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Hekatron bei Nacht. Der Ort liegt im südlichen Teil des Hochschwarzwaldes.

Brandschutz 4.0 oder das sichere Gebäude der Zukunft

Helmut Brückmann sprach mit Hekatron-Chef Peter Ohmberger über mögliche Veränderungen in der Brandschutz-Branche.

Konzernchef Armin Berchtold aus Zollikofen in der Schweiz gerät zusehends in gehobene Stimmung, wenn die Diskussion mit Besuchern auf sein deutsches Tochterunternehmen Hekatron in Sulzburg kommt. Der Ort liegt im südlichen Teil des Hochschwarzwaldes und ist als Urlaubsort sowie seiner guten Restaurants wegen bekannt. Industrie vermutet man hier gewiss nicht.

Im Februar 2017 machte Geschäftsführer Peter Ohmberger (60) der Hekatron Vertriebs GmbH bundesweit von sich reden, als er vor sachkundigem Publikum auf der Feuertrutz in Nürnberg einen vielfach beachteten Vortrag über die Zukunftsaussichten seiner Branche hielt. Ein Grund mehr, mit Peter Ohmberger über die Herausforderungen des Brandschutzes zu sprechen.
Doch zuvor möchte ich einiges über seinen ungewöhnlichen Lebenslauf wissen, denn er kam erst über den zweiten Bildungsweg in seine jetzige Position.

Hekatron-Chef Peter Ohmberger hat seine Zukunftspläne für die Branche auch durch einige Vorträge öffentlich gemacht.Herr Ohmberger, wie man so hört, haben Sie einen ungewöhnlichen Lebenslauf. Sie sind ja nicht auf direktem Wege in das Führungsmanagement des Unternehmens gelangt. Was ist Ihr Hintergrund? Wo kommen Sie her?

Peter Ohmberger: Gestatten Sie mir, dass ich zwei, drei Sätze zu meiner Herkunft sage: Ich komme im wahrsten Sinne vom Schrottplatz! Und vorneweg, mein unkonventioneller Lebens-, und Berufsweg kann eine große Motivation für viele junge Menschen sein, weil ich von meinem Ursprung her, gar nicht an dem Platz sein dürfte, an dem ich heute bin. Jedenfalls von meiner Biografie. Ich bin die ersten Lebensjahre auf einem Schrottplatz aufgewachsen. Heute würde man sagen, das ist asozial; damals 1957 – in der Aufbauzeit nach dem Krieg – war das noch was ganz Normales. Mein Großvater war beruflich auf dem Platz als Wiegemeister tätig. Und somit war in meiner frühen Kindheit der Platz mein „zu Hause“. Ein Abenteuerspielplatz pur! Das hat sich dann während meiner Schulzeit natürlich geändert. Dabei habe ich mich mit dem Lernen immer schwergetan. Nach der Hauptschule begann ich meine Lehre als Elektroinstallateur. Damit hatte mein Leben eine erste Bahn bekommen. Direkt nach dem Abschluss wurde ich unmittelbar für 15 Monate zur Bundeswehr eingezogen. Es herrschte damals noch Pflicht zum Grundwehrdienst. Am 1. Juli 1976 bin ich gemeinsam mit 100 anderen Rekruten am Bundeswehrstandort Pfullendorf. 99 meiner Kameraden waren Abiturienten und einer war Hauptschüler. Dieser eine war ich. Auf der gemeinsamen ‚Stube‘ war ich mit sechs Abiturienten zusammen. Diese waren für mich eine ganz neue Spezies, die über Politik und die ganze Welt diskutierten. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich dachte, von was reden die da eigentlich? Für mich gab es in dieser Zeit eigentlich nur Sport und im speziellen Fußball. Im Rückblick ist mir bewusst, dass diese Gespräche mit meinen Bundeswehrkameraden ob meines Nichtwissens mich in vielen Fällen sehr nachdenklich gemacht haben.
Als ich nach dem Grundwehrdienst wieder zurück an meine alte Arbeitsstelle in Freiburg i. Br. kam, war für mich klar, dass ich mich weiterbilden wollte. Deshalb habe ich nebenberuflich die Fachhochschulreife nachgeholt und den staatlich geprüften Techniker Fachrichtung Datenelektronik „gemacht“. Zur gleichen Zeit – 1984 – bin ich dann schon bei Hekatron gelandet – als Testingenieur. Hier entschloss ich mich, nebenberuflich auch noch den Dipl.-Betriebswirt (FH) zu machen. Sechs Jahre lang habe ich abends „geochst“ und tagsüber bei Hekatron gearbeitet. Dabei habe ich dann in der Folge im Unternehmen so ziemlich alle Arbeitsgebiete durchlaufen, angefangen im Testingenieursbereich.

