Wirtschaftsschutz und Innentäter

Von Dr. Stefan Goertz, Hochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei

Der präventive Wirtschaftsschutz dient nicht nur der Abwehr von Wirtschaftsspionage und Sabotage, sondern soll auch vor den Gefahren der politisch motivierten Kriminalität (PMK), des Extremismus und Terrorismus sensibilisieren. Deshalb müssen Unternehmen heute eine Vielzahl von möglichen Angriffsszenarien in die Ausgestaltung ihrer Sicherheitsmaßnahmen einbeziehen. Neben monetär motivierten Angriffen stellen auch Attacken aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität (PMK) eine Gefahr dar.1 Die Vielfalt an Tätertypen ist dabei ebenso unterschiedlich wie die Anzahl potenzieller Tatziele und Tatbegehungsweisen. Nicht nur kritische Infrastrukturen sind im Zielspektrum politisch motivierter Täter. Tatgelegenheiten, Agitationsmöglichkeiten und die Motivation der Täter sind für die Zielauswahl entscheidend.

Die Palette möglicher Straftaten reicht von zielgerichteten Aggressionen gegen materielle Werte wie Brandanschläge oder Sachbeschädigungen über IT-gestützte Angriffe bis hin zu Anschlägen, bei denen gezielt hohe Opferzahlen gewollt sind. Letzteres trifft insbesondere auf den internationalen islamistischen Terrorismus zu. Einrichtungen der deutschen Wirtschaft, vor allem im Ausland, können stellvertretend für Deutschland in den Fokus internationaler Terrorgruppen geraten. Auch eine nur mittelbare oder zufällige Betroffenheit von Anschlägen ist hierbei einzukalkulieren.2

Jedes Unternehmen in Deutschland muss diese Gefahren in seine individuelle Einschätzung der Sicherheitslage einbeziehen und das Risiko- und Krisenmanagement entsprechend gestalten. Die Sicherheitsbehörden stehen den Unternehmen dabei mit Informationen zu aktuellen Gefährdungen und deren Einschätzung beratend zur Seite.3

Merkmale einer islamistischen Radikalisierung

Ein verschleierter islamistischer Demonstrant in London mit dem Plakat „Freiheit, zur Hölle mit dir“ (Freedom go to Hell, 2006)
Foto: © Von Voyou Desoeuvre - Flickr: "Freedom go to hell", CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=24190977
Islamistische Radikalisierung findet nicht nur im Internet statt. Auch Kontakte in der realen Welt spielen bei einer islamistischen Radikalisierung von Mitarbeitern eine bedeutsame Rolle. Für Außenstehende sind Radikalisierungsprozesse nicht immer unmittelbar zu erkennen, im Einzelfall können sie auch verdeckt ablaufen. Wichtig festzustellen ist, dass es keinen einzelnen Indikator gibt, der für sich genommen eindeutig auf Radikalisierung hindeutet. Eine Radikalisierung zeigt sich vielmehr in einem Zusammenwirken mehrerer Indikatoren. Merkmale einer Radikalisierung können unter anderem sein:

  • Beschäftigung mit islamistischen Inhalten (z.B. Besuch der Veranstaltungen salafistischer Prediger, regelmäßiger Besuch salafistischer Moscheen oder Treffpunkte, Konsum islamistischer Internetpropaganda über Smartphones),
  • Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes (z.B. Wechsel des Kleidungsstils zu traditioneller Tracht, Zulegen eines langen Vollbartes bei rasierter Oberlippe),
  • Behauptung, der Islam sei die einzig „wahre“, legitime, und vor allem in jeder Hinsicht überlegene Religion, sowie Forderungen nach einer strikten Befolgung und Umsetzung islamischer Werte und Normen,
  • beharrliche Bemühungen, das „unislamische“ Umfeld zu einem Übertritt zum „wahren“ Islam zu bewegen,
  • Abgrenzungs- und Rückzugsverhalten gegenüber Andersdenkenden (z.B. durch Abbruch von Kontakten und die Diffamierung Andersdenkender als „Ungläubige“, als sogenannte kuffar),
  • Aufbau eines neuen sozialen Umfeldes mit islamistischen Gleichgesinnten.4

Bestimmte äußerliche Veränderungen, wie bspw. ein striktes Einhalten von Gebetszeiten und islamischen Speisegeboten, müssen nicht zwangsläufig auf eine Radikalisierung hindeuten, sondern können auch eine nicht-extremistische Besinnung auf religiöse Werte oder eine besonders fromme Religionsausübung bedeuten. Grundsätzlich gilt aber: Je mehr der oben genannten Merkmale zusammen auftreten, je deutlicher sie erkennbar sind und je stärker sich aktuelle Verhaltensweisen einer Person oder Gruppe von früherem Verhalten unterscheiden, um so mehr sollten sie Anlass zu Aufmerksamkeit und Beobachtung sowie gegebenenfalls zu weiteren Maßnahmen sein.5

Merkmale einer rechtsextremistischen Radikalisierung

Folgende Inhalte werden wiederholt aufgeführt, die kennzeichnend für ein rechtsextremistisches Weltbild sind:

Rechtsextremisten lehnen die freiheitliche demokratische Grundordnung ab. Als Gegenentwurf zu einer Demokratie und einer offenen Gesellschaft wollen Rechtsextremisten – auch unter Anwendung von Gewalt – ein autoritäres oder gar totalitäres staatliches System erreichten, in dem nationalistisches und rassistisches Gedankengut die Grundlage der Gesellschaftsordnung bilden soll.

