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Bundespolizei und Bayerische Grenzpolizei – eine neuartige Sicherheitsallianz

Von Bernd Walter, Präsident eines Grenzschutzpräsidiums a.D.

Seit dem 1. August 2018 verfügt der Freistaat Bayern wieder über eine eigenständige Grenzpolizei. Die Bundespolizei hat somit beim grenzpolizeilichen Schutz des Bundesgebietes einen neuen Partner bekommen.

Ehemaliges Verbandsabzeichen der GrePo (hier als Brusttaschenanhänger)
Foto: © Von User:Mattes - Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=693370
Das Gesetz zur Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei vom 24.Juli 2018 wurde am 31.Juli 2018 verkündet und trat am 1. August 2018 in Kraft. Der folgende Beitrag befasst sich mit den besonderen Rahmenbedingungen des Vorganges, die in der öffentlichen Berichterstattung zum Teil verfälscht, zum Teil gar nicht wiedergegeben wurden.

Zur Vorgeschichte

Es war nicht unbedingt eine Folge des medialen Sommerlochs, dass die Wiedergeburt der Bayerischen Grenzpolizei nicht nur die örtlichen Protagonisten beschäftigte, sondern auch Eingang in die überregionale Medienwelt fand. Schnell wurde jedoch deutlich, dass es weniger um die sachliche Bewertung einer Neuorientierung im Bereich der Grenzsicherheit als vielmehr um politische Rechthaberei, Sensibilitäten im Bund-/Länderverhältnis, Kompetenzeitelkeiten und die souveräne Missachtung der tatsächlichen und rechtlichen Fakten ging. So litt die Diskussion von vornherein unter dem Umstand, dass sie im Lichte der Auseinandersetzung der politischen Parteien in Hinblick auf bevorstehende Wahlen geführt wurde, ohne auch nur im Entferntesten die Verschärfung der Sicherheitslage zu berücksichtigen. Von einer Gesamtbeurteilung der Sicherheitslage ganz zu schweigen. So stellte doch die Ständige Konferenz der Innenminister auf ihrer 206. Sitzung im Juni 2017 fest, dass kein auseichender Schutz der Außengrenzender der EU gewährleistet und die Fortführung der Binnengrenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze weiterhin erforderlich sei. Darüber hinaus wurde angeregt, dass auf Grundlage einer regelmäßigen Analyse der Flüchtlingsströme die Initiierung von Grenzkontrollen auch in anderen Bereichen der Bundesgrenzen geprüft werden muss. Bayern hielt in einer Protokollnotiz die bedarfsabhängige Unterstützung der Bundespolizei bei der Grenzkontrolle durch Kräfte aller Länderpolizeien für erforderlich. Der Freistaat beließ es jedoch nicht nur bei Worten. Den Ankündigungen im Wahlkampf folgten Taten, denn rund ein Drittel der irregulären Einreisen nach Deutschland erfolgte in Bayern. Auch auf Ebene der EU sind die Warnzeichen an der Wand längst erkannt. Ein Vorschlag der Kommission vom 27. September 2017 schlägt wesentliche Änderungen des Schengener Grenzkodex vor, nachdem zwischen 2006 bis 2015 lediglich 36 Mal vorübergehende Binnengrenzkontrollen eingeführt wurden, zwischen September 2015 und September 2017 hingegen bereits 50 Mal von dieser Maßnahme Gebrauch gemacht wurde. Die Gründe waren die Zunahme des grenzüberschreitenden Terrorismus und die Zunahme der irregulären Binnenmigration. Gleichzeitig ermahnte die Kommission die Mitgliedstaaten, vor dem Rückgriff auf die Einführung vorübergehender Binnengrenzkontrollen die Verstärkung der polizeilichen Kontrolle auch im Grenzraum als effizientere Lösung ins Auge zu fassen.

