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 Die malerische Gemeinde Burbach liegt im Siegerland zwischen den nordöstlichen Ausläufern des Westerwalds und den südöstlichen des Rothaargebirges. (Foto: Dbawwsnrw/Wikimedia Commons)

Sicherheitsdienste im Brennpunkt

Von Klaus-Henning Glitza

Es ist ein Bild, wie man es aus schlechten Filmen kennt: Ein Uniformierter setzt einem gefesselt auf dem Boden liegenden dunkelhäutigen Asylbewerber aus Algerien mit triumphierender Geste den rechten Fuß in den Nacken. Eine Szene, die sich nicht etwa in Guantanamo, einem der wohl unmenschlichsten aller Gefangenenlager, oder Abu Ghuraib, dem US- Foltergefängnis auf irakischem Boden, ereignete, sondern mitten in Deutschland.

 

Und schlimmer noch: Mutmaßliche Täter waren Wachleute, die eigentlich für Sicherheit und Ordnung sorgen sollten. Ein Bild, das Einer der Wachleute beschäftigt sich, wie auch immer, mit einem der Flüchtlinge.landauf, landab durch die Gazetten ging und dabei einmal mehr das Image der seriösen privaten Sicherheitsdienste beschädigte…

Schauplatz dieses üblen Vorfalls war eine Notaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge im nordrhein-westfälischen Kreis Siegen-Wittgenstein. Die Strafanzeige wurde am 26. September 2014 erstattet. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln nun gegen vier Sicherheitsmitarbeiter, aber auch gegen Personen aus dem administrativen Umfeld. Nach internen Angaben sind im Laufe der polizeilichen Ermittlungen weitere relevante Sachverhalte ans Licht gekommen. Vorfälle der beschriebenen Art sollen demnach keine Ausnahmen gewesen sein.

Die Beweislage ist eindeutig, denn die Tatverdächtigen drehen mit dem Handy ein Video, das über einen freuen Journalisten, dem es zugespielt wurde, in die Hände der Polizei geriet. Schockierende Sequenzen werden dabei offenbar. Während das Opfer in gebrochenem Deutsch wimmert „Warum mich schlagen?“, herrscht es ein Wachmann an: „Willst du noch eine haben? Soll ich dir in die Fresse treten, oder was?". Eine andere per Video dokumentierte Szene zeigt einen Asylbewerber, der gezwungen wird, in seinem eigenen Erbrochenen zu liegen. Ein anderer Wachmann befiehlt barsch: „Leg dich in deine Kotze und schlaf“.

Die von einem der Wachleute angefertigte Aufnahme, auf der die Misshandlung des nordafrikanischen Flüchtlings zu sehen ist.Einer dieser Wachmänner, ein Endvierziger, der früher als Kaufmann arbeitete, berichtet: „Es war ein rechtsfreier Raum“. Über die „Burbacher Flure“ patrouillierende Security-Angehörige nannten sich selbst „SS-Trupps“. Begrifflich ein starker Tobak. Einer der Securitys trägt ein Tattoo mit der Parole „Ruhm und Ehre“. Die in der Publikumspresse mehrfach genannte Tätowierung mit der Aufschrift „Hass“, das doppelte „S“ angeblich mit eindeutig assoziierbaren germanischen Runen geschrieben, hat der polizeiliche Staatsschutz dagegen nicht feststellen können. Dieses Tattoo war definitiv eine mediale „Ente“. Anzeichen für aktuelle rechtsextremistische Hintergründe sehen Polizei und Staatsanwaltschaft deshalb bislang nicht.

Die „Einrichtung Burbach“, wie die umgenutzte ehemalige Kaserne kurz genannt wird, war zum Ein Bilddokument, das einer der Wachleute anfertigte. Ein Flüchtling muss auf einer Matratze mit Erbrochenem liegen. Tatzeitpunkt ein einziges Problemfeld. Die für maximal 500 Personen projektierte Liegenschaft ist mit bis zu 750 Flüchtlingen heillos überbelegt. Dazu ein Klientel, das, teils durch Traumatisierung teils durch kriegsbedingte Verrohung, als  schwierig anzusprechen ist. Der Diebstahl grassiert in Burbach. Die Flüchtlinge können sich dagegen nur schützen, indem sie beim Verlassen ihrer Zimmer die Klinke abziehen. Die wenigen eingesetzten Wachleute – man spart auch in diesem Fall gerne an der Sicherheit – können die Augen unmöglich überall haben.

