Praxiskommentar Waffenrecht
Am 23. August 2024 tötete der syrische Staatsangehörige Issa al H. in Solingen drei Menschen mit einem Messer und verletzte mehrere zum Teil lebensgefährlich.
Georg H. Amian, Michael Pießkalla (Hrsgg.),
W. Kohlhammer Verlag,
Stuttgart 2024, 620 Seiten.
ISBN 3-17-023333-1.
Ladenverkaufspreis 98 €.
Nach den bisherigen Ermittlungen war der 26-jährige Täter Mitglied in einer terroristischen islamistischen Vereinigung und wählte unter den Besuchern des Volksfestes seine Opfer willkürlich aus.
Unmittelbar nach der Tat wurden Forderungen laut, das Waffengesetz zu ändern. Unter anderem wurde verlangt, das Mitführen von Messern mit einer mehr als sechs Zentimeter langen Klinge zu verbieten. Umgehend kam Kritik an den Plänen der Bundesinnenministerin auf. Zur Umsetzung einer solchen Gesetzesvorschrift seien nicht genügend Polizisten vorhanden, wurde vorgebracht und generell in Zweifel gezogen, ob sich durch ein solches Verbot ein potentieller Täter abschrecken ließe.
Den Waffenbesitz zu regeln und ihn einzuschränken, ist nichts Neues. Bereits im Mittelalter finden sich Belege für Waffenverbote in mehreren deutschen Städten. So untersagten bereits im 15. Jahrhundert unter anderem Köln und Nürnberg den Bürgern und Besuchern ihrer Städte das Mitführen bestimmter Hieb-, Stich- und Schlagwaffen in der Öffentlichkeit. Wir wissen aus den historischen Quellen, dass es häufig zu Verstößen gegen diese Regelungen kam.
Markante Schritte auf dem Weg zum heute geltenden Waffengesetz waren die 1928 und 1938 erlassenen Gesetze, das Bundeswaffengesetz von 1968, dessen Neuregelungen 1976, mehrere Verordnungen und Verwaltungs-Vorschriften-Veränderungen unter anderem 2002 und 2003, 2006, 2017, 2019 und 2020. Es wurden damit bestimmte Waffen und Munition, die vorher erlaubt waren, verboten, es wurde aber auch zuvor Verbotenes erlaubt. Altersbeschränkungen wurden ins Gesetz eingebaut und verschoben und besondere Prüfverfahren – etwa eine Abfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz – etabliert. In dieser Zeit wurde ein Nationales Waffenregister aufgebaut, die Vorschriften zur Aufbewahrung von Waffen mehrfach geändert und zusätzlich in der Europäischen Union diverse Regelungen beschlossen.
Schon dieser sehr flüchtige Blick lässt erahnen, dass es sich beim Waffenrecht um eine schwierige Materie handelt. Kein Autor, der sich damit beschäftigt, verzichtet auf diese Feststellung. Die Verfasser des hier zu besprechenden Buches verwenden die Formulierung: „Das bundesdeutsche Waffenrecht gilt als eines der strengsten und kompliziertesten weltweit.“
Der Besitz einer scharfen Schusswaffe, ist in Deutschland verboten. Erlaubt ist deren Besitz jedoch unter anderem Jägern, Sportschützen und Waffensachverständigen. Um eine Waffe legal besitzen zu dürfen, müssen sie jedoch unterschiedliche Auflagen erfüllen. So müssen sie unter anderem ein Bedürfnis zum Besitz der Waffen nachweisen und belegen, dass sie über die erforderliche Sachkunde im Umgang mit Gewehr, Pistole und Revolver verfügen.
Die meisten Bürger könnten an das Thema Waffengesetz gelassen herangehen, beträfen dessen Regelungen nur Schusswaffen. Dem ist aber nicht so. Wer bei der Suche nach Steinpilz und Pfifferling ein größeres Spring- oder Fallmesser mitnimmt, hat bei einer Kontrolle durch die Polizei ein Problem; denn diese Messer sind entweder völlig verboten oder zumindest ist deren Mitführen in der Öffentlichkeit nicht erlaubt. Ebenso kann derjenige mit dem Gesetz in Konflikt geraten, der ein Volksfest besucht und in der Jackentasche ein Handrad für einen Wasser-Absperrhahn mitsichführt. Nur einem Sanitär- und Heizungsinstallateur wird die Staatsmacht glauben, dass er dieses beruflich verwendet und nicht als Schlagring zweckentfremden möchte.
