Eröffnungsansprache von Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière © Bundeskriminalamt 2015

Die Anschläge in Paris und eine entsprechende Gefahr für Deutschland

Von Heinz-Werner Aping

Im Frühjahr 2015 wählte das Bundeskriminalamt (BKA) für seine alljährlich im November stattfindende Herbsttagung, Deutschlands bedeutendste Konferenz im Bereich der Inneren Sicherheit, erneut das Thema „Internationaler Terrorismus“.
Herausragende Redner sollten sich am 18. und 19. November im Kurfürstlichen Schloss in Mainz mit der Frage auseinandersetzen, wie Prävention und Repression mit den Gefahren durch den Internationalen Terrorismus Schritt halten können.
Wer hätte gedacht, dass die Gefahren sich kurz zuvor so grausam als schreckliche Wirklichkeit darstellen.

Unmittelbar nach den Anschlägen am 13. November setzte sich die deutsche Medienlandschaft umfassend mit der Lage in Paris, Frankreich und Deutschland, der Berichterstattung, Analysen, Erklärungsansätzen und vielem mehr auseinander.

Auch die Redaktion von veko-online als einem der Sicherheit in besonderer Art und Weise verpflichteten Journal überlegte, die Attentate von Paris in den Mittelpunkt der letzten Ausgabe dieses Jahres zu stellen.

Vor dem Hintergrund unseres Anspruches  auf Berichterstattung außerhalb der üblichen Formate wie Inhalte nehmen wir bis auf einen Artikel eher soziologischer Betrachtung davon Abstand.

Der Tod so vieler unschuldiger Menschen, das Leid der Hinterbliebenen, die Angst der Menschen in Paris wie überhaupt in Frankreich und vergleichbar gefährdeten Ländern vor neuen Anschlägen zwingt uns mit dem Anspruch vernetzter Kompetenz dazu mit tiefer gehender Berichterstattung konkret zu den Ereignissen eher abzuwarten, als vorschnell zu räsonieren.

Natürlich hat die breite Öffentlichkeit ein großes aktuelles Bedürfnis an Information, wenn derartige Anschläge verübt werden und die berechtigte Erwartung auf Antworten, ob eine solche Gefahr auch uns droht.

Doch über derartige Informationen hinaus wurde in zahllosen Sondersendungen, ewigen Wiederholungen bereits bekannter Informationen, Befragung zahlreicher tatsächlicher wie selbst ernannter Experten unabhängig von ehrlicher Betroffenheit und Mitgefühl vielfach mehr spekuliert als tatsächlich zur Erhellung beigetragen. Das trägt zur sachgerechten Information der Menschen nicht unbedingt bei.

Hier reiht sich die Redaktion von veko-online nicht ein.

Jeder im Ermittlungsgeschäft Erfahrene weiß, dass seit dem 13. November die größtmögliche Zahl von Menschen aller verantwortlichen Sicherheitsbehörden zu allen einzelnen Spuren, zu Personen, zu Tatplanung, Tatvorbereitung und Tatdurchführung, zu Helfern, Mittätern, Anstiftern, Finanziers usw. auf Hochtouren arbeitet. Hierzu belastbare und für eine effektive Vorbeugung taugliche Erkenntnisse zu gewinnen, wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Diese Zeit wird umso besser genutzt, als man sie der tatsächlich notwendigen Ermittlungsarbeit widmen kann und weniger erzwungenen Antworten auf Spekulationen.

 

So ist es verständlich, dass die wirklich Verantwortlichen in Ministerien, Behörden und sonstigen Institutionen gegenwärtig wenig Zeit finden, Medienanfragen für Berichte über den Stand der Ermittlungen oder Einschätzungen der gegenwärtigen und in naher Zukunft zu erwartenden Lage zu entsprechen.

Das Bundesministerium des Innern (BMI), das Bundeskriminalamt (BKA), der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vertreten unisono die Einschätzung, dass Deutschland unverändert im Zielspektrum terroristischer Täter steht, dass wir für Deutschland eine sehr hohe abstrakte Gefährdung haben, allerdings keine Erkenntnisse zu konkreten Taten.

Die beabsichtigte Unterstützung Deutschlands für Frankreich über militärische Hilfe in Mali genauso wie in Syrien wird die Einschätzung einer abstrakt hohen Gefahr noch einmal verdeutlichen, ohne dass gleichzeitig eine Änderung im Hinblick auf Erkenntnisse zu konkret geplanten Taten zu erwarten ist.

Die Aufforderung an alle Menschen, wachsam die eigene Umgebung zu beobachten, verdächtige Personen und Umstände nicht einfach zu registrieren, sondern sie anderen, vorzugsweise Ermittlungsbehörden, bekannt zu machen gründet sich auf die Hoffnung, möglicherweise geplante Taten rechtzeitig zu entdecken, zu erkennen und zu verhindern.

Es gibt nicht wenige Fachleute, die eine solche Hoffnung nicht teilen, sondern sich auch dahingehend äußern, dass ein Anschlag wie in Paris tatsächlich nicht verhindert werden kann. Zumindest sei das nicht durch Präsenz von Hunderten und Tausenden schwer bewaffneter Polizisten und Soldaten zu erreichen, sondern wenn überhaupt nur durch international bestens vernetzte Informationsflüsse und Ermittlungsarbeit der Sicherheitsbehörden.