Auch Teile der rassistischen Neonaziszene treten als Skinheads in Erscheinung
Foto: © Urheber Marek Peters / www.marek-peters.comWeitere Fotos können beim Fotografen oder über das Portal Infos gegen Rechts - Datenbank und Suchmaschine zu und gegen Neonazis, Rechtsextremismus und Rassismus durchsucht werden.Zudem können Sie die Arbeit von Marek Peters über Flattr unterstützen. - self-made (Rassistischer Neonazi als Skinhead), GFDL 1.2, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3205238
Im deutschen Rechtsextremismus finden sich in unterschiedlicher und gruppenspezifischer Ausprägung die folgenden ideologischen Vorstellungen bzw. Handlungsmuster:

  • ein aggressiver, vielfach völkisch ausgerichteter Nationalismus, für den nur die deutschen Interessen als Richtschnur gelten und der andere Nationen als „minderwertig“ betrachtet,
  • häufig Forderung nach der Neugründung eines „Reiches“, das zum „mächtigen Mittelpunkt Europas“ werden müsse,
  • der Wunsch nach einer Volksgemeinschaft auf „rassischer“ Grundlage, die die Rechte des Einzelnen beliebig einschränkt und der pluralistischen Gesellschaft das Modell des „Volkskollektivismus“ („Du bist nichts, Dein Volk ist alles“) entgegensetzt (Antiindividualismus, Antipluralismus, Antiliberalismus),
  • ein insbesondere auf dem rassistischen Weltbild des Nationalsozialismus aufbauender Antisemitismus, der das Judentum als „nichtdeutsche, fremde Rasse“ definiert,
  • der Wunsch nach einem „Führerstaat“ mit militärischen Ordnungsprinzipien – der „Führer“ verkörpert den Geist der Nation bzw. des Volkes, Relativierung oder sogar Leugnung der Verbrechen des „Dritten Reiches“ und damit verbunden eine Verharmlosung oder Verherrlichung des Nationalsozialismus, eine ständige Diffamierung der demokratischen Institutionen und ihrer Repräsentanten.6

Merkmale einer Radikalisierung von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“

„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sind nach der Definition der deutschen Verfassungsschutzbehörden Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit verschiedenen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem nicht anerkennen.7 Dabei berufen sie sich etwa auf ein historisches Deutsches Reich, auf verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht. Eine Gemeinsamkeit der sonst heterogenen Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ ist die fundamentale Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland als Staat und seiner Repräsentanten sowie der gesamten deutschen Rechtsordnung.8 „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ definieren sich häufig als außerhalb der Rechtsordnung stehend und legitimieren auf diese Weise Verstöße und Straftaten.

Protest von „Reichsbürgern“, die sich auf Artikel 146 des Grundgesetzes berufen (vor dem Reichstagsgebäude in Berlin 2013)
Foto: © Von Dirk Ingo Franke - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32719026
Der Phänomenbereich „Reichsbürger und Selbstverwalter“ entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem öffentlich viel beachteten Bereich von PMK:

