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Der Jihad in unserer Mitte

Radikalisierung islamistischer Extremisten

Von Dr. Daniel H. Heinke, Bremen, und Mareike Persson, Lund (Schweden)

Der islamistische Extremismus in unserem aktuellen Verständnis entstand etwa zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Sein Wirkungsbereich beschränkte sich dabei allerdings während der ersten Jahrzehnte im Wesentlichen auf den Nahen Osten. Spätestens die Anschläge des 11. Septembers 2001 haben jedoch die Verwundbarkeit der westlichen Gesellschaften für die von diesem Extremismus ausgehende terroristische Bedrohung erschreckend deutlich gemacht. In den folgenden Jahren ist zudem das Bewusstsein für die Gefahren des „homegrown“ Terrorismus gewachsen, also eines Prozesses der Radikalisierung von Einwohnern westlicher Staaten, die sich aufgrund der Verinnerlichung einer westlichen Gesellschaft und ihren Werten feindlich gegenüber stehenden extremistischen religiösen oder politischen Ideologie terroristischen Bestrebungen anschließen. Wiewohl nicht die einzige Erscheinungsform eines solchen „einheimischen“ Terrorismus, wird derzeit die Gefahr durch islamistisch motivierte Täter als besonders hoch eingeschätzt.

 

Das Thema Radikalisierung – insbesondere die Radikalisierung islamistischer Extremisten – erst vor einigen Jahren ernsthaft als Forschungsthema angenommen zu haben, müssen sich dabei die akademische Forschung und die Sicherheitsbehörden der westlichen Welt gleichermaßen eingestehen. Diese Forschung steht zudem vor nicht unbedeutenden praktischen Hindernissen: Empirische Daten liegen weit überwiegend nur aufgrund der Analyse bereits verübter oder vereitelter terroristischer Anschläge vor; Vergleichsdaten sind aufgrund rechtlicher und praktischer Schwierigkeiten nur schwer heranzuziehen. Zudem stellt der islamistische Terrorismus in seiner Gesamtheit kein statisches, sondern ein überaus flexibles Phänomen dar. Dabei darf nicht der Fehler begangen werden anzunehmen, dass der „homegrown“ Terrorismus nun vorher verbreitete Arten des islamistischen Terrorismus ersetzt. Er stellt vielmehr eine zusätzliche Bedrohung dar, die entweder für sich alleine oder in Verbindung mit im Ausland geplanten Anschlägen auftreten kann.

Zwei Schlüsselfragen sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung für die Sicherheitsbehörden: Wer wird radikalisiert und wie läuft der Radikalisierungsprozess ab?

 

 

Die Suche nach dem „Profil“ des islamistischen Terroristen

Sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten durchgeführte Analysen zeigen – wenn auch mit beachtlichen Unterschieden zwischen den Staaten im Detail –, dass islamistische Terroristen eine große Bandbreite der Bevölkerung repräsentieren.

In Deutschland wurden jüngst ergänzend durch die Sicherheitsbehörden die vorliegenden Informationen zu 378 Personen ausgewertet, von denen bekannt ist, dass sie sich als so genannte „foreign fighters“ dem Kampf des „Islamischen Staates“ in Syrien und im Irak angeschlossen haben oder diesen anderweitig unterstützen wollen.

Die analysierten Personen waren weit überwiegend entweder Angehörige des jeweiligen Staates oder verfügten zumindest über eine gültige Aufenthaltserlaubnis. Soweit in einigen europäischen Staaten die Mehrheit der identifizierten islamistischen Terroristen zur jeweils größten muslimischen Einwanderergruppe gehörten (z.B. Großbritannien: Südasien, Frankreich: Algerien, Spanien: Marokko), ist dies in anderen großen Staaten wie insbesondere Deutschland, aber auch Italien oder die Vereinigten Staaten, nicht der Fall.

Stereotypen haben sich zwar in quantitativ bedeutsamem Umfang bestätigt, gleichzeitig aber nicht als trennscharf belastbar erwiesen:

  1. Die meisten Terroristen sind männlich, aber auch Frauen spielen eine bedeutende Rolle.
  2. Die Mehrheit ist zwischen 20 und 30 Jahre alt, aber auch eine nicht unerhebliche Anzahl älterer Männer (seltener Frauen) war festzustellen.
  3. Viele leben allein, aber viele haben auch stabile Beziehungen und sogar Kinder.
  4. Der Bildungshintergrund reicht von keiner formalen Qualifikation bis hin zu Universitätsabschlüssen.

