Skip to main content

Das Kerngeschäft ist nicht die Verbrecherjagd

Von Dr. Reinhard Scholzen

Schweizer Reisläufer überqueren die Alpen (Diebold Schilling der Jüngere)
© Von Diebold Schilling der Jüngere - Luzerner Chronik, fol. 327v., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=70855
In der Geschichte der privaten Sicherheitsunternehmen spiegeln sich sowohl die wirtschaftliche Entwicklung als auch der Zeitgeist wider. Im Laufe der Zeit standen die Privaten manchmal in Konkurrenz zu staatlichen Institutionen, mitunter arbeiteten sie Hand in Hand.
In Sicherheit leben zu können, war zu allen Zeiten ein Grundbedürfnis. Andere Menschen und ihr Hab und Gut zu beschützen, war daher ein einträgliches Geschäft. Aus dem Mittelalter kennen wir zahlreiche Verträge, in denen das Geleitswesen geregelt war. Besorgte Kaufleute heuerten zum Schutz ihrer Warenzüge Bewaffnete an. In den Städten sorgten von den Bürgern gestellte Wachmannschaften und Nachtwächter für Sicherheit. Auf dem Lande übernahm die Landwehr diese Aufgabe.

Sicherheit. Staatlich und privat

Aus dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen entwickelten sich einerseits die staatliche Institution der Polizei, andererseits private Sicherheitsunternehmen. In dem im Jahr 1794 erlassenen Preußischen Allgemeinen Landrecht wurde besonders betont, die Polizei sei dazu da, die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung zu erhalten und die Bevölkerung vor Gefahren zu schützen. Im 19. Jahrhundert stiegen mit der aufkommenden Industrialisierung gerade in den Städten die sozialen Spannungen. In Preußen ordnete man daher im Jahr 1830 an, in Städten, in denen keine Soldaten stationiert waren, bei Bedarf Sicherheitsvereine zu gründen. Die Verantwortung für deren Aufstellung lag in den Händen der Landräte, in den kreisfreien Städten war dafür die Ortspolizeibehörde verantwortlich. Die Sicherheitshelfer erhielten als Kennzeichnung weiße Armbinden mit dem Aufdruck „Städtischer Sicherheitsverein“.

In Preußen setzte man zunächst auf Zentralisierung und die Stärkung der Staatsmacht, daher unterstellte man im Jahr 1851 die Berliner Nachtwächter der Polizei. Zunächst stieg die Kriminalität in der Hauptstadt jedoch weiter an. Erst nach der Reichsgründung im Jahr 1871 und einer deutlichen Erhöhung der Zahl der Polizisten, verbesserte sich die Sicherheitslage in der Hauptstadt und auch in den größeren Städten des Reiches spürbar. Problematisch blieb jedoch die Lage in den kleineren Städten.

Befriedigend war die Sicherheitslage der Bürger nicht. Eine mögliche Lösung wäre gewesen, mehr Polizisten einzustellen, aber dies hätte höhere Steuern bedeutet und es war keineswegs immer gegeben, dass die Polizisten bessere Arbeit leisteten als die Nachtwächter. Gerade die Bürger, die ein besonderes Schutzbedürfnis hatten, wollten sich nicht allein auf den staatlichen Schutz verlassen.

 Nachtwächter einer Kleinstadt um 1905
© Von Autor unbekannt - eigene reproduktion, das Original mehr als 100 Jahre alt, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9445473

Wach- und Schließ

Der Berliner Kaufmann Lachmann N. Jacob reiste in die USA, weil er von den dort entwickelten neuen Sicherheitskonzepten gehört hatte. Diese waren eng verbunden mit dem Namen Alan Pinkerton, der in der Neuen Welt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts auf die neuen Herausforderungen abgestimmte Komplettlösungen anbot. Dabei vereinigte er Neues mit Altem, bot also bewaffnete Schutzleute für Warenlieferungen an, beschützte das Eigentum reicher Amerikaner, stellte Wachmannschaften in den modernen Fabriken und baute eine Detektei auf, die neben der Polizei auf Verbrecherjagd ging und Kriminalprävention betrieb.

Lachmann erkannte, dass die Bewachung der Fabrikanlagen, die in der Gründerzeit im Deutschen Reich wie Pilze aus dem Boden schossen, ein Zukunftsmarkt war. Zusammen mit Fritz Salomon gründete er daher unmittelbar nach seiner Amerikareise im Jahr 1901 in Hannover das Unternehmen „Hannoversches Wach- und Schließinstitut Jacob & Co“. Die Dienste der neuen Firma konnte jeder in Anspruch nehmen, der dafür bezahlte. Auch in Köln erkannte man das Potential, das in dieser neuen Form der Sicherheitsdienstleitung steckte. Bald gab es darüber hinaus Dependancen in Hildesheim und Magdeburg. Bereits im Jahr 1904 bewachten in nahezu allen großen deutschen Städten Wachmänner die Fabrikanlagen und ihre wertvollen Maschinen und Güter. Die Wach- und Schließgesellschaften, deren Logo häufig gekreuzte Schlüssel waren, boten maßgeschneiderte Lösungen, die die staatliche Polizei in dieser Form nicht anbieten konnte. Auch auf dem Münchener Oktoberfest waren seit dem Jahr 1902 vier Wächter und ein Oberwächter der Wach- und Schließgesellschaft im Einsatz. Sie bewachten die Festwiese.

