Polizisten als Fahrtrainer
Von Julia Riegler/Herbert Zwickl
Polizisten der Landesverkehrsabteilung Wien bieten kostenlose Fahrsicherheitskurse für private Motorradfahrer an. Die Kurse finden auf dem Übungsgelände in Hagenbrunn in Niederösterreich statt.
Jährlich verunglücken Motorradfahrer auf den Straßen, oft tödlich. Der häufigste Grund für Unfälle ist mangelnde Fahrpraxis. „Abgesehen von einem einwandfreien technischen Zustand des Fahrzeugs und der passenden Schutzbekleidung, ist der optimale Schutz, sein Motorrad zu beherrschen und vorrausschauend zu fahren“, sagt Chefinspektor Josef Berger, MSc, von der Landesverkehrsabteilung (LVA) Wien, Fachbereich 1.3 – Koordination und zentrale Motorrad-Ausbildung. Berger ist einer der 160 Polizisten des motorisierten Streifendienstes der Polizei in Wien, kurz als „Mot“ bezeichnet.
Fahrsicherheitstrainings
„Seit vielen Jahren werden Fahrsicherheitstrainings für private Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer im Rahmen des „Vereins zur Förderung der Verkehrssicherheit“ angeboten. Rund 40.000 Motorradfahrer machten von diesem Angebot bereits Gebrauch – etwa 2.000 Teilnehmer pro Saison“, berichtet Kontrollinspektor Valentin Salzer von der LVA Wien. „Aufgrund von Studienergebnissen zur Unfallforschung, eigener Recherchen und langjähriger Erfahrung entwickeln wir Trainingsprogramme zur Unfallprävention für Zweiradfahrerinnen und -fahrer“, erklärt Salzer. „Bundesfahrtechnik-Instruktoren stellen dieses Fachwissen und ihre Erfahrung bei den Trainings zur Verfügung und stehen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Rat und Tat zur Seite.“ Alle Instruktoren sind Angehörige der Landesverkehrsabteilung Wien, die die Kurse – sie sind kostenlos – in der Freizeit abhalten. Kurskalender, Kursort und Anmeldung unter www.vfv-wien.at.
Schwerpunkte
„Die Steigerung der Handlungssicherheit beim Bewegen des Motorrades zieht sich durch sämtliche Trainingsprogramme, wobei unser Schwerpunkt klar auf dem (Er)fahren liegt“, erläutert Salzer. Die Übungen orientieren sich immer an der jeweiligen Zielgruppe und ihren Vorkenntnissen. Was in keinem Training fehlen darf, sind Bewusstseinsbildung und „Gefahrenkunde“, der Fahrsituation angepasste Sitzposition und Körperhaltung, Stabilisationsübungen, Kurventechniken und Bremsübungen in unterschiedlichen Geschwindigkeitsbereichen. Langsamfahren ist Teil der Auswahlprüfung für die motorisierten Beamten sowie der Ausbildung. Besonders wichtig ist das Spurhalten bei Schrittgeschwindigkeit für die Polizisten etwa bei Lotsungen und Geleitfahrten, speziell bei Staatsbesuchen. Beim EU-Vorsitz 2018 waren Motorradpolizisten mit bis zu 90 Lotsungen pro Tag im Einsatz. „Ein guter Motorradfahrer ist jemand, der vor allem seine Grenzen kennt und in jeder Situation entsprechende Reserven hat“, sagt Salzer. „Die Herausforderungen bei uns sind die Beherrschung des Fahrzeugs in allen Situationen.“ Es wird ein neues Zweirad-Kompetenzzentrum errichtet, „das in der Motorradausbildung der Polizei neue Maßstäbe setzen soll“, sagt Salzer.