Aber Sie waren kein Ingenieur?
Nein, ich war Techniker. Das Erstellen von Testprogrammen für automatische Testsysteme war meine Aufgabe. Darum habe ich jetzt „Testingenieur“ gesagt. Zur Überprüfung der elektronischen Flachbaugruppen, die wir produziert haben, mussten jeweils spezifische Programme geschrieben werden. Und das habe ich gemacht. So habe ich angefangen. Dann irgendwann später wurde mir die Verantwortung für den gesamten Prüfmittelbau übertragen, danach der Bereich Qualitätssicherung/Qualitätsmanagement und irgendwann war ich Produktionsleiter. Das war in den Jahren 1994 bis 1999.
In dieser Zeit war eine große Unruhe im Unternehmen. Vorgesetzte kamen und gingen. Ich wollte mehr Verantwortung übernehmen….ohne Erfolg. Darum entschloss ich mich mit einer eigenen Errichterfirma selbständig zu machen. Mit ihr habe ich dann in der Folge auch Produkte von Hekatron vertrieben und verbaut. Ende 2001 kam ein neuer Geschäftsführer von Hekatron auf mich zu und überzeugte mich, zurückzukommen. 2002 machte ich dann den Schritt zurück zu Hekatron, als Geschäftsführer, verantwortlich für den Bereich Vertrieb, Forschung/Entwicklung und Vermarktung. Von 2003 bis 2005 habe ich dann noch den MBA (Master of Business Administration) erworben, teilweise in den USA, teilweise hier. Und nun bin ich schon wieder 16 Jahre in dieser Verantwortung bei Hekatron. Das ist gewissermaßen im Schnelldurchlauf meine Berufsgeschichte. Wobei mein Beruf immer auch Berufung war und somit ein wesentlicher Teil meiner Lebensgeschichte ist.

Dieser Lebenslauf ist in der Tat ungewöhnlich. So ungewöhnlich wie Ihre Zukunftsvisionen. Eigentlich denkt man bei der Erwähnung des Firmennamens Hekatron an Rauchmelder.
Anlagentechnischer Brandschutz ist korrekter.

Danke für die Berichtigung. Eigentlich müsste das Thema „Vom Brandschutz 1.0 zu 4.0“ lauten. Wie sind Ihre Vorstellungen dazu? Was ist beim Gebäude der Zukunft zu beachten? Alle Welt inklusive Politik redet von der Digitalisierung, die Deutschland im Weltvergleich in vielen Bereichen verpasst habe. Was ist im Brandschutz damit gemeint? Was hat es mit den sieben Sicherheitsversprechen auf sich, die zurzeit durch die Branche geistern?
Das ist ein großes Thema, das man etwas zerlegen muss. Dabei stellt sich immer die Frage: Wo fängt man an? Wenn wir man mal den Modebegriff Digitalisierung zur Seite stellen, dann finde ich es immer hilfreich, das Thema erst einmal von der Basis her zu beleuchten: Unsere Welt entwickelt sich mit subjektiv stark zunehmender Geschwindigkeit. Wir im Brandschutz kommen dabei als Branche, aus einer sich relativ langsam drehenden Welt. Das heißt, sie ist in ihrem Kern eher konservativ, logischerweise sehr auf „Sicherheit“ bedacht. Somit weniger dynamisch als andere Branchen wie zum Beispiel die Telekommunikation. Versuchen Sie einmal, 30 Jahre zurückzublicken. Ich möchte jetzt nicht auf technische Entwicklungen eingehen, sondern das Augenmerk auf die vielen Giganten der Branche lenken, die komplett verschwunden sind, wie zum Beispiel die Firmen AEG, Telenorma, Digital Equipment, Nokia und viele, viele mehr. Wer hätte diese Entwicklung vor 20 oder 30 Jahren vorausgesehen? Es war undenkbar damals.
Und genau diese Phänomene beschäftigen mich. Was wird uns und unsere Branche maßgeblich im Gebäude der Zukunft beeinflussen? Was wird zusammenfließen? Was wird bleiben? Was muss sich ändern?
Und da drängt sich einem natürlich die Frage nach der „Integration“ förmlich auf. Und es wird alles integrativer werden. Das sei schon einmal vorneweg geschickt. Jetzt kommen gerade wir im anlagentechnischen Brandschutz aus einer relativ geschlossenen, sprich abgegrenzten Welt – man sagt fachlich dazu: aus proprietären Systemen. Das hat sehr gute nachvollziehbare Gründe, warum wir das hatten oder auch noch haben, denn wir wollen rückwirkungsfrei sein. Also es sollte niemand in unsere Systeme im übertragenen Sinne hineinfassen und ein Sicherheitssystem außer Kraft setzen, verändern können. Aus dem Gedanken und Anspruch, dass das in sich sicher sein muss, haben wir uns quasi eine eigene Welt geschaffen.

