Einsätze im Tschad 1969 – 1970. (Teil zwei)

Die Fallschirmjäger der Fremdenlegion: Gründung, Struktur, Entwicklung und Einsatz

Von Thomas Gast

„Wenn man mich fragt, wo ich in meinem Leben am meisten gelernt habe, antworte ich – nicht nur im Spaß: in Oxford und in der Fremdenlegion. Aber ich bin nicht sicher, ob ich nicht in der Legion mehr gelernt habe als in Oxford!“ (Philip Rosenthal - Porzellan-König, SPD-Bundestagsabgeordneter, Ex-Fremdenlegionär).

Operation Limousin

Schauplatz Afrika.
Foto: © Thomas Gast
Der ganze TSCHAD stand in Flammen. Frankreich beschloss, militärischen Beistand zu leisten. In der Tat gab es seit Mai 1961 mehrere geheime Militärabkommen zwischen den beiden Staaten, und so löste der Tschad de facto nur das bereits bezahlte Ticket ein. Die zu Hilfe eilenden Truppen Frankreichs gliederten sich in zwei Säulen: Soldaten der Marineinfanterie und Fallschirmjäger der Fremdenlegion. Das Eingreifen der französischen Truppen im Tschad 1969 bis 1970 war, nach Algerien, die erste Militärintervention Frankreichs in einem souveränen, afrikanischen Land. Dieser Intervention gaben die Franzosen den Namen ´Limousin`. Auf dem Höhepunkt der Militäroperation Limousin kämpften 2500 französische Soldaten, inklusive des gesamten 2. REP (2. régiment étranger de parachutistes - 2. Fremdenregiment der Fallschirmjäger) im Tschad. Ziel war es, die Hauptstadt N’Djamena (bis 1973 Fort Lamy), vor der Offensive der Rebellen der Front de Libération Nationale du Tchad (FROLINAT) zu schützen.

Bei der FROLINAT handelte es sich um eine erst kürzlich entstandene Bewegung. Die Rebellen, hagere, von der Sonne gebräunte Muslime, Toubous, Hirtennomaden und Karawanenführer, kämpften gegen das mit unbarmherziger Härte geführte Regime des Präsidenten François Tombalbaye. Der aus dem Süden stammende Protestant hatte nur Missachtung für die Araber des Borkou-Ennedi-Tibesti und für die Teda und Daza des Toubou Volkes übrig. Deshalb der Aufstand, ebendaher die Revolte. Gegründet wurde die FROLINAT 1966 in Nyala, im Sudan. Nicht wenige Denker und Lenker im Tschad sagten, sie sei nur eine Speerspitze des libyschen Imperialismus, der versuche, eine tiefe Wunde in die Flanke des Landes zu reißen.

Im zerklüfteten Land im Norden Tschads bauten die Kämpfer der FROLINAT ihre uneinnehmbaren Bastionen aus. Wurden sie verfolgt, zogen sie sich über die Grenze nach Darfur in den Sudan oder in die Zentralafrikanische Republik zurück. Deshalb befanden sich ihre Basiscamps auch teilweise grenznah im Südosten des Landes in und um Am-Timan, aber auch in der Region um Mongo. Das Bollwerk, das Zentrum des Widerstandes jedoch, blieb der hohe Norden, die Steinwüste des Tibesti. Aus dem Nichts heraus stellten die Aufständischen zwei Armeen auf. Die erste Armee bestand aus Kämpfern der Ethnie der Ouaddaï. Die zweite Armee vereinte Gleichgesinnte der Ethnie der Gorane, der Toubou also. Die Toubou waren hervorragende Kämpfer, das Beste, was Afrika zu bieten hatte. Die Gefahr, dass die beiden Armeen schnurstracks nach Fort Lamy marschierten, schätzten die Militärs Ende des Jahres 1968, Anfang 1969 als sehr groß ein.

Und auf der anderen Seite? Nun, die reguläre Armee Tombalbayes hatte keine Schlagkraft. Mit 1850 Soldaten, die dazu noch recht unerfahren im Kampf waren, konnte sie nichts unternehmen, was die FROLINAT in ihren Zielen in irgendeiner Weise hätte beeinflussen können. Also bat der starke Mann Tschads Frankreich um Beistand, der, wie bereits erwähnt, prompt gewährt wurde.

