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 © Bündnis 90 Die Grünen

Antimafia Konferenz

Organisierte Kriminalität entschlossen bekämpfen

Von Heinz-Werner Aping

Unter diesem Leitgedanken lud die Bundestagsfraktion der Partei Bündnis 90 / Die Grünen am 11. Oktober zur Anti-Mafia Konferenz in den Deutschen Bundestag ein.

Die Resonanz war groß. Knapp 100 Interessierte, Medienvertreter, Vertreter von Hochschulen, Polizei, Gewerkschaften, Initiativen wie transparency international oder das Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit u.a., folgten der Einladung in den Anhörungssaal im Marie-Elisabeth-Lüders Haus des Deutschen Bundestages.

Ein Fazit vorweg:  Die „Konferenz“ war eine angenehm engagierte Veranstaltung mit fachlich guten und engagierten Beiträgen sowie kundigem und interessiertem Publikum. Eine gelungene Veranstaltung.

Die Begrüßung durch die Sprecherin für Innenpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Frau MdB’in Lamya Kaddor, widmete sich kurz bekannten Aspekten aus den Lagebildern zur organisierten Kriminalität genauso wie tagesaktuellen Fällen und leitete zügig zum vorgesehenen Programm über. Es folgte die simultan ins Deutsche übersetzte sehr engagierte und bewusst praxisorientierte Keynote des italienischen Anti-Mafia Staatsanwalts der Reggio Calabria, Giuseppe Lombardo.

Lombardo stellte sehr eindringlich seine täglichen Herausforderungen und Praxis und die seiner Kollegen und Kolleginnen dar, genauso insgesamt das System der Anti-Mafia-Bekämpfung in Italien. Zentraler Gegenstand seines Vortrages war die `Ndrangheta, nach seinen Worten nicht einfach eine kalabrische Mafia, sondern längst eine multinationale kriminelle Vereinigung mit immensem Reichtum. So schätze das statistische Institut Italiens den „Reichtum“ der ´Ndrangheta auf 220 Milliarden Euro. Mit diesem Geld drängt die Mafia in die legale Wirtschaft und tätigt nicht zuletzt erhebliche Investitionen in legale Geschäfte, vor allem auch in Deutschland. Den Mafioso á la „Der Pate“ im Film von Francis Ford Coppola gibt es lange nicht mehr. Die Leitungsebenen der Mafia haben in der öffentlichen Meinung verbreitete Attitüden schon längst abgelegt – und sind entsprechend schwer zu erkennen. Es sei wichtig für alle gesellschaftlichen Kräfte, dass der Kampf gegen die Mafia über die Ländergrenzen hinweg erfolgt, Mafia-Indikatoren geprüft und Phänomene beobachtet werden, die nicht nach normalen Marktkriterien funktionieren. Anomalien im üblichen Geschäftsgebaren sind Anzeichen für Mafia-Präsenz.

Im Eröffnungspanel zum Thema „Ist Europa zahnlos im Kampf gegen die Mafia“ diskutierten unter der Moderation des MdB Marcel Emmerich, Obmann des Ausschusses für Inneres und Heimat der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Markus Koths, Abteilungsleiter Schwere- und Organisierte Kriminalität des BKA, die Obfrau im Mafia-Untersuchungsausschuss der 7. Legislaturperiode des Thüringer Landtags und bis zur Landtagswahl 2024 Mitglied und Vizepräsidenten des Thüringer Landtags, Frau Madeleine Henfling, und die Journalistin Helena Piontek, zusammen mit Stefan Orner Podcaster von „Mafia Land“ des SWR.

Nach einer für viele engagierte Gespräche genutzten Kaffeepause teilten sich die Teilnehmer und Zuhörer in zwei Gruppen in unterschiedlichen Räumen.

Im Panel 1 zum Thema „Vernetzte Ansätze in der Mafiabekämpfung“, moderiert von MdB`ìn Lamya Kaddor, diskutierten der Journalist Axel Hemmerling des MDR, Dr. Zora Hauser, Wissenschaftlerin der University of Oxford und Alexander Dierselhuis, Polizeipräsident Duisburg.

Im Panel 2 „Geldwäsche und Finanzkriminalität stärker bekämpfen“ diskutierten moderiert von Frau Sabina Grützmacher, MdB‘ in der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Autor des Buches „Germafia. Wie die Mafia Deutschland übernimmt“ Sandro Mattioli, mafianeindanke e.V., Jan-Denis Wulf, Kommissar im BKA, Mitglied Bündnis 90/Die Grünen, und Prof. Dr. Kilian Wegner, Juniorprofessor für Strafrecht, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).