  • „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ behindern zunehmend Gerichte, Polizei und Behörden in ihrer Arbeit und bedrohen deren Mitarbeiter. In Einzelfällen kommt es zu gewalttätigen Übergriffen. Gleichzeitig versuchen „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, im behördlichen Bereich Anhänger zu gewinnen, um durch diese Kontakte staatliche Maßnahmen abwenden oder unterlaufen zu können.9
  • Der Szene der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ liegt nach Auffassung der deutschen Verfassungsschutzbehörden keine in sich geschlossene Ideologie zugrunde. Darüber hinaus beruft sich nach Angaben der deutschen Verfassungsschutzbehörden keinesfalls jeder Angehörige der „Reichsbürger“-Szene bei seinen Aktivitäten auf das „Deutsche Reich“ oder sieht sich selbst als „Reichsbürger“. Allerdings existiert nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden eine Art kleinster gemeinsamer Nenner, den alle Anhänger der „Reichsbürger“-Szene teilen: „Reichsbürger und Selbstverwalter“ wollen keine Angehörigen der Bundesrepublik Deutschland sein. Sie sprechen der Bundesrepublik Deutschland, ihren Gesetzen und insbesondere ihren Vertretern jegliche Legitimation ab, „treten aus der BRD-GmbH aus“ oder gründen mitunter eigene „Fantasie-Reiche“, als deren Repräsentanten sie dann als „Minister“, „Präsident“ bzw. „Kanzler“ auftreten.
  • In pseudo-juristischen Argumentationen versuchen „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ die von ihnen behauptete Illegitimität der Bundesrepublik Deutschland damit zu begründen, dass ein „Deutsches Reich“ fortbestehen würde.
  • Die pseudo-juristischen Begründungen münden in Behauptungen, nach denen Deutschland nach dem Ende des zweiten Weltkrieges keinen wirksamen Friedensvertrag geschlossen habe, dass „die BRD lediglich ein Konstrukt der Alliierten“ sei, die Deutschland zudem immer noch besetzen würden und diese Besetzung außerdem dazu führe, dass nicht das „ungültige“ Grundgesetz, sondern „Reichsverfassungen“ oder etwa die Haager Landkriegsordnung anzuwenden seien. Aus dieser ideologischen Gemengelage speist sich die Mehrheit der von der „Reichsbürger“-Szene entfalteten Aktivitäten. In den meisten Fällen zielt das Handeln von „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ darauf ab, bei Behörden größtmögliche Verwirrung zu stiften und staatliche Stellen vom rechtlich gebotenen Handeln abzuhalten. Weitere Ziele bestehen häufig darin, Steuer- oder Bußgeldzahlungen zu vermeiden.
  • Als mindestens ebenso unübersichtlich und heterogen wie die ideologischen Grundlagen des „Reichsbürger“-Denkens bewerten die deutschen Verfassungsschutzbehörden die Struktur der Anhänger der „Reichsbürger“-Szene. Neben einer Vielzahl von Einzelakteuren, die nicht in übergeordnete Strukturen eingebunden sind, existieren diverse Kleingruppen, virtuelle Netzwerke, aber auch überregional aktive Personenzusammenschlüsse. Zu diesen überregional aktiven Personenzusammenschlüssen gehören u. a. der in Berlin aktive „Freistaat Preußen“, das „Amt für Menschenrechte“, die „Exilregierung Deutsches Reich“ und „Staatenlos.info“.
  • Nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden agieren allerdings sehr viele Anhänger der „Reichsbürger“-Szene ohne organisatorischen Anschluss und verfolgen vor allem das Ziel, sich vom Staat „loszusagen“ und sich und ihr komplettes Leben „selbst zu verwalten“. Ihr Denken und Handeln ähnelt dabei einem in den USA schon länger unter dem Begriff der „sovereign citizens“ bekannten Phänomen. Die Vielschichtigkeit der „Reichsbürger- und Selbstverwalterszene“ entspringt auch unterschiedlichen Motiven, aus denen heraus sich Menschen dieser Bewegung anschließen. Hier findet sich neben finanziellen Interessen, Geltungssucht und psychischen Auffälligkeiten auch ein Gefühl des wirtschaftlichen und sozialen „Abgehängt-Seins“.
  • Sowohl „Reichsbürger“ als auch „Selbstverwalter“ sind häufig bereit, Verstöße gegen die Rechtsordnung zu begehen. Anders, als es die Bezeichnung vermuten lässt, handelt es sich beim „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Milieu nach Angaben der Verfassungsschutzbehörden nicht um eine einheitliche Strömung, die gemeinschaftlich agiert und strukturiert vorgeht. Vielmehr treten die Anhänger als Einzelpersonen in Erscheinung oder organisieren sich in kleinen Gruppen, etwa dem „Bundesstaat Württemberg“ und dem „Bundesstaat Baden“, die häufig auch untereinander in Konkurrenz stehen. So ist der Phänomenbereich „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ fortlaufend von zahlreichen Neugründungen und Spaltungen geprägt. Gleichwohl eint alle Vertreter dieses Phänomenbereiches eine fundamentale Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Repräsentanten.10
  • Verschiedene Thesen und Versatzstücke der Weltanschauung der „Reichsbürger“ und Selbstverwalter sind nach Ansicht deutscher Verfassungsschutzbehörden dazu geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dieses verschwörungstheoretische Weltbild kann die Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung. Im Laufe der letzten Monate sind die (Radikalisierungs-) Wege, die von einem normalen bürgerlichen Leben zu „Reichsregierungen“, „Bundesräten“, „Freistaaten“, „Bundesstaaten“ oder ähnliche Milieus führen können, für die deutschen Sicherheitsbehörden analysierbarer geworden. Hervorgerufen werden solche Entwicklungen nach Einschätzung deutscher Verfassungsschutzbehörden in vielen Fällen durch grundlegend empfundene gesellschaftliche Umbrüche, die bisherige Deutungsmuster, Verhaltensweisen und Wertvorstellungen in Frage stellen, da sie keine Erklärungen mehr für die plötzlichen Veränderungen liefern.
  • Zusätzlich führen finanzielle und soziale Nöte im Leben dieser Bürger zu Verunsicherungen über den eigenen gesellschaftlichen Status. Dieser wird als bedroht wahrgenommen. An diese Stelle treten oft verschwörungsideologische Erklärungen, die sich verfestigen und später kaum noch zu korrigieren sind. Das „Reichsbürger- und Selbstverwalter“-Milieu bietet in solchen Situationen willkommene Vernetzungsmöglichkeiten und ermöglicht den Austausch mit Menschen, die ähnliche Ängste und Auffassungen haben. Erste Fantasiepapiere werden im Internet erworben. Dazu muss man in der Regel die eigenen, amtlichen Identitätspapiere „einreichen“. Gemeinsame Amtsgänge mit „erfahrenen Reichsbürgern“ und der Besuch von Stammtischen und Informationsveranstaltungen folgen. Zum Schluss werden eigene Visitenkarten mit Fantasiefunktionen gedruckt. So werden die verschwörungsideologischen Vorstellungen der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ sozial wirksam, verändern nachhaltig die politische Wahrnehmung sowie das politische und gesellschaftliche Handeln der betroffenen Personen.
  • Jeder zweite „Reichsbürger“ oder „Selbstverwalter“ ist über 50 Jahre alt, die meisten (71 Prozent) sind männlich, rund fünf Prozent des Milieus verfügen über waffenrechtliche Genehmigungen. Bei Hausdurchsuchungen in diesem Milieu deckt die Polizei auch immer wieder illegalen Waffenbesitz auf.
  • Analytisch wichtig ist die Feststellung der Verfassungsschutzbehörden, dass die meisten „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ Einzelpersonen sind oder zu kleineren, unstrukturierten Milieus gehören, die sich regional- und ortsbezogen in den letzten Jahren durch Nachbarschafts- und Kennverhältnisse herausgebildet haben. Die Mehrheit dieses unstrukturierten Milieus eint die Ablehnung des demokratischen Rechtsstaates mitsamt seiner Verwaltung.
  • Nach Einschätzung deutscher Verfassungsschutzbehörden fallen „Reichsbürger“ und Selbstverwalter“ in allererster Linie dadurch auf, dass sie sich hartnäckig Bußgeldern, kommunalen Gebühren, Rundfunkbeiträgen und Steuerzahlungen widersetzen. Dazu richten sie umfangreiche Schreiben an die Kommunal- oder Steuerverwaltung, für die der Begriff des „Papierterrorismus“ geprägt wurde. Auch Gerichte und andere Behörden sind davon betroffen. In diesen Schreiben bemängeln „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ oft die ihrer Auffassung nach fehlenden Unterschriften und/oder fehlende Rechtsgrundlagen. Zwar sind die Konsequenzen für diese Form von hartnäckiger Verweigerungshaltung oft hohe Mahngebühren, Pfändungen, gerichtliche Verfahren oder Erzwingungshaft, aber zuvor müssen die kommunalen Mitarbeiter – im Innen- wie im Außendienst – oftmals dem hohen Druck des Milieus standhalten. So berichten Sicherheitsbehörden davon, dass im Innendienst Kommunalbedienstete oftmals kurz vor Dienstschluss und von mehreren Personen der „Reichsbürger“-Szene aufgesucht und unter Druck gesetzt werden. Danach fordern Personen der „Reichsbürger“-Szene, dass Behördenmitarbeiter sich ausweisen und belegen sollen, dass sie Beamte sind oder „Gründungsurkunden“ ihrer Behörde vorweisen.11