Nizza / Fort Lamy, 16. April 1969

Das 390 Mann starke Legionärskontingent, kurz EMT-1, bestand aus der ersten und der zweiten Kompanie des 2. REP sowie aus einem Führungsstab und einer Das Wappen des 2. REP
Foto: © Thomas Gast
kleinen Stabs- und Versorgungskompanie. An Bord von 2 DC-8 verlegten die Legionäre von Nizza nach Fort Lamy. Die Waffen in der Hand, marschierten sie am nächsten Tag singend und im Gleichschritt im Camp Dubut ein.

En Afrique malgré le vent, la pluie. Guette la sentinelle sur le piton. Mais son cœur est au pays chéri. Quitté pour voir des horizons lointains. Ses yeux ont aperçu l’ennemi qui s’approche. Qui s’approche. L’alerte est donnée, les souvenirs s’envolent. Maintenant au combat.

In Afrika trotz Wind und Regen. Der Posten wacht auf den Gipfeln. Aber sein Herz ist im geliebten Land. Losgezogen um ferne Horizonte zu sehen. Seine Augen sehen den Feind, der sich nähert. Der sich nähert. Die Warnung wurde gegeben, Erinnerungen kommen hoch. Auf in den Kampf.
´En Afrique`, Legionslied. Ursprung: ´Auf Kreta, bei Sturm und bei Regen`
Ehemaliges deutsches Fallschirmjägerlied im zweiten Weltkrieg

Das gesamte Détachement sollte an die Front verlegt werden, am besten schon am nächsten Tag, doch die knallharten Realitäten sprachen dagegen. Die zur Verfügung stehenden Fahrzeuge, sprich ´Sektor` rosteten seit langer Zeit vor sich hin. Sie auf Vordermann zu bringen erforderte etwas Geduld und viel Können. Eilig schienen es die Legionäre nicht zu haben, denn das Cameronefest stand unmittelbar bevor. Das wollten sie, wenn schon, in Fort Lamy feiern und nicht in einem abgelegenen Dorf in der Wüste.

Mangalmé, ein Ort gefährlich nahe der Grenze mit dem Sudan, war vor einigen Wochen von einer konsequenten Rebellengruppe angegriffen worden. Seit dem hatte man nichts mehr von dort vernommen. Es herrschte absolute Funkstille. Die reguläre Armee hütete sich, einen Vorstoß zu wagen, der sie an die Grenze zum Sudan oder auch nur annähernd in die Gegend führen würde. Sollten sich doch die Legionäre darum kümmern. Die Offiziere, Unteroffiziere und Legionäre des 2. REP kannten Tschad
Foto: © Thomas Gast
Land und Leute kaum, hilfreiche geographische Karten gab es nicht und das Klima war erdrückend. Doch man passte sich an. Ihr Chef, Commandant Louis de Chastenet d'Esterre, der zwei Jahre lang in Colomb-Béchar (Strafkompanie der Fremdenlegion in Algerien) in den Rängen des ´Deuxième Étranger` verbracht hatte, war mit Wüstenregionen bestens vertraut. Wissen und Erfahrung verbreiten sich flink, und so sah die Truppe, die am 28. April in Richtung Guéra-Provinz nach Mongo und Mangalmé ausrückte, nicht aus wie eine Einheit der Fallschirmjäger der Legion, sondern eher wie eine verschworene Bande, wie echte Söhne der Wüste. Sie trugen den landestypischen Chéche um den Kopf, hatten Sonnen- und Motorradbrillen auf, und die Ärmel der Uniformwesten waren so weit wie möglich nach unten gerollt, sodass kein Flecken Haut der gnadenlos vom Himmel brennenden Sonne ausgesetzt war. Das grüne Barett fand in der Tiefe des Rucksacks Platz, der Chapeau de Brousse, der ockerbraune breitkrempige Dschungelhut, zierte von nun an kantige, kahle Schädel.