Wenn dank der Politischen Rahmenbedingungen alle privaten Wohngebäude in der Bundesrepublik mit Rauchmeldern ausgestattet sind – wodurch soll denn Ihr Unternehmen weiter wachsen? Schließlich haben die Melder eine Lebenszeit von mindestens 10 Jahren Jahren, bevor ein Batteriewechsel erfolgen muss.
Der spannende Punkt in Ihrer Frage besteht darin, mit was verdient die Branche pri mär heute ihr Geld. Erste Antwort: Wir Hersteller verdienen unser Geld heute primär damit, indem wir unseren Kunden hochwertige Produkte und Systeme verkaufen. Also im klassischen Sinne Hardware Zweite Antwort: Viele unserer Kunden (z.B. Peter Ohmberger (rechts) im Erprobungslabor ELBA des Unternehmens.Facherrichter) verdienen heute kaum noch Geld mit dem Neugeschäft, also sprich dem Verbauen von unseren Produkten und Systemen in Gebäuden. Die Spitzenmargen liegen bei zwei bis drei Prozent, nicht selten aber bei Null oder sogar im Minus-Bereich. Verdient wird mit dem Nachgeschäft, also mit der Instandhaltung. Jetzt muss man wieder schauen, wie heute eine Instandhaltung einer z.B. Brandmeldeanlage funktioniert. Da läuft tatsächlich jemand mit einer Prüfstange durchs Gebäude, geht dann unter den Rauchmelder und bläst ein Aerosol in die Messkammer des Rauchmelders hinein. Darauf reagiert die Messeinrichtung des Rauchmelders. Der Alarm wird übertragen und läuft bei der Zentrale auf. Der Prüfer registriert: Okay, Melder hat sich gemeldet, er funktioniert. Und dann protokolliert er das. Oft sogar noch von Hand. Das ganze Prozedere wird dann am Ende archiviert. Eigentlich ein reines Menschengeschäft, Prozessual antiquiert und damit aus meiner Sicht ein Auslaufmodell. Das werden uns unsere Endkunden nicht mehr lange so abnehmen. Der Aufwand ist viel zu groß. So ein Gebäude kann tausende von Meldern beinhalten, die regelmäßig nach der Norm VDE 0833-Teil 1 überprüft werden müssen. Damit sind Fachkräfte dann oft das ganze Jahr beschäftigt.
Wenn wir morgens oder abends in unser geliebtes Auto einsteigen, einem Wunderwerk der Technik, dann erleben wir heute schon täglich die Welt der intelligenten Systeme ‚on demand‘ oder ‚predective‘ die uns die Prüfungstermine und Kontrollen direkt anzeigen. Im heutigen Alltag begegnen uns viele solcher technischen Finessen, die uns das Leben erleichtern, und es werden täglich weitere intelligente Assistenten auf den Markt kommen. Auf der anderen Seite akzeptieren wir aber, dass in unserem Segment die Instandhaltung noch wie vor 20 oder 30 Jahren durchgeführt wird. Das wird definitiv nicht so bleiben. Die Großindustrie ist schon aufgewacht. BASF, Daimler, Siemens und wie sie alle heißen. Ein bekanntes Werk in Untertürkheim zahlt allein für die Überprüfung der Rauchmelder jährlich rund 180.000 Euro – und das nur, weil die Rahmenbedingungen im anlagentechnischen Brandschutz so sind wie sie sind.
Das wird sich ändern, schon weil in den Normungs-Ausschüssen auch Vertreter aus der Industrie einsitzen (zum Beispiel von BASF, SAP oder auch Automobilherstellern) und natürlich erkannt haben, dass einerseits die Produkte und Systeme als auch andererseits die normativen Rahmenbedingungen (VDE 0833 Teil 1) dem technischen Fortschritt Rechnung tragen müssen. Und ich wiederhole mich gerne noch einmal: Es ist in unserer hoch technisierten Welt wahrhaftig nicht einzusehen, dass Rauchmelder viermal im Jahr einzeln per Hand überprüft werden müssen. Technisch ist es heute schon kein Problem, mehr eigendiagnosefähige Rauchmelder zum Einsatz zu bringen. Die normativen Voraussetzungen können in circa fünf Jahren im Rahmen der nächsten Überarbeitung der genannten Norm geschaffen werden. Zumal bis in fünf Jahren sich das Rad der technischen Entwicklungen nochmals weitergedreht haben wird.
So, und nun komme ich auf den Punkt. Dieser Paradigmenwechsel wird einerseits dazu führen, dass wir weniger Menschen für Instandhaltungsarbeiten einsetzen müssen und zweitens dieser Prozess deutlich wirtschaftlicher abbildbar ist. Das heißt im Klartext die Branche wird ganz neue Geschäftsmodelle entwickeln und verkaufen müssen.