Die Erfolge sprachen sich herum und brachten einen weiteren Aufschwung. Auch in kleineren Gemeinden erkannte man den Nutzen der Sicherheitsfirmen und förderte zum Beispiel in Pasing deren Aufbau mit einer ansehnlichen Anschubfinanzierung. Im Jahr 1904 gründeten die Kölner Sicherheitsfirmen die „Centralstelle der vereinigten Wach- und Schließgesellschaften, Kölner Verband e. V.“ und rührten sogleich eifrig die Werbetrommel. So legte man der interessierten Öffentlichkeit vor, dass innerhalb von nur zehn Tagen im November 1904 die Wächter 15 Einbrecher festnahmen und 28 von ihrer Straftat abhalten konnten. Auf den Tag genau ein Jahr später las sich die Erfolgsbilanz noch eindrucksvoller: 54 Festnahmen und 65 verhinderte Einbrüche.

Das Kerngeschäft der Wach- und Schließgesellschaften war jedoch nicht die Verbrecherjagd. Für das Jahr 1904 belegt die Verbands-Statistik, dass die Wachleute bei ihren Kontrollgängen mehr als 140.000 unverschlossene Haustüren vorgefunden hatten, des Weiteren mehr als 1.500 unverschlossene Fabriken und Lager und 4.321 Fenster. Und in nahezu 80.000 Fällen öffneten sie den rechtmäßigen Besitzern die Haustüren.

Diese Tätigkeiten setzten ein hohes Maß an Vertrauen voraus, das meist, aber nicht immer, gerechtfertigt war. Mitunter wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Solche Fälle kamen ans Licht und schädigten den guten Ruf der Sicherheitsfirmen.

Die Centralstelle in Köln stemmte sich mit aller Kraft gegen die schlechte Presse und wandte sich an das preußische Innenministerium. Um nur unbescholtene Mitarbeiter zu verpflichten, baten sie um vertrauliche Informationen über das Vorleben der Bewerber. Offensichtlich ordnete man damals den Datenschutz den allgemeinen Sicherheitsinteressen unter; denn meist kamen die Behörden dieser Bitte nach. Zum Teil mussten die Firmen für die Einsicht in die Kriminalakten ein stattliches Entgeld zahlen, wie zum Beispiel in Würzburg, wo für jede Überprüfung drei Mark fällig wurden.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kamen viele Wachleute an die Front. Insbesondere in den Fabriken ergaben sich dadurch bald Sicherheitslücken, daher stellte man für einige Aufgaben auch Frauen ein. Im Herbst 1915 suchte man zu diesem Zweck in Berlin „besonders kräftige und stattliche Frauen“. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, die häufig mit einem Säbel oder gar einem Revolver bewaffnet waren, gestand man den Frauen lediglich einen Gummiknüppel zu. Im weiteren Verlauf des Krieges wuchs das Personalfehl der Sicherheitsfirmen, weshalb auch Kriegsversehrte als Wachleute angestellt wurden.

Am Ende des Krieges und in den Jahren danach herrschten in Deutschland chaotische Verhältnisse: Im Jahr 1922 wurden in Berlin fast 55.000 Einbrüche registriert, im Jahr 1900 waren es nur rund 600 gewesen. Die Sicherheitsunternehmen mussten bei sinkenden Mitarbeiterzahlen immer größere Aufgaben bewältigen. Probleme bereitete in der Revolutionszeit 1918/19 die Bewaffnung der Wachleute. Zum Teil mussten die dafür notwendigen Genehmigungen bei den Arbeiter- und Soldatenräten eingeholt werden. Waffen waren aber dringender denn je, da die Kriminellen immer rücksichtsloser vorgingen. Gleichzeitig kamen neue Formen der Kriminalität auf, etwa die Fassadenkletterer oder Panzerknacker, die die Sicherheitsfirmen vor große Herausforderungen stellten. In der Theorie versuchte man, der Lage durch neue Organisationen Herr zu werden. Aus dieser Zeit stammen Pläne, neben der staatlichen eine Privatpolizei aufzubauen. All dies sollte unter dem Dach einer „Deutschen Bewachungsgesellschaft“ vollzogen werden. Die Pläne zerschlugen sich, aber die Probleme blieben. Sicherheitsfirmen kamen und gingen, immer wieder wurden Firmen von der Polizei verboten, weil sie weniger dem Gemeinwohl dienten als dem Gemeinwohl schadeten; denn mitunter steckten dahinter politische Gruppierungen, die die Weimarer Republik aus ihren Angeln heben wollten.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich in den privaten Sicherheitsfirmen vieles. Die jüdischen Besitzer verkauften ihre Unternehmen. Zunächst noch freiwillig, später dann gezwungenermaßen. Alfred Mannheimer, der als Nachfolger von Lachmann N. Jacob das „Hannoversches Wach- und Schließinstitut Jacob & Co“ lange Jahre erfolgreich geführt hatte, veräußerte die Firma an seinen Prokuristen. Auch für die anderen Wachunternehmen waren die Zeiten schwierig. Obwohl in den ersten Jahren der NS-Zeit noch eine hohe Arbeitslosigkeit zu beklagen war, nahm die Zahl der in Sicherheitsunternehmen Beschäftigten zwischen 1933 und 1937 lediglich von etwa 8.000 auf 10.000 zu. Besonders schwierig war es für die Firmen in den ländlichen Gebieten des Reiches. In einer Verbandszeitschrift brachte dies ein anonymer Autor auf den Punkt, indem er ausführte, in der Bevölkerung herrsche die Ansicht vor: „Zu was brauchen wir denn heute noch eine Wach- und Schließ! Durch die heutige Staatsordnung, die Polizei überall wo man hinkommt, herrscht Ordnung. Wer getraut sich denn da noch einzubrechen?“1 Ganz ohne Zweifel traten auch SA und SS als Konkurrenz zu den privaten Sicherheitsdienstleistern auf. Ob die Parteigenossen jedoch für mehr Sicherheit für alle Bürger sorgten, darf mehr als bezweifelt werden.

