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Bedrohungen am Arbeitsplatz durch Kunden

Von Steffen Meltzer

Unternehmensangestellte und Behördenmitarbeiter klagen immer mehr über eine zunehmende Aggressivität und Gewalt. Angestellte im Außendienst, Busfahrer, Krankenpfleger, Verkäufer im Einzelhandel, ja selbst Verwaltungsangestellte u.v.m. sind immer mehr verbalen und körperlichen Attacken ausgesetzt. In mehreren Fällen sind Mitarbeiter sogar getötet worden. Auch Sachbeschädigungen sind beileibe keine Seltenheit, der wirtschaftliche Schaden ist enorm.

Worin liegen die Ursachen für das gesteigerte Angriffspotenzial?

Eine wesentliche Ursache ist im Konsumdruck zu suchen. Es gibt immer weniger Menschen, die finanziell mithalten können. Der Anteil an Hartz-IV-Empfängern steigt kontinuierlich. Der Markendruck ist nicht zu unterschätzen: Der Wunsch nach einem schicken Auto, Skiurlaub in Österreich, dem teuren Smartphone und natürlich Bekleidung nach neuestem Trend, selbst bei Kindern, stellt ein großes Frustrationspotenzial dar. Überschuldet hat man selten gute Laune und ist anfällig für aggressives Verhalten aus dem geringsten Anlass. Schaut die Verkäuferin dann „falsch“, kann das ausreichen, das Fass zum Überlaufen zu bringen.
Es gibt Menschen, die haben eine grundlegende Bereitschaft für Aggressionen. Sie wollen und können Konflikte nicht anders klären, als durch Gewalt. Des Weiteren gibt es eine große Anzahl an Persönlichkeitsstörungen und psychischen Erkrankungen. ADHS, Burnout, Depressionen, narzisstische Störungen, posttraumatische Belastungsstörungen usw. werden immer häufiger diagnostiziert. Ebenso nehmen Alkoholismus, illegaler Drogenkonsum oder Tablettenmissbrauch zu. In den Medien ist ein Überangebot an Gewalt zu sehen. Kaum ein Film kommt ohne Schlägerei oder Totschlag aus, Internet und PC-Spiele tun ihr Übriges.
Auf der anderen Seite sind auch Mitarbeiter von Unternehmen und Behörden zunehmend frustriert. Aber auch die Beschneidung von Ressourcen für Mitarbeiter im Jobcenter, ständige Umstrukturierungen und Personalabbau, unerfüllbare Zielvereinbarungen und Umsatzdruck tragen zu unzufriedenen Beschäftigten bei, denen es an Gelassenheit fehlt.

Welche Personengruppen treten als Aggressor auf?

Nach einer Studie wurden durch 144 Unternehmen und Behörden folgende Anteile genannt:1

  1. Platz: 21,68% Menschen mit Migrationshintergrund
  2. Platz: 19,58% Arbeits- und Erwerbslose
  3. Platz: 16,6% alkoholisierte Personen
  4. Platz: 11,81% Personen unter Drogeneinfluss
  5. Platz: 9,72% Kinder und Jugendliche

Leider hat man den Eindruck, dass es immer mehr Leute gibt, die einfach nichts mehr zu verlieren haben und deshalb rücksichtslos ihre Belange durchsetzen wollen.

Was sind die häufigsten Handlungen und welche Auswirkungen haben sie?

