© Todenhöfer privat

Eine denkwürdige Rettungsaktion

Wie elf Menschen in Afghanistan aus Ihrer Not gerettet werden konnten

Von Klaus-Henning Glitza

Es war eine Rettung in höchster Not. Eine denkwürdige Aktion, die ohne das mutige Engagement privater Akteure nicht gelungen wäre. Schauplatz des Ganzen war Afghanistan- ein Hotspot ausufernder Gewalt, der schon lange ein Synonym für ein Hochrisikogebiet ist. Dort etwas zu bewegen, ist eine Herausforderung wie sie größer kaum sein kann.

Die wahre Geschichte, um die es hier geht, beginnt in Deutschland und mit einer dort seit 2014 lebenden ehemaligen Ortskraft. Ein verzweifelter Mann, denn sein 34-jähriger Sohn war bereits seit 17 Monaten in einem afghanischen Folterlager der Terrororganisation IS gefangen. Mehrfach waren dem Vater Videos von den grausamen Torturen zugespielt worden. Zusammen mit der sinngemäßen Botschaft:  Zahle Lösegeld- und Dein Sohn kommt frei. Um die geforderte Summe aufzubringen, verkaufte er Haus und Hof und lieh sich eine Menge Geld. Heilfroh, jetzt endlich seinem Sohn helfen zu können, reiste der Vater nach Kabul. Doch dort, inzwischen hatten die Taliban die Macht übernommen, verkomplizierten sich die Dinge. Nunmehr war nicht nur sein Sohn vom IS bedroht, sondern auch dessen Familie und andere Verwandte. Insgesamt elf Erwachsene und Kinder. Doch auch der Vater selbst war in Gefahr. Schließlich war er nicht irgendwer, sondern hatte von 2002 bis 2013 in Afghanistan für die Bundeswehr/ISAF und für die deutsche Botschaft als Übersetzer gearbeitet. Besatzer aus Sicht der neuen Herren Afghanistans. In dieser Situation Hilfe von offiziellen deutschen Stellen zu erhalten, war schwierig.  Die Diplomaten hatten bereits ihre Koffer gepackt oder waren mit ihrem eigenen Rückzug beschäftigt. Es blieb nur die Möglichkeit, sich über private Kanäle bemerkbar zu machen. So kam der Hilferuf aus dem Land am Hindukusch auch bei Veko-online an. Ein Mitarbeiter dieses Mediums hatte kurze Zeit vorher zwei Unternehmen aus Deutschland und Frankreich, die ähnliche Probleme in Afghanistan hatten, mit wertvollen Tipps versorgt. Dafür hatten sich diese Firmen in sozialen Netzwerken bedankt. Menschen, die dies registriert hatten und dadurch ermutigt wurden, nahmen Kontakt mit Veko-online auf. Die Redaktion war sich durchaus bewusst, dass die Gefahrenlage für die ehemalige Ortskraft und seine Familie kaum auf bürokratischem Wege zu mildern wäre. Hier bedurfte es eines Engagements, das weit darüber hinausgeht. Und einer Persönlichkeit mit Mut, Entschlossenheit und den nötigen Verbindungen. Es dauerte nicht lange, bis der Name Dr. Jürgen Todenhöfer fiel. Einst entwicklungs- und abrüstungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und fast 20 Jahre lang Bundestagsabgeordneter. Ein Mann, der polarisiert. Den einen gilt er als einstiger Anhänger der „Stahlhelm-Fraktion“ um den konservativen Alfred Dregger, den anderen als „Engel auf Erden“ (Posting eines Islam-Gläubigen auf Facebook). Eines aber können ihm selbst politische Gegner nicht absprechen: die Bereitschaft, die Dinge abseits vom „Mainstream“ zu sehen- und Schneid. Als Veko-online JT, wie Jürgen Todenhöfer kurz genannt wird, kontaktierte, war er mitten in der heißen Phase des Wahlkampfes und befand sich für einen Kurzaufenthalt in Kabul, um sich dort vor Ort in diesen schwierigen Zeiten seinen Projekten im Land zu widmen. Der kurz zuvor aus der CDU Ausgetretene hatte seine eigene Partei, das „Team Todenhöfer“, gegründet. Eine zentrale Abschlusskundgebung in Berlin stand unmittelbar bevor. Trotzdem zögerte Todenhöfer keine Sekunde und sagte auf der Stelle seine Mitwirkung zu. Gesagt-getan. Er startete vor Ort, um mit den unterschiedlichsten Playern zu verhandeln. Es begann „eine der schwierigsten Missionen meines Lebens“, wie er selbst auf Facebook schreibt.  