kalten Krieg vergleichbaren Situation zwischen China und den USA würden sich 82 Prozent der Deutschen allerdings lieber neutral verhalten, als sich an die Seite eines der beiden Länder zu stellen.  Zwar bewertet knapp die Hälfte der Deutschen (46 Prozent) den wachsenden Einfluss Chinas als neutral, 43 Prozent sehen diesen jedoch negativ und lediglich 10 Prozent als positiv an.

Die Umfrage
Kantar Public hat im Auftrag der Körber-Stiftung im September 1.005 und im November 1.058 Wahlberechtigte ab 18 Jahren in Deutschland zu ihren außenpolitischen Einstellungen befragt. Alle US-Daten wurden durch das Pew Research Center im September 2020 erhoben. Die Daten für das Vereinigte Königreich hat Yonder im Auftrag der Britischen Botschaft Berlin im September und Oktober 2020 in einem Onlinesurvey erhoben.

 Alle Ergebnisse, Tabellen und Grafiken online verfügbar unter:

www.theberlinpulse.org.