Generell sind die häufigsten Handlungen verbale Konflikte, gefolgt von Beleidigungen, Drohungen, Sachschäden und körperliche Gewalt – sogar unter Waffeneinsatz. Die Häufigkeit der genannten Handlungen entspricht hierbei der Reihenfolge. Was nicht erfasst werden konnte, ist eine Dunkelziffer. Denn nicht jede Bedrohung wird erfasst oder an die Chefetage gemeldet. Hier kommt es auch ganz auf die Unternehmenskultur an. Denn es gibt immer noch die verbreitete Konfliktlösungsart, alle Auseinandersetzungen unter den Teppich zu kehren. Schwere Angriffe wie Körperverletzung oder Bedrohung mit Waffen werden hingegen eher erfasst.
In Unternehmen, die im Zuge einer Fürsorge und Obhut hinter ihren Mitarbeitern stehen und eine gesunde Fehlerkultur pflegen, werden die Folgen nicht so dramatisch sein. Anders ist dies in Unternehmen oder Behörden, die durch gnadenlose Gewinnansprüche oder Erfolgsstatistiken hervorstechen.
Der Kunde ist König – solange er sich an menschliche Gepflogenheiten und Regeln hält. Auch hier ist eine übergroße Toleranz gegenüber Beschwerden fehl am Platz, auch wenn man natürlicherweise Kunden gern behalten will. Es darf nicht sein, dass Mitarbeiter erst vom Kunden und danach von der Hausleitung klein gemacht werden, nur weil man als kundenfreundlich gelten will. Kunden sind prinzipiell Grenzen – spätestens durch die Geschäftsleitung – aufzuzeigen, sobald diese Anstand und Würde von Bediensteten und Mitarbeitern durch Beleidigungen und Bedrohungen verletzen. Das Ergebnis? Der Kunde weiß beim nächsten Mal, wie er sich zu verhalten hat, und der Mitarbeiter wird nicht weiter gedemütigt. Passiert das Gegenteil, dann erfolgen Demotivationen, Vermeidung des Kundenkontaktes durch Rückzug, Krankschreibungen, Schlafstörungen, chronische Rückenbeschwerden, Bluthochdruck, Burnout und Frühverrentungen. Am weitesten verbreitet sind verunsicherte Mitarbeiter.
Unternehmen sehen sich gezwungen, zusätzliches Personal einzustellen, Sicherheitsdienste zu beschäftigen, teure Umbauten durch die Installation von Alarmanlagen, Kameras, Gemeinschaftsbüros, Fluchttüren usw. vorzunehmen.

Wie kann das Problem gelöst werden?

Die Problemlösung hängt eng mit der Unternehmensführung- und inwiefern diese bereit ist, ihre Mitarbeiter zu schützen, zusammen. Neben den genannten Maßnahmen ist die effektivste Form zur Vermeidung von Konflikten, Aggressionen und Gewalt, die Mitarbeiterschulung. Dabei sind einmalige Fortbildungen gut, aber bei Weitem nicht gut genug. Der Umgang mit solchen Kunden muss systematisch in Abständen trainiert werden. Hierzu gehört neben der theoretischen Aufbereitung des Themas vor allem das praktische und verhaltensorientierte Rollenspiel mit Kameraaufzeichnung. Diese Trainings müssen durch erfahrene und qualifizierte Trainer durchgeführt werden.
Die meisten Konflikte finden auf der Beziehungsebene statt und schaukeln sich dann hoch. Ausgangspunkt sind oftmals Missverständnisse; Aussagen, die durch den Gesprächspartner anders decodiert werden. Ein gutes Kommunikationstraining steht am Anfang, ebenso die rechtzeitige Gefahrenerkennung durch die Körpersprache in Verbindung mit dem gesprochenen Wort des Gegenübers. So erkennt man auch den potenziellen Angreifer, der nur unter einem Vorwand einen Streit vom Zaune bricht. Alle trainierten Segmente und Module müssen einfach zu handhaben und im Stressfall leicht abrufbar sein. Die Vermittlung komplizierter Techniken ist des halb fehl am Platz.
Wichtig ist, jede Straftat sofort der Polizei anzuzeigen. Hat ein asoziales Verhalten keine Konsequenzen, stärkt das die Täter; bei ihrem nächsten Besuch treten sie noch dreister oder gefährlicher auf. Unternehmen, die keine Strafanzeigen gegen solche Kunden wünschen, schädigen auf das Gröbste ihre Mitarbeiter.

Quelle:

[1] Hochschule Darmstadt / Jennifer Daffner, Fabian Gassner u.a.: Empirische Untersuchung zur Aggressivität und Gewalt in der Kundenbeziehung. 2012. Eingesehen unter http://paravida.de/download-file?item_file_id=202&item_file_code=099cee0a92&file_key=0 am 12.12.2014.

 

Über den Autor
Steffen Meltzer
Steffen Meltzer
Steffen Meltzer hat als Polizeitrainer 15 Jahre lang Polizeibeamte fortgebildet. Er ist Autor von „Ratgeber Gefahrenabwehr So schützen Sie sich vor Kriminalität – Ein Polizeitrainer klärt auf“
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