Merkmale einer linksextremistischen Radikalisierung

Entführung und Ermordung von Aldo Moro durch die Roten Brigaden (1978)
Foto: © Von a member of the Red Brigades - http://www.fabioruini.eu/blog/wp-content/uploads/2008/03/morob.jpg, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=56760
Das Bundesamt für Verfassungsschutz beschreibt den Phänomenbereich Linksextremismus in Deutschland wie folgt:

Linksextremisten verfolgen das Ziel, unsere Staats- und Gesellschaftsordnung und damit die freiheitliche Demokratie abzuschaffen und durch ein kommunistisches oder ein „herrschaftsfreies“, anarchistisches System zu ersetzen. Ihre theoretischen Leitfiguren sind – in unterschiedlichem Ausmaß und abweichender Interpretation – Marx, Engels und Lenin. Gewalt, verstanden als „revolutionäre Gewalt“ der „Unterdrückten gegen die Herrschenden“, gilt grundsätzlich als legitim.12

Das Landesamt für Verfassungsschutz Bayern analysiert den Phänomenbereich Linksextremismus in Deutschland wie folgt:

Linksextremisten wollen die durch das Grundgesetz vorgegebene Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland beseitigen. Je nach ideologisch-politischer Orientierung zielen Linksextremisten auf eine sozialistische bzw. kommunistische oder eine „herrschaftsfreie“ Gesellschaft ab. Die linksextremistischen Vorstellungen richten sich insbesondere gegen durch das Grundgesetz garantierte Grundrechte, die parlamentarische Demokratie, die Gewaltenteilung, die Volkssouveränität, das Rechtsstaatsprinzip und den Pluralismus. Linksextremisten wollen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abschaffen, die sie als „kapitalistisches System“ diffamieren und in der sie die Wurzel des Faschismus sehen.

In der linksextremistischen Szene bilden Autonome den weitaus größten Teil des gewaltbereiten Personenpotenzials. Autonome haben zwar keine gemeinsame Ideologie. Ziel aller Autonomen ist es aber, den Staat und seine Einrichtungen zu zerschlagen. Neben Sachbeschädigungen wenden Autonome auch Gewalt gegen Personen – vor allem Rechtsextremisten und Polizisten – an, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Linksextremisten besetzen auch Themen, die an sich nicht extremistisch sind. Ihr Ziel ist es dabei aber in erster Linie, ihre linksextremistischen politischen Vorstellungen zu verbreiten. Dazu arbeiten sie auch mit bürgerlich-demokratischen Organisationen zusammen.13

Marxistische Gruppe
Foto: © Von Karl Held. Fotografie des Buchs von Maximilian Schönherr - Originalpublikation, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29348120
Linksextremismus

