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Die Konferenz tagte traditionsgemäß im Rittersaal des Schlosshotels Prinz von Hessen.

Aktionäre im Hawaiihemd, nackte Frauen und Terroristen

21. Fachkonferenz Personenschutz wieder mit vielen spannenden Themen

Von Oliver Storck

Die Betrachtungen von Strategie und Gegenstrategie waren der rote Faden, der sich durch alle Vorträge der 21. Fachkonferenz Personenschutz zog. Rund 60 Teilnehmer nutzten die zwei Tage, um sich auszutauschen, Antworten auf konkrete Bedrohungsszenarien zu erhalten, Einsichten in die Vorgehensweisen von Störern und Attentätern zu gewinnen, rechtliche Fragen zu diskutieren und das Thema Eigenschutz in unterschiedlichsten Bereichen zu vertiefen. Es moderierte – wie immer – Helmut Brückmann.

 

Hauptversammlung und Bühnenschutz

Markus PetzoldMarkus Petzold hielt gleich zu Beginn das Grundsatzreferat mit dem anspruchsvollen Thema über die „präventive Intelligence bis zur Einlasskantrolle“. Hier sprach ein rundum erprobter Praktiker von der Deutschen Bank. Können die Besucher einer Hauptversammlung auch im Außenbereich der Veranstaltung vor Demonstranten und Provokateuren geschützt werden? Wie verhindert man unbefugtes Eindringen? Was kann und darf man tun, wenn Aktionäre die Veranstaltung stören wollen? Diese und andere Fragen beantworteten die Fachvorträge „Ganzheitliches Sicherheitskonzept für eine HV“ und „Bedrohungsszenarien – Bühnenschutz“.

LPeter Rinnenburgeretzteres war das Thema von Peter Rinnenburger, der aus seiner Praxis Beispiele brachte, wie den Aktionär in Adiletten und Hawaiihemd in der ersten Reihe, der nicht nur den Vorstand irritierte, sondern durch sein Verhalten außerdem noch einen Mitarbeiter aus dem Security-Team beschäftigte. Natürlich gab es auch viele Praxistipps, wie: „Nehmen Sie immer einen Ersatzanzug für Ihre Schutzperson mit“, denn man wisse nie, was passiert. Um besser für künftige Probleme gewappnet zu sein, gab er abschließend noch den grundlegenden Rat: „Nachbereitung ist die beste Vorbereitung.“

 

Oben Ohne Protest: Femen

Die barbusigen Proteste der sogenannten Femen sind laut Kriminaloberrat Stefan Schara „eine besondere Herausforderung für den Schutz von Veranstaltungen“. Gut trainiert und eingeölt, entziehen sie sich immer wieder den Versuchen sie zu entfernen, wie der Fachvortrag deutlich machte. Gewalttätig sind die Frauen nicht, aber schwer aufzuhalten. Mit ihren langfristig geplanten Aktionen sorgen sie schnell für ein ungewolltes Medienecho.

Stefan Schara Auch die Presse kann zu einem Sicherheitsrisiko werden, da der Personenschutz zwar alles im Blick behalten, aber möglichst auf den Bildern nicht zu sehen sein soll. Die so erzwungene Distanz zur Schutzperson erschwert trotz aller Vorsichtsmaßnahmen eine optimale Abschirmung – insbesondere an öffentlichen Orten mit Publikumsverkehr. Das Beispiel Hannovermesse am 8.4.2013 zeigt, wie eine von drei Aktivistinnen in die unmittelbare Nähe des russischen Staatspräsidenten Putin gelangen konnten.

Leider war keine der 30 bis 40 aktiven Femen in Deutschland bereit, sich einer Diskussion zu stellen. Mit Ihrem Sextremismus wollen sie gegen religiöse Institutionen protestieren, die Trennung von Staat und Religion vorantreiben, das Patriarchat und die Sexindustrie zerstören und gegen Diktaturen vorgehen. Übrigens, Herr Putin nahm den Vorfall gelassen und erfreute sich des Anblicks.