Alkoholmissbrauch ist trotz klarer Regeln an der Tagesordnung. Nach eigenen Aussagen werden die Securitys am laufenden Band beleidigt und bespuckt. Auch körperliche Angriffe und Attacken mit selbstgebastelten Waffen sollen vorgekommen sein. Alle paar Wochen kommt es zu Massenschlägereien der Flüchtlinge untereinander. Die Polizei muss bei solchen Lagebildern mit mehreren Streifenwagen und Diensthundeführern anrücken. Ein ungeliebter Großeinsatz. Burbach, eine Liegenschaft im permanenten Ausnahmezustand.

Auch die Hygiene lässt zu wünschen übrig. In den sanitären Anlagen werden zum Teil die üblichen Mindeststandards weit unterschritten Dabei darf aus Fairnessgründen der Hinweis nicht fehlen, dass Hygiene nicht zuletzt vom Nutzerverhalten abhängt und keine Schwerpunktaufgabe der Securitys ist.

Verhaltensauffällige Asylbewerber „therapieren“ die Securitys auf ihre Art. Sie benutzten laut Zeugenaussagen Handschellen, obwohl dies nicht erlaubt ist, Bis vor kurzem wurden randalierende oder betrunkene Flüchtlinge in ein „Problemzimmer“ gesperrt, ein mit Matratzen ausgestatteter Raum, in dem es keine Toilette gab. „Es roch furchtbar nach Urin“, so ein Insider. Es ist wenig wahrscheinlich, dass den örtlichen Mitarbeitern der Betreibergesellschaft diese Art der Sonderbehandlung entgangen ist. Heute ist dieses spezifische Sonderbehandlungszimmer zum Friseursalon umgebaut worden.

Die Einrichtung Burbach, ein Ort, der nur schwierig zu kontrollieren ist. Besonders dann, wenn auch noch die Personalstärke des Ein wenig anheimelnder Blick in die sanitären Anlagen der Notaufnahmeeinrichtung Burbach.Wach- und Sicherheitsdienstes dramatisch unterdimensioniert ist, wie das in dem nordrhein-westfälischen Ort im Siegerland der Fall war. Bis zum 1. August 2014 waren bei einer Belegungsrate von bis zu 800 Flüchtlingen lediglich vier Wachmänner eingesetzt worden. Ganz am Anfang waren es sogar nur zwei gewesen. Diese Anzahl wurde erst nach ständigen Mahnungen des eingesetzten Wachdienstes auf sechs erhöht.

Die zuständige Sicherheitsfirma SKI führt dazu auf ihrer Homepage aus: „Im Zeitraum der vielen Verlängerungen der Unterbringung Januar bis Ende Juli 2014 wurden für teilweise sogar über 800 Flüchtlinge (im Schnitt etwa 600 Flüchtlinge) lediglich vier Mitarbeiter von uns angefordert, obwohl wir immer wieder und nachdrücklich auf die erhebliche Unterbesetzung hingewiesen haben. Erst ab dem 01.08.2014 wurden dort sechs Sicherheits-Mitarbeiter eingesetzt. Die Wachmänner haben dabei ohne Verstärkung auch in Phasen extremer Auslastung zeitweise drei Quarantänestationen gleichzeitig neben den sonstigen Aufgaben (Empfang/Pforte, Küche/Essensausgabe, Kleiderausgabe, Taschengeldausgabe/Verwaltung, Rundgänge, Impfungen, tägliche Einsätze etc.) absichern müssen“. Doch sechs Wachleute, das sei immer noch viel zu wenig gewesen, sagt einer der Securitys.

Im deutschen Westen ist das nichts Neues: Das zuständige Innenministerium ist nach Informationen von Veko-online über die Lage vor Ort genauestens informiert. Öffentlichkeitswirksam wurde aber erst gehandelt, nachdem die Zustände durch die Medien gingen.