Der sicherheitspolitische Realismus gebietet es anzuerkennen, dass die Maßnahmen zur Kontrolle der Sekundärmigration im Schengenraum, die offensichtlichen Mängel in der Statik des Schengen- und Dublinregimes sowie die immer deutlicher werdenden Defizite im Außengrenzschutz unverändert starke Grenzsicherungskräfte erfordern. Bei der derzeitigen Zerstrittenheit der EU-Partner ist in absehbarer Zeit keine wirksame Kontrolle der EU-Außengrenzen zu erwarten. Genau so wenig hat die Vision von einem einheitlichen EU-Grenzschutzkorps Aussicht, in einem überschaubaren Zeitkorridor realisiert zu werden. Aufgaben einer realistischen, vorausschauenden und an den Fakten orientierten Sicherheitspolitik ist daher die Herkulesaufgaben, den Spannungsbogen zwischen der weiteren Sicherstellung des kontrollfreien Reiseverkehrs im europäischen Binnenraum und der Gewährleistung von Grenzsicherheit so auszutarieren, dass das in der EU Erreichte nicht aufs Spiel gesetzt wird. Will man nicht permanente Grenzkontrollen wieder etablieren, muss man intelligentere Lösung suchen. Die Bereitstellung zusätzlichen Personals ist allerdings Conditio sine qua non. Allein der Aufwuchs der zur Grenzkontrolle an der Binnengrenze in Bayern eingesetzten Bundespolizisten von 667 auf 1290 Polizeibeamte in den Jahren 2012 bis 2018 verdeutlicht die Virulenz der gegenwärtigen Sicherheitslage. Gleichwohl dürfte die Bundespolizei bei ihrem derzeitigen Personalvolumen und angesichts des umfangreichen Aufgabenportfolios nicht in der Lage sein, nur auf sich selbst gestellt den aktuellen Herausforderungen zur Gewährleistung von Grenzsicherheit gerecht zu werden.

Etwas zur Historie

Als einziges Bundesland verfügte Bayern von der kurzen Lebensdauer der hessischen Grenzpolizei nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges abgesehen über eine Landesgrenzpolizei. Mit Weisung vom 11. Oktober 1945 wies die amerikanische Besatzungsmacht das von ihr eingesetzte Bayerische Staatsministerium des Innern an, neben den sonstigen Polizeibehörden, die Neubildung der Grenzpolizei nach dem Vorbild der bayerischen Grenzkommissariate aus den Jahren 1919 bis 1934 vorzubereiten. Am 15. November 1945 erging die „Anordnung über die Wiedererrichtung der Bayerischen Landesgrenzpolizei“. Das Polizeiorganisationsgesetz vom 28. Oktober 1952 traf in den Art. 34 bis 41 die Durchführungsregelungen. Die Grenzpolizei unterstand der Landesgrenzpolizeidirektion in München, die ihrerseits dem Staatsministerium des Innern unmittelbar unterstellt war. Nachgeordnet waren neun Grenzpolizeikommissariate mit Grenzpolizeistellen und Grenzpolizeiposten. Die Landesgrenzpolizeidirektion wurde im Oktober 1952 in Präsidium der Bayerischen Grenzpolizei umbenannt. Die bayerische Grenzpolizeiorganisation hatte bis in die neunziger Jahre Bestand; zum 31. März 1998 wurde sie aufgelöst. Die an der Grenze zu Österreich tätigen Beamten wurden von den regional zuständigen Landespolizeipräsidien übernommen, die Führung des Grenzabschnittes zur Tschechischen Republik wurde dem Polizeipräsidium Niederbayern/Oberpfalz übertragen.

Die unübersichtliche Rechtslage

Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG ist der polizeiliche Grenzschutz eigentlich Teil der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes, der mit dem Erlass des Ersten BGS-Gesetzes im Jahre 1951 von seiner Kompetenz Gebrauch machte. Die Verwaltungskompetenz ergibt sich aus Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG, der einen Fall der bundeseigenen Verwaltung in der Form der fakultativen Bundesverwaltung regelt. Die einfachgesetzliche Regelung des Grenzschutzes ergibt sich aus § 2 Bundespolizeigesetz, wonach der Bundespolizei der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz) obliegt, sofern nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt. Nach Abs. 3 ist das Einvernehmen in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem beteiligten Land herzustellen, die im Bundesanzeiger bekanntzugeben ist und die Zusammenarbeit regelt. Nimmt ein Land derartige Aufgaben wahr, richtet sich die Durchführung der Aufgaben nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht.