Die Komplexität des Waffenrechts haben Amian und Pießkalla aufgegriffen und in ihrem Praxiskommentar verarbeitet, den sie für alle geschrieben haben, „die mit dem Waffenrecht in Berührung kommen: Seien es Jägerinnen und Jäger, Sportschützinnen und Sportschützen, Verbände des Sportschützen- und des Jagdwesens, das Büchsenmacherhandwerk und der Waffenhandel, Gerichte, Waffenbehörden, Staatsanwaltschaften und die Polizei.“ Die Autoren stellen jeden Paragraphen des Waffengesetzes vor und kommentieren diesen. Dabei besteht bei manchen der insgesamt 60 Paragraphen ein nur geringer, bei anderen jedoch ein großer Kommentierungsbedarf. Beispielsweise räumen die Verfasser den Erben von Schusswaffen breiten Raum ein. Bis zum Jahr 2002 war dies ein relativ einfacher Vorgang; denn der Erbe hatte einen unbedingten Anspruch auf die Erteilung einer Waffenbesitzkarte. In diese wurden die ererbten Waffen in der Regel eingetragen, nur in besonderen Einzelfällen – so etwa bei erwiesener Unzuverlässigkeit – wurde dies verwehrt. Der Erbe musste – im Gegensatz zu jedem anderen legalen Waffenbesitzer – kein Bedürfnis nachweisen und er musste auch keinen Nachweis liefern, dass er über die ansonsten erforderliche Sachkunde im Umgang mit den ererbten Schusswaffen verfügt. Dieses sogenannte Erbenprivileg entfiel ersatzlos im Jahr 2008. Seither muss der Erbe zuverlässig sein, über die persönliche Eignung verfügen und darüber hinaus muss er die Schusswaffen mit einem geeigneten Blockiersystem versehen, das eine Schussabgabe verhindert. All das entfällt, wenn er ein Bedürfnis zum Besitz der Waffen nachweisen kann, beispielsweise als Jäger. Nicht nur Juristen erkennen, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung eine Gratwanderung vollzieht. Einerseits soll das im Grundgesetz Artikel 14 festgeschriebene Recht auf Eigentum gewahrt, andererseits aber auch der Schutz der öffentlichen Sicherheit gewährt werden. Ähnliche Probleme eröffnen sich oft, wenn Bürger einen Waffenschein beantragen, der sie berechtigt, eine Schusswaffe auch außerhalb der eigenen Wohn- und Geschäftsräume zugriffs- und schussbereit zu führen, also diese in der Öffentlichkeit zu tragen. Hier steht dem Schutz der öffentlichen Sicherheit das individuelle Recht entgegen, das eigene Leben zu schützen.
In vielen Passagen des Buches tritt die Zielsetzung, den Erlaubnisbehörden eine praktische Handreichung für die Anwendung des Gesetzes zu bieten, deutlich hervor. An diesen Stellen zeigt sich oft, wie vielschichtig das Waffengesetz im Laufe der letzten Jahrzehnte geworden ist, beispielsweise in der Regelung, dass der legale Waffenbesitz eines Sportschützen dessen Mitgliedschaft in einem staatlich anerkannten schießsportlichen Verband voraussetzt.
Nichts deutet darauf hin, dass in absehbarer Zeit die Anwendung des Waffenrechts einfacher werden wird. Es muss davon ausgegangen werden, dass in naher Zukunft weitere Regelungen hinzukommen werden und diesen wird gemeinsam sein, dass sie alle, die mit dem Vollzug des Waffenrechts befasst sind, vor neue Herausforderungen stellen wird und sich die zuständigen Verwaltungsgerichte nicht über Arbeitsmangel beklagen werden. Somit werden auch zukünftig Kommentierungen wie diese von Amian und Pießkalla sinnvoll und notwendig sein.
-Dr. Reinhard Scholzen-