 

Dienststelle Personenschutz Ausland

Reimund Gans, seit Oktober Leiter der Dienststelle Personenschutz Ausland der Bundespolizei, erklärte, warum es Reimund Ganserforderlich war, zum Schutz der Botschaften eine neue Dienststelle der Spezialkräfte der Bundespolizei gemeinsam mit GSG9 und dem BKA zu schaffen. Er beschrieb Ausrüstung, Einsatzzyklen, psychologische Anforderungen des Auslandsdienstes und die unterschiedlichen Ausbildungszeiten. Auch die Ausbildungsinhalte wie TCCC (erste Hilfe), Fahr- und Sicherheitstraining, Grundlagen des Orts- und Häuserkampfes, Ortungs- und Kommunikationstraining, spezielles Schießtraining, Personenschutz-Taktiken für den Einsatz in Krisen- oder Kriegsgebieten oder Nahkampf kamen zur Sprache. Übrigens, nur fünf bis sieben Prozent aller GSG9 Bewerber bestehen die Prüfung, die ihnen nach einer Verwendungszeit von fünf Jahren optimale Karrierechancen eröffnet.

 

Radikalisierung und Terror der IS

Dr. Daniel H. Heinke erklärte, wie eine Radikalisierung von jungen Islamisten in Deutschland durch die Dr. Daniel H. HeinkeIS-Propaganda und Hassprediger abläuft. Er beschrieb die aus Unzufriedenheit geborene Motivation, die dazu führt, in Gemeinschaft mit klaren Regeln einzutreten und anschließend für deren Ideale zu kämpfen. „Erst wenn alle ein richtiges Islamverständnis haben, wird auf der Welt Frieden herrschen – glauben die Anhänger des IS“, so Dr. Heinke.

In Deutschland leben rund vier Millionen Muslime, das sind rund fünf Prozent der Bevölkerung. Davon sind rund 42.550 der islamistischen Szene zuzurechnen – aber – 31.000 von ihnen gehören der Islamische Gemeinschaft Millî Görüs (IGMG) an und sind nicht gewaltbereit. Damit bleiben rund 10.000 Islamisten, die potenziell gewaltbereit sind. 450 Deutsche kämpften zum Zeitpunkt des Vortrages (inzwischen 550) aufseiten der IS. Welche Gefahren von den Rückkehrern ausgehen und ob sie als „homegrown“ Terroristen später Anschläge in Deutschland verüben, ist unklar – aber die Verrohung von Menschen, die anderen die Köpfe abschneiden, lässt Schlimmes ahnen. Zusätzlich kann in den nächsten Jahren der Kampf zwischen Kurden und Salafisten zu einem Problem in Deutschland werden. Die Gefahr ist real. (Beachten Sie hierzu auch die Titelstory von dieser Ausgabe!)

 

Mehr Qualität im Schweizer Personenschutz

Marco FetzMarco Fetz, Starco Security AG, berichtete über „Neue gesetzliche Vorschriften für Personenschutz und Sicherheitsdienstleitungen in der Schweiz“. Dabei erläuterte er die Kantonalen Bewilligungspflichten und sprach über die Einführung eines Konkordats (Vertrag zwischen Kantonen) über private Sicherheitsdienstleistungen (KÜPS) zur Verbesserung der Qualität im Sicherheitsbereich und zur Wahrung des Gewaltmonopols durch den Staat. Bislang sei die Bewilligung für die Erbringung privater Sicherheitsdienstleistungen in jedem Kanton unter unterschiedlichsten Bedingungen einzeln zu beantragen. Er warnte seine Kollegen davor, ohne gültige kantonale Bewilligung in der Schweiz tätig zu werden. Das Konkordat werde jedoch in immer mehr Kantonen eingeführt und erleichtere so die einheitliche Bewilligung für private Sicherheitsunternehmen. Insgesamt haben schon 9 Kantone das Konkordat angenommen.