Die seit 1936 boomende Rüstungsindustrie brachte für die Sicherheitsdienstleister einen deutlichen Aufschwung und die Beschäftigungszahlen in den Wach- und Schließfirmen stiegen deutlich an. Der Werkschutz etablierte sich und lockte mit guter Bezahlung. Hier waren aber auch in jeder Hinsicht zuverlässige Mitarbeiter gefordert, die dem Zeitgeist entsprechen mussten. So kam es, dass mit der Schaffung des Berufswachmannes nur noch „deutschblütige“ Mitarbeiter eingestellt wurden. Im Jahr 1939 stieg die Zahl der im Sicherheitsgewerbe Beschäftigten auf rund 12.000 an.

Die ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs brachten für die Sicherheitsbranche nur geringe Einbußen, aber einige Veränderungen. So wurden die in militärischen Anlagen eingesetzten Wachleute dienstrechtlich mit Soldaten gleichgestellt. Dies bedeutete, dass sie bei einem Dienstvergehen – zum Beispiel einem Wachvergehen – vor ein Kriegsgericht gestellt wurden. Probleme gab es zunehmend seit 1942. Es fehlte der Sicherheitsbranche an Personal, weil viele Wachmänner zur Wehrmacht einberufen wurden und gleichzeitig die Aufgaben wuchsen. So waren es in zunehmender Zahl private Wachleute, die die meist russischen Kriegsgefangenen bewachen mussten. Mehrere Maßnahmen sollten die angespannte Personallage mildern. Unter anderem wurde das Eintrittsalter in den Wachdienst von 24 auf 21 Jahre gesenkt und seit dem Frühjahr 1942 war es unter bestimmten Voraussetzungen auch möglich, Frauen im Wachdienst zu beschäftigen.

Der 8. Mai 1945 war für die Wachdienste nicht die Stunde Null. Es ging weiter, unter neuen politischen Vorzeichen und mit einer Vielzahl neuer Probleme, aber die Aufgaben der Wach- und Schließdienste blieben gleich.

Dienstgebäude für das Preußische Staatsministerium und die General-Ordens-Kommission in der Berliner Wilhelmstraße 63, ca. 1904
© Von W. Van Delden - https://architekturmuseum.ub.tu-berlin.de/P/126331.php, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=80401399

Nur ausnahmsweise bewaffnet

Die Alliierten hatten nach Kriegsende zahlreiche Maßnahmen getroffen, um Deutschland rasch zu befrieden. Dazu gehörte auch zunächst ein nahezu ausnahmsloses Waffentrageverbot, unter das auch private Wachunternehmen fielen. Da Ende der 1940er Jahre die Zahl bewaffneter Raubüberfälle noch einmal anstieg, drängte das Bundesministerium des Innern (BMI) auf eine Aufhebung dieses Verbots. Am 20. März 1950 schrieb das Ministerium an die Verbindungsstelle zu den Alliierten im Bundeskanzleramt – den Vorgänger des Auswärtigen Amtes. Man bat die Kollegen, bei der Alliierten Hohen Kommission vorzusprechen, um für Bank- und Postangestellte, die hohe Geldbeträge verwahrten, die Genehmigung zum Führen einer Waffe – mindestens eines Gummiknüppels – zu erwirken.2

Bundeskanzler Adenauer gab sich mit dieser Minimallösung nicht zufrieden. Er schrieb wenige Tage später an Botschafter André Francoise-Poncet bei der Alliierten Hohen Kommission und bat, dass „Postbeamten und Personen, die im Rahmen ihrer Dienstobliegenheiten mit der Sicherung von Geldtransporten oder mit der Verwaltung grösserer Geldbeträge beauftragt sind, ... die Führung von Schusswaffen gestattet wird.“ Die Alliierten entschieden am 11. August durchaus im Sinne des Bundeskanzlers. Sie ordneten an, Anforderungen aus den Bundesländern sollten zukünftig an den jeweiligen Ministerpräsidenten gerichtet werden.

