Künstliche Intelligenz in der Kriminalitätsbekämpfung - Chance oder Risiko für die Polizeiarbeit der Zukunft?
Von Heinz-Werner Aping
Unter diesem Titel fanden am 4. September 2024 die 18. Berliner Sicherheitsgespräche des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) unter der Schirmherrschaft des Ministers des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg, Michael Stübgen, statt.
Gut 120 Teilnehmer folgten der Einladung des BDK in die Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund in Berlin. Nach der Begrüßung durch die Hausherrin, Frau Dr. Friederike Haase, Bevollmächtigte des Landes Brandenburg beim Bund, folgten nach den Grußworten des Ministers des Innern und für Kommunales (MIK) des Landes Brandenburg, Michael Stübgen, und des Bundesvorsitzenden des BDK Dirk Peglow der Impulsvortrag von Dr. Markus Hellenthal, Senior Vice President für das Strategic Business Development der Firma Materna & Information SE, früher Direktor bei der Bundespolizei, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des BDK, sowie eine Podiumsdiskussion mit Dirk Peglow, Frau Dr. Johanna Hahn, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Bereich Cyberkriminalität und forensische Informatik, Kai Küllmer, Leiter Technisch-operativer Service bei der Koordinierungsstelle für Künstliche Intelligenz des Bundeskriminalamtes und Matthias J. Szymansky, Leiter Analytics & AI Public beim Competence Center der Firma Materna Information & Communication SE. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion zum dritten Mal bei den Berliner Sicherheitsgesprächen des BDK sehr gut vorbereitet von Arne Meyer-Fünffinger, Korrespondent Bayerischer Rundfunk Recherche.
Der BDK ist mit seinen Berliner Sicherheitsgesprächen regelmäßig zu Gast in der Vertretung des Bundeslands beim Bund, das den aktuellen Vorsitz in der Innenministerkonferenz hat, in diesem Jahr Brandenburg.
Mit dem Zitat …“seien Sie schneller als die anderen“ ….. sah Frau Dr. Haase den BDK mit dem Titel dieser Berliner Sicherheitsgespräche den BDK auf der Höhe der Zeit, weil Kriminalitätsbekämpfung ohne KI zukünftig nicht mehr möglich sei.
Minister Stübgen ging in seinem Grußwort nicht nur auf die Herausforderung ein, Fragen zum Nutzen, zur rechtlichen Lage, zur Ausstattung zu lösen, sondern vor allem den Menschen Angst vor der KI zu nehmen, bei allen Betroffenen Vertrauen zu schaffen und nicht zuletzt die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu befähigen, KI einzusetzen. Einen deutlichen Punkt setzte der Minister mit einer Kritik an der KI-Verordnung der EU.[1] Er sprach hierbei u.a. von einem „Korsett der KI-Verordnung“ und kritisierte u.a., dass Militär und Nachrichtendienste von bestimmten Regelungen der KI-Verordnung ausgenommen sind, Polizei aber nicht. Gleichwohl sieht er die KI-Verordnung als hilfreich an, weil sie in wichtigen Punkten Klarheit schaffe. Vieles, was medienwirksam als Künstliche Intelligenz bezeichnet wird, sei es nicht.
Der Bundesvorsitzende des BDK Dirk Peglow begrüßte neben den zuvor Genannten aus dem parlamentarischen Raum die Bundestagsabgeordnete der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Frau Sabine Grützmacher, Mitglied im Ausschuss für Digitales und vor allem Mitglied im Kontrollgremium zur Kontrolle der Finanzaufsichtsbehörde Financial Intelligence Unit (FIU)[2], Mitarbeitende der Innenministerien und unter den Zuhörenden u.a. die Studierenden des Master-Studiengangs Kriminalistik an der Hochschule der Polizei Brandenburg.
Dr. Markus Hellenthal zog in seinem Impulsvortrag einen großen Rahmen über Einsatzmöglichkeiten und Einsatznotwendigkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI). So ging er anfangs darauf ein, was alles an „intelligenter Hilfe“ schon im täglichen Gebrauch angekommen ist, wie Übersetzungsdienste, Lesehilfen, Suchmaschinen u.v.m., was die breite Öffentlichkeit umfangreich und gewinnbringend nutzt. Darin erschöpfen sich die Möglichkeiten natürlich nicht. Wichtig sei es allerdings, den Begriff KI sauber zu definieren, denn nicht jedes elektronisches Hilfsmittel sei eben „KI“. Das Problem für die Polizei bestehe vor allem in den riesigen Datenmengen, die im Bereich vieler Kriminalitätsbereiche mittlerweile gesichtet und ausgewertet werden müssen, um Tatstrukturen, Täter und Täterinnen zu erkennen und beweissicher überführen zu können. Er stellte dar, dass es bereits viele kleine, mittlere und größere Einzelprojekte gebe, aber keine übergreifende Strategie. „Eigentlich haben wir alles, um KI zu nutzen“…..Es gebe bereits einige Anwendungen, die vollständig und auf höchstem Level alle Rechts- und Sicherheitsstandards erfüllten. Hellenthal schloß mit dem Resümee, das KI nicht einfach eine Chance, sondern eine Notwendigkeit sei.
Es folge eine gut einstündige sehr kundig und klug moderierte Podiumsdiskussion, deren ausführliche Wiedergabe hier zu weit führen würde.