 

Drohnen und die rechtlichen Risiken

Drohnen können hilfreich sein bei der Gefahrenabwehr – aber eben auch Dr. Ulrich Dieckertselbst zur Gefahr werden. Rechtsanwalt Dr. Ulrich Dieckert gab „eine rechtliche Betrachtung zum Einsatz und Abwehr“. Klar zu unterscheiden sind dabei die unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen zwischen privatem und gewerblichem Einsatz sowie dem Einsatz durch Ordnungsbehörden. Neben dem Schutz der Würde des Menschen und der persönlichen Lebenssphäre sind viele weitere rechtliche Vorgabe beim Einsatz von Video-Drohnen zu beachten. Einfach gesagt, muss jeder Flug, der die eigenen Grundstücksgrenzen verlässt oder in den öffentlichen Raum führt, einzeln genehmigt werden. Dazu sind schriftliche Überfluggenehmigungen von jedem Grundstückseigentümer und weitere Unterlagen einzureichen. Und selbst dann sind Videoaufnahmen nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Bei Nichtbeachtung können für Ordnungswidrigkeiten Bußgelder bis zu 50.000 € und bei Straftaten laut § 59 LuftVO auch Freiheitsstrafen bis zu 5 Jahre verhängt werden.

Selbst der Abschuss von Drohnen, die für Veranstaltungen oder Schutzpersonen eine Gefahr bedeuten, ist für private Sicherheitsunternehmen problematisch. Am Ende komme es auf die juristischen Argumente an, wie z.B. Notstand oder Gefahrenabwehr. (Anm. der Red.: sh. auch hierzu Beitrag in der Rubrik RECHT)

 

Drohnen, die nützliche Bedrohung

Drohnen, sogenannte UAV's, sind laut Mario Schulz, stellv. Kommandeur der GSG9, ein schwer zu kalkulierendes Risiko. Sie könnten zur Störung von Veranstaltungen genutzt werden, Flugzeuge zum Absturz bringen oder mit Sprengstoff beladen Schutzpersonen und Menschenmengen treffen – ja sogar fernausgelöste Schusswaffen transportieren. Auch von Industriespionen werden Quadcopter gerne eingesetzt. Zu kaufen sind diese „Unmannd Aeria Vehicle“ inzwischen nahezu überall.

Die Abwehrmöglichkeiten sind begrenzt, da Drohnen auf zivilen Radargeräten nicht zu erkennen und erst in unmittelbarer Nähe gesehen werden können. Tief fliegende Drohnen können mit Fangnetzen aus dem Himmel geschossen werden, der Absturz bleibt dabei kalkulierbar. Auch mit Störsendern, Jammen der Steuerfrequenz, GPS-Spoofing oder EMP Impulsen lassen sich unbemannte Flugobjekte ausschalten.

Auf der anderen Seite sind diese Geräte für den Polizeieinsatz durchaus nützlich. Sie ersetzen als günstige Alternative immer öfter Helikopter. Zur verdeckten Aufklärung, Fahrtstreckenaufklärung im Personenschutz, zur Überwachung von Einsatzräumen oder für Wärmebildaufnahmen sind sie hervorragend geeignet.

Konkrete Erkenntnisse, dass in Deutschland Anschläge mit Drohnen geplant sind, bestünden nicht, so Mario Schulz.

 

Motorrad-Attentäter eher im Ausland

Mit Beginn der 1950er Jahre warfen in Indochina die Vi?t Nam Ð?c L?p Ð?ng Minh H?i – einfacher gesagt die Viet Bernd PokojewskiMinh – von leichten Motorrädern Handgranaten in Straßencafes. Auch die RAF nutzte am 7. April 1977 Motorräder bei ihrem Anschlag auf Generalbundesanwalt Buback.

An diesem exemplarischen Beispiel erläuterte Bernd Pokojewski diese äußerst erfolgreiche Attentatsvariante, die zum Glück in Deutschland „keine Konjunktur“ hat.

Die „legale Tarnung“ von Motorradfahrern erschwert eine Beschreibung von Geschlecht oder Gesicht. Auch der Motorradtyp ist nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Deshalb eignen sich die Maschinen auch für Ausspähung, zum Angriff und als Fluchtmittel.

97 Prozent aller Attentate gegen mobile Ziele und 100 Prozent aller Angriffe auf Fußgänger waren erfolgreich.

Während früher abgelegene Gebiete für Angriffe genutzt wurden, sind heute eher zentral gelegene mit viel Verkehr gefährdet. Ein Beispiel aus Russland: Nach einem gescheiterten Attentatsversuch auf Boris Goldmann im Oktober 2003 legte dieser sich ein gepanzertes Fahrzeug zu und ließ einen Leibwächter in einem weiteren Fahrzeug folgen. Ein Motorradfahrer legte dann am 12. April 2004 an einer Kreuzung einen Sprengsatz auf das Dach der gepanzerten Limousine. Goldmann, der Attentäter und drei weitere Menschen kamen ums Leben.