Keine Waffen für private Wachdienste

Unter den privaten Sicherheitsunternehmen nahmen die Klagen über die hohe Gefährdung ihrer Mitarbeiter seit Anfang des Jahres 1950 zu. Am 28. Februar schrieb die „Vereinigung der Niedersächsischen Industrie- und Handelskammern“ an die Bundesregierung. Sie verwies auf die zunehmende Zahl von Raubüberfällen auf Sparkassen- und Bankboten, die sich in ihrem Bundesland ereigneten. Sie baten, die „Genehmigung zur Führung von Schußwaffen für alle diejenigen Firmenangehörigen zu erwirken, die im Rahmen ihrer betrieblichen Aufgaben damit betraut sind, größere Geldbeträge und Wertobjekte zu transportieren oder – wie Bankangestellte – im Publikumsverkehr zu verwalten.“ Wenig später wandte sich der Deutsche Raiffeisenverband mit einer nahezu gleichlautenden Formulierung an das Bundesministerium des Innern.

Am weitesten ging der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) in Frankfurt. Die Interessenvertreter sprachen sich wegen der gestiegenen Zahl von Überfällen in einem Brief am 17. März 1950 für die „Ausrüstung von Bankangestellten, Angehörigen des Werkschutzes, der Industrie und anderen Angestellten der gewerblichen Wirtschaft mit Schusswaffen“ aus. Darüber hinaus brachten sie noch ein Argument vor, das angesichts der hohen Kriminalitätsraten und der Personalnot der Polizei bei den Regierenden auf fruchtbaren Boden fallen musste: „Bei schlagartigen, gut ausgeklügelten Raubüberfallen“ könne nicht unbedingt „auf Polizeischutz gerechnet werden“. Schließlich könnten die Ordnungshüter „nicht überall vorbeugend oder – selbst bei sofortiger Benachrichtigung – schützend eingreifen.“ Sie sprachen damit zwar auch einer teilweisen Lockerung des staatlichen Gewaltmonopols das Wort, weckten aber angesichts der notorischen Geldknappheit der jungen Republik dennoch das Interesse der Politiker.

Der DIHT hatte den richtigen Ton getroffen. Hans Globke, der engste Vertraute des Bundeskanzlers, leitete die Bitte der Lobbyisten an die Verbindungsstelle zur Alliierten Hohen Kommission weiter. Auch dort zeigte man sich für die Bewaffnung der Wachleute aufgeschlossen. Allerdings dachte man weniger an die Möglichkeit, Geld zu sparen. Die Siegermächte hatten vielmehr die Wirkung auf die Öffentlichkeit im Auge, wenn „auch eine so bedeutsame Institution wie der Deutsche Industrie- und Handelstag die Bewaffnung des besonders gefährdeten Personenkreises für unentbehrlich hält.“

Gefahren im Wachdienst

Besonders rührig war in der Frage der Bewaffnung der Mitarbeiter der „Zentralverband des Deutschen Bewachungsgewerbes“. Dessen Direktor, Erich Flesche, hatte Ende Februar 1950 mit dem BMI-Referenten Dr. Hagemann gesprochen. Dieser riet ihm, sein Anliegen angemessen zu begründen. Daraufhin verfasste der Zentralverband am 1. März 1950 sein „Rundschreiben Nr. 8“. Darin bat er seine Mitglieder, möglichst rasch drei Fragen zu beantworten, um so genügend Argumente für eine Bewaffnung der Wachmänner beizubringen:

  1. In welchen Fällen sind Wachmänner bei Zusammenstößen mit Einbrechern ums Leben gekommen, weil sie unbewaffnet waren?
  2. In welchen Fällen konnten größere Einbrüche durch Fehlen von Waffen nicht verhindert werden?
  3. Wann konnten Einbrecher nicht gestellt werden, weil unsere Wachmänner ohne Waffen waren?

Wahrscheinlich auch auf Anraten Dr. Hagemanns – der im Juli 1951 der erste Präsident des Bundeskriminalamtes wurde – ging der Zentralverband des Deutschen Bewachungsgewerbes in einem Schreiben an das BMI auf die guten historischen Erfahrungen mit bewaffneten Wachmännern ein. Erich Flesche formulierte in einem Brief vom 23. März 1950 selbstbewusst: „Es darf als bekannt angenommen werden, dass sich die Ausrüstung der Wachmänner des privaten Bewachungsgewerbes mit Pistolen, wie dies seit Bestehen dieser Unternehmen bis zur Durchführung der allgemeinen Entwaffnungsaktion im Jahr 1945 durchgeführt war, sehr bewährt hat und diese Maßnahme wesentlich zur Erhöhung der allgemeinen Sicherheit beigetragen hat.“ Und er betonte: „In diesem Zusammenhang darf erwähnt werden, dass gewisse Gruppen von Zivilisten, wie beispielsweise Bankboten und Kassierer bereits die Erlaubnis erhalten haben, Waffen zu tragen.“