In Mongo angekommen, wurde sofort ein Zug zum Schutz des Außenpostens befohlen, der Rest spaltete sich in zwei Kolonnen. Ihr Ziel: Mangalmé. Eine Kolonne, es handelte sich um die erste Kompanie (Kompaniechef: Hauptmann Saval) unter dem Befehl von Major Chastenet, schlug den südlichen Weg Richtung Mangalmé ein. Offensive Aufklärung betreibend, fuhr sie durch das Telfan Gebirge direkt nach Baro, einer winzigen Ortschaft, in der das Bergvolk der Hadjeraï lebte und in der es eine katholische Mission gab. Die andere Kolonne mit der zweiten Kompanie (Kompaniechef: Hauptmann Aubert), sollte durch das nördliche Steingebirge vorrücken, und zwar über eine schmale Holperpiste mitten durch die Landschaft am Guedi-Berg. Die zu überwindenden Schluchten erwiesen sich als eng, tief und steinig, der Weg bergauf war steil und kurvig, und so kam das Détachement der zweiten Kompanie, angeführt von Capitaine Milin, nur langsam und beschwerlich voran. Oft genug mussten die Legionäre absitzen und die Fahrzeuge schieben, was bei Temperaturen um die 45 Grad Celsius kein Leichtes war.

Die Rebellen der FROLINAT derweil, lauerten geduldig auf ihre Chance, die Legion- Konvois in einen Hinterhalt zu locken. Die Gelegenheit dazu bot sich ihnen völlig unverhofft am späten Nachmittag des 29. April. Das Vorauskommando der ´Kolonne Milin` wurde isoliert und von allen Seiten angegriffen. Die Legionäre verdankten ihr Leben dem beherzten Eingreifen zweier Nachbarzüge. Diese brachten eine Zwölf-Sieben Bordkanone (Browning M2-HB, Kaliber .50) und ihre Scharfschützen in Stellung, und trieben so die Angreifer in die Flucht. Fünfzig Rebellen fielen dem präzise geführten Feuergefecht und dem sofort eingeleiteten Gegenangriff zum Opfer.

Rückkehr des 2. REP in den Tschad, im Dezember des Jahres 1990. Lybische Gefangene werden abtransportiert.
Foto: © Maurice Côte
Nachforschungen ergaben, dass die Befehle, die den Hinterhalt ausgelöst hatten, auf Russisch über Funk gekommen waren. Anhand der erbeuteten Waffen und der Munitionsreste konnte auch eine eindeutige nachrichtendienstliche Spur in den Sudan gelegt werden. Als nach der Operation alle Elemente des 2. REP im feindfreien Mangalmé eintrafen, begann der eigentliche Auftrag. Unablässig, Tag wie Nacht, rückten die Patrouillen auf der Suche nach den Rebellen aus. Da man auf Helikopter verzichten musste, griff der Zug des Leutnant Piétri auf Pferde zurück. Das wurde nicht nur geduldet, sondern sogar begrüßt. Diese Art aufgesessene ´Harka` hatte sich bereits in Aïn Sefra (Algerien), bewährt.

In den darauffolgenden Tagen überschlugen sich die Einsätze. Zwischen Eref und Mangalmé wurde aus der Luft eine Basis der Rebellen entdeckt. Vier Sikorsky H-34 Hubschrauber mit einem Zug Legionäre (42 Mann) an Bord, hoben in aller Eile ab. Sie landeten unweit der Stellungen der Banditen in einem engen Talweg. Kaum hatten die Maschinen den Boden berührt, schwärmten die Männer aus, umzingelten die Rebellen und töteten acht von ihnen. In diesem Trott ging es noch eine Weile weiter, doch die Rebellen lernten täglich dazu. Als ob es ihnen gerade eingefallen wäre, vermieden sie es plötzlich, tagsüber aktiv zu werden, und es schien gar, als ob sie den bewaffneten Kampf zeitweise ganz eingestellt hätten. Für die ´Paras Legion` war die Situation nicht unbedingt befriedigend. Die Zeit verging. Es gab zwar jeden Tag etwas zu tun, aber oft waren Müßiggang und Langweile der ärgste Feind der Legionäre in der Garnison Mangalmé. Die Langweile und das ´farniente` dauerten jedoch nicht lange.

