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Martina Link (links) leitete die Veranstaltung. (Foto:BKA)

Spektrum Migration

Fortsetzung der Vortragsreihe im BKA über Migration

Von Peter Sehr

Mit dem „Perspektivwechsel – Wie sehen Migrantinnen und Migranten die Polizei?“ setzte das BKA am 20. Oktober 2014 seine Veranstaltungen rund um die Migration fort (veko-online berichtete). Nachdem in der letzten Vortragsreihe die Wahrnehmung und Integration insbesondere aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet wurde, kamen nun zwei Frauen mit familiären Wurzeln in der Tükei zu Wort: Die ehemalige Miss Germany Asli Bayram, die erleben musste, wie ihr Vater vor ihren Augen von einem Neonazi getötet wurde, und die Kriminalhauptkommissarin Döndü Yazgan, eine von derzeit achtzehn Migrationsbeauftragten der Polizei Hessens - beide mit doch bemerkenswerten unterschiedlichen Wahrnehmungen.

 

Rückblick

Bei der Betrachtung der Wissenschaftler im Rahmen der im Juni veranstalteten Vortragsreihe zum Thema: „Migranten und Polizei – Wahrnehmung und Integration“ attestierten die Vortragenden, Frau Daniela Hunold und Herr Dr. Tim Lukas ,Max-Planck-Institut Hamburg, der deutschen Polizei eine doch hohe Akzeptanz auch bei Jugendlichen, da insbesondere das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der Polizei entsprechend vorhanden ist. Die Polizei pflege, so die Wissenschaftler, eine „Kultur der Zurückhaltung“, was offenbar aber seine Ursache in der Arbeitsbelastung der Polizistinnen und Polizisten findet. Kontrollen sind im Wesentlichen „Kür“, werden also nicht oft durchgeführt. Dadurch kommt es zwangsläufig zu eher wenigen negativen Zusammenstößen. Interessant war, dass auch von den Jugendlichen die ethnische Herkunft eher als nachrangig gesehen wurde. Will heißen, es wurde nicht empfunden, dass Kontrollen stattfanden, weil man einen Migrationshintergrund aufwies. Auch gäbe es bei Migranten, die in Deutschland leben, eine hohe Identifikation mit dem Staat Deutschland.

Trotzdem wurde empfohlen, dass Polizisten in interkultureller Kompetenz ausgebildet werden. Insbesondere das Darlegen von Handlungsgründen und damit Transparenz des Handelns wären Faktoren, die Eskalationen vermeiden könnten. Die richtige Art der Kommunikation mit Menschen mit Migrationshintergrund sei erlernbar und notwendig.

Defizite erkenne man allerdings in der Rekrutierung von Polizeianwärtern mit Migrationshintergrund. Verlässliche Zahlen gäbe es nicht, allerdings ließen die neuesten Einstellungszahlen darauf schließen, dass sich die prozentualen Anteile von Personen mit Migrationshintergrund deutlich verstärken. Für das BKA beispielsweise gäbe es mittlerweile eine Quote zwischen 10 und 15 Prozent.

Vortragsreihe „Perspektivwechsel - Wie sehen Migrantinnen und Migranten die Polizei?

Die Vortragsreihe wurde am 20. Oktober von der Leiterin des Kriminalistischen Instituts im BKA, Martina Link, eröffnet. Sie führte aus, dass die Polizei zum einen beobachtet, zum andern aber auch beobachtet wird. Immer wichtiger sei der Dialog, da auch die Gesellschaft immer mehr Anteil am Verhalten der Polizei nimmt. Sie stellte daraufhin die beiden Referentinnen vor, Frau Asli Bayram und Frau Döndü Yazgan.

 