Bundesministerium des Innern, Eingang Dienstsitz Bonn
© Von Sir James - Eigenes Werk, CC BY-SA 2.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3575061
Ohne Zweifel zeigten auch die 25 Anlagen des Briefes, in denen Mitglieder des Verbandes Belege für die prekäre Lage auflisteten, bei den Ministerialbeamten Wirkung. Die „Düsseldorfer Wach- und Schließgesellschaft“ gab „zur Vorlage bei Behörden“ insgesamt 50 „besonders eindrucksvolle Fälle bekannt, in denen entstandener Schaden restlos verhütet oder wir Gesetzesübertreter fraglos festgenommen hätten, wenn unser Wachpersonal, wie vor 1945, mit Schusswaffen ausgerüstet wäre.“ Im Anschluss daran führten die Düsseldorfer Beschreibungen der spektakulärsten Vorfälle an:

  • „24. 10. 45: Am Haus Corneliusstr. 108 stiess unser Wachtmann Gerigk auf 4 Einbrecher bei Abon. (Abonnent, d. Verf.) Quadflieg. Nach Anruf ergriffen sie die Flucht. Einer griff den Wachtmann an und schlug ihn. Auf der Flucht gab einer der Täter einen Pistolenschuss ab. Herbeigeeilte englische Polizeistreife kam zu spät.“
  • Manchmal blieb es nicht bei einer Rauferei oder einem Schuss in die Luft, sondern mitunter endeten solche Vorfälle für die Wachleute tödlich:
  • „14. 3. 46: Gegen 5 Uhr wurde in das Schuhwarengeschäft Ecke Mauer- und Nordstr. eingebrochen. Die Täter wurden von dem Wachtmann Wahnemühl gestellt, als sie ihre Beute abtransportieren wollten. Die Täter gaben vier Schüsse ab, wodurch Wahnemühl durch Kopfschuss tödlich verletzt wurde.“

Nicht selten entluden die Täter aufgestaute Aggressionen an den Wachmännern:

  • „13. 7. 47: Gegen 3 Uhr fuhr ein Lastkraftwagen an der Baustelle Planetarium der Firma Holzmann vor. 6 Männer entstiegen, umzingelten unseren Wachtmann Lemmer, warfen mit Backsteinen und schlugen solange auf diesen ein, bis er bewusstlos und schwerverletzt zusammenbrach. Lemmer hat lange Zeit im Krankenhaus gelegen.“

Über ähnliche Vorfälle berichtete auch die „Frankfurter Wach- und Schließ KG Koch & Co.“ Am 20. Januar 1946 ereignete sich ein Einbruch in das Wildbretlager der Firma Bachmann: „Spezialwachmann Bergmann, der den Einbrechern ohne Waffe gegenüberstand, wurde auf der Stelle mit einer schweren Eisenstange totgeschlagen.“ Nach einem Vorfall im März 46, bei dem der Wachmann Heinrich Müller I von einem Einbrecher angeschossen worden war, hatte sich die Firma an den Polizeipräsidenten von Frankfurt gewandt und eindringlich gebeten, die Bewaffnung der Wachmänner zu erlauben. Dessen Vorstoß bei der Militärregierung blieb jedoch ohne Ergebnis.

Auch das „Hannoversche Wach- und Schließ-Institut – Ältestes Bewachungsunternehmen Deutschlands, gegründet 1901“ beteiligte sich an der Befragung des Zentralverbands. Die Firma dokumentierte mehrere Verbrechen, bei denen die schwer bewaffneten Täter besonders rücksichtslos vorgingen: „Am 15. März 1947 wurde der Oberwachmann Roman Plewnia gegen 4.00 Uhr morgens bei der Innenrevision des Hofes der Firma Güse, Hannover, Kl. Aegidienstrasse durch Verbrecher, die beim Einbruch überrascht wurden, vermittels einer Maschinenpistole durch sechs Schüsse tödlich verletzt.“ Nicht besser erging es sieben Tage später dem Wachmann Siegfried Wintzus. Er entdeckte bei seiner Streife in der Brandesstrasse „mehrere verdächtige Personen, die sich an einem PKW zu schaffen machten. Als Wintzus auf die Leute zuging, erhielt er aus einer Maschinenpistole eine Anzahl Schüsse durch Brust und Leib. An den Folgen dieser Verletzungen ist Wintzus nach einigen Monaten verstorben.“