  • verfolgt das Ziel, die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland und damit die freiheitliche Demokratie abzuschaffen und durch ein kommunistisches oder ein „herrschaftsfreies“, anarchistisches System zu ersetzen
  • betrachtet Gewalt, bezeichnet als „revolutionäre Gewalt“ der „Unterdrückten gegen die Herrschenden“ als „legitimes“ Mittel und setzt dieses häufig ein
  • die linksextremistischen Agenden richten sich insbesondere gegen durch das Grundgesetz garantierte Grundrechte, die parlamentarische Demokratie, die Gewaltenteilung, die Volkssouveränität, das Rechtsstaatsprinzip und den Pluralismus
  • Linksextremismus will die Freiheitliche demokratische Grundordnung (FdGO) der Bundesrepublik Deutschland abschaffen
  • in der linksextremistischen Szene bilden Autonome den weitaus größten Teil des gewaltbereiten Personenpotenzials. Ziel der Autonomen ist es, den Staat und seine Einrichtungen zu zerschlagen. Neben Sachbeschädigungen wenden Autonome auch Gewalt gegen Personen – vor allem (vermeintliche) Rechtsextremisten und Polizisten – an, um ihre Vorstellungen durchzusetzen.
  • Linksextremisten kämpfen für die Überwindung, sprich: die Abschaffung der bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Sie streben eine sozialistische/kommunistische Staatsordnung oder eine herrschaftsfreie, anarchistisch geprägte Ordnung ohne staatliches System an.
  • Linksextremisten versuchen, ihre Vorstellungen von „selbstbestimmtem Leben“ bereits in der bestehenden Gesellschaftsordnung – gegen Gesetze und Verordnungen – durch ihre „eigene Lebensweise“ und die Errichtung „herrschaftsfreier Räume“ zu verwirklichen.
  • Ideologisches Hauptziel linksextremistischer Bestrebungen ist die Beseitigung der Freiheitlichen demokratischen Grundordnung (FdGO) Deutschlands. Diese soll entweder durch ein totalitäres, sozialistisch-kommunistisches System oder durch eine „herrschaftsfreie Gesellschaft“ ersetzt werden. Dazu agieren Linksextremisten häufig im Bündnis mit anderen Interessengruppen, von lokalen Bürgerinitiativen bis hin zu Gewerkschaften, bei Bündnissen gegen Rechts auch bis hin zu nicht extremistischen Parteien.
  • Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für alle gegen die Freiheitliche demokratische Grundordnung (FdGO) der BRD gerichteten Bestrebungen, die vornehmlich auf den Ideen von Kommunismus und Anarchismus beruhen, die der FdGO eines demokratischen Rechtsstaats diametral gegenüberstehen. Neben der Abschaffung der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung, die allein keinen Anhaltspunkt für verfassungsfeindliche Bestrebungen begründet, streben Linksextremisten auch die Abschaffung der repräsentativen Demokratie an. Dieses – oftmals auf den Begriff des Kapitalismus reduzierte – „System“, soll entweder durch die Herrschaft einer zentralistischen Partei, durch dezentrale Selbstverwaltungen oder die Eliminierung jeglicher Regierungsstrukturen ersetzt werden. Ein Teil der Linksextremisten und Verfechter dieser Ideen gründen Parteien und Organisationen, um bei Wahlen anzutreten oder für ihre Ziele öffentlich zu werben. Andere wiederum versuchen, zivilgesellschaftliche Initiativen zu unterwandern, um diese in ihrem Sinne zu beeinflussen. Organisations- und theorieferne „Autonome“ wählen eher demonstrative bis militante Ausdrucksformen, um damit Signalwirkung zu erzielen und missachten dabei bewusst das rechtsstaatliche Gewaltmonopol.
  • Linksextremisten unterschiedlicher Ausprägung betätigen sich in diversen gesellschaftlichen und politischen Aktionsfeldern, wobei sie nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden nicht eine bloße Behebung von Missständen, sondern eine revolutionäre Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse anstreben. Die sog. Teilbereichskämpfe, das heißt die Aktivitäten in den einzelnen linksextremistischen Aktionsfeldern, laufen aus Sicht von Linksextremisten ins Leere, wenn ihr Ziel nicht die Überwindung des „kapitalistischen Systems“ als Ganzes ist. Die linksextremistische strategische Agitation zielt einerseits auf eine „Demaskierung“ der vermeintlich „wahren“ Herrschaftsverhältnisse. Andererseits ist die strategische Agitation der Linksextremisten darauf ausgerichtet, neue Sympathisanten und Mitglieder zu gewinnen. Alle linksextremistischen Aktionsfelder basieren auf dem gleichen Kerngedanken: Die Gründe für Kriege, Flucht und Migration, für Armut und soziale Ungerechtigkeit lägen im globalen „Kapitalismus“ und im Herrschaftsstreben „imperialistischer Mächte“. Rechtsextremismus und „staatliche Repression“ lägen im „kapitalistischen System“ begründet und seien letztlich Instrumente zur Sicherung der Herrschafts- und Eigentumsverhältnisse.14

Innentäter

Das Schadenspotenzial für Unternehmen durch Innentäter stellt, insbesondere im Zuge der zunehmenden Bedrohung durch das Tatmittel Internet, eine spezielle Bedrohung dar. Im Jahr 2015 wurde der größte finanzielle Schaden für Unternehmen durch Vorfälle in der Lieferkette, Betrug durch interne Mitarbeiter oder durch Cyberspionage verzeichnet.15 Vorhandene Schutzmaßnahmen sind scheinbar oftmals nicht geeignet um ein auffälliges Verhalten frühzeitig zu erkennen.

Innentäter sind „Menschen, die in Unternehmen und Organisationen gezielt und mit Vorsatz dolose Handlungen durchführen. Innentäter können durch Angreifer gezielt in Organisationen positioniert worden sein oder Menschen werden durch verschiedene Umstände zu Innentätern.“16

Diese Definition zielt somit potenziell auf IT-Verantwortliche und IT-Nutzer, aber auch auf alle Personen, die über internes Know-How verfügen können wie bspw. Mitarbeiter, Lieferanten, Partner, Kunden oder anderweitige Dienstleister.

Bei der Recherche fällt auf, dass die Thematik im wissenschaftlichen Kontext eher im Rahmen der Bearbeitung spezieller Delikte und Themenfelder wie Produkt- und Markenpiraterie, Korruption, Geheimnisverrat, Insiderhandel, IT-Sicherheit, Wirtschaftsschutz oder Compliance sowie bei der Gesamtbetrachtung „Täterprofile und –motive“ erwähnt wird. Daher lässt sich eine Forschungslücke in Bezug auf eine spezielle Betrachtung der Innentäterschaft feststellen. Innentäterschaft ist nicht phänomenspezifisch, die gesamte Breite unternehmensschädigender Delikte kann durch Innentäter begangen werden. Es zeigt sich eine Bandbreite vom „bewussten“ Täterverhalten wie bei Korruption, Untreue, Insiderhandel, Geheimnisverrat etc. bis hin zu „unbewusstem“ Täterverhalten wie beispielsweise beim Social Engineering.17

Ergebnisse von Studien zu Innentätern in Unternehmen

Sitz von EY in Eschborn/Frankfurt
Foto: © Von Jean-Luc Valentin, CC BY 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=45811779
Die Studien von Ernst &Young 2016, „Global Fraud Survey – Ergebnisse für Deutschland“ und Ernst &Young 2017 „Human Instinct, Machine Logic – which do you trust most in the fight against fraud and corruption?“ Europe, Middle East, India and Africa Fraud Survey befragte ca. 2800 Unternehmen in 62 Ländern weltweit. Vorrangig befragt wurden Vorstandsmitglieder sowie Mitarbeiter u.a. aus den Abteilungen Interne Revision und Rechnungswesen.