Sie sollte nicht nur zwei oder drei Tage dauern, wie anfänglich angenommen, sondern volle zwei Wochen. So konnte er, der Parteivorsitzende, nicht persönlich an der Abschlusskundgebung teilnehmen, sondern nur durch „Videoschalte“ aus Kabul. Das dürfte in der deutschen Geschichte ein wohl einmaliger Vorgang sein. „Während der letzten 10 Monate hatte es für mich nichts Wichtigeres gegeben als die Bundestagswahl“, gibt Todenhöfer auf Facebook seine damaligen Gedanken wieder. „Bis ich lernte, dass das konkrete Leben und Leiden einer elfköpfigen afghanischen Familie noch wichtiger sein kann. Ich spürte, dass ich mithelfen musste, sie vor dem Zugriff des IS zu schützen, der in Afghanistan mächtig und brutal ist“. Doktor Todenhöfer ist weder in Deutschland und Europa noch in der islamischen Welt ein Unbekannter. Es ist Autor mehrerer Bücher, die unter anderem das Leiden der Bevölkerung im „Krieg gegen den Terror“ in den Vordergrund rücken. Für weltweites Aufsehen sorgte auch sein Buchtitel „10 Tage im Islamischen Staat“. Dabei wagte er sich in die „Höhle des Löwen“, um sich ein eigenes Bild zu machen. Doch trotz seines hohen Ansehens in Afghanistan waren die Verhandlungen alles andere als ein Selbstläufer. „Es waren dramatische Wochen. Mehrfach schien die Ausreise endgültig zu scheitern. Es ist viel geweint und gebetet worden“. Doch Jürgen Todenhöfer ließ keinen Zweifel daran, er werde Kabul erst verlassen, wenn die Familie neben ihm sitze. Es gab Staaten, die Jürgen Todenhöfer bei der Rettungsaktion geholfen und unterstützt haben, aber es gab auch Stellen, die alles andere als kooperativ waren.  „Besonders hilfreich war bei der Evakuierung der Familie die katarische Regierung“, macht der Dr. jur. deutlich. Er werde diese Hilfsbereitschaft nie vergessen. „Auch der türkische Botschafter rief mich mehrfach persönlich an, um mir den Rückflug zu ermöglichen. Überraschend konstruktiv verhielt sich die Führung der Taliban. Sie räumte bei mehreren Treffen selbst größere Hindernisse aus dem Weg und schloss bei kritischen Fragen einfach die Augen“, so Todenhöfer. Dagegen seien einzelne Beamte des Auswärtigen Amtes „überhaupt nicht hilfreich“ gewesen, geht er auf die Kehrseite der Medaille ein. Er berichtet: „Es ist mir nicht ein einziges Mal gelungen, von Kabul aus telefonisch ins Lagezentrum des AA vorzudringen, dessen Hilfe ich dringend brauchte. Der zuständige Beamte fauchte mich an und legte einfach auf. Meiner Tochter, die daraufhin von Deutschland aus versuchte, ins Lagezentrum vorzudringen, erging es nicht besser. Dieser Beamte des AA hat die schwierige Rettung der Familie mit seiner Arroganz erheblich erschwert.“ Schließlich, nach zähem Ringen, nahm die Rettungsaktion doch ein glückliches Ende, „Dass jetzt alles, was wir uns vorgenommen hatten, doch noch gelang, können wir alle kaum fassen“, so beschreibt Jürgen Todenhöfer den Moment.  „Vor allem das Glück der afghanischen Familie lässt sich in Worten nicht beschreiben“. Alle hätten sich völlig erschöpft, aber glücklich in den Armen gelegen. Die Elf aus Afghanistan konnten nach Doha ausreisen, dort kamen sie in die "‘Obhut‘ der deutschen Botschaft“, wie Todenhöfer schreibt, um von dort die Weiterreise nach Deutschland aufzunehmen. Kritikern seines beherzten Handels schreibt er auf Facebook ins Stammbuch. „… der Mann, den ich aus Afghanistan herausholen konnte, hat für die Bundeswehr und die deutsche Botschaft gearbeitet. Er hat seine Knochen für uns hingehalten. Ihm und seiner Familie in der Not zu helfen, ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Wer das nicht versteht, sollte sich schämen.“ Das Auswärtige Amt, von Veko-online um eine Stellungnahme zu dem von Todenhöfer geschildeten Verhalten eines seiner Beamten gebeten, hat von der Möglichkeit eines Statements oder gar eines Dementis keinen Gebrauch gemacht.