Wie stellen Sie sich die Umsetzung vor? Ihre Branche ist ja äußerst konservativ, wie die bisherige Entwicklung zeigt.
In der Tat dringen wir jetzt zum Kern des Themas vor. Ich bezeichne das immer gerne so: vom reinen Meldepunkthin zu einem Datenpunkt. Bei einer solchen Betrachtungsweise haben jetzt viele meiner Kollegen und auch unsere Partner noch große gedankliche Hürden. Also Datenpunkt, was heißt denn das? Warum Datenpunkt? Meine Antwort ist klar: Weil ich fest daran glaube, dass zukünftig in sogenannten Ökosystemen gedacht werden muss (Produkt und Systeme als Mittel zum Zweck) um einen Nutzen oder Mehrwert durch die aufgenommenen Daten generieren zu können. Das heißt, ich habe eine physikalische Kenngröße, ich wandle diese um in Daten und mache mit den Daten deutlich mehr als heute. Im einfachsten Fall digitalisiere ich damit die Instandhaltung. Konkrete Problematik an diesem Beispiel: Wenn niemand mehr vorbeikommt und eine sichtbare Leistung im Gebäude erbringt, wie kann ich diese Systemleistung dann meinem Kunden zukünftig verkaufen.

Aber ich kann die erbrachte Leistung doch messen.
Richtig. Ich kann sie messen; dadurch, dass ich dabei aber nicht mehr vor Ort bin, muss ich diese gemessene Leistung ganz anders verkaufen. Und ich werde einen Teil Interviewpartner Ohmberger über das eigens entwickelte Erprobungslabor für Brandmelderapplikationen, kurz ELBA. „Die Errichtung von ELBA unterstreicht: Wir sind Experten, die sich auf das Kerngeschäft des anlagentechnischen Brandschutzes konzentrieren. Das wissen unsere Partner zu schätzen.“des Effizienzgewinnes an unsere Kunden abgeben müssen. Das heißt, wir werden andere Geschäftsmodelle installieren und dadurch zum Beispiel über Datenpunktlizenzen nachdenken müssen. Dann hat jemand mit 5.000 Meldern ein anderes Lizenzmodell als jemand, der nur 100 Melder in seinem Gebäude hat. Ich kann plötzlich meine Leistung skalieren. Ich kann dann sogar die Datenpunkte nochmal nach Leistungsklassen differenzieren. Ich komme mit diesem Ansatz in ganz neue, ganz andere Denkweisen hinein. In der Telekommunikationsbranche kennen man solche Modelle schon seit vielen Jahren. Das wird die große Herausforderung für die Branche, der wir uns in den nächsten Jahren stellen müssen. Wir sollten die verbleibende Zeit nutzen, genau in solche Denkmodelle hineinzugehen, damit wir auf die kommenden Entwicklungen vorbereitet sind und schnell reagieren können.