 

Tschad – Operation Picardie-2, Oktober 1970

Zouar ist eine kleine Militärgarnison der Armée nationale tchadienne (ANT), unweit der Grenzen zum Niger (Westen) und nach Libyen (Norden). Die Garnison besteht aus einem winzigen Außenposten, einer vier Kilometer entfernten Landepiste und einigen windschiefen Baracken. Die Landschaft rundherum ist rüde. Schroff abfallende Felsen, schwindelerregende Höhenzüge, tiefe, von Felsvorsprüngen verdeckte Täler, in die nie das Licht der Sonne fällt, wechseln sich ab mit schwarzen Vulkansimsen, hohen Plateaus, Sandsteintürmen, steilen Klippen und salzpfefferfarbenen Natronlöchern. Der Pass, auch ´Faille Leclerc` genannt, ist ein Durchlass, eingekeilt zwischen zwei emporragenden Felsen. Nur dieser Pass gibt den Weg in den Nordwesten des Landes – und zu den Grenzen dahinter – frei. Wer in diese Gegend kommt, der hat etwas zu verbergen. Sicher war es die Mordlust, die eine Bande Toubous hierher verschlagen hatte. Seit Monaten schon verübten sie Anschläge auf die ANT. Erst dieser Tage hatte die reguläre Armee bei einem Hinterhalt elf Männer verloren. Die Soldaten wagten sich kaum mehr aus der Kaserne, verrammelten nachts Türen und Fenster und beteten, bald von hier verschwinden zu können. Am 22. Oktober rührte die französische Armee endlich die Kriegstrommeln. Die Operation Picardie-2 wurde in aller Eile beschlossen. Unverzüglich sollten Soldaten nach Zouar verlegen. Doch nicht irgendwelche Soldaten, Der Tschad. Operation Picardie-2
Foto: © Thomas Gast
sondern die Fallschirmjäger der Legion: Capitaine Wabinskis Männer, um genauer zu sein. In einer, in dieser Form noch nie durchgeführten Sturmlandung per Flugzeug, sollte Wabinski den Militärposten aus der Umklammerung der Rebellen befreien. Eine nach der anderen hoben mehrere Nord Noratlas in Abéché ab. Sie flogen die fast 900 Kilometer im taktischen Tiefflug Richtung Zouar und landeten im Intervall auf der staubigen Piste. Die einzelnen Maschinen rollten noch, als die Legionäre, aufgeteilt in Kampfgruppen, die Waffe in der Hand und das schwere Gepäck auf dem Rücken, heraussprangen und gefechtsmäßig den ihnen zugewiesenen Zielen entgegeneilten. Kaum hatte eine Maschine sich ihrer Last entledigt, hob sie bereits wieder ab, sodass die nächste anlanden konnte. Das perfekt getimte Spiel wiederholte sich so lange, bis die Kampfzüge Polge, Kreher und Brasseur am Boden und die Kompanie Wabinski komplett war.

In Windeseile und ohne auf Widerstand der Rebellen zu stoßen, wurde der Flughafen gesichert. Daraufhin stießen die Legionäre nach Zouar vor, wo sie von den Soldaten der ANT frenetisch als Befreier empfangen wurden. Im Nu wurde auch die Straße nach Faya-Largeau gesichert. Die für die Operation notwendige Militärkolonne konnte nun getrost auf dem Landweg nachrücken. Was die Legionäre nicht wussten, war, dass sie beobachtet wurden. Die Rebellen der ´Zweiten Armee` lagen rundherum auf den Bergkämmen und ließen sich keine ihrer Bewegungen entgehen. Es waren Toubou. Niemand wünschte sich einen Toubou als Gegner! Diese Krieger der Nord-Armee waren zähe Hunde. Sie kamen wochenlang mit einer Handvoll Datteln und etwas Kamelmilch aus und überwanden dabei Strecken, die in den Ohren eines Europäers höchst unwahrscheinlich klangen. Das Gewehr schien eine Verlängerung ihrer Arme zu sein, so zielsicher und behände gingen sie damit um. Der schlimmsten Folter begegneten sie mit Hochmut. Mit einem Hochmut, der die Franzosen in den Wahnsinn trieb. Und nun saßen sie da oben in ihren schattenverhangenen Grotten im Pass von Zouar und warteten mit brennender Ungeduld auf die Legionäre.