Einsatzspektrum
Das Einsatzspektrum des motorisierten Streifendienstes ist groß: „Von der Motorradsteife, umgangssprachlich als „Weiße Mäuse“ bezeichnet, der Zivilstreife über Alkohol- und Drogenkontrollschwerpunkte und der Unterbindung von illegalen Straßenrennen bis hin zur technischen Überprüfung von Kleintransportern oder Sattelschleppern mit gefährlichen Gütern an Bord“, erklärt Josef Berger. „Wir sind auch bei Konferenzen, Staatsbesuchen, größeren Sportveranstaltungen, Demonstrationen und dergleichen eingesetzt. Die „Mot“ ist für die Überwachung des Autobahnnetzes in Wien zuständig.“ Der Fachbereich 1.3 ist für die Koordination aller „Mot“-Fachbereiche in der LVA zuständig sowie für die österreichweite zentrale Motorradausbildung der Polizei und für Präventionsmaßnahmen. Leiter der Landesverkehrsabteilung Wien ist Brigadier Michael Takacs, BA, MSc, MA. Er war selbst im Streifendienst wie auch als Motorradpolizist im Einsatz.
MOT – legendär seit 1946
„Aus dem Jahrestätigkeitsbericht 1946 der Verkehrsabteilung geht hervor, dass vom 7. Februar 1946 bis 22. November 1946 von der motorisierten Verkehrsgruppe zwei bis neun Beamte für Verkehrsstreifen der amerikanischen Militärpolizei beigestellt wurden“, berichtet Berger. 1946 gilt damit als Gründungsjahr der motorisierten Abteilung.
„An Amtshandlungen aus diesem Jahr ist überliefert, dass 3.207 Anzeigen wegen Missachtung der Verkehrsvorschriften und 2.187 Anzeigen wegen Übertretung der Kraftfahrordnung erstattet wurden. Weiters ist überliefert, dass von Beamten der motorisierten Abteilung 5.865 kg Gemüse, 60 kg Bienenhonig, 35.419 kg Mahlprodukte und 30.781 Liter Wein sichergestellt wurden.“ Auch die Fahrzeugtypen haben sich verändert.
In den 1950er-Jahren fuhren die Beamten auf Harleys (WL/43, WL/49) – teilweise mit Beiwagen. Später kamen die Motorräder der Marke Puch (250 TF und SG) zum Einsatz, ab 1960 wurde zusätzlich auf BMW (R 67, R 60) gefahren. Zu dieser Zeit wurden die weißen Kappen durch Sturzhelme ersetzt.
Ab 1968 waren die ersten Honda-Motorräder (CB 350, 360) im Einsatz. „Heute ist unser stärkstes Motorrad eine Ducati mit 154 PS, die bei uns in Wien nur als Zivilfahrzeug eingesetzt ist. In den Bundesländern gibt es sie auch als Streifenmotorrad. Das leichteste Motorrad bei uns, eine Honda Transalp, hat nur 50 PS. Dazwischen liegen die Motorräder bei 100 bis 130 PS je nach Marke und Type“, berichtet Berger.
Take a ride on the safe side!
Bis 1965 war der Personalstand auf 166 Beamte ausgebaut, das entspricht dem aktuellen Stand. Allein auf Wiens Straßen sind pro Tag etwa 15 Streifen- und Zivilmotorräder im Einsatz. Einmal pro Saison und alle fünf Jahre müssen alle Motorradpolizisten ein Perfektionstraining absolvieren. „Meine einprägsamsten Momente sind die vielen Ehren- und Sicherungsgeleite gewesen, bei denen ich mitgewirkt habe“, sagt Valentin Salzer. „Es hat auch schwere Verkehrsunfälle gegeben. Aus diesen Erfahrungen beziehe ich meine Motivation für die Arbeit in der Verkehrsunfallprävention sowie in der Aus- und Fortbildung unserer Motorradpolizisten.“
Der Rat der Experten an alle Motorradfahrer: Vorrausschauend fahren und Reserven halten – denn das Credo lautet: Take a ride on the safe side!
-Erstveröffentlicht in „Öffentliche Sicherheit“-