Ergebnisse waren18:

  • Ca. 23 Prozent der befragten Manager geben an, dass sie, um ihre Karriere voran zu treiben, zu mindestens einer der folgenden Verhaltensweisen bereit wären: Externe täuschen, das eigene Management mit falschen Informationen versorgen und unethisches Verhalten bei Kunden, Lieferanten etc. ignorieren.
  • Jeder zehnte Manager würde Behörden täuschen, um sich bzw. das Unternehmen nach vorne zu bringen. Diese Zurückhaltung oder Falschinformation richtet sich jedoch nicht nur gegen Dritte, sondern jeder zehnte würde auch das eigene Management täuschen.
  • Aufgrund dessen, dass inzwischen zwei von drei Unternehmen Antikorruptionsrichtlinien
  • implementiert haben und diese auch strengstens verfolgt werden, ist jeder sechste Manager eines deutschen Unternehmens der Meinung, dass die eigene Wettbewerbsposition durch eben diese Richtlinien geschmälert wird.
  • Barzahlungen oder die absichtliche falsche Darstellung von Finanzergebnissen sind in Deutschland ein Tabu – weltweit wird dies von jedem 25. Manager als akzeptabel betrachtet.
  • Überraschend ist, dass gerade die jüngere Manager-Generation unethischem Verhalten offener gegenübersteht, als die ältere. So würden 25 Prozent der Generation Y Geldzahlungen anbieten, um ihre Karriere am Laufen zu halten (im Gegenzug dazu nur 14 Prozent der älteren Manager-Generation).
  • 77 Prozent der deutschen Befragten denken, dass die strafrechtliche Verfolgung von Einzelnen helfen wird, Leute in Führungspositionen davon abzuhalten Korruption, Betrug etc. zu begehen.
  • Die Mehrheit ist der Ansicht, dass Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden bei Fällen von bspw. Korruption diese konsequent verfolgen und es zur Verurteilung kommt. Im weltweiten Vergleich hat nur jeder dritte diese Auffassung.
  • Nahezu die Hälfte der Befragten hat bereits einmal in Betracht gezogen, ihren Arbeitsplatz aufgrund von unethischem Verhalten in ihrem Unternehmen zu kündigen. Besonders auffällig ist, dass eine hohe Anzahl der Befragten eventuelle Besorgnis über unethisches Verhalten nicht meldet. Die Gründe hierfür reichen von Besorgnis über die zukünftige Karriere (51 Prozent), Angst um persönliche Sicherheit (46 Prozent) und Loyalität zu den Kollegen (30 Prozent) bis Loyalität zum Unternehmen (24 Prozent). Kenntnisse über interne Whistleblowing-Hotlines sind nur bei ca. 1/3 der Befragten vorhanden. Wenn etwas gemeldet wird, dann zu 57 Prozent einer Strafverfolgungsbehörde.
  • Empfehlungen gibt die Studie folgende:
    • Anomalien in den Arbeitsstunden der Angestellten beobachten, Versuche auf Daten zuzugreifen, die nur begrenzt zugänglich sind sowie der Gebrauch von unautorisierten Datenträgern sollten kontrolliert werden.
    • Zudem sollen Risikoanalysen durchgeführt und spezielle Schutzmaßnahmen bei erhöhtem Risiko umgesetzt werden. Augenmaß bei den eingesetzten Kontrollmaßnahmen und transparente Information sowie Sensibilisierung der Mitarbeiter, um dem Spannungsverhältnis zwischen zwingender Kontrolle und Privatsphäre bzw. Rechten der Mitarbeiter zu wahren.

Emblem des Bundesamts für Verfassungsschutz
Foto: © Von Bundesamt für Verfassungsschutz - https://www.thueringen.de/mam/th3/verfassungsschutz/Oeffentlichkeitsarbeit/logo_bfv.jpg, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73121580
Die Studie des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des ASW Bundesverbandes 2015 „Veröffentlichung zur 9. Sicherheitstagung am 13. Mai 2015“ untersucht die Gefahr, die von Innentätern ausgeht und wie einzelne Unternehmen beispielhaft Innentäter versuchen zu identifizieren und wie man präventiv gegen Innentäter vorgehen kann. Ziele der Studie sind die Darstellung der Hintergründe zur Innentäterschaft und Betonung der anhaltenden Gefahr, die von Innentätern ausgeht. Die Balance zwischen Strafrecht, Zivilrecht und Arbeitsrecht finden, einen verstärkten Informationsaustausch zw. Behörden und Netzwerken vorantreiben sowie die Anpassung von Befugnissen und der Reaktionsgeschwindigkeit auf neue Gefahren. Zudem soll eine Bewusstseinsstärkung für das Phänomen der Innentäter im Unternehmen erreicht werden. Wirtschaftsschutz soll gemeinsam mit Unternehmen, Sicherheitsbehörden und verschiedenen Verbänden entwickelt werden. Ein weiteres Ziel ist die Etablierung einer „human Firewall“ durch

Die Leitfragen der Studie lauten u.a. „Was sind Motive, Einstellungen und Möglichkeiten die zu einer Innentäterschaft führen können?“, „Wie groß ist die Bedrohung durch Innentäter für die Unternehmen?“, Wie kann man Innentäter identifizieren und wie kann man diese dolosen Handlungen unterbinden oder vermeiden?