Bemerkenswert ist, dass ein deutlich überproportional hoher Anteil islamistischer Extremisten im Westen Konvertiten sind (bei einem noch höheren Anteil von Frauen), wobei dieser Befund allerdings, um es deutlich herauszustellen, weder eine generelle Tendenz zu einer Radikalisierung bei Konvertiten nahelegt noch den Blick darauf verstellen darf, dass die Mehrheit der islamistischen Extremisten in den muslimischen Glauben hineingeboren wurde (auch wenn dies natürlich nicht bedeutet, dass in der jeweiligen Familie eine regelmäßige praktische Ausübung des Glaubens erfolgte).

„Homegrown“ islamistische Extremisten stellen also eine sozial und demographisch derart diversifizierte Gruppe dar, dass gleichermaßen aus der bloßen Darstellung wie auch aus der Analyse bestimmter sozio-demographischer Merkmale kein allgemein zu akzeptierendes „Profil des islamistischen Terroristen“ abgeleitet werden kann.

 

 

 

 

Der Radikalisierungsprozess

Wenn es also nicht möglich ist, die Frage nach dem „Wer?“ in nutzbarer Weise zu beantworten, tritt die Frage nach dem „Wie?“ umso mehr in den Vordergrund.

Dabei stellen sich die Pfade zum Terrorismus auf den ersten Blick als ebenso unterschiedlich wie seine Akteure dar. Diese Extremisten beginnen an unterschiedlichen Ausgangspunkten und folgen unterschiedlichen Wegen bis zu einer Beteiligung an terroristischen Aktivitäten. Dieser gemeinsame Endpunkt aber legt dennoch den Schluss nahe, die unterschiedlichen Entwicklungen der handelnden Personen lediglich als Varianten eines Radikalisierungsprozesses zu charakterisieren. Es ist daher intensiv versucht worden, gemeinsame Aspekte zu identifizieren und so diesen Prozess zu verstehen und dadurch mögliche Gegenmaßnahmen entwickeln zu können.

Die durch zahlreiche Polizeibehörden und Nachrichtendienste der westlichen Welt (vom amerikanischen FBI über Behörden in Großbritannien, Schweden, Dänemark und den Niederlanden bis zum Bundeskriminalamt) gewonnenen Erkenntnisse legen ein vereinfachtes Grundmodell der Radikalisierung nahe, das aus drei Hauptkomponenten besteht: Unmut, Ideologisierung und Mobilisierung. Dieses Modell beruht im Grundsatz auf einer Skizze, die Peter Neumann, Direktor des International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence (ICSR), King’s College London, auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes im Oktober 2010 vorgestellt hat.

Eine solche Aufgliederung des Radikalisierungsprozesses in abgrenzbare Komponenten kann für Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste – ebenso wie für andere staatliche oder nichtstaatliche Partnerorganisationen – sinnvoll sein, um die aktuelle Situation und die potenzielle Entwicklung bestimmter Einzelpersonen oder Gruppen zu bewerten.

Es muss dabei aber herausgestellt werden, dass diese Komponenten keinen Automatismus darstellen und auch nicht als festgelegtes Programm der Radikalisierung angesehen werden können. Nicht alle Personen, die einen solchen Prozess beginnen, schließen ihn auch tatsächlich ab, vielmehr bleiben viele aus unterschiedlichen Gründen und an unterschiedlichen Punkten auf einer Stufe dieser Entwicklung stehen oder brechen sie sogar ganz ab. Andere folgen nicht der implizierten sequenziellen Entwicklung, sondern „springen“ von einer Radikalisierungsphase zur nächsten. Zeitlich scheint der individuelle Radikalisierungsprozess schließlich in zahlreichen Fällen mehrere Jahre gedauert zu haben, während er in anderen sehr schnell – teilweise in nur wenigen Wochen – erfolgte.

 

a) Unmut

Die Ausgangsbasis des Radikalisierungsprozesses scheint eine bestehende Unzufriedenheit zu sein. Mögliche Themen, die diese Unzufriedenheit bei Einwohnern westlicher Staaten verstärken können, sind etwa die als solche empfundene weltweite Verfolgung von Muslimen, ein Gefühl der Entwurzelung, der Entfremdung und/oder eines Mangels an Akzeptanz, die subjektive Empfindung von Diskriminierung – insbesondere unter Immigranten der zweiten oder dritten Generation – oder eine allgemeine Suche nach der eigenen Identität.