Alles gut, dachten die Legionäre, die von nichts ahnten. Die Kompanie Wabinski musste keinen einzigen Schuss abgeben, weil der Gegner sich nicht gezeigt hatte. Solange man sie nicht in ihren Grotten behelligte, war ihnen scheinbar alles gleichgültig. So einfach konnte Krieg sein. Der zweite Teil der Operation sollte bald schon beginnen, doch wie der aussah, wusste im Augenblick nur Chef de Bataillon Dominique, der Mann also, der die Operation Picardie-2 leitete. Sein Plan sah vor, die Von den Legionären gefangene, lybische Soldaten.
Foto: © Maurice Côte
Toubous in ihren Grotten unverzüglich anzugreifen. Doch vorher galt es, in ihrem Rücken eine Auffanglinie zu errichten, die verhindern sollte, dass der Feind nach Libyen flüchtete. Mit dem Auftrag, sich des Nachts durch den Pass von Zouar zu schleichen, wurde die Kompanie Wabinski beauftragt. Wabinski sollte jeglichen Kontakt vermeiden. Der dralle Legionsoffizier war aber alles andere als ein Dummkopf. Er wusste, was dieser Befehl bedeutete. Zahlenmäßig waren die Toubous ihm weit überlegen. Sollten sie Wind davon bekommen, dass die Legionäre in den Pass stiegen, dann wurde der Auftrag zum Himmelfahrtskommando. Einige Soldaten der ANT wurden ihm als Späher unterstellt. Sie, die die Berge wie ihre Hosentasche kannten, sollten den Legionären vorauseilen.

Noch in der gleichen Nacht verließen die Späher ihre Positionen im sicheren Zouar und verschwanden wie Schatten im Pass. Die Legionäre, Mörser und schwere MGs auf ihren Schultern, folgten ihnen völlig lautlos und klar zum Gefecht. Rauchen und Licht waren verboten. Alle Quellen, die auch nur das geringste Geräusch verursachen konnten, wie gegeneinanderschlagende Essgeschirre oder klappernde Bajonette, wurden mit Lappen und Tüchern umwickelt. Wabinski wollte nichts dem Zufall überlassen. Alles, was er wollte, war kämpfen. Das aber zu seinen Bedingungen.

Einer nach dem anderen durchquerten die Kampfzüge vom Feind unbemerkt die tiefe Schlucht und gingen nördlich des Passes in Stellung. Gerade noch müde und verschwitzt, kroch nun die eisige Kälte in die Knochen der Legionäre. Sie waren mit einem Schlag hellwach, doch der Abschnitt schien ruhig.
Der erste Schuss fiel genau in dem Augenblick, in dem die ersten Sonnenstrahlen an ihren Kampfuniformen leckten. Sergent-chef Himmer vom Zug Polge bäumte sich auf und fluchte lautlos. Blut strömte aus einer hässlichen Wunde an seinem Arm und tropfte zu Boden.
Die Toubous waren erwacht!

Es gab kein Geschrei. Nur ihre Schüsse fielen mit einer erschreckenden Präzision. Sie nahmen sich alle Zeit der Welt, bevor sie am Abzug drückten, auch weil sie wussten, dass Munition etwas sehr Wertvolles war. Das galt besonders hier oben in den Bergen. Ihr privilegiertes Ziel waren die Gruppen- und Zugführer, die Funker, die MG-Schützen und Sanitäter. Obwohl die Legionäre das Feuer sofort erwiderten, gab es innerhalb der ersten Minuten bereits einige Verletzte in ihren Reihen. Capitaine Wabinski sah auf die Uhr. Vergeblich warteten er und seine Männer auf eine Fallschirmjägerkompanie der ANT. Diese sollte mit Hubschraubern anlanden und den Toubous in den Rücken fallen, damit die Legionäre bei erstem Tageslicht ihre Manöver durchführen konnten.

