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Zwischen Erde und Himmel

Klima – eine Menschheitsgeschichte.

Zwischen Erde und Himmel,
Peter Frankopan,
Berlin 2023, 1024 Seiten.
ISBN 978-3-7371-0098-4,
Ladenverkaufspreis 44 €
Am Klima scheiden sich die Geister. Für die einen ist der Klimawandel das größte Problem der Menschheit, das es zu lösen gilt. Für die anderen ist er eine Erfindung grüner und linker Politiker, um mit der Angst vor der Klimakatastrophe die Gesellschaft zu verändern.

Für jede Sichtweise werden Legionen von Wissenschaftlern aufgeboten, um das eine zu bestätigen und das andere zu widerlegen. Es bleibt aber nicht bei der Debatte: Klimakleber legen den Verkehr in den Großstädten lahm, kämpfen in Großdemonstrationen für die – wie sie meinen – gute und gerechte Sache und scheuen dabei auch vor Gewalt nicht zurück. Die bisher getroffenen politischen Maßnahmen wirken gravierend auf die Wirtschaft und Gesellschaft. Besonders deutlich zeigt sich dies im Gebäudeenergiegesetz, das gegenwärtig die Berliner Regierung und auch die deutsche Gesellschaft vor eine Zerreißprobe stellt. Wie man es auch immer betrachtet, das Klima ist ein Thema, mit dem man sich in vielen unterschiedlichen Bereichen befassen muss.

Peter Frankopan lehrt Geschichte an der Universität Oxford. Seine letzten Veröffentlichungen waren allesamt Bestseller. Darin beschäftigte er sich mit dem Aufstieg Asiens beziehungsweise Chinas und beschrieb, welche Folgen dies für die gesamte Welt haben wird. Wer vorschnell glaubt, mit seinem hier zu besprechenden Werk stehe er auf der Seite derer, die das Thema Klima relativieren, indem sie argumentieren, dass es Klimawandel zu allen Zeiten gegeben hat, der irrt. Sein Ziel ist es auch nicht, in die Zukunft zu blicken, um dort Lösungen für die anstehenden Probleme entweder durch Anpassung oder durch technologische Neuerungen zu erkennen. Er verfolgt mit diesem Buch drei andere Ziele: Erstens will er aufzeigen, dass das Klima zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte ein grundlegendes Thema war, zweitens untersucht er über diesen Zeitraum die Interaktion des Menschen mit der Natur und drittens richtet er unter dem Rubrum Klima den Blick auf die Geschichte der gesamten Welt.

Der Autor schlägt einen sehr weiten Bogen, beginnend lange Zeit bevor die ersten Menschen die Weltbühne betraten, seine Schilderung endet in der Gegenwart. Dazu sammelte er mit großem Fleiß weltweit Belege für Veränderungen des Klimas und schildert die Auswirkungen. Nicht nur in der mittelalterlichen Warmzeit (900-1250 n. Chr.) waren es immer wieder Vulkanausbrüche, die zu langjährigen Ernteausfällen führten: Es kam zu “Naturkatastrophen epischen Ausmaßes“. So etwa die gigantische Flutwelle des Gelben Flusses in China, in der im Jahr 1048 wahrscheinlich zigtausend Menschen starben.

Je näher der Autor zur Gegenwart kommt, umso größer wird die Datenmenge. So analysiert er eindrucksvoll, dass seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in der westlichen Welt das Bewusstsein für die Umwelt wuchs, gleichzeitig aber auch von einem Ende der Leistungsfähigkeit der Erde gesprochen wurde. Das rasante Bevölkerungswachstum wurde zu einer zentralen Frage. Das Problem schien gelöst durch neues Saatgut, das höhere Erträge auch auf schlechteren Böden sicherte, und effizientere Schädlingsbekämpfungsmittel. Dies verbesserte die Nahrungssituation und schuf höheren Wohlstand. Jedoch profitierte davon nicht die gesamte Bevölkerung, sondern primär die jeweils herrschende Oberschicht, was in der Dritten Welt zahlreiche Konflikte auslöste. Die zunehmende Datenmenge, die dem Autor zur Verfügung steht, ist Segen und Fluch zugleich. Nicht ohne Stolz beschreibt er, beim Schreiben dieses Buches sei er „gezwungen, mich mit neuen Arten von Quellenmaterial zu beschäftigen, vor allem mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen.“ Selbst wer in Historikern die letzten Universalgelehrten sieht, kommt ins Grübeln; denn die Wissenschaftsgebiete, die Frankopan betrachtet und bewertet reichen von der Agrarwissenschaft bis zur Zoologie. Zwangsläufig muss eine solch große Bandbreite zu Unschärfen und Vereinfachungen führen. Größer ist jedoch das Problem, dass die Ergebnisse seiner Überlegungen davon abhängen, auf welchen der vielen unterschiedlichen Parameter er den Schwerpunkt legt. Ein großer Vulkanausbruch könnte die Situation völlig verändern, ganz so, wie es in der Geschichte der Menschheit bereits mehrfach geschah. Eine Erwärmung der Erde wäre dann kein Thema mehr, das Problem wäre dann eine drastische Abkühlung. Sowohl Klimaklebern als auch Klimaleugnern liefert das Buch somit Argumente für ihre Sichtweise.

Es kann nicht verwundern, dass der Autor am Ende seiner Betrachtung keine rosige Zukunft zeichnet. Vielmehr übernimmt er eine Bewertung des britischen Rechnungshofes. Dieser hatte unlängst zugespitzt, „die Lösung des Klimaproblems sei ganz einfach: Am Ende werde nicht der Mensch, sondern die Natur die Nettoemissionen auf null bringen. Sie tut dies mit einer katastrophalen Entvölkerung, ob durch Hunger, Seuchen oder Krieg. Wenn dann weniger Menschen fossile Brennstoffe verfeuern, Wälder abholzen und Rohstoffe ausbeuten, wird der menschliche Fußabdruck drastisch schrumpfen, und wir kommen dem nachhaltigen Paradies unserer erträumten Vergangenheit näher. Vielleicht gelingt uns dies mit friedlichen Mitteln – ein Historiker würde allerdings nicht darauf wetten.“

Vielleicht fiele Frankopans Blick in die Zukunft anders aus, wenn er mit mehr Zuversicht auf den technischen Fortschritt schauen würde. Beispiele, dass es in der Vergangenheit durch technischen Fortschritt gelang, Krisen zu überwinden, liefert sein Buch in großer Zahl.

-Von Dr. Reinhard Scholzen-

 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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