Dabei kann diese Unzufriedenheit einerseits auf eigenen Erfahrungen des Betreffenden (oder von Personen seines Umfeldes) beruhen, sie kann andererseits ihre Ursache aber auch in dem normalen Prozess der Identitätsfindung junger Menschen haben. Jene Gefühle der Selbstunsicherheit sind bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht unüblich und ein umfassend bekanntes Phänomen innerhalb der Entwicklungspsychologie, das gemeinhin auch zur Erklärung von bestimmten Aspekten der Straffälligkeit junger Menschen herangezogen wird. Jugendliche und junge Erwachsene befinden sich aufgrund von biologisch-sexuellen ebenso wie psychischen Entwicklungsprozessen regelmäßig in einem Stadium der Unsicherheit sowohl hinsichtlich ihrer Identität und Rolle als auch in Bezug auf die für sie als verbindlich anzusehenden Verhaltensregeln. Dieser Entwicklungsprozess kann sich dabei ohne Weiteres auch über die Volljährigkeit hinaus erstrecken.

In einigen Fällen kann dieser normale Prozess, der durchaus auch (jugend)strafrechtlich relevante Elemente beinhalten kann, allerdings zu einer schwerwiegenden Identitätskrise anwachsen und den Betreffenden aufgrund der so empfundenen Zurückweisung durch die Gesellschaft zur Suche nach einem (neuen) Zweck seines Lebens veranlassen. Dabei können einige geborene Muslime etwa Erfahrungen von Benachteiligungen oder einer Nichtzugehörigkeit mit ihrem Glauben in Verbindung bringen und so diese Erlebnisse als Ausdruck einer kulturellen und religiösen Diskriminierung auffassen.

 

 

b) Ideologisierung

Der Prozess der ideologischen Formung in einem islamistischen Weltbild greift dieses unscharfe Gefühl der Unzufriedenheit auf und lenkt es in eine spezifische Richtung.

Die Idee von „uns“ (der Umma, d.h. der "Gemeinschaft der Gläubigen"), die sich gegen „die“, d.h. die Ungläubigen, verteidigen müssen, weil sich die islamische Welt in einem angeblichen Abwehrkampf gegen den vom Westen geführten „Krieg gegen den Islam“ befinde, sichert eine starke Bindung zwischen den Anhängern einer solchen Gruppe und entfremdet sie zugleich von allen westlichen Bürgern, auch wenn diese gar keine negativen Handlungen begangen haben.

Dies wird aktuell in besonderer Form durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ hervorgehoben, indem diese sich als das Ideal des islamischen Kalifats darstellt, das nun (erneut) durch die Ungläubigen bedroht wird.

Dieser Narrativ des Abwehrkampfes findet seine ideologische Grundlage typischerweise in einer Form des Salafismus. Es muss dabei berücksichtigt werden, dass die Interpretationen des Salafismus von einer ausschließlich persönlichen religiösen Überzeugung mit einer Betonung der Reinheit der Lebensführung des Gläubigen bis hin zu einer jihadistischen Ausrichtung reichen, die von ihren Anhängern verlangt, den Kampf gegen westliche Regierungen und „abtrünnige“ muslimische Regime aufzunehmen, welche für das Leiden aller Muslime verantwortlich gemacht werden. Dieser letztgenannte so bezeichnete jihadistische Salafismus betont die unangefochtene und ausschließliche Oberherrschaft Gottes und betrachtet den Koran und die Sunna als die einzig anzuerkennenden Quellen zur Beurteilung von richtig und falsch. In dieser Konsequenz lehnt diese Ideologie das Konzept von Demokratie und generell von mensch-gemachtem Recht als unislamisch ab; westliche Gesellschaften werden als sündhaft und als Gefahr für die „richtige“ Ordnung der Menschheit angesehen.