Herr Szymanski von der Firma Materna[3], hauptsächliche Kundschaft „die öffentliche Hand“, sieht einen sinnvollen Nutzen durch das Zusammenfügen von Human und Artificial Intelligence und später völlig normale Tools automatisierter Hilfe.
Frau Dr. Hahn, promoviert im Bereich Gesichtserkennung, führte aus, dass man sich genau die Anwendungsfälle anschauen müsse. Gesichtserkennung beispielsweise sei von anderer Qualität als …..z.B. Übersetzungshilfe.
Dirk Peglow stellte sehr kundig, praxisorientiert und gefällig gleichermaßen auf den großen Rahmen wie auf die alltäglichen, praktischen und vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten wie -notwendigkeiten ab, ließ aber auch Ironie nicht aus: „Solange Kollegen und Kolleginnen noch monatelang auf einen 2. Bildschirm warten ist KI kein Tsunami, der auf uns zukommt, sondern eher ein laues Lüftchen“.[4]
Kai Küllmer vom BKA ging auf die Chancen für Anwendungsfälle jeglicher Art ein, nicht zuletzt, wo Mehrwert jetzt schon zu erkennen sei, wie Bildverbesserung, Videoanalyse, Erfassung und Analyse von Massendaten (wie z.B. Panama-Papers mit 2,7 TerraByte Datenmenge) und vieles mehr.
Einen breiteren Rahmen nahmen die Überlegungen ein, dass und wie Ängste zu nehmen seien, dass neben Kontrolle vor allem Wissen um die Anwendungen von KI zu vermitteln sei, um Akzeptanz bei allen Beteiligten und Betroffenen zu erreichen. Zum Ende der Diskussion gab der Moderator dem Publikum die Möglichkeit, Fragen an die Mitglieder des Podiums zu stellen, was auch genutzt wurde. Gelinde gesagt Stirnrunzeln erzeugte allerdings zum Ende der Fragerunde ein Zuhörer, der sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Partei Bündnis 90/Die Grünen vorstellte. Als er nach einiger Zeit von Ausführungen zum Thema, vor allem bezogen auf die o.g. Kritik von Minister Stübgen an der EU KI-Verordnung, aus dem Publikum heraus gefragt wurde, was denn seine Frage an das Podium sein, antwortete dieser, dass er keine Frage stellen müsse, sondern hier ein Statement abgebe……. So „schafft“ man Akzeptanz…….
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion lud der BDK zum get together ein, was bis in den Abend hinein von vielen eifrig genutzt wurde.
Ein Resümee von vielen Teilnehmern und Teilnehmerinnen nach der Veranstaltung: es ist noch ein weiter Weg, aber der zukünftige Einsatz von KI in der Kriminalitätsbekämpfung ist dringend notwendig und in bestem Sinne alternativlos.
[1] Am 1. August 2024 ist die europäische Verordnung über künstliche Intelligenz (KI-Verordnung) in Kraft getreten. Sie zielt darauf ab, die verantwortungsvolle Entwicklung und Verwendung künstlicher Intelligenz in der EU zu fördern.
[2] Die Ampel-Koalition will ein parlamentarisches Gremium zur Kontrolle der Finanzaufsichtsbehörde Financial Intelligence Unit (FIU) einrichten. …Das Gremium soll geheim tagen. …. Einen entsprechenden Antrag zur Änderung (20(7)-0392) des Gesetzentwurfes zur Arbeitsweise der FIU (20/8294) hat der Finanzausschuss des Bundestags am Mittwoch angenommen. Das Gremium soll geheim tagen. …… Kern des Gesetzentwurfs ist, dass die FIU künftig rechtssicher nach einem sogenannten risikobasierten Ansatz arbeiten darf unter dem Einsatz von technischen Systemen der Künstlichen Intelligenz (KI). …… Strittig ist dabei unter anderem, inwieweit die FIU auf den Datenpool der Polizeibehörden der Länder und anderer Aufsichtsbehörden zugreifen kann. Die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen verlas im Namen der Ampel-Fraktionen eine Protokollnotiz, mit der die Bundesregierung aufgefordert wurde, über das Bundeskriminalamt (BKA) auf die Länder einzuwirken, einen Datenabgleich über den polizeilichen Informationsverbund zu ermöglichen. Die Fraktionen von AfD und Die Linke erklärten, dass dies nicht ausreiche. Zitiert aus Deutscher Bundestag, 11.10.2023Finanzen — Ausschuss — hib 732/2023 „Neues parlamentarisches Gremium zur Finanzaufsicht“, aufgerufen am 9.9.2024.
[3] „Die Materna-Gruppe wurde 1980 gegründet. Heute gehören zum Familienunternehmen mehrere Tochtergesellschaften und Beteiligungen. Gemeinsam erwirtschaften wir einen Gruppenumsatz von 673 Millionen Euro (2023). Die Leistungen unserer Tochterunternehmen sind fester Bestandteil des Materna-Portfolios für die Umsetzung von IT- und Digitalisierungsprojekten. Wir treten am Markt als Unternehmensgruppe auf und vermarkten alle Leistungen entlang der Wertschöpfungskette aus einer Hand.“ Zitiert aus www.materna.de, aufgerufen am 9.9.2024
[4] …oder ist es doch eher alltägliche Behördenerfahrung oder Sarkasmus…? Der Verfasser.