Aufgrund dieser Reglungen war es möglich, dass neben dem eigentlich zuständigen Bundesgrenzschutz-später-Bundespolizei- die Bayerische Grenzpolizei grenzpolizeiliche Vollzugsaufgaben wahrnahm. Das Verwaltungsabkommen zwischen dem Bundesministerium des Innern und der Regierung des Freistaats Bayern über die Wahrnehmung des grenzpolizeilichen Einzeldienstes in Bayern vom 1. April 1973 regelte jahrelang die Zusammenarbeit zwischen Bundespolizei und Bayerischer Grenzpolizei, war aber nicht immer frei von Spannungen. Mit einem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktion der CDU/CSU und der SPD im Innenausschuss des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze vom 4. September 2007 wurde jedoch festgelegt, dass eine Rückübertragung der grenzpolizeilichen Aufgaben an den Bundesgrenzen im Freistaat Bayern an den Bund zügig umgesetzt werden soll. In der jetzigen Fassung der Verwaltungsvereinbarung wurde festgelegt, dass der Freistaat Bayern die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs Ebene 4, Check-in und Passkontrolle in Modul B Flughafen München
Foto: © Von Aconcagua - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2670102
nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BPolG mit der Bayerischen Landespolizei nur noch auf Einrichtungen des Luftverkehrs wahrnimmt, die ganz oder teilweise auf dem Gebiet des Freistaates liegen, mit Ausnahme des grenzüberschreitenden Verkehrs auf dem Flughafen München Franz Josef Strauß.

Obwohl der Bund nunmehr die alleinige Zuständigkeit für den Grenzschutz und damit eine Flurbereinigung reklamierte, erzwang im Rahmen der Migrationskrise der Jahre 2015/2016 die normative Kraft des Faktischen jedoch eine Neuorientierung. Der Bund lehnte zunächst unter Hinweis auf seine ausschließliche Zuständigkeit und auch um wohl kein weiteres Präjudiz zu schaffen, die Unterstützungshilfe des Freistaates Bayern bei der Grenzüberwachung ab. Dies änderte sich, als die Bundespolizei immer mehr in Personalnot geriet; ab dem 15. Dezember 2016 unterstützte Bayern mit zunächst einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei, die der Bundespolizei unterstellt wurde, bei der Wahrnehmung des Grenzschutzes durch den Bund. Rechtsgrundlage war eine Zustimmung der Bundespolizei nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 BPolG und eine Zurverfügungstellung des Freistaates Bayern nach Art. 10, 11 Bayerisches Polizeiorganisationsgesetz. Diese Vorschriften sehen eine Unterstützung im Einzelfall bei gegenseitigem Einverständnis vor. Allerdings sah sich das Bundesinnenministerium umgehend zu einer Erklärung veranlasst: „Die gemeinsamen Grenzkontrollen werden auch weiterhin unter der Verantwortung der für grenzpolizeiliche Aufgaben zuständigen Bundespolizei laufen.“

Die alte Behörde im neuen Gewand

Seit Spätsommer 2018 ist alles ganz anders. Das Gesetz zur Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei vom 24. Juli 2018 änderte das bayerische Polizeiorganisationsgesetz in einigen Artikeln. In Artikel 5 POG wird nunmehr bestimmt, dass die Bayerische Grenzpolizei Teil der Landespolizei ist. Sie wird insbesondere für grenzpolizeiliche Aufgaben und die Aufgaben des grenzpolizeiliche Fahndungsdienstes im Sinn des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 des Polizeiaufgabengesetzes eingesetzt. Die grenzpolizielichen Aufgaben umfassen in Anlehnung an § 2 Bundespolizeigesetz die polizeiliche Überwachung der Grenze, die polizeiliche Kontrolle des grenzüberscheitenden Verkehrs einschließlich der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt sowie der der beim Grenzübertrott mitgeführten Gegenstände und Transportmittel, der Grenzfahndung und der Beseitigung von Störungen und der Abwehr von Gefahren, die ihren Ursprung außerhalb des Bundesgebietes haben. Weiterhin im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern die Beseitigung von Störungen und die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenzen beeinträchtigen. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG regelt die sogenannte Schleierfahndung. Er ermöglich anlass- und verdachtslos die Möglichkeit der Identitätsfeststellung, der Prüfung von Berechtigungsscheinen und ggf. die Durchsuchung mitgeführter Sachen im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km sowie auf Durchgangsstraßen und öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthalts und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität.