Die Kompanie der ANT kam bald, sie wurde jedoch viel zu weit vom Ziel entfernt angelandet. Es war absehbar, dass sie, der Sonne auf Gedeih und Verderb ausgesetzt, den ganzen Tag benötigen würde, um im schwierigen Gelände ihre geplante Ausgangsstellung zu beziehen. Den Legionären gelang es unterdessen nicht, die Toubous, die aus Grotten heraus das gesamte Gelände kontrollierten, zu übertölpeln. Ihre Lage wurde immer prekärer. Das änderte sich auch nicht, als die Toubous die Grotten verließen, um sich auf einem benachbarten Plateau in eine bessere Position zu bringen. Den Legionären wurden Munition und Wasser knapp. Die Sonne trug das ihre dazu bei, dass die Moral ihre ersten Kämpfe focht. Bevor die Nacht hereinbrach, heckte Capitaine Wabinski einen verwegenen Plan aus. Die Züge Polge und Brasseur sollten zurück in den Pass eilen, die Hänge auf der Südseite erklimmen und die Wüstenkrieger damit aus der Reserve locken. Es begann zu dunkeln, als der Zug Brasseur sich sammelte.

Kurz vor Mitternacht war Brasseur der Erste, der den Pass betrat. Ihn einmal durchquert, kletterten seine Legionäre den steilen Südhang hoch und warteten, bis das erste Tageslicht ihnen eine bessere Sicht erlaubte.
Vor ihren Augen, nur hundert Meter entfernt, lagen die Scharfschützen der Toubous. Sie hatten nichts bemerkt, starrten angestrengt in die entgegengesetzte Richtung. Die Legionäre eröffneten sofort das Feuer.

Nach der ersten Salve gingen sie zum Angriff auf den völlig überraschten Feind über. Die Rebellen fielen, tot oder verwundet. Obwohl das Manöver aus der Luft von einer H-34 Pirate, ausgestattet mit einer Bordkanone 20 mm, unterstützt wurde, hatten auch die beiden Legionärs-Züge Verluste. Dauriac und Escobar sowie der Sergent-chef Kuckelkorn wurden im Feindfeuer schwer verletzt. Ludwig Kuckelkorn war ein erfahrener Kommando-Soldat, der erst im Jahr 1967 seinen Freifallerlehrgang absolviert hatte. Hier verwundet zu werden und seine Kameraden alleine weiterkämpfen zu lassen, schmeckte ihm gar nicht.

Tags darauf wurden die letzten Feindelemente in den Grotten bei Goubone in unmittelbarer Nähe von Bardai aufgespürt, doch ihnen gelang die Flucht. Dabei ließen sie wichtige Dokumente und einen Teil ihrer schweren Waffen zurück. Danach herrschte einige Zeit lang Stille am Pass.

Im November 1970 kam es zu einem letzten Einsatz. In der Region um Fada ereigneten sich teilweise schwere Gefechte, bei denen zwei Legionäre ihr Leben ließen. Zwölf Legionäre wurden verletzt. Die Gefechte bei Fada setzten den vorläufigen Schlusspunkt hinter die Abenteuer des 2. REP im Tschad. Das Regiment hatte insgesamt sieben Tote zu beklagen. Etwa hundert Legionäre wurden während des Einsatzes evakuiert. Entweder waren sie verletzt oder sie hatten sich eine im Land grassierende Virushepatitis eingefangen. Am 20. Dezember 1970 bestiegen die Fallschirmjäger der Fremdenlegion die Maschinen, die sie nach Korsika, in ihre schöne Garnison in der Balagne zurückbrachten: Auftrag ausgeführt!

Ende Teil Zwei.

 

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Über den Autor
Thomas Gast
Thomas Gast
Im Februar 1985 engagierte der Autor in der Fremdenlegion, wo er bis Anfang 2002 blieb. Nach der Legion war Thomas Gast lange Zeit in der Sicherheitsbranche tätig. Er arbeitete und lebte in Saudi Arabien (als Sicherheitsmitarbeiter – Klient: Delegation der Europäischen Kommission in Riad); Haiti (als Security- Country Manager – Klient: Delegation der Europäischen Kommission in Haiti); Israel (als stellvertretender Country Manager am ECTAO – European Commission Technical Assistance Office); Yemen (als Security- Teamleiter für Surtymar / YLNG – Yemen Liquefied Natural Gas); Rotes Meer – Golf von Aden – Arabische See (als Privately Contracted Armed Security Personnel (PCASP) bewacht der Autor seit Juni 2014 Schiffe vor Piratenangriffen. Sein Buch ´PRIVATE SECURITY` findet in der Sicherheitsbranche regen Zuspruch. Foto: Thomas Gast mit seiner Neuerscheinung PRIVATE SECURITY. © Thomas Gast
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