Foto: K.-U. Wudtke/Fraunhofer IPM
Gas-Sensoren warnen vor Schwelbränden
Brandgasmelder, die selektiv auf Kohlenmonoxid und Stickoxide reagieren, können Brände bereits im Frühstadium entdecken. Fraunhofer-Forscher haben ein neues Messprinzip entwickelt, das auf der Bindung dieser Brandgase an bestimmte Farbstoffe beruht. Die neuen Sensoren lassen sich kostengünstig herstellen und eigenen sich für den Massenmarkt.
Die Sterne funkeln am Himmel, die Bewohner des Hauses schlummern in ihren Betten. Soweit nichts Besonderes, doch in dieser Nacht steht ihr Leben auf dem Spiel: Ein Kabel schwelt vor sich hin, giftiges Kohlenmonoxid verbreitet sich unbemerkt im Raum. Die Rauchmelder allerdings geben keinen Alarm – sie reagieren nur auf Rauch, der bei einem Schwelbrand jedoch nicht immer entsteht. Durch die unvollständige Verbrennung bei niedriger Temperatur und ungenügender Sauerstoffzufuhr werden hauptsächlich giftige und brennbare Gase frei.
Kohlenstoffmonoxid zuverlässig erkannt
Gassensoren könnten die Bewohner rechtzeitig wecken und somit Leben retten. Forscher am Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg haben einen solchen Sensor entwickelt. Er erkennt einen Brand nicht über den Rauch, sondern über das entstehende Kohlenmonoxid. Auch bei Stickstoffdioxid, das etwas später im Brandverlauf entsteht, schlägt er Alarm. Kleinste Mengen der Gase reichen dabei aus. „Die Sensoren sind sehr empfindlich. Sie reagieren also schon sehr früh im Brandverlauf, schließlich zählt jede Sekunde“, erläutert Dr. Carolin Pannek, Wissenschaftlerin am IPM.
Messprinzip Farbstoff
Handelsübliche Halbleiter-Gassensoren können nicht zwischen verschiedenen Gasen unterscheiden und werden durch andere Gase wie Wasserstoff gestört oder sogar „vergiftet“. Nicht so der neuartige Sensor der IPM-Forscher: „Er reagiert gezielt auf Kohlenstoffmonoxid und Stickstoffdioxid, bei allen anderen Gasen bleibt er ruhig. Das ist vor allem dem Farbstoff zu verdanken, dem Herzstück der Sensoren. So wie in jedes Schloss nur ein ganz bestimmter Schlüssel passt, reagiert jeder dieser Farbstoffe auf ein ganz spezielles Gas – im Sensor gibt es daher einen Farbstoff für Kohlenstoffmonoxid, einen weiteren für Stickstoffdioxid.
Das Prinzip: Eine kleine LED strahlt blaues Licht in einen Wellenleiter, in dem das Licht auf einem Zickzackkurs bis zum anderen Ende läuft. Dort trifft es auf einen Detektor. Der Wellenleiter ist mit einem Polymer beschichtet, in das Farbstoffe gemischt sind. Ist die Luft im Raum unauffällig, ist der Farbstoff im Polymer lila – er nimmt nur wenig blaues Licht auf. Sprich: Es gelangt viel blaues Licht zum Detektor. Ist dagegen Kohlenstoffmonoxid in der Raumluft, ändert der Farbstoff seine Farbe: Er wird gelb. Der gelbe Farbstoff nimmt mehr blaues Licht auf – die Lichtmenge am Detektor sinkt. Wird dabei ein Grenzwert unterschritten, löst dies den Alarm aus. Um auch Stickstoffdioxid nachweisen zu können, integrieren die Forscher in den Sensor noch einen zweiten Wellenleiter mit einem anderen Farbstoff.
Kostengünstige Herstellung
Die Forscher achten darauf, dass der Sensor sich im Massenverfahren möglichst kostengünstig herstellen lässt – schließlich möchte kaum jemand deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen als für einen herkömmlichen Rauchmelder, auch wenn der Gassensor eine erheblich höhere Sicherheit bietet. „Der Sensor wird, fertigt man ihn in Massen, in einem ähnlichen Preisrahmen liegen wie Rauchmelder – und wesentlich günstiger sein als die wenigen am Markt verfügbaren Brandgasmelder“, ist sich Pannek sicher.
Für die Brandgas-Sensoren setzen die Wissenschaftler auf die gleichen Komponenten wie beim Rauchmelder, ergänzt um den Lichtwellenleiter. Eine Elektronik gibt die Schwelle an, ab der der Sensor Alarm schlagen soll. Für die Herstellung dieser Komponenten haben die Forscher gemeinsam mit einem Industriepartner ein Rolle-zu-Rolle-Verfahren entwickelt: Ähnlich wie beim Zeitungsdruck werden dabei 15 000 Messsysteme auf einer Endlosrolle gefertigt. Das Verfahren ist sowohl massentauglich als auch preiswert. Bis die Gassensoren in Wohn- und Schlafzimmern hängen werden, wird es sicherlich noch ein paar Jahre dauern.
Tödliches Gas in der Wohnung
Die neuen Sensoren könnten auch vor Kohlenmonoxidvergiftungen in privaten Wohnbereichen schützen, die Jahr für Jahr zahlreiche Tote und Verletzte fordern Das giftige Gas entsteht dort bei der unvollständigen Verbrennung in defekten Gasthermen oder durch verstopfte Kamine. Ob die Farbstoffsensoren vom Fraunhofer IPM die aktuell verwendeten Kohlenmonoxidwarnmelder mit elektrochemischen Sensoren ersetzen können, müsste noch untersucht werden. Diese detektieren das giftige Kohlenmonoxid unter Anzeige der Belastung zuverlässig und in niedrigen Konzentrationen. Ihre Sensoren müssen allerdings spätestens zehn Jahren ausgetauscht werden. Das Messprinzip beruht auf der katalytischen Oxidation von Kohlenmonoxid zu Kohlendioxid. Der dazu benötigte Sauerstoff wird einem Reservoir entnommen und bei der Reaktion verbraucht.
Dr. Henning Salié