Miss Germany Asli Bayram

Asli Bayram (Foto: Petro Domenigg - Artevent GMBH)Frau Asli Bayram, gefragte Schauspielerin und erfolgreiche Buchautorin, zeichnete in ihrem Vortrag: „Mein Blick auf die Polizei“ kein besonders positives Bild. Polizei sollte Freund und Helfer sein; aber werden Ausländer nicht oft als potenzielle Kriminelle  gesehen? Gibt es bei der Polizei nicht zu viele Rassisten? So ihre Fragestellungen. Begründet wurden diese Fragen von ihr mit dem Hinweis auf einen EU-Bericht über die deutsche Polizei, in dem diese Vorwürfe artikuliert wurden. „Die Menschen in Deutschland erwarten eine perfekte Polizei“, so Frau Bayram. Sie selbst sei deutsche Staatsbürgerin, in Deutschland geboren, ihre Eltern achteten darauf, dass ihre Kinder alle eine gute Schulausbildung bekamen. Trotzdem habe sie immer wieder Abneigung und sogar Hass gegen ihre Familie verspürt. Dies gipfelte dann in einen Anschlag durch einen Neonazi, der vor ihren Augen den Vater erschoss und auch sie verletzte. Offensichtlich war dieses Erlebnis noch so wirksam, dass Frau Bayram längere Zeit nicht weitersprechen konnte. Im Großen Saal des BKA war es minutenlang totenstill, trotz der fast 200 Zuhörer. Frau Bayram berichtete dann weiter, dass sie bei den folgenden Ermittlungen den Eindruck hatte, dass sie, ihre Familie, die Täter seien und der eigentliche Täter das Opfer. Sie habe sich damals sehr ausgegrenzt gefühlt. Sie, so Frau Bayram, gelte als „gelungenes Integrationsbeispiel“. „Wieso ist das so?“ fragte sie, „Ich bin deutsche Staatsbürgerin, in Deutschland geboren, wieso dann Integration? Warum müssen sich Deutsche mit Migrationshintergrund immer rechtfertigen?“ Es sei eine Tatsache, dass beispielsweise in Wiesbaden, wo sich Frau Bayram übrigens als Botschafterin des Präventionsrates im hessischen Ministerium der Justiz sehr an einer Schule mit sehr hohem Migrationsanteil von Schülern engagiert, heute bereits jeder Zweite einen Migrationshintergrund hat. Im Jahre 2030 wird das im Übrigen für ganz Deutschland zutreffen. Als wesentliche Probleme sehe sie, dass in der Bevölkerung Ängste geschürt werden. Hier müsse man Vertrauen aufbauen. Sie erlebe im Ausland eine bessere Behandlung und fühle sich beispielsweise in London viel besser aufgehoben. Sie sieht es noch als langen Weg, bis Vielfältigkeit in Deutschland als Stärke begriffen wird. Dabei sei Respekt die Grundlage für den beiderseitigen Umgang, und jeder Beitrag zähle.

 

Kriminalhauptkommissarin Döndü Yazgan

Döndü Yazgan (Foto: Polizei)Eine völlig andere Wahrnehmung vermittelte Kriminalhauptkommissarin Döndü Yazgan den Zuhörern – wobei auch Schaltungen nach Berlin und Meckenheim den dortigen Beschäftigten ein Zuhören ermöglichten – über ihre Erfahrungen mit deutschen Polizisten. Polizistin zu werden sei ihr Traumberuf gewesen, und sie empfinde das immer noch so. 1993 habe es erste Ausländer in der hessischen Polizei gegeben, übrigens auch ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Sie sei wenig später in die Polizei eingetreten und habe während ihrer Dienstzeit durchweg nur  hilfsbereite Kolleginnen und Kollegen angetroffen. Sie sei nun Migrationsbeauftragte der hessischen Polizei im Bereich des Polizeipräsidiums Westhessen (Wiesbaden), somit ein Bindeglied zwischen den Kulturen. Sehr eindrucksvoll schilderte sie anhand von Beispielen, was alles schiefgehen könnte, wenn man den kulturellen Hintergrund des Gegenübers nicht oder nicht richtig einschätzen kann. Dabei sei die Beherrschung der jeweiligen Sprache ein sehr großer Vorteil. Ihre Aufgabe sei es oftmals, den Betroffenen zu vermitteln, wie die deutsche Polizei arbeitet. In einem Fall sei das sehr hilfreich gewesen, als ein vierzehnjähriger Alewit wegen zu schlechter Noten in der Schule sich das Leben genommen hatte. Die Familie sei gegenüber der Polizei doch sehr misstrauisch gewesen. Aus ihrer Sicht sei der Weg, dass in Hessen interkulturelle Kompetenz auf den Lehrplänen der Ausbildung steht, der absolut richtige. Die Rolle der Migrationsbeauftragten, so Frau Yazgan, sei ursprünglich erst kritisch aufgenommen worden. Mittlerweile habe sich das aber sehr geändert. Die Migrationsbeauftragten genössen eine hohe Akzeptanz, und zu schwierigen Einsätzen werden sie mehr und mehr hinzugezogen.

 

 

Fazit

Beide Perspektiven, die zu hören waren, sind wohl richtig. Es handelt sich um persönliche Wahrnehmungen, die zu jeweils unterschiedlichen, ja teilweise zu konträren Sichtweisen führen. Beide Referentinnen vermieden es, ihre Wahrnehmungen zu verallgemeinern. Natürlich liegt die Wahrheit irgendwo zwischen den doch recht polarisierenden Positionen. Es dürfte aber allen, die sich mit der Thematik befassen, klar sein, gleich wo wir in unserer Gesellschaft stehen, und wo denn nun genau Polizisten einzuordnen sind, es Handlungsbedarf gibt. Der wurde auch klar formuliert:

  • Mehr Menschen mit Migrationshintergrund in den deutschen Polizeien,
  • Herstellung der Fähigkeit zur interkulturellen Kompetenz,
  • Dialogfähigkeit.

Dazu gehört aber auch, dass rassistische oder gar neonazistische Verhaltensweisen durch Polizeibeamte nicht toleriert werden. Vor allem sollten die Verantwortlichen nicht so tun, als wär das kein Thema in der Polizei. Wenn auf diesen Feldern gehandelt wird – und das scheint ja in vielen Polizeien mehr und mehr der Fall zu sein – werden auch hier wertvolle Beiträge für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund geleistet.

Wie sagte Frau Bayram? „Vielfalt als Stärke begreifen.“ Dem muss man eigentlich nichts hinzufügen.


 

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