Realistisch sei festzuhalten, dass ein Anschlag in Deutschland keine Frage des ob, sondern nur eine Frage des wann, wo und wie sei.

Andere wiederum stellen nicht die Ermittlungsarbeit, sondern den Umgang einer Gesellschaft mit Muslimen, ihre Integration oder eben die Gefahr der Radikalisierung bei unzureichenden Integrationsbemühungen in den Vordergrund. Es ist allein schon in Bezug auf Platzierung solcher Artikel für ihre Verfasser nicht einfach, der konkreten Angst von Menschen vor terroristischen Anschlägen mit einer soziologischen Betrachtung zu begegnen.

Der Artikel von Roswitha Kern in dieser Ausgabe war schon vor den Anschlägen in Paris geplant.

Unabhängig, welche Position Sie als Leser einnehmen, bleibt die Aufforderung, die eigene Sicherheit und die der anvertrauten Menschen aufmerksam im Auge zu behalten und sich beständig mit Augenmaß  und seriös zu informieren, um in seinem Rahmen handeln zu können.

Für die deutsche Wirtschaft hat beispielsweise das BfV den quartalsmäßig erscheinenden BfV-Wirtschaftsschutz-Newsletter geschaffen, den Sie auch automatisch per kostenfreies Abonnement beziehen können (https://www.verfassungsschutz.de/).

In seiner Ausgabe Nr. 4/2015 schreibt das BfV u.a.: …
„Die Lage erfordert mehr denn je Umsicht und Entschlossenheit sowie klare Information und konkrete Handlungsoptionen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Prävention weiterer schwerer Gewalttaten. … Dem will das Referat Wirtschaftsschutz des BfV Rechnung tragen und bietet der deutschen Wirtschaft mit dieser Ausgabe des Wirtschaftsschutz-Newsletters eine aktuelle Gefährdungseinschätzung, Hintergründe, praktische Tipps zur firmeninternen Sensibilisierung und Hinweise zu Meldewegen bei Verdacht auf vorbereitende terroristische Planungen oder bei der Radikalisierung von Personen in ihrem jeweiligen Arbeits- oder Lebensumfeld.“

BfV-Präsident Dr. Hans-Georg Maaßen © Foto BfVTatsächlich bietet das BfV auf dieser Seite eine überschaubare Menge an Informationen und Materialien, mit denen man sich wissender machen kann, wobei praktische Tipps zur firmeninternen Sensibilisierung so offen nicht zu finden sind.

Zur Lageeinschätzung wird der Präsident des BfV, Dr. Hans-Georg Maaßen,wie folgt zitiert:

„Europa bildet einen gemeinsamen Gefahrenraum. Die Anschläge in anderen europäischen Staaten in der jüngeren Vergangenheit belegen die Gefahr islamistischer Terrorakte. Auch Deutschland steht im Fokus islamistischer Terroristen. Typischerweise gehen in einer solchen Lage viele Hinweise und Informationssplitter bei den Sicherheitsbehörden ein. Die Aufklärung und die Bewertung solcher Hinweise erfordern allergrößte Sorgfalt. Es besteht eine ernstzunehmende Anschlagsgefahr. Allerdings liegen uns derzeit keine glaubhaften und spezifischen Hinweise auf die Vorbereitung eines Anschlages vor.“

Bereits zuvor hatte Dr. Maaßen auf der Jahrestagung des Handelsblatts am 29. September 2015 auf die vom IS ausgehende Gefahr für Europa hingewiesen:

„Die von Unterstützern des IS in Frankreich durchgeführten Anschläge (Anm.: gemeint waren die Anschläge in Paris im Januar 2015) sind auch in Deutschland möglich. Ein Zuwarten, dass der IS irgendwann hoffentlich von selbst verschwindet oder durch die Luftangriffe zermürbt wird, ist aus meiner Sicht nicht mehr zu vertreten.“

Wir von veko-online sehen die Verpflichtung der Verantwortlichen für aktuelle Maßnahmen zur Präsenz von Sicherheit sehr wohl, teilen insbesondere aber die ermittlungsorientierte Sicht.

So behalten wir mit Geduld die weiteren Bemühungen und Veröffentlichungen zur Aufklärung der Anschläge von Paris und den zukünftigen Gefahren in Deutschland im Auge, sammeln Erkenntnisse, kritische Positionen und Stimmen, bewahren uns aber einen professionellen Abstand zu aufgeregten Einzelinformationen. Wir nehmen auch gerne Ihre Positionen und Expertise auf.

Insbesondere wird es nicht nur von besonderem Interesse, sondern für die Freiheit in diesem Land von ganz erheblicher Bedeutung sein, wie wir uns nach einem möglichen Anschlag in Deutschland verhalten und welche Art von Sicherheitsmaßnahmen wir dann als tatsächlich geeignet ansehen, dieser Gefahr wirkungsvoll zu begegnen.

 

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