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Privatfahndung auf Facebook unzulässig

Von Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamtes für DatenschutzAufsicht

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) hat dem Inhaber eines Juweliergeschäftes, das von zwei Räubern überfallen wurde, empfohlen, Videoaufnahmen von dem Überfall, die er auf seinen Facebook-Account gestellt hatte, wieder herunter zu nehmen. Der Juwelier ist dieser Empfehlung unverzüglich nachgekommen. Von Politikern und Medien wurde diese Empfehlung mit Kritik und absolutem Unverständnis aufgenommen.

 

Sachverhalt:

Im März 2014 haben zwei bisher unbekannte Räuber ein Juweliergeschäft überfallen. Der Überfall wurde von einer Überwachungskamera des Juweliers aufgezeichnet. Der Juwelier hat Teile des Films auf seinem Facebook-Account veröffentlicht. Ferner hat er die Videoaufnahmen der Polizei zur Verfügung gestellt, die nach Einholung einer entsprechenden richterlichen Genehmigung ebenfalls Teile der Videoüberwachung zu Fahndungszwecken auf ihrer eigenen Homepage veröffentlicht hat. Von einer Zeitungsjournalistin wurde das BayLDA auf die Veröffentlichung auf Facebook hingewiesen und gefragt, ob dies datenschutzrechtlich zulässig sei. Das BayLDA hat daraufhin die Angelegenheit überprüft und als Ergebnis dem Juwelier empfohlen, die Videoaufnahmen von seinem Facebook-Account zu entfernen und auf die Homepage des Polizeipräsidiums zu verlinken, auf der ebenfalls Aufnahmen vom Raubüberfall veröffentlicht waren. Der Juwelier ist dieser Empfehlung unverzüglich gefolgt.

 

Rechtliche Bewertung der Zulässigkeit der Veröffentlichung:

Die Veröffentlichung von Bildern und Filmen von Dritten im Internet und insbesondere in sozialen Netzwerken berührt die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen nachhaltig. Solche Veröffentlichungen sind alltäglicher Gegenstand von Beratungsanfragen, Eingaben und Beschwerden und ebenso der Öffentlichkeitsarbeit des BayLDA zur Förderung des Selbstdatenschutzes und der Vermittlung von Medienkompetenz. Ungeachtet der alltäglichen und weitverbreiteten Nutzung sozialer Netzwerke ist deren datenschutzrechtliche Beurteilung seit Jahren Gegenstand einer kritischen datenschutzaufsichtlichen Debatte und europaweit mehrerer Gerichtsverfahren. Gerade nach den Enthüllungen über die flächendeckende Ausspähung der globalen Internetkommunikation raten die deutschen Datenschutzbehörden einmütig, bei der Bereitstellung von Daten in Sozialen Netzwerken wegen zahlreicher ungeklärter Verarbeitungsprozesse der Dienstanbieter und offener Rechtsfragen Zurückhaltung zu üben und den erreichbaren Vorteilen die evidenten datenschutzrechtlichen Risiken gegenüberzustellen. Für den öffentlichen Bereich, also z.B. die Auftritte bayerischer Kommunen in Facebook hat der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Dr. Thomas Petri, deshalb seit längerem Handlungshinweise bereit gestellt, in deren Zentrum der Befund der Rechtswidrigkeit der Nutzung von Facebook durch öffentliche Stellen steht. Speziell für die Veröffentlichung von Abbildungen von Personen kommt hinzu, dass die aus der Zeit vor der Digitalisierung stammenden Anforderungen des Kunsturhebergesetzes zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte strenge Anforderungen stellen. Diese stehen oft im grundsätzlichen Widerspruch zu den Möglichkeiten Sozialer Netzwerke und moderner Kommunikationsinstrumente, die an die Stelle der informationellen Selbstbestimmung das Prinzip eines umfassenden und jederzeitigen Datenaustauschs zu stellen scheinen.

Vor diesem allgemeinen datenschutzrechtlichen Hintergrund stellt sich der hier vorliegende Fall als Grenzfall dar, für den das BayLDA im Dialog mit dem Juwelier eine auch den Interessen des Juweliers angemessene datenschutzrechtliche Lösung erreicht hat, ohne die Durchsetzung der berechtigten Interessen des Juweliers an einer effizienten Verfolgung der Täter zu behindern.

Unabhängig von der Frage einer Schutzwürdigkeit der von der Überwachungskamera erfassten Täter gibt das Kunsturhebergesetz die zentralen Maßstäbe vor, die die Veröffentlichung von Bildern zu Zwecken der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit regeln (§ 24 KunstUrhG). Diese Vorschrift bietet aber ausdrücklich nur eine Rechtsgrundlage für Behörden und nicht für Privatpersonen. Die Polizei hat hier in diesem Fall, jedenfalls soweit es die Veröffentlichung von Fahndungsbildern betrifft, alles getan, um ihrer Aufgabe als Strafverfolgungsbehörde gerecht zu werden. Sie hat mit der erforderlichen richterlichen Zustimmung die Bilder und Ausschnitte aus der Videoüberwachung des Juweliers nicht auf Facebook, sondern auf ihrer eigenen Homepage veröffentlicht. Damit kann die Polizei die Daten auch wieder zuverlässig löschen, wenn die Voraussetzungen für eine Veröffentlichung nicht mehr gegeben sind. Eine derartige zuverlässige Löschung gibt es jedenfalls auf Facebook nicht. Wenn Nutzer Bilder auf Facebook einstellen, übertragen sie damit nach den Geschäftsbedingungen von Facebook alle Rechte an der weiteren Nutzung dieser Bilder auf Facebook und haben es nicht mehr in der Hand, was damit geschieht. Aus diesem Grund veröffentlicht die bayerische Polizei auch keine Fahndungsbilder auf Facebook.

Schon die Tatsache, dass in diesem Fall, jedenfalls soweit es die Veröffentlichung von Fahndungsbildern betrifft, die Polizei alles getan hat, um ihrer Aufgabe als Strafverfolgungsbehörde gerecht zu werden, führte nach Auffassung des BayLDA dazu, dass schon deshalb ein Bedarf für eine selbständige private Fahndung nicht mehr bestand und mit der Verlinkung zwischen privatem Facebookauftritt und der Internetveröffentlichung der Polizei ein datenschutzrechtlich angemessener Weg zur Verwirklichung privater Rechtsverfolgungsinteressen genutzt werden konnte.

Um öffentliche Fahndungsmaßnahmen durch Behörden bzw. die Polizei handelt es sich z.B. bei der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“. Hier werden die Bildnisse dem Sender durch die Ermittlungsbehörden, welche um Mithilfe bitten, ebenfalls nur mit richterlicher Zustimmung zur Verfügung gestellt.

Da allgemein bekannt ist