Ebenfalls über zwei Tötungsfälle berichtete die Münchener Wach- und Schließgesellschaft. Am 29. Dezember 1945 wurde beim Kontrollieren der Separatwache Kathreiner der Wachmann Reiter von Einbrechern erschossen. Wachmann Höpfl kam auf den Tag genau zwei Jahre später ums Leben, als er in der Separatwache Bavarian Truck Companie von Einbrechern überfallen, „mit einer Eisenstange niedergeschlagen, geknebelt und ausgeplündert wurde. Am Morgen wurde der Wachmann tot in der Baracke aufgefunden.“

Mit eindrucksvollen Beispielen belegte die „Wach- und Schließgesellschaft Rhein-Wupper“ aus Leverkusen-Wiesdorf die Wehrlosigkeit ihrer Wachleute. Diese würden „von den Verbrechern oft geradezu verhöhnt, weil diese zu gut wissen, daß ihre Verfolger waffenlos sind. So habe ein überraschter Einbrecher die Aufforderung des Wachmannes ‚Halt oder ich schieße!’ mit der freundlichen Einladung des Götz von Berlichingen beantwortet, wohl wissend, daß der Wächter mit seinem Anruf nur bluffte.“ Ähnlich sei es anderen Mitarbeitern ergangen: „Mehrere überraschte Einbrecher wurden von unseren Wachleuten über Zäune und Hecken hinweg verfolgt, wobei sie sich über die Wächter lustig machten. Der eine rief: ‚Schieß doch mit Deinem Spazierknüppel, Du Angeber!“

Auch die Wach- und Schliessgesellschaft „Heimatschutz“ aus Bad Nauheim, die Nürnberger Wach- und Schliessgesellschaft und der Wach- und Schliessdienst Aalen berichteten über zahlreiche Fälle, in denen durch bewaffnete Wachleute Straftaten hätten verhindert werden können.

Wohl im Übereifer wurden in manchen Fällen die Möglichkeiten einer Schusswaffe deutlich überschätzt. So berichtete der Unterländer Wach- und Streifendienst aus Heilbronn am Neckar: „Unser Revierwachmann Emil Oppenländer, geb. 26. 11. 1910, wohnhaft in Weinsberg, wurde am 17. März 1947 vorm. 2.40 Uhr in Ausübung seines Wachdienstes von Einbrechern, die er auf frischer Tat ertappte, erschossen. Hätte Oppenländer eine Schusswaffe bei sich gehabt, so wäre er den vorliegenden Umständen nach in der Lage gewesen, den auf ihn erfolgten Angriff erfolgreich abzuwehren.“

Der Nachtwach- und Schließdienst aus Stuttgart versprach sich durch eine Bewaffnung seiner Wachleute einen besonders großen Effekt für die Erhöhung der Sicherheit. Aus den zurückliegenden Jahren listeten sie die Fälle auf, die nach ihrer Ansicht durch bewaffnete Wachleute hätten verhindert werden können: 1947: 41; 1948: 44; 1949: 59; 1950: 12 (bis zum 9. März 1950).

Einige Sicherheitsfirmen hingegen rieten ihren Mitarbeitern zur Zurückhaltung. Der Inhaber des Tölzer Wach- und Schließ-Instituts beantwortete die Frage des Zentralverbands, in wie vielen Fällen Wachmänner bei Zusammenstößen mit Einbrechern ums Leben gekommen seien: „In keinem Fall, weil es bisher aus begreiflichen Gründen vermieden wurde, sich mit bewaffneten Banden auseinanderzusetzen, um nicht das Leben der Wachmänner bei einem von vornherein aussichtslosen Kampf aufs Spiel zu setzen.“

Mehrere Wachunternehmen führten in ihren Beispielen an, dass es sich bei den Tätern, mit denen ihre Wachleute konfrontiert wurden, um Ausländer handelte. So berichtete der Ettlinger Wach- und Schlüsseldienst: „Kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres (1949, d. Verf.) drangen DPs. (Displaced Persons, d. Verf.) in eine hiesige Villa ein. Sie wurden jedoch von dem Wohnungsinhaber überrascht und schossen diesen nieder. Die Polizei und ein Wachmann von mir verfolgten die Täter und konnten diese noch kurz vor dem Eintritt in das DP Lager festnehmen. Auch hierbei war der Wachmann waffenlos. Hätte nicht die Polizei Schusswaffen gehabt, so wäre es unmöglich gewesen, die Täter am Eintritt des DP Lagers zu hindern. Die verruchte Tat wäre somit ungesühnt geblieben, da die deutsche Polizei keine Berechtigung hat das DP Lager zu betreten.“

Von zahlreichen Einbrüchen in ihrem Zuständigkeitsbereich berichteten die Wach- und Schließgesellschaften aus Ingolstadt, Bad Hersfeld und Osnabrück. Die Braunschweiger Wach- und Schließgesellschaft schrieb, in ihrem Bezirk würden Nacht für Nacht etwa vier bis fünf Einbrüche verübt, „meist von Polen und Ukrainern.“