Ergebnisse der Studie sind:

  • Innentäter bergen durch Zugangsmöglichkeiten zu Daten, Räumen und Netzwerken ein hohes Schadenspotenzial - Hierarchieebenen bilden für einen Innentäter keine Grenzen
  • Wichtig: kein Generalverdacht, das Vertrauen als Grundlage der Zusammenarbeit bewahren.
  • Präventiv richten die Maßnahmen sich nach dem Arbeitsumfeld und den aus der Arbeitsplatzbeschreibung resultierenden Zugangsberechtigungen. Maßnahmen sind:
    1. personell (Aufgabenteilung, Awareness-Trainings für Mitarbeiter),
    2. technisch (durch Barrieren und erhöhen der Entdeckungsmöglichkeiten),
    3. prozessual (Abgleich mit Sanktionslisten, Preemployment checks/screening (PES), Access Management, individuelle Zuteilung von Zugriffsrechten) oder
    4. intelligence (Open-Source-Analysen, Monitoring und Sammlung von Informationen von Verbänden und Behörden).
  • Wie sind die Motive des Täters geprägt? (psychisch, ideologisch oder materiell) und was sind Absichten? (vorsätzlich/geplant, billigende Inkaufnahmen, (grobe) Fahrlässigkeit)
  • Falschangaben bei der Bewerbung: Ist es Betrug? Falschangaben zu Berufs- oder Stellenbezeichnungen, Kauf von Titeln und Diploma oder Urkunden (§267, 263, 132a StGB)
  • Ursachen/Begünstigung von Betrug: Digitalisierung, Online-Auftritt der Firmen, Onlinebewerbungen, Kandidatenpool, Globalisierung und international unterschiedliche Berufsbezeichnungen, Druck auf die Bewerber, Diploma Mills, Sprachliche Hürden
  • Was wird bei einem Preemployment checks/screening (PES) überprüft? Bildungsabschluss, Arbeitsverhältnis, Praktika, Referenzen, Firmenbeteiligungen, Kreditwürdigkeit, Sanktionslisten (bei individual Compliance Checks u.a. auch Abgleich mit Korruptions- oder Anti-Terror-Listen), mediale Berichterstattung
  • Wer überprüft die Daten? Experten, persönlicher Kontakt, interne Datenbank, Arbeitgeber, Behörde, eigene Recherche, Partnernetzwerke, kostenpflichtige Compliance-Datenbanken
  • Mögliche Schäden:
    • Zeitverlust durch neue Rekrutierung
    • Reputationsschaden und Haftungsrisiken
    • Verschlechterung der Kundenbeziehung und niedrigere Arbeitsmoral
  • Verantwortung für Mitarbeiter übernehmen durch:
    • Talententwicklung- und –förderung
    • Arbeitssicherheit und Arbeitszeitmodelle
    • Nachwuchsförderung und diversity
    • Leistungsvergütung und Aus- und Weiterbildung
  • Identifizierte Risiken: Auf Geschäfte bezogen finanzielle und rechtliche Risiken, Produkt- und Markenpiraterie und Spionage, E-Crime sowie Umwelt- und Sicherheitsrisiken
  • Business Profiling: Zusammenhang zwischen Unternehmensloyalität und der Anzahl an Fehltagen: Innentäter sind illoyal und weisen dementsprechend mehr Fehltage als loyale Mitarbeiter auf. Unternehmen verursachen durch schlechte Führung und ein schlechtes Arbeitsumfeld den daraus resultierenden Rückgang der Loyalität ihre Innentäter selbst allerdings nur auf einen speziellen Tätertyp zu beziehen, auf Täter, die u.a. aus „Engagement“ handeln, trifft dies sicher nicht zu.
  • Empirische Täterprofile: Der melancholische Individualist, manipulative Helfer, optimistische Hedonist, loyale Skeptiker, gewissenhafte Perfektionist, objektive Beobachter, willensstarke Kämpfer, dynamische Sieger bewertet anhand der Eigenschaften Loyalität, Integrität, Regeltreue, Risikoneigung
    • Bspw. Unterschied dynamischer Sieger (1) gewissenhafter Perfektionist (3): 1 ist loyaler als 3 und auch seine Integrität ist wesentlich höher genau wie die Regeltreue. 3 ist sehr risikofreudig. Edward Snowden wäre bspw. ein gewissenhafter Perfektionist
    • Bewusstsein für Charaktereigenschaften von verschiedenen Tätertypen identifizieren und Zusammenhänge sichtbar machen, Risiken identifizieren, Mitarbeiter und Führungskräfte unterstützen.19

Fazit

Welche Situationen können kritisch für einen Informationsabfluss durch Mitarbeiter sein?

  • Outsourcing-Situationen
  • Generelle Zusammenarbeit mit Lieferanten
  • Kundengewinnung
  • Entlassung von Mitarbeitern
  • Zulassung/Zertifizierung von Produkten (insbes. in Schwellenländern)
  • Hohe Marktmacht von Kunden
  • Alleinbearbeitung von Sachverhalten durch den Mitarbeiter, zu große Machtfülle20

Wer sind die Innentäter?