© Heinz-Werner Aping

In allen Panels beteiligten sich die Zuhörer/Teilnehmer dieser Veranstaltung mit eigenen Fragen, Einwürfen oder eigenen kurzen Beiträgen, seien es hohe Vertreter aus LKÄ und BKA, Vertreter der Gewerkschaften und Berufsverbände wie GdP und BDK, engagierte Journalisten, Vertreter von transparency international oder Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit. Sie alle abzubilden, sprengt den Umfang dieses Berichts. Beispielhaft genannt sei ein Beitrag der ehemaligen Abgeordneten des Thüringischen Landtags Frau Henfling. Auf die Frage des Moderators, was der Untersuchungsausschuss des Landtags festgestellt habe (woran es mangele) nannte sie u.a. Personalmangel der Ermittlungsbehörden, fehlende Ausrichtung der Behörden an Langzeitbekämpfung, zerstückelte und kleinteilige Bekämpfungsstruktur und nicht zuletzt parallele und nicht vernetzte Steuerstrukturen. Es brauche proaktive Finanzermittlungen. Und wenn es eine Behörde dafür gibt, dann muss diese auch Kompetenzen haben. Ebenfalls erwähnt seien auch die Beiträge von Prof. Dr. Kilian Wegner, der überaus kundig engagiert und praxisorientiert die Erkenntnisse der Wissenschaft beisteuerte. Seine Beiträge waren aus meiner Sicht ein echter Gewinn. Auf die Frage des Moderators, was wir falsch machen in der Bekämpfung der Mafia antwortete er mit einer Gegenfrage: „Was machen wir richtig? Da muss man sagen: wenig.“ Deutschland „leiste“ sich viele kleine und kleinste Stellen, nicht vernetzt, nicht koordiniert, ungelernte Kräfte, Zersplitterung der Möglichkeiten. Es gebe vielleicht eine kleine dreistellige Zahl an hauptberuflichen Finanzermittlern, die das Geschäft wirklich können. Er bemängelte die Ausstattung der Behörden, materiell, personell, fehlende fachlich einheitliche Ausbildung der Mitarbeiter, unzureichende Standardisierung und mehr. Wörtlich führte er aus: „Die meisten, die das in diesem Land können, haben es sich selber beigebracht.“

Nach einer kurzen Pause folgte das Fazit-Gespräch mit MdB Marcel Emmerich und einem eindrucksvollen und engagierten Vortrag des Landesvorsitzenden des BDK Nordrhein-Westfalen, Oliver Huth.

Die Veranstaltung schloss mit einem zeitlich ausgiebigem Get-Together im Marie-Elisabeth-Lüders Haus und vielen bilateralen Gesprächen.

Fazit und Kommentar

Von einer Fachkonferenz im parlamentarischen Raum „Anti Mafia Konferenz“ ohne den konkreten Hintergrund eines bevorstehenden Gesetzesentwurfs o.ä. erwartet man üblicherweise nicht viel. Man hört vorbereitete Vorträge, nutzt die Gelegenheit eher für Networking oder Gespräche, um mitzubekommen, was hinter den „Kulissen“ diskutiert wird. Die Formulierungen in der Ankündigung dieser Fachkonferenz konnten auch zu der Annahme führen, dass nichts Neues präsentiert wird, nichts, was nicht schon seit Jahrzehnten über die „Mafia“ geschrieben und gesprochen wird. Man kann und darf von einer vierstündigen öffentlichen „Anti-Mafia-Konferenz“ auch keine weltbewegenden Neuigkeiten, keine gänzlich neuen Bekämpfungsansätze und auch keine allumfassende Diskussion mit allen anwesenden Gästen bzw. Zuhörern erwarten. Tatsächlich aber kann die Veranstaltung aus meiner Sicht als erfolgreich bewertet werden. Es wurde seitens aller Beteiligten versucht, klar und deutlich darzustellen, wie drängend die Lage, wie problematisch die Bekämpfungssituation ist, welche praktischen Schritte gleichermaßen nötig wie möglich sind. Die Vertreter der Partei Bündnis 90 / Die Grünen zeigten sich angenehm pragmatisch, nicht auf dem falschen Fuß dogmatisch. Sie stellten weniger ihre politischen Forderungen nach rechtsstaatlicher Kontrolle der polizeilichen und justiziellen Bekämpfungsarbeit der Mafia in den Vordergrund als die ehrliche Sorge, den Kampf gegen die Mafia ernst zu nehmen, nicht zuletzt die Hoffnung, mit angepassten oder geänderten rechtlichen wie tatsächlichen Möglichkeiten erfolgreicher zu sein.

An dieser Stelle passt das Schlusswort des o.g. Landesvorsitzenden NRW des BDK, Oliver Huth in Richtung der Partei Bündnis 90 / Die Grünen und zum Publikum: Führen Sie die Debatte, führen Sie sie offen und unaufgeregt, nehmen Sie das Thema Mafia ernst, es gefährdet unsere Demokratie.