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Schweizer Finanzminister Maurer verzichtet auf Personenschutz

Während die Sicherheitslage bei den Bundesräten in der Schweiz stabil ist, nehmen die Drohungen gegen Parlamentarier zu.

Von Christof Forster, Bern

Gegen Attacken wie zum Beispiel jene auf alt Bundesrat Blocher ist kein Politiker gefeit. Für risikoreiche Auftritte erhalten amtierende Bundesräte Polizeischutz. Auch Parlamentarier und Richter werden bei Bedarf beschützt.

Die privaten Sicherheitsleute, die neben alt Bundesrat Christoph Blocher standen, griffen sofort ein und konnten den Angreifer überwältigen. Der Mann trug offenbar ein Messer bei sich. Der Vorfall ereignete sich am 17. Sept. 2016 in Zürich nach einer Podiumsdiskussion über die EU. Es war nicht der erste Angriff auf Blocher. Vor vier Vor dem Hotel Marriott in der Zürcher Innenstadt ist am 17. 9. 2016 SVP-Doyen und Altbundesrat Christoph Blocher (Foto) mit Fäusten angegriffen worden. Der 81-jährige Täter trug ein Messer bei sich.
© Foto: Swiss Government, Wikimedia Commons | Lizenz: Attribution
Jahren wurde er nach einer Fernsehsendung mit einer Torte attackiert. Blocher sei während seiner Amtszeit einer der best geschützten Bundesräte gewesen, sagte der bernische Polizeikommandant Stefan Blättler vor einigen Monaten der «Schweiz am Sonntag». Die kantonalen Polizeikorps sind zuständig für den Schutz der Bundesräte. Die Aufträge erhalten sie vom Bundessicherheitsdienst im Fedpol, der die Bedrohungslage für die Magistraten laufend analysiert. Auch Bundesparlamentarier, Bundesrichter und besonders gefährdete Bundesbeamte können Schutz erhalten. Über Einzelheiten gibt das Fedpol keine Auskunft. In seltenen Fällen erhalten Bundesräte auch nach ihrem Rücktritt polizeilichen Schutz. Aufgrund einer erhöhten Bedrohung lief ein solches Programm in den ersten drei Monaten nach Blochers Ausscheiden aus der Regierung. Tätliche Angriffe aufamtierende oder ehemalige Bundesräte sind selten (wenn man davon ausgeht, dass solche Ereignisse meist auch publik werden). In der jüngeren Vergangenheit kam es zu einer Tortenattacke auf Micheline Calmy-Rey (2012), fliegenden Gummistiefeln von wütenden Bauern auf Doris Leuthard (2009) und einem Abbruch einer 1.-Mai-Rede von Moritz Leuenberger (2006) in Zürich aus Sicherheitsgründen,weil linke Chaoten den Auftritt massiv störten. Bereits etwas länger zurück (1984) liegt die Detonation einer Bombe beim Haus des damaligen Bundesrats Rudolf Friedrich. Verletzt wurde niemand. Nachfragen bei verschiedenen Departementen ergaben, dass Schweizer Finanzminister Ueli (Ulrich) Maurer
© Foto: Bundeskanzlei, Wikimedia Commons | Lizenz: Attribution
das Bild des sich in der Öffentlichkeit frei bewegenden Bundesrats noch weitgehend mit der Realität übereinstimmt. „Bundesrat Maurer verzichtet grundsätzlich auf Personenschutz“, sagt sein Sprecher Peter Minder. Dies sei nicht notwendig,weil die Schweiz ein derart sicheres Land sei. Auch andere Bundesräte sind in den Straßen von Bern oder im Zug ohne Bodyguards zu sehen. Aus einem anderen Departement heißt es,Bundesräte würden generell sehr höflich und respektvoll behandelt, auch an Gastspielen bei politischen Gegnern. Trotzdem gibt es immer wieder Auftritte, bei denen die Magistraten von Polizisten in Zivil oder Uniform begleitet werden. Der Bundessicherheitsdienst schätzt jeweils die Gefährdung ein. Dabei ist davon auszugehen, dass sich die Verantwortlichen auf der sicheren Seite bewegen und wohl eher zu viel als zu wenig Schutz anordnen. Nach der Wahl in den Bundesrat werden auch die Liegenschaften der Politiker einer Sicherheitsprüfung unterzogen. Und sie erhalten Anleitungen vom Bundessicherheitsdienst. Beispielsweise sollten Bundesräte unterwegs nicht stehen bleiben und sich nicht in Gespräche verwickeln lassen. Während die Bundesräte keiner erhöhten Bedrohung ausgesetzt sind, haben die Drohungen – per Mail, Brief oder Telefon – gegen Parlamentarier stark zugenommen. 2015 gingen beim Fedpol 1063 Meldungen ein (Vorjahr: 202). Indes stammen 500 Drohungen von einer einzigen Person. Einen weiteren Grund für die Zunahme sieht das Fedpol in der erhöhten Sensibilisierung der Politiker.
Anmerkung der Redaktion:
Der vorstehende Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor der Neuen Zürcher Zeitung vom 20. 9. 2016 entnommen.
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