Auch die al-Kaida hat zur Ausbildung Ihrer Kämpfer ein Handbuch für Motorrad-Attentäter entwickelt.

Als Gegenmaßnahme schlug Pokojewski vor, Motorrad gegen Motorrad einzusetzen. KFZ-Abwehrmaßnahmen wie Bordsteinfallen können Motorradfahrer ausschalten. Gleichzeitig muss die Schutzperson auf mögliche Angriffe vorbereitet werden, damit Reaktionen trainiert werden können. Da Täter immer einen zeitlichen Vorsprung haben, hätte man nur eine Chance, wenn man mental voll dabei sei und so handelt wie trainiert. Mit den Worten „erwarte immer das Unerwartete!“, schloss Bernd Pokojewski seinen Vortrag

 

Übernachten, wo es knallt …

Pascal MichelMit dieser bildhaften Beschreibung begann Pascal Michel, RESULT Group, seinen Vortrag zum Thema „Sicheres Hotel in Krisengebieten“ und bot einige Überraschungen. Das gefährlichste Hotel weltweit liegt in Belfast, bei dem es bis zu 30 Mal rundum knallte. Hotels sind gefährdet, weil sie leicht auszuspähen sind, „Soft Targets“ bieten, dem einheimischen Tourismus schaden und für Medienpublizität sorgen. Die aktuellen Angriffe richten sich meist gegen westliche Dekadenz, westliche Reisende und Firmen. Insgesamt haben sich die Anschläge auf Hotels seit dem Attentat auf das World-Trade-Center mehr als verdoppelt. Gerade deshalb ist es wichtig, ein sicheres Hotel auszuwählen. Anfahrt, Sicherheitszonen, Lage der Zimmer, Umgebung und viele weitere Details sind zu beachten, um eine möglichst hohe Sicherheit zu gewährleisten. Lokale Guards nehmen im im Ausland Schlüsselstellen ein. Insofern ist Sicherheit nur zu einem bestimmten Level planbar. Deshalb ist eine persönliche Notfallplanung unumgänglich. Dennoch bestehen die größten Risiken in Hotels in Krisen- und Kriegsgebieten – genau wie in Deutschland – eher in Diebstahl oder Hotelbränden.

 

Intermezzii

Aufgelockert wurde die Tagung durch unterschiedliche Intermezzii von jeweils 30 Minuten. So stellte Dr. Niklas Waasem neue Technologien zur Drogen- und Sprengstoffdetektion in der modernen Postkontrolle vor.

Christoph Müller, London, präsentierte eine Software-Lösung zur Beschleunigung und Verbesserung der Einlasskontrolle bei Großveranstaltungen, die bereits in amerikanischen Clubs oder bei dem Londener Auktionshaus Sothebys zum Einsatz kommt.

 

Über die Unsicherheit von WLAN

Kai JendrianKai Jendrian demonstrierte eindrucksvoll, wie leicht man über ein offenes WLAN-Netz Angreifern Zugang zu Smartphone oder Tablet-Rechner gibt. Mit einem einfachen Man-in-the-middle-Angriff, ausgeführt mit einem Equipment für unter 200 €, zeigte er, wie leicht zum Beispiel in Hotelnetzen personalisierte Pishing-Angriffe gefahren werden können. Sein Tipp: Ignorieren Sie niemals Browser-Warnungen und surfen Sie aus öffentlichen Hotspots nur über einen VPN-Tunnel, der mit Ihrem Unternehmen verbunden ist.

 

Der Abend in der Scheune

Wie bei jeder der bisher 21 Fachkonferenzen diente der Abend dem fachlichen Gedankenaustausch – bei rustikalem Essen und dazu passenden Getränken, versteht sich. Manche Freundschaft wurde bei solcher Gelegenheit geschlossen oder wieder aufgefrischt. Auch über Grenzen hinweg.

Come together in der FestscheuneSelbstverständlich waren bei der diesjährigen Fachkonferenz wieder Kollegen aus Österreich und der Schweiz vertreten. Für Viele gab es ein Wiedersehen.

Alle Fotos: HB VeKo

 

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