Was meinen Sie konkret mit „Branche“?
Sie können es für den anlagentechnischen Brandschutz sehen, der ist mir ganz nah. Aber Sie können auch die gesamte Sicherheitstechnik dazuzählen.

Woher soll denn die von Ihnen beschriebene Gefahr kommen? Doch nicht aus Deutschland, denn hier haben wir ja die Verbände.
Ich sage bei solchen Diskussionen immer salopp: Hört ihr das Grummeln da draußen in der Republik zum Thema Brandschutz? Brandschutz ist zu teuer. Brandschutz ist ein Verhinderer. Brandschutz macht mir das Leben schwerer als es sein muss. Hört das jemand von euch? Ich höre es. Sie können heute die Zeitungen aufschlagen und immer häufiger solche Nachrichten lesen. Das ist die Realität für die, die in Gebäude investieren wollen. Heute haben wir durch einschlägige Gesetze und Verordnungen Planungssicherheit. Kein Thema. Aber es könnte der Tag kommen, wo das kippt. Wir waren schon mal ganz nah dran, nur ist das den Wenigsten bewusst. Wir hatten in 2015 die große Flüchtlingswelle, weshalb unzählige Flüchtlingsheime gebaut werden mussten. Da war sofort der Aufwand für den Brandschutz präsent. In dieser Notsituation hat Frau Merkel persönlich dafür gesorgt, dass beim Brandschutz in Flüchtlichsheimen Abstriche gemacht wurden, damit die Gebäude schneller bezugsfertig wurden. Natürlich geht inzwischen alles wieder nach der alten Norm.
Ich kann Ihnen noch ein anderes Beispiel geben. Das haben wir als Hersteller von Rauchwarnmeldern selber leidvoll erlebt. Privater Wohnungsbau und gesetzliche Rauchwarnmelderpflicht in Deutschland gilt bis 2020 in fast allen Bundesländern.
Es gibt in der Bundesrepublik etwa 40 Mio. Haushalte, davon werden 20 Mio. durch Wohnungsgesellschaften gemanagt. Diese Wohnungsgesellschaften – also Genossenschaften, Aktiengesellschaften usw. – waren natürlich auch von der gesetzlichen Pflicht der Ausstattung mit Rauchmeldern betroffen. Die Geschäftsführer und Vorstände haben schnell erkannt, dass sie bei Verstößen gegen die Ausstattungspflicht und bei daraus resultierenden Schäden schnell auch persönlich in der Haftung sind. Deshalb haben sie jeden Haushalt in ihren Gebäuden vorschriftsmäßig mit den Rauchmeldern ausgestattet, also rund 20 Millionen.
Und jetzt ist etwas Spannendes passiert; darum sage ich, es braucht nur die richtigen Player, dann kippt eine Sache sehr schnell. Die Akteure haben gesagt, wir als Zeitgemäß: Rauchwarnmelder-Management per App und Smartphone
Fotos (5): © Hekatron
Wohnungsgesellschaft können die vorgeschriebenen regelmäßigen Kontrollen nicht vornehmen. Wir managen Immobilien, aber keine Rauchmelder. Wer könnte das tun? Da waren die Messdienstleister relativ schnell mit im Boot. Also die, die schon immer in diese Wohnungen rein sind und die Ablesegeräte für Heizung, Gas oder Wasser betreut haben, inklusive heute der Legionellenüberwachung. Diese Messdienstleister haben gesagt, das ist für uns ein Zusatzgeschäft, in das wir einsteigen. Sie sind dann zu uns gekommen und haben gefragt, was denn bei der Kontrolle von Rauchmeldern zu tun sei. Von den Messdienstleistern gibt es ca. 100 kleine und fünf große Unternehmen (man spricht gerne von den big five), nämlich: Techem, Brunata, Minol, Kalorimeta und Ista. Und da war die Firma Techem, die als erste gesagt hat: Wenn wir nur für den Rauchwarnmelder einmal im Jahr in jede Wohnung hinein müssen, ist das ineffizient und damit teuer. Der Zugang zu einer Wohnung ist der teuerste Prozessschritt. Also wie komme ich in die Wohnung rein? Ich muss ich den Mieter anschreiben oder es wird wird ein entsprechender Zettel in das Treppenhaus gehängt; dann kommt der Prüfer, doch der Wohnungsinhaber ist nicht zu Hause. Also beginnt die ganze Prozedur von neuem. Der gesamte Markt im Messdienstleisterbereich hat sich schon zur funkvernetzten Aufnahme der Daten entwickelt. Jetzt läuft der Mitarbeiter von der Ablesefirma mit einem sogenannten Datensammler durchs Treppenhaus und liest dabei elektronisch die Daten aus der Wohnung. Diese werden dann in seiner Firma ins System eingespielt. Künftig werden die Daten per WLAN übertragen. Heute schon werden von den Messdienstleistern etwas 60 bis 70 Prozent der Daten elektronisch erfasst. Vorteil: Ich muss in diesen Fällen keinen Termin mehr ausmachen und ich muss keine fremden Wohnungen mehr betreten. Dadurch entsteht natürlich ein Prozesszeitgewinn, den man oftmals nicht komplett – wenn überhaupt – an den Kunden weitergibt, wodurch der Messdienstleister eine höhere Rendite erzielt. Und jetzt kamen wir von der Brandschutzbranche! Mit so dicken Muskeln sind wir bei den Messdienstleistern aufgetreten – auch Hekatron – und haben gesagt: Leute ihr müsst da einmal im Jahr in den Raum reingehen, wo die Rauchmelder angebracht (!) sind. In der Norm steht das so! Dann hat der Messdienstleister Techem seine Hausjuristen an das Thema gesetzt mit der Aufgabe, eine Risikoeinschätzung vorzunehmen: 1. Was ist, wenn wir nicht in die Räume/Wohnungen gehen? Was ist dann das reale Risiko für uns? Punkt 2: Wie könnten wir das Risiko an Dritte weitergeben, sprich an den Eigentümer. Also in die Mietverträge inkludieren. Die haben das dann einfach umgesetzt und gesagt: „Norm, interessiert uns nicht! Wir machen das.“
Da ist mir eine Licht aufgegangen. Hey, da braucht es gar nicht so viel. Und wir täten gut daran mal zu schauen, welche Player gibt es im Gebäude, die ein anderes Interesse haben, weil sie andere Geschäftsmodelle verfolgen? Also ihr Geld mit anderen Dingen verdienen. Und nicht wie wir mit dem Produktverkauf und mit der Instandhaltung wie vor 30 – 40 Jahren. Da könnte ich stundenlang darüber sprechen. Das ist so der Kontext, der mich extrem stark beschäftigt.