Weit überwiegend ist dabei allerdings festzustellen, dass „Islamismus“ und „Salafismus“, wenn sie als Ideologie oder als Narrativ zur Förderung einer Radikalisierung statt als religiöse Ausprägung präsentiert werden, eher in einer eher einfachen und ohne theologische Tiefe gehaltenen Form vertreten werden. Die zentrale Bedeutung dieser Komponente der ideologischen Formung innerhalb des Radikalisierungsprozesses sollte daher nicht in erster Linie in ihrem tatsächlichen religiösen Inhalt gesehen werden, sondern in ihrer Funktion, dem Anhänger (der als „wahrhaft Gläubiger“ gepriesen wird) eine Vorstellung seiner „wahren Bestimmung“ und das Zugehörigkeitsgefühl zu einer weltumfassenden Gemeinschaft zu vermitteln. Durch die Annahme dieser in hohem Maße polarisierten Weltsicht und ihrer enggefassten Reihe von Regeln erhält der nach (s)einer Bedeutung suchende unsichere Anhänger einerseits das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, deren Bedeutung für ihn weit über vorher bestehende familiäre Bindungen hinaus gehen kann, und andererseits sowohl einfach fassbare Antworten als auch ein umfassendes Gerüst sozialer und moralischer Normen und Werte.

Gerade in Deutschland stellt dabei ein erhebliches Problem dar, dass Salafisten zielgerichtet die jugendorientierte deutschsprachige Internetlandschaft zum Thema Islam dominieren. Jugendliche kommen auf diese Art oft erstmals mit dieser Ideologie in Kontakt, ohne es überhaupt wahrzunehmen. Auf der Suche nach Antworten zu Fragen des alltäglichen Lebens in einer nicht-muslimischen Gesellschaft werden ihnen scheinbar einfache Lösungen für nahezu alle Situationen angeboten – und später mit nur wenigen Klicks zu in den letzten Jahren immer hochwertiger produzierten Inhalten wird Werbung für den Jihad weitergeleitet.



Besonders gefährlich wird diese Form der Ideologisierung, wenn sie nicht nur in vergleichsweise kleinen Gruppierungen stattfindet, sondern sich sogar auf etablierte Einrichtungen oder gar Moscheen abstützen kann. Das spezifische Risiko ergibt sich in diesen Fällen daraus, dass einerseits die Hemmschwelle für neu Interessierte herabgesetzt wird, sich auf den Austausch mit den Propagandisten einer solchen Glaubensauslegung einzulassen, weil die Einrichtung als staatlich „geduldet“ wahrgenommen wird, und dass andererseits natürlich mit jeder Ansprache, Predigt oder vergleichbaren Handlungen eine erheblich größere Zahl von Personen erreicht wird.

Terroristische Bewegungen oder auch einzelne Ideologen können nun diese Ideologie aufgreifen, indem sie die Überzeugung fördern, dass sich die Gemeinschaft der Muslime in einem Zustand permanenter Selbstverteidigung befinde, und schließlich die Anwendung von Gewalt als Antwort rechtfertigen. Daher überrascht es nicht, dass die großen islamistisch motivierten Terroranschläge im Westen (New York 11.09.2001, Madrid 11.03.2004, London 07.07.2005) jeweils durch salafistische Extremisten verübt wurden.

 

c) Mobilisierung

In der Vergangenheit wurde die weit überwiegende Mehrheit von Extremisten im Wesentlichen durch sich verstärkende Interaktionen mit anderen Personen gleichartiger Überzeugungen radikalisiert, entweder durch eine wechselseitige Bestärkung oder durch das Aufhetzen durch einen spirituellen Führer zu gewalttätigen Handlungen. In den letzten Jahren – und mit zunehmender Tendenz – haben allerdings in Nordamerika und in Europa erfolgreich durchgeführte bedeutsame Angriffe durch Einzeltäter ohne oder mit nur geringen Bindungen zu anderen Extremisten (so bezeichnete „lone wolves“, also „einsame Wölfe“) die Bedeutung der Gefahr auch durch solche relativ eigenständig radikalisierte Täter hervorgehoben.