Das Bundesministerium des Innern sah ebenso eine Notwendigkeit, die Angehörigen der Wachfirmen zu bewaffnen. Jedoch war man nicht sicher, ob die Behauptung, Bankboten und Kassierer dürften Waffen führen, richtig war. Die Ministerialbeamten baten daher den Zentralverband des Deutschen Bewachungsgewerbes um Belege. Dieser Bitte kamen die Verbandsvertreter umgehend nach und sandten ins Ministerium die Kopie einer Vorschrift der amerikanischen Militärregierung über die „Bewaffnung der deutschen Polizei.“ Darin stand der Passus, eine Waffe könnte erhalten: „notwendiges Personal öffentlicher oder privater Banken oder ähnlicher Finanzinstitute, um Bankdepots oder flüssigen Guthaben angemessene Sicherheit zu bieten.“ Offenbar war aber auch der Zentralverband nicht vollends über die Rechtslage informiert; denn die Hohe Kommission der Französischen Republik hatte in Deutschland am 18. November 1949 entschieden, dass Banken eine Pistole und Zentralinstitute zwei Handfeuerwaffen auf Antrag erhalten konnten. Hätten die Verbandsvertreter den französischen Erlass gekannt, hätten sie diesen wohl auch ihrem Brief an das BMI beigefügt.

Bayerische Sparkassen werden bewaffnet

Die Bewaffnung der Angestellten in bayerischen Stadt- und Kreissparkassen bestand im Frühjahr 1950 nicht nur auf dem Papier, wie anhand eines Beispiels aus München nachgewiesen werden kann. Am 13. April 1950 teilte der Bayerische Sparkassen- und Giroverband der Münchener Stadtsparkasse mit, vom Waffenamt im Bayerischen Staatsministerium des Innern hätten sie unlängst die ersten bestellten Pistolen erhalten. Da damals ein „Postversand nicht zulässig“ war, bat man die Sparkasse, eine Pistole des Herstellers FN, Model 1910/22 mit der Seriennummer 139381 und die dazugehörenden 75 Patronen im Kaliber 7,65 mm selbst in Empfang zu nehmen.

 Browning 1910 From flickr user handvapensamlingen - Pistols used in Norway.
© Von Askild Antonsen - Browning 1910, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=56166243

Ausführlich beschrieb der Dachverband der Sparkassen die rechtlichen Bedingungen, unter denen die Waffe ausgegeben werden durfte. Unter anderem war für das Führen der Besitz eines gültigen Waffenpasses erforderlich, den die zuständige Polizeibehörde ausstellte. Ausdrücklich wiesen sie darauf hin, dass für eine Pistole mehrere Waffenpässe ausgestellt werden könnten. So sei es möglich, „die Waffe je nach Bedarf zum Schalterschutz und auch zum Schutz von Geldtransporten usw. einzusetzen.“ Und sie verwiesen – wohl aus gutem Grund – darauf: „Auf keinen Fall darf also die Waffe von einer Person geführt werden (auch nicht in einem geschlossenen Raum, dementsprechend auch nicht am Schalter), die hierzu nicht durch einen Waffenpaß legitimiert ist.“ Große Patronenkapazitäten waren damals kein Thema. Eher scheint man den Grundsatz „weniger ist mehr“ vertreten zu haben; denn es hieß in dem Brief: „Das Waffenamt hat hierbei zur Bedingung gemacht, daß der waffenführenden Person nur 18 Patronen übergeben werden und die restliche Munition in sichere Verwahrung genommen wird. Unseres Erachtens wird es genügen, wenn das Magazin der Pistole gefüllt ist. Eine Reserve dürfte für den Waffenträger nicht notwendig sein.“ Und auch für das Übungsschießen mahnten die Verbandsoberen zur Mäßigung, indem sie vorschlugen, der Munitionsverbrauch für Übungs- und Probeschießen „soll insgesamt 15 (der Ihnen zugewiesenen 75) Patronen nicht überschreiten.“ Für Waffenträger, „die Wehrdienst geleistet haben und von dort her mit der Handhabung vertraut sind“, seien „Übungen mit der Waffe entbehrlich“. Und auch in den weiteren Belehrungen spiegelt sich der Zeitgeist wider. So wurde dringend geraten: „Keine Zuschauer bei den notwendigen Manipulationen, beim Auseinandernehmen und bei der Pflege der Pistole. Insbesondere Jugendliche und Frauen fernhalten!“

Seit 1952 erhielten die bayerischen Sparkassen die erforderlichen Pistolen nicht mehr vom Waffenamt des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, sondern sie konnten diese bei konzessionierten Waffenhändlern kaufen. Für München hatte man eine Regelung getroffen, wonach die Sparkassen die Pistolen mit einem Rabatt von acht Prozent erwerben konnten. Dieser Nachlass war für fünf unterschiedliche Modelle ausgehandelt worden: Die damals noch bei Manurhin gefertigten „Walther PP“, die mit einem Listenpreis von 271,- DM angeboten wurden, und weitere Pistolen im Kaliber 7,65 mm der Marken „Astra“ für 189,- DM, Berettta (180,- DM) und die französische MAB, Modell C für 150,50,- DM. Des Weiteren bestand die Möglichkeit, auch eine Beretta Pistole im Kaliber 6,35 mm zum Stückpreis von 135,- DM zu erwerben. Die Verbandsvertreter machten aus ihren Präferenzen kein Hehl und favorisierten – wohl auch zur Freude des Waffenhändlers – das teuerste Modell: „Die größten Vorzüge weist zweifellos die Walther-Pistole auf, ein deutsches Modell, das in Lizenz durch die Manufacture de Machines du Haut-Rhin in Mühlhausen-Burtzweiler (Elsaß) hergestellt wird.“ Und sie scheuten sich auch nicht, vor einem Modell zu warnen: „Wie wir aus berufenem Munde (nicht von der Angebotsfirma) erfahren, soll sich die französische MAB-Pistole nicht bewährt haben.“