Das Polizeipräsidium Niederbayern ist für den Bereich des Regierungsbezirks Niederbayern zuständig
Foto: © Bayer. Staatsministerium des Innern und für Integration
Nach Art. 5 Abs. 3 des neugefassten POG gliedert sich die Grenzpolizei in die Direktion der bayerischen Grenzpolizei, angegliedert an das Präsidium Polizeipräsidium Niederbayern/Oberpfalz als Führungsstelle Grenze, in Grenzpolizeiinspektionen als Basisdienststellen und Grenzpolizeistationen. Die Einrichtung von Grenzpolizeistationen hängt von der Bedeutung des Grenzabschnitts und sicherheitsrelevanten Besonderheiten ab. Das Personal entstammt überwiegend den bisherigen Polizeiinspektionen Fahndung und Polizeistationen Fahndung. Bei den Dienststellen der Landespolizei können unselbstständige Grenzpolizeigruppen eingerichtet werden, die ebenfalls der Fachaufsicht der Direktion der bayerischen Grenzpolizei unterliegen. Für Fragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit können Koordinatoren bestellt und Gemeinsame Zentren eingerichtet werden. Schon jetzt erfolgt eine Kooperation mit den gemeinsamen Zentren Schwandorf-Petrovice für die Zusammenarbeit mit der tschechischen Polizei und Passau für die Zusammenarbeit mit der österreichischen Polizei sowie mit der Bundespolizei und dem Zoll. Die Direktion hat ihren Sitz in Passau und hat aktuell einen Personalbestand von elf Polizeivollzugsbeamten und zwei Angestellten. Sie soll als bayernweite Zentralstelle die nationale und internationale Zusammenarbeit mit unmittelbaren Grenzbezug koordinieren. Erklärtes Ziel war die Vermeidung zusätzlicher Verwaltungsstrukturen. Es können ferner Zentralstellen und Koordinatoren zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eingerichtet werden, die zwar selbstständig arbeiten, aber im Sinne einer ganzheitlichen Grenzstrategie regelmäßige Abstimmungen anstreben sollen.

Die gegenwärtige Personalstärke der Grenzpolizei soll von bisher 500 Stellen durch gestaffelte Zuweisung auf 1.000 Stellen (2019 bis 2023 jährlich 100) im Jahr 2023 anwachsen. In der Aufbauphase wird von Sach- und Baukosten von über 53 Millionen Euro ausgegangen. Für die Ausstattung werden rund 14 Millionen Euro bereitgestellt. Sie umfasst Smartphones mit einem polizeilichen Messengerdienst, Convertibles, Fingerabdruckscanner, besondere IuK-Technik, Mulitcopter sowie Wärmebild- und Nachtsichtgeräte.

Die neue Grenzphilosophie

Die Absichten, die hinter der Neuerrichtung der Bayerischen Grenzpolizei stehen, eröffnen eine Neukalibrierung des Bund-Länderverhältnisses – weg von den meist verfassungspolitisch motivierten verfassungspolitischen Kompetenzstreitigkeiten der Vergangenheit, hin zu einer synergetischen Vernetzung bei der Umsetzung des gemeinsamen Verfassungsauftrages zur Gewährleistung umfassender Sicherheit. Die neue Konstellation ermöglicht nicht nur Schnittstellenreduzierungen und die Optimierung von Einsatz- und Verfahrensabläufen, sondern auch die Erhöhung der Kontrolldichte und Polizeipräsenz im grenznahen Raum. Die Einsatzkräfte werden in Streifenfahrzeug BMW 5er (sog. Kfz 21) in neuer blau-silberner Farbgebung
Foto: © Von Matti Blume - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=36679962
Zivil und Uniform eingesetzt; gemeinsame Einsätze von Bund und Land sowie Schwerpunkteinsätze unter Rückgriff auf die Bayerische Bereitschaftspolizei sind geplant. Ziel muss es sein, ein Kontrollnetz zu errichten, das für Schleuserorganisationen unkalkulierbar wird.

Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen Bund und Land regelt eine Verfahrensabsprache bzw. ein Memorandum of Understanding zwischen den beteiligten Behörden, ein Konstrukt, das im Ensemble bundesdeutscher polizeilicher Kooperationsvereinbarungen ein Alleinstellungsmerkmal hat. Mit der Wahl des Terminus „Verfahrensabsprache“ wollte man wohl andeuten, dass die Rechtsgrundlagen für das „ob“ vorhanden sind und es nur einer Regelung des „wie“ bedarf. Die Zusammenarbeit der eigenverantwortlich handelnden Partner im jeweils örtlichen Zuständigkeitsbereich des Anderen erfolgt gemäß der „Öffnungsklauseln“ des § 64 Abs. 1 BPolG und des § 11 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 5 POG Bayern und umfasst auch die polizeiliche Kontrolle im Grenzraum und an der Grenze. Die Regelung des § 64 Abs. 1 Nr. 1 BPolG ermöglicht den Einsatz von Polizeivollzugsbeamten eines Landes im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei auf Anforderung oder mit Zustimmung der zuständigen Bundespolizeibehörden. Die Durchführung der Grenzkontrollen erfolgt eigenständig nach Maßgaben der Bundespolizei, wobei die bayerischen Grenzbeamten nach § 2 Abs. 4 BPolG allerdings nach eigenem Recht tätig werden und damit teilweise mehr Befugnisse als die Bundespolizei haben. Soweit jedoch Feststellungen getroffen werden, die aufenthaltsrechtliche Maßnahmen wie z.B. den Vollzug der Zurückweisung oder Zurückschiebung erforderlich werden, übergibt die Bayerische Grenzpolizei die weitere Sachbearbeitung unverzüglich an die Bundespolizei. Dass die endgültige Klärung der künftigen Kooperation rechtlich noch nicht ausgestanden ist, belegen die Kleinen Anfragen der Oppositionsparteien zu diesem Vorgang. Allerdings ist davon auszugehen, dass, wie in ähnlichen Fällen auch, ein umstrittenes Verfahren durch die Verschärfung der Sicherheitslage schnell zur Staatspraxis wird, zumal im politischen Streit von der Opposition kaum verwertbare Alternativen angeboten werden.

Die zuweilen von Kritikern in die Diskussion eingebrachten Reizvokabeln, dass die Bayerische Grenzpolizei zur Hilfstruppe für die Bundespolizei degradiert wird, sind subtanzlos. Sie wirkt insbesondere im Bereich der Schleierfahndung eigenständig. Die künftige Verwendungskonzeption umfasst drei Einsatzbereiche. Zunächst die Optimierung der Schleierfahndung, bei der bereits jetzt die bayerische Polizei einen vorzüglichen Ruf genießt und auch in Zukunft völlig autonom nach eigener Zuständigkeitsregelung tätig wird. Ferner die Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben in Abstimmung mit dem Bund, wobei diese Konstellation im Wesentlich nur dann zutrifft, wenn die nach dem Schengener Grenzkodex mögliche Wiedereinführung temporärer Binnengrenzkontrollen in Ausnahmelage aktiviert wird. Auch dann werden sich die Beteiligten bei der Abstimmung auf Augenhöhe begegnen, handelt es sich um polizeiliche Unterstützungsmaßnahmen, die bereits heute bei länderübergreifenden Unterstützungseinsätzen gang und gäbe sind. Der dritte Bereich ist die Grenzkontrollkoordination, die nicht nur Redundanzen und Doppelarbeit verhindert, sondern auch die Generierung aussagekräftiger Lagebilder verspricht.

Schwerpunkt der Grenzeinsätze wird zunächst die deutsch-österreichische Grenze in den Bezirken Oberbayern, Niederbayern und Schwaben und bei Ausweichbewegungen der Schleuserorganisationen auch die Grenze zu Tschechien sein, wobei das bisherige System von einem 1. Und 2. Fahndungsschleier wohl beibehalten wird und strategisch weiter ausgebaut werden soll. Der Einsatz erfolgt nicht nur stationär an ausgewählten Übergängen statt, sondern umfasst auch die Überwachung der grünen Grenze. Der Schwerpunkt soll der mobile, nicht der stationäre Einsatz sein. Die Bundespolizei, deren Organisations- und Dienstpostenplan 1. 874 Dienstposten für die grenzpolizeiliche Aufgabenwahrnehmung im Freistaat Bayern vorsieht, kann durch eine koordinierten Einsatzplanung die Einsatzbelastung ihrer Beamten wesentlich reduzieren. Dies wird vorrangig Aufgaben der Verbindungsbeamten, die beide Partner entsenden.