So ähnlich wie bei der Einführung des Rauchmelders für alle? Politisch hat das Ihre Branche ja hervorragend hinbekommen.
(lacht) Das haben wir in der Tat gut hingekriegt. Jetzt müssen wir neue Geschäftsmodelle entwickeln, um neue Aufgaben, die mit den Rauchmeldern verknüpft sind, zu lösen. Zum Beispiel welchen sonstigen zusätzlichen Nutzen kann ich noch für den Kunden generieren, den er mir dann auch bereit ist zu bezahlen?

Im Klartext, Sie wollen festlegen, wer künftig die Rauchmelder in Unternehmen überprüft, gegen Bares, natürlich.
Das wäre eine Anwendung. Es gäbe noch andere. Wir könnten ja zum Beispiel, um mal den Horizont weiter aufzumachen, sagen: Wir sind in einem Raum, wo wir sehr viele physikalische Größen aufnehmen können wie zum Beispiel Feuchte, Temperatur, Gase, Präsenz, Partikel, etc. Diese Daten könnten wie auch für andere Gewerke bereitstellen. Unsere Branche wird sicher kein Klimalüftungsspezialist werden, aber wir könnten solchen Playern die benötigten physikalischen Daten liefern, für einen gewissen Mehrwert natürlich. Technisch ist für uns eine solche Datenerhebung kein Thema.