In den Fällen der „klassischen“ – also gruppenbezogenen – Radikalisierung ist dabei durchaus nicht ungewöhnlich, dass das Empfinden einer gemeinsamen Identität und eines Zugehörigkeitsgefühls eine solche psychologische und emotionale Belohnung darstellt, dass deren Bedeutung die ursprüngliche ideologische Grundlage überlagert. Durch die ständige gegenseitige Versicherung der Richtigkeit der gemeinsamen Überzeugungen werden frühere moralische Normen und Standards durch neue ersetzt. Die Gruppenangehörigen betrachten Gewaltausübung zur Erreichung der gemeinsamen Ziele der Gruppe zunehmend als akzeptable und legitime – wenn nicht sogar erstrebenswerte – Handlungsweisen. Die Verwendung visueller Propaganda einschließlich Hassvideos mit hoher emotionaler Wirkung (die Gegenüberstellung von Bildern angeblicher oder tatsächlicher Grausamkeiten gegen Muslime mit „ruhmreichen“ Angriffen durch Glaubenskrieger und der gefeierten Tötung von Westlern – als abscheuliches Beispiel etwa jüngst die Enthauptung amerikanischer und britischer Journalisten bzw. Entwicklungshelfer durch Terroristen des „Islamischen Staates“) wird verstärkt, und alle islamistischen terroristischen Angriffe gegen Ungläubige (Nicht-Muslime ebenso wie „abtrünnige“ Muslime) werden gebilligt. Der Jihad in diesem Sinne, also die Anwendung von Gewalt gegen Personen und Regierungen, die als Feinde dieser fundamentalistischen Form des Islam betrachtet werden (insbesondere „den Westen“) wird zunehmend unterstützt. Die Schwelle zum Entschluss, sich selbst zur Teilnahme am gewalttätigen Kampf gegen die angenommenen Feinde des Islam zu entschließen, kann dabei sowohl den Aufruf eines Ideologen zur direkten Beteiligung am heiligen Krieg oder durch Selbst-Überzeugung des Betroffenen überschritten werden.

Das Thema einer „Online-Radikalisierung“ gewinnt in diesem Zusammenhang eine immer weiter wachsende Bedeutung. Nach dem berüchtigten durch die Al-Qaida auf der arabischen Halbinsel gegründeten Internetmagazin „Inspire“ hat dabei in den letzten Monaten insbesondere das vom „Islamischen Staat“ produzierte und inzwischen in vierter Ausgabe erschienene „Dabiq“ eine erhebliche Bedeutung erhalten. „Dabiq“ wird inzwischen neben arabisch und englisch in mehreren anderen Sprachen vertrieben; die erste Ausgabe liegt auch auf deutsch vor.

 

Dabei muss neben der konkreten Teilnahme an Kampfhandlungen dieser Personen im Bürgerkriegsgebiet als zusätzliche sehr ernst zu nehmende Gefahr berücksichtigt werden, dass von in die westliche Gesellschaft zurückkehrenden Extremisten angesichts ihrer massiven Gewalterfahrungen bei fortbestehender ideologischer Prägung eine hohe Gefahr ausgeht, hier ebenfalls terroristische Handlungen zu begehen.

 

 

Zusammenfassung

Einheimische („homegrown“) Personen, die sich im islamistischen Extremismus betätigen, sind eine sowohl demografisch als auch sozio-ökonomisch sehr heterogene Gruppe. Ein verlässlicher „Profil des islamistischen Terroristen“ ist daher nicht zu erstellen.

Dennoch entwickeln alle diese Personen auf ihrem Weg zum Terrorismus eine neue Denkweise. Während für diesen Radikalisierungsprozess kein „typischer“ Pfad existiert, können insoweit drei Hauptkomponenten identifiziert werden: tiefgreifender Unmut als Ausgangspunkt einer Identitätskrise, eine Ideologisierung im Sinne einer islamistischen (weit überwiegend salafistischen) Auslegung des Islam, die dem Betroffenen einen Sinn für die eigene Existenz und ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer auserwählten Gemeinschaft vermittelt, sowie die Mobilisierung des Einzelnen zur Teilnahme an terroristischen Handlungen, um die Zielvorstellung des Sieges der eigenen Gemeinschaft durchzusetzen.

 

Ausblick

Das Verständnis dieser unterschiedlichen Komponenten des Radikalisierungsprozesses kann einerseits die Bewertung möglicher Einzelfälle von Radikalisierung durch Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste erleichtern und andererseits die Vorarbeit für andere staatliche und nicht-staatliche Einrichtungen darstellen, spezifische gegen eine solche Radikalisierung gerichtete Maßnahmen zu entwickeln. Eine abgestimmte, effektive Präventionsstrategie gegen den gewaltorientierten Salafismus ist dringend erforderlich.

Dies haben auch die Innenminister und Innensenatoren der Länder und des Bundes erkannt und das Thema zu einem der Schwerpunkte ihrer gemeinsamen Konferenz am 11./12. Dezember 2014 in Köln erklärt. Wenn es hier gelingt, zu einer ressort- und länderübergreifend abgestimmten Vorgehensweise zu kommen, ist eine wesentliche Voraussetzung dafür gelegt, Gegenmaßnahmen auch tatsächlich wirksam werden zu lassen.

 

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