Als erste Ergebnisse der neuaufgestellten Grenzpolizei wurden für die ersten beiden Monate 500 Fahndungstreffer und 1.750 Anzeigen wegen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten publiziert.

Abschließende Bewertung

Noch weht der Neuorientierung im Bund-/Länderverhältnis der Wind aus unterschiedlichen Ecken entgegen, wobei viele Kritikpunkte an den Haaren herbeigezogen sind. Die Grünen-Bundestagfraktion und Grünen-Fraktion in Bayern meldeten massive verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zusammenarbeit an, da die Kooperation angeblich gegen das Verbot der Mischverwaltung verstoße. Nun ergibt sich ein derartiges Verbot explizit gar nicht aus der Verfassung, sondern wurde von der Rechtslehre entwickelt, und das Bundesverfassungsgericht selbst lässt Ausnahmen in eng begrenzten Fällen und bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu.

Der Vorwurf der Schaffung von Doppelstruktur und Doppelzuständigkeiten ist ebenfalls vordergründig, denn gerade die neuartige Kooperation ermöglicht im Vergleich Grenzkontrolle auf der BAB 3 nach dem österreichisch-deutschen Grenzübergang Passau bei Pocking
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zu bisherigen Verfahren kräfteökonomische Einsatzmaßnahmen, um Doppelkontrollen zu vermeiden. Auch Befürchtungen, dass für kontrollierte Personen nicht mehr erkennbar ist, welche Behörde tätig wird, sind gegenstandslos, da die Beamten durch ihre Uniform erkennbar sind und zu Beginn der Kontrolle über den Anlass informiert wird. Auch Befürchtungen aus Gewerkschaftskreisen, dass unnötiges Konkurrenzdenken zu erwarten ist, hat sich in der täglichen gemeinsamen Arbeit von Bund und Landespolizisten schon längst erledigt. Manchmal ist nämlich die Basis bedeutend weiter als ihre Interessenvertreter vermuten.

Die Einrichtung der bayerischen Grenzpolizei war nichts anderes als die Konsequenz aus einer Feststellung des Europäischen Rates vom 28. Juni 2018: „Was die Lage innerhalb der EU betrifft, so droht die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen den Mitgliedstaaten die Integrität des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und des Schengen-Besitzstandes zu gefährden. Die Mitgliedstaaten sollten alle erforderlichen internen Rechtsetzungs- und Verwaltungsmaßnahmen gegen diese Migrationsbewegungen treffen und dabei eng zusammenarbeiten.“ Überdies fordert die Empfehlung (EU) 2017/820 der Kommission vom 12. Mai 2017 die Intensivierung von Polizeikontrollen auch im Grenzgebiet, um dadurch der Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen in Ausnahmelagen, die nach dem Schengener Grenzkodex möglich sind, vorzubeugen, da diese der Philosophie des freien Reiseverkehrs im Schengenraum widersprechen. Die neu erstandene Grenzpolizei ist nicht nur ein Angebot zur engeren Zusammenarbeit jenseits von föderalen Vorbehalten, Kompetenzgrenzen und Ressorteitelkeiten, sondern auch Ausdruck der Vernetzung der Sicherheitsbehörden, die nach den Untersuchungsberichten zur NSU-Mordserie und der Amri-Affäre vehement von allen Beteiligten als Lösung bekannt gewordener Sicherheitslücken gefordert wurde. Im Interesse der inneren Sicherheit ist zu hoffen, dass das Konstrukt den Praxistest besteht.

 

Über den Autor
Bernd Walter
Bernd Walter
Bernd Walter, nach vierzigjähriger Dienstzeit in der Bundespolizei mit unterschiedlichen Verwendungen im Führungs-, Einsatz-, Ausbildungs- und Ministerialbereich als Präsident des Grenzschutzpräsidiums Ost in den Ruhestand getreten. Anschließend Vorbeitrittsberater* der EU bei unterschiedlichen Sicherheitsbehörden in Ungarn. Autor zahlreicher Fachbeiträge zu Fragen der inneren und äußeren Sicherheit.
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