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Die Bezeichnung „Sackgasse“ ist entstanden, weil die Straße ähnlich einem Sack nur eine Öffnung hat; Eingang und Ausgang sind also identisch.
Foto: © Clemensfranz eigenes Werk - CC BY-SA 3.0/wikimedia

Einbrecher mögen keine Sackgassen

Von Horst Zimmermann

Wann, wo und wie Einbrecher bevorzugt zuschlagen – Polizei gewinnt zunehmend Erkenntnisse, die für „predictive policing“ wichtig sind.
Spätestens seitdem vor rund 40 Jahren die ersten Computer bei der Polizei Einzug hielten und sich damit die Möglichkeit zur Auswertung großer Datenmengen auftat, träumen Kriminalisten davon, dass sie eines Tages künftige Tatorte im Voraus bestimmen und Täter gleich am Tatort in Empfang nehmen können. Versuche mit „predictive policing“(vorausschauende Polizeiarbeit) laufen bereits in mehreren großen deutschen Polizeibehörden. Die Ergebnisse sind vorerst noch dürftig, weil es an gründlichem Datenmaterial mangelt.

Diese Lücke hat für den Wohnungseinbruchdiebstahl gerade die kriminalistisch-kriminologische Forschungsstelle des Düsseldorfer Landeskriminalamts zu einem bedeutenden Teil geschlossen. Auf 93 Seiten werden die Ergebnisse des europaweit umfangreichsten Forschungsprojekts zum Wohnungseinbruchdiebstahl zusammengeführt. Da bleiben etliche Vorurteile auf der Strecke.

So erwies es sich als Märchen, dass Einbrecher ihre Tatorte bevorzugt in der Nähe von Autobahnanschlüssen aussuchen. Man kann als Grund vermuten, dass ihnen klar ist, wie schnell die Polizei eine Autobahnstrecke so sperren kann, dass eine Flucht nicht mehr möglich ist. Wichtig ist den Tätern die Nähe einer stark frequentierten Bundes- oder Landstraße, auf der man notfalls eine Abzweigung nehmen kann. Klar hat die Studie ergeben, dass Einbrecher keine Sackgassen mögen(wo der Fluchtweg unter Umständen schnell blockiert werden kann).

Auch die Vorstellung, dass Einbruchsprofis sich durch keinerlei Sicherungen aufhalten lassen, ist falsch. Profis starten angesichts ordentlicher Sicherungen erst gar Passive Glass Break Detector
Foto: © Echoray eigenes Werk/Wikimedia/GFDL
keinen Versuch, weil sie den Zeitverlust scheuen. Ebenfalls falsch ist die gängige Vorstellung, dass Einbrecher die Tatorte sinnlos zerstören. Vandalismus kostet nämlich Zeit, und die hat ein Einbrecher nicht, der möglichst unentdeckt bleiben will.

Für die Studie wurden 6791 staatsanwaltschaftliche Akten ausgewertet. Danach sind die Wintermonate von November bis Januar die beliebteste „Arbeitszeit“ der Einbrecher, vermutlich weil die „dunkle Jahreszeit“ eine Entdeckung erschwert. Dagegen sind die Monate Mai bis August weniger beliebt, vermutlich weil viel Licht für Einbrecher nicht so günstig ist. Es gibt allerdings die Vermutung, dass auch die Herren Einbrecher im Sommer lieber im Garten sitzen und grillen.

Wenn die Polizei zu erwartende Tatorte vorbeugend kontrollieren will, muss sie die Beamten vorzugsweise im Winter und an Freitagen auf Streife schicken. Dagegen ist sonntags einbruchmäßig nicht viel los. Der Winter ist auch die bevorzugte Tatzeit der reisenden osteuropäischen Einbruchprofis. Ob Profis am Werk waren, erkennen erfahrene Fahnder oft schon am Zustand der Schubladen in einer heimgesuchten Wohnung. Nur Amateure fangen mit der obersten Schublade an, schließen diese wieder, um an die nächste Schublade gelangen zu können. Wenn alle Schubladen geschlossen sind und nur die unterste offensteht, waren mit großer Sicherheit Amateure am Werk. Profis fangen unten an und lassen auch die oberen Schubladen offenstehen. Profis sichern sich vielfach, indem sie gegen Einblick von außen die Gardinen schließen und einen Fluchtweg offenhalten.

Geöffnete Fenster erleichtern Einbrechern ihr kriminelles Tun 
Foto: © Karl 432-eigenes Werk / Wikimedia/ CC BY-SA 4.0
Besonders beliebt sind bei Einbrechern Erdgeschosswohnungen. Für einen Angriff auf eine Wohnung braucht es nach der Düsseldorfer Studie vor allem drei Voraussetzungen: Das Entdeckungsrisiko muss gering sein, die Aussicht auf fette Beute groß, und es muss sich die Möglichkeit für ein Eindringen ohne Komplikationen abzeichnen. 82 Prozent der Einbrecher dringen nach Aufhebeln von Fenstern oder Türen ein, fünf Prozent nutzen die Kippstellung von Fenstern, und nur sechs Prozent zertrümmern Scheiben. Erst in 0,2 Prozent der untersuchten Fälle konnten laut Studie die Tatorte als „gut gesichert“ angesehen werden.Schmuck ist die begehrteste Beute, an zweiter Stelle steht Bargeld. Nach den Berechnungen des LKA wird allein in NRW im Jahr Schmuck im Wert von 80 Millionen Euro erbeutet. An dieser Stelle merkt die Studie kritisch an, dass Täter Schmuck schnell durch Einschmelzen spurlos verschwinden lassen können. An jeder Straßenecke gibt es einen Laden, der Gold aufkauft. Derzeit müssen die Händler nicht den Einlieferer von Gold – etwa durch Verlangen nach dem Personalausweis - identifizieren.

Eine auf den ersten Blick mysteriös anmutende Beobachtung: Manche Einbruchsopfer sind gewissermaßen „Stammkunden“. Lieblingsziele von Einbrechern werden immer wieder heimgesucht. Die Vermutung: es sind günstig gelegene Objekte mit Aussicht auf hohe Beute. Es gibt sogar Straßenabschnitte, die immer wieder Ziel von Einbrechern sind. Das wäre z.B. ein Ansatzpunkt für „predictive Policing“.

In einem Punkt zeigt sich die Studie illusionslos. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Strafrechts sind offenbar nur gering. Nur jeder sechste Wohnungseinbruch wird aufgeklärt, und davon wird nur jeder sechste ermittelte Tatverdächtige verurteilt, in jedem zweiten Fall zu einer Bewährungsstrafe. Jeder dritte ermittelte Einbrecher ist noch Schüler.



 

Über den Autor
Horst Zimmermann
Horst Zimmermann
Horst Zimmermann, schon während des Studiums (Jura und Politik) an der Uni Bonn Mitarbeit bei mehreren Tageszeitungen, dann Mitglied der Bundespressekonferenz (bis 2010), bis 1999 NRW-Korrespondent der WELT am Sonntag und freier Mitarbeiter von zeitweise bis zu 14 Tageszeitungen. Schwerpunkt: Innere Sicherheit und speziell Terrorismus. In den letzten Jahren Schwerpunkt Sicherheit auf Reisen.
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