Als Wachdienst war vom Betreiber des Notaufnahmelagers European Homecare die Firma SKI Wach- und Sicherheitsgesellschaft mbh aus Nürnberg verpflichtet worden. Die Abkürzung soll für „Sicher, kompetent, intelligent“ stehen. Der Name SKI ist auch in einem anderen Zusammenhang bekannt geworden. Unter der Firmierung SKI Security-Guards AG existierte in früheren Jahren eine Firma,  hinter der maßgeblich „Deutschlands bekanntester Personenschützer“, der Boxer-affine  Peter Althoff stand. Dieses Unternehmen wurde im Jahr 2007 endgültig abgewickelt.  Bereits  am 23. November 2006 wurde, augenscheinlich  als Nachfolgegesellschaft,   die SKI GmbH in das Handelsregister eingetragen.. Die damalige Adresse und die Geschäftsführung blieben gleich,

Die SKI GmbH übte den Wachdienst in Burbach aber gar nicht selbst aus, sondern „versubte“ den Auftrag, wie es so schön heißt. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW), Dr. Harald Olschok, erläutert gegenüber Veko-online diese Begrifflichkeit. Beispiel: Ein Unternehmen gewinnt eine Ausschreibung als billigster Anbieter, kommt dann aber mit seinem eigenen Preisgefüge nicht zurecht und reicht den Auftrag an einen Subunternehmer weiter, der besser mit dem „Discountangebot“ leben kann. Dass dabei im Regelfall Abstriche an der Qualität gemacht werden (müssen), liegt auf der Hand.

So wird es wohl auch bei der SKI GmbH gewesen sein. Verantwortliche des Unternehmens wollten sich auf Anfrage nicht zu dem Sachverhalt äußern. Firmenangehöriger N. gibt keine Presseauskünfte und verweist auf seine in unübersehbaren Juristendeutsch verfassten Pressemeldungen, die auf der Homepage stehen.

In diesem Kontext tut sich ein weiterer, nicht minder schwerer Skandal auf. Subunternehmer war die Firma SFS Security aus Nistertal im schönen Westerwald. Formal wird das Unternehmen von Denise W. geleitet, in Stellenanzeigen taucht aber schon einmal der Vermerk auf, Bewerber mögen sich an einen Herrn mit identischen Nachnamen wenden. Dieser Herr mit dem Vornamen Oliver war bis vor Kurzem als Polizeioberkommissar im Polizeivollzugsdienst des Landes Rheinland-Pfalz tätig. Seine Dienststelle, das Polizeipräsidium Koblenz, hat nach internen Angaben konkrete Anhaltspunkte dafür gefunden, dass nicht Ehefrau Denise, sondern der Polizeioberkommissar persönlich das Securityunternehmen leitete. Eine unerlaubte Nebentätigkeit, die dem Beamten des gehobenen Dienstes die Suspendierung einbrachte; er musste Waffe und Dienstausweis abgeben.

Dass ausgerechnet ein Ordnungshüter in einem sensiblen Aufgabenfeld sich über die Mindestanforderungen an Security-Mitarbeiter hinwegsetzte, ist schwer zu glauben. Dennoch scheint es die Wahrheit zu sein. Eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit gesetzlichen Anforderungen wird bereits in einer öffentlichen Stellenanzeige deutlich. Die SFS Security listet als gewünschte Eigenschaften unter anderem „ Spaß an der Arbeit mit und um Menschen“ und Motivation und Teamfähigkeit auf, hebt aber auch hervor, dass ein Führungszeugnis erst bei Einstellung vorgelegt werden müsse.

Auf welcher Ebene dann schließlich augenscheinlich auf die Vorlage des Führungszeugnisses verzichtet wurde, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Faktum ist hingegen, dass zwei der Tatverdächtigen eine strafrechtlich relevante Vorgeschichte haben. Der 30-jährige Markus H., ein ehemaliger Sonderschüler mit kahlgeschorenem Schädel, hat ein alles andere als blütenweißes Führungszeugnis. Er ist wegen Eigentumsdelikten vorbestraft, gegen ihn lief außerdem ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs. Bei einem anderen der mutmaßlichen Haupttäter finden sich in den polizeilichen Datenbanken wenig charmante Warnhinweise wie „Bewaffnet“, „Gewalttätig“ und „BTM-Konsument“. Nach einem Führungszeugnis sei er nie gefragt worden, sagt einer der Tatverdächtigen.