Bundeskanzler Adenauer will Bewaffnung

Konrad Adenauer (1952)
© Von Bundesarchiv, B 145 Bild-F078072-0004 / Katherine Young / CC BY-SA 3.0 DE, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5356485
Während für die bayerischen Sparkassen der Waffenerwerb befriedigend geregelt war, kämpften die privaten Sicherheitsdienstleister im Frühjahr 1950 noch um die Bewaffnung ihrer Wachleute. Dabei wurden sie vom Bundeskanzleramt unterstützt. Die Alliierten sahen offensichtlich keinen gravierenden Unterschied zwischen Bankangestellten, die Geldbeträge transportierten, und den Mitarbeitern privater Sicherheitsfirmen und ließen sich mit der Antwort auf die neuerliche Anfrage Zeit. Als das Bundeskanzleramt und das BMI einige Zeit später daher bei den Alliierten anfragten, wann eine befriedigende Lösung getroffen und dann auch in der Praxis umgesetzt würde, antworteten die Alliierten gleichlautend, es sei alles geregelt, und beriefen sich auf ihren Brief vom 11. August 1950.

Nachdem der Zentralverband diese Mitteilung erhalten hatte, versuchten mehrere Bewachungsunternehmen in unterschiedlichen Bundesländern für ihre Wachleute Pistolen zu beantragen. Ohne Erfolg. Der Geschäftsführer des Zentralverbands sprach daraufhin am 21. April 1951 mit Dr. Hagemann im BMI. Dieser riet ihm wiederum dazu, seine Bitte schriftlich vorzubringen. Drei Tage später schrieb er daher an das BMI und schilderte in Hessen, Württemberg-Baden, Bayern und Nordrhein-Westfalen seien Anträge, Wachleuten das Führen einer Schusswaffe zu genehmigen, abgelehnt worden. Dies wertete der Verbandsvertreter im Vergleich mit Förstern und Jäger als ungerecht; denn diese erhielten aufgrund der Entscheidung der Alliierten vom 11. August 1950 recht problemlos Waffen. Auch der Deutsche Industrie und Handelstag klagte zur gleichen Zeit, die Anträge auf Waffenscheine würden in den Ländern reihenweise abgelehnt. Das Auswärtige Amt, das Bundeskanzleramt und das Bundesinnenministerium vertraten die Auffassung, unter die Entscheidung der Alliierten über die Schusswaffen würden auch die privaten Wachleute fallen. Die Länder jedoch ließen sich von den Überzeugungen des Bundes nicht beirren und lehnten die Waffen-Anträge nach wie vor ab. Sie begründeten dies mit dem Fehlen einer eindeutigen Regelung über das Führen von Schusswaffen durch Angehörige von Bewachungsunternehmen.

Schließlich war eine gezielte Indiskretion notwendig, um den Ausweg aus der Sackgasse zu finden und die Wachleute endlich bewaffnen zu können. Am 4. Juli 1951 meldete die Rheinische Post: Aufgrund einer Ermächtigung des britischen Landeskommissars Lingham vom 25. Juni „dürfen Waffenscheine an Personen ausgegeben werden, zu deren Aufgaben insbesondere der Schutz von Leben und Eigentum gehört, oder die aufgrund ihrer Tätigkeit besonderen Angriffsgefahren ausgesetzt sind, für deren Abwendung der normale Polizeischutz nicht ausreicht.“

Nachdem auch in Bayern die amerikanische Hohe Kommission die Bewaffnung der privaten Wachleute geregelt hatte, informierte das BMI am 18. Juli 1951 alle Landesinnenminister über die „Bewaffnung von Wachleuten des Bewachungsgewerbes“. Es wurde betont, die Entscheidung der Alliierten vom 11. August 1950 sei auch auf die Wachleute anwendbar und sie verwiesen auf die in Nordrhein-Westfalen und in Bayern getroffenen Entscheidungen.

 

 Quellen:

1  Helmut Brückmann: „Wach – Heil!“ Das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Wandel der Zeit. In: CD Sicherheits-Management Nr. 6, 2001, S. 142-158. Hier S. 148.
2  Diese und die weiteren Zitate stammen aus Archivalien im Bestand des Bundesarchivs Koblenz, Bestand B 106, Nr. 17267.

 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
Weitere Artikel des Autoren