Wer ist bei einem solchen Projekt noch an Ihrer Seite? Hekatron ist ja in der Branche ein bedeutendes Unternehmen, aber…
Da muss ich erstmal vom Problem her kommen. Es gibt mehrere, die nicht an unserer Seite sind. Ich rede nicht nur von Hekatron, sondern von uns als Brandschutzbranche. Eine Firma Siemens, eine Firma Bosch, eine Firma Honeywell werden bei diesem Projekt nicht dabei sein. Die denken ja noch in einem viel größeren Rahmen und Kontext. Die sagen, eigentlich geht es uns um die gesamte Gebäudeautomation. Wir in unserem Konzern haben eigentlich alle diese Aspekte schon unter einem Dach und arbeiten daran, ein Modell daraus zu machen, damit Sie als Gebäudebetreiber ein „Rundum-sorglos-Paket“ haben. Von der Lüftungsklimasteuerung bis zur Einbruchmeldetechnik. Alles managen wir für Sie, unserem Kunden.
Das ist natürlich für uns als Hekatron, als „Kleiner“ in dem Spiel, eine Gefahr. Wir decken nur einen Baustein in diesen vielen Bausteinen der Gebäudeautomation ab. Und darum sage ich immer: Wir müssen vertikal und horizontal denken, als Kleine, als Branche, als Hekatron. Senkrecht denken heißt: Wir müssen unser Geschäft exzellent verstehen. Wo wir unsere Kernkompetenz haben, das müssen wir noch viel besser verstehen im Bezug auf die Probleme, Bedürfnisse, Nutzen und Mehrwerte unserer Endkunden. Aber das birgt für Hekatron eine große Herausforderung: Hekatron hat immer indirekt vertrieben, also über sogenannte Partner. Vor noch nicht langer Zeit haben wir gemerkt, dass wir vom Endkunden fast nichts verstehen, denn wir hatten ja unsere Vertriebspartner. Jetzt arbeiten wir verdammt schwer, das Versäumte nachzuholen. Und davor haben unsere Partner natürlich extrem Angst. Sie fürchten, dass wir künftig das Geschäft unmittelbar mit dem Betreiber machen. Wir müssen also dafür sorgen, dass unser Partner auch im Geschäft bleibt, sonst würde sich die gesamte Wertschöpfung verändern. Das ist ja das, was jetzt teilweise in anderen Branchen passiert. Ich finde, da sollten wir darüber sprechen. Ich will ja meine Partner nicht in die Knie zwingen. Im Gegenteil.
Und jetzt kommt das Horizontale denken dazu. Wir müssen Kooperationen bilden und kollaborieren. Und das ist auch keine Stärke von uns und unserer Branche. Weil wir ja aus einem proprietären Gedankengut kommen. Jeder so für sich. Auch wenn sie sich die Sicherheitstechnik von heute anschauen, immer noch. Der eine macht Einbruch, der andere macht Zutritt, der Dritte macht Brand. Dann gibt es noch Video, und, und, und. Aktuell wächst da schon mehr zusammen, das kann man schon erkennen. Aber es sind immer zu viele einzelne Gewerke. Meine Botschaft ist: Wir müssen uns zusammensetzen und müssen miteinander sprechen, wie machen wir etwas Großes, Starkes daraus. Also gerade, wenn wir in Richtung Siemens, Bosch usw. schauen. Das ist für mich die zweite Dimension.

Ich fragte nach Ihren Mitstreitern…
Jetzt zu Ihrer Frage. Also erstens haben wir eigentlich mehr Gegner, also richtig starke Gegner. Mitstreiter gibt es da nicht viele. Das muss ich Ihnen ehrlich sagen. Im Verband schon ganz wenige. Weil der Verband sehr stark natürlich auch geführt, gelenkt und auch gesteuert wird durch die Großen Industrieunternehmen. Das ist ganz normal. Der ZVI ist ja ein Industrieverband. Und hier sehe ich auch eine Aufgabe von mir ganz persönlich, aber auch von Hekatron, ein Sprachrohr für die vielen Mittelständler, für die vielen Kleinen zu werden. Die brauchen starke Unterstützer. Es gibt wenige in der Republik, die sich hinstellen und sagen: Es kann doch nicht sein, dass die kleinen Handwerksbetriebe auf der Strecke bleiben. Das heißt zum Thema Mitstreiter einfach auch selbst aktiv zu werden. Und das zweite ist, mit Partnern von uns zusammen im Kleinen zu schauen, wie wir neue Modelle entwickeln können. Also wirklich mal so brainstormingmäßig zu sagen: Mensch, lass uns doch mal mutig sein und mal überlegen: Was könnten Modelle der Zukunft werden? Das ist so die zweite Dimension.
Doch zu Ihrer Frage: Mitstreiter kann ich Ihnen gar nicht viele nennen. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Es gibt einzelne, klar. Aber da muss ich schon weit über unsere Branche hinausschauen.

Herr Ohmberger, die Zukunft Ihrer Branche wird zweifellos spannend werden. Ich danke für das Gespräch.