Doch ob die Taten allein von den insgesamt vier verdächtigen Securitys ausgingen, ist zum jetzigen Zeitpunkt keinesfalls sicher. Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile auch die Zentrale der Betreiberfirma European Homecare, die Außenstelle in Burbach und die Privatwohnung des Geschäftsführung durchsucht und dabei nach Zeugenaussage zumindest eine große Kiste an Material mitgenommen. Das Unternehmen European Homepage betont in einer Pressemittelung, es begrüße die Durchsuchung und habe das Material selbst und freiwillig zur Verfügung gestellt. Auslöser der justiziellen Maßnahme waren Aussagen von Securitys, ihre drakonischen Maßnahmen gegen Flüchtlinge seien von Repräsentanten des Betreiberunternehmens ausdrücklich angeordnet worden. Ob das die Wahrheit ist oder eher als Versuch zu werten ist, die Schuld anderen in die Schuhe zu schieben, wird erst das weitere Verfahren ergeben. Dann wird sich auch zeigen, ob ein „im Grunde gutmütiger, leicht beinflussbarer Mensch“, wie Insider Markus H. kennzeichnen, möglicherweise instrumentalisiert worden ist.

Der Fall Burbach macht überdeutlich: Es darf nicht bei Erklärungen bleiben, es muss unverzüglich und vor allem kompetent gehandelt werden. „Es müssen unzweifelhaft gravierende Veränderungen im Schutz von Asylunterkünften vorgenommen werden“, lautet die Forderung von Dr. Harald Olschok. Der BDSW biete nach seinen Aussagen die Expertise seiner Mitgliedsunternehmen an, um an neuen Standards aktiv mitzuwirken. Denn genau das sei im vorliegenden Fall von Burbach  nachweislich nicht geschehen.

Als unverzichtbar bezeichnet der BDSW-Hauptgeschäftsführer die Qualitätskontrolle der eingesetzten Sicherheitsleute und deren regelmäßige Zuverlässigkeitsüberprüfung. Die Vorlage des Führungszeugnisses sei allein aber nicht ausreichend. Erinnern wir uns daran, dass es während der Euro-Einführung den Fall eines jungen Türken gegeben hat, der nach Jugendstrafrecht einschlägig bestraft worden war, aber aus Resozialisierungsgründen keine Eintragungen im Bundeszentralregister aufwies.

Weitere Forderungen hat der BDSW in einem 12-Punkte-Programm manifestiert. Einer der Kernpunkte ist, dass im Vergabeverfahren nicht nur der Preis als Kriterium gewertet wird, sondern nicht zuletzt auch Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit. Dr. Olschok: „Hier sollte eine klare Gewichtung von Qualität 70 Prozent zu Preis 30 Prozent entstehen.“ Das Bestbieterprinzip (nicht das billigste, sondern das beste und zugleich wirtschaftlichste Angebot) biete hierfür eine sehr gute Grundlage.

In Sachen Burbach müssen sich viele Beteiligte und nicht nur die beschuldigten Securitys an die eigene Nase fassen. Ein Grund, Lehren aus einem Fall zu ziehen, der nicht nur der seriösen Branche, sondern auch Deutschlands Ansehen in der Welt enorm geschadet hat. Ein Skandal wie der von Burbach darf sich nicht wiederholen. Das erfordert ein umfassendes Umdenken, eine Abkehr von einer ausschließlich preisorientierten Vergabepraxis in allen Bereichen und ein tabufreies, zweckbestimmtes Zusammenrücken von Staat, Behörden und der Sicherheitswirtschaft. Das sollte die Lehre von Burbach sein.


Anmerkung der Redaktion: Interessant zu diesem Vorfall ist ein 12-Punkteprogramm des BDSW.

 

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