  • Meist männlich und eine respektierte, freundliche Person
  • Überwiegend zwischen 30 und 50 bzw. 60 Jahren alt
  • Meist mittleres bis Top-Management, bei bestimmten Delikten wie Diebstahl oder Untreue/Betrug auch ohne Führungsverantwortung
  • Meistens seit sechs bis 20 Jahren im Unternehmen
  • Meist höher gebildet (bei Korruption, Geldwäsche und Wettbewerbsdelikten), je nach Delikt auch eine schlechtere Bildung (s. Betrug, Untreue/Diebstahl)

 Wieso begehen sie die Straftaten?

  • Persönlicher oder finanzieller Profit,
  • Aufwändiger Lebensstandard,
  • Engagement/Geltungsbedürfnis,
  • Niedrige Hemmschwelle und Mangel an Unrechtsbewusstsein,
  • Ehrgeiz/Verbesserung der sozialen Stellung/Habgier,
  • Frustration/Wut, Jedoch gibt es vor dem hier angesetzten Zeitraum mehr Artikel, die sich mit Innentäterschaft befassen (von ca. 2002 bis 2011)
  • Günstige Gelegenheit durch unzureichende interne Kontrollen,
  • Abwerbung oder Beeinflussung durch Konkurrenz / anderweitige Abhängigkeit,
  • Gründung eines Konkurrenzunternehmens,
  • Falscheinschätzung der Situation.

 Welche Maßnahmen kann das Unternehmen ergreifen?

  • Gute Arbeitsbedingungen schaffen und den Mitarbeiter an das Unternehmen binden (finanzielle Anreize, interessanter Job),
  • Ausbildung und Erweiterung von Soft Skills,
  • Eine Vertrauensbasis schaffen,
  • Sensibilisierung der Mitarbeiter für kritische Situationen, in denen potenziell internes Wissen durch Dritte abgeschöpft werden könnte (Etablierung einer Information Security Policy)
  • Bestimmung von Personenfaktoren (s. bspw. Hannoversche Korruptionsskala),
  • Pre-Employment-Checks, Abgleich mit Sanktionslisten,
  • Definition und Identifikation von Situationen, in denen ein ungewollter Wissenstransfer stattfinden kann und eine vorherige Einigkeit innerhalb der Unternehmensführung über die verschiedenen Arten von Informationen im Unternehmen und deren Wert,
  • Klare Artikulierung von Unternehmensrichtlinien und ethischen Werten,
  • Eingehende Prüfung der gesamten Lieferkette und eventuelle Forderungen an den Lieferanten (beispielsweise in Bezug auf ein Compliance-Management-System),
  • Vier-/oder Mehr-Augen-Prinzip,
  • Ein über die Grenzen des Unternehmens gehendes Sicherheitsmanagement, das Maßnahmen zur Prozesssicherung und Minimierung des Risikos entwickelt und auch durchführt
  • Eventuelle Systemschwachstellen und IT-Komponenten überprüfen und verbessern (Zugangs- und Zugriffkontrollen, auffälliges Verhalten einzelner Mitarbeiter beobachten), Durchführung einer Risikoanalyse.21

 

Quellen:

1 https://www.wirtschaftsschutz.info/DE/Themen/PolitischMotivierteKriminalitaet/politisch_motivierte_kriminalitaet_node.html; 14.9.2018; Goertz, Stefan (2018): Kriminalität. Wirtschaftsschutz, Islamismus und Rechtsextremismus, in: Sicherheits-Berater Nr. 9, S. 134-136.
2  Ebd.
3  Ebd.
4  Ebd,
5  Ebd.
6  Ebd.
7  Landesamt für Verfassungsschutz Bayern (2017): Verfassungsschutzbericht 2016; Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (2017): Verfassungsschutzbericht 2016; https://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2017.pdf, S. 90-99; Goertz, Stefan/Goertz-Neumann, Martina (2018): Politisch motivierte Kriminalität und Radikalisierung, S. 145.
8  Ebd.
9  Im Folgenden vgl. Goertz, Stefan/Goertz-Neumann, Martina (2018): Politisch motivierte Kriminalität und Radikalisierung, S. 145-149.
10  Ebd.
11  Ebd.
12  Bundesamt für Verfassungsschutz (2017): Verfassungsschutzbericht 2016, S. 100. Im Folgenden vgl. Goertz, Stefan/Goertz-Neumann, Martina (2018): Politisch motivierte Kriminalität und Radikalisierung, S. 161-167.
13  Landesamt für Verfassungsschutz Bayern (2017): Verfassungsschutzbericht 2016, S. 201.
14  Goertz, Stefan/Goertz-Neumann, Martina (2018): Politisch motivierte Kriminalität und Radikalisierung, S. 161-167.
15  https://www.wirtschaftsschutz.info/SharedDocs/Artikel/DE/BKA-Monitoringbericht Innentaeter.pdf?__blob=publicationFile&v=2; 14.9.2018.
16  Grützner/Jakob, Compliance von A-Z 2. Auflage 2015; zitiert nach https://www.wirtschaftsschutz.info/SharedDocs/Artikel/DE/BKA-Monitoringbericht-Innentaeter.pdf?__blob=publicationFile&v=2; 14.9.2018.
17  Ebd.
18  Im Folgenden zitiert nach https://www.wirtschaftsschutz.info/SharedDocs/Artikel/DE/BKA-Monitoringbericht-Innentaeter.pdf?__blob=publicationFile&v=2; 14.9.2018.
19  Ebd.
20  Im Folgenden vgl. ebd.
21  Ebd.

 

Über den Autor
Prof. Dr. Stefan Goertz
Prof. Dr. Stefan Goertz
Prof. Dr. Stefan Goertz, Professor für Sicherheitspolitik, Schwerpunkt Extremismus- und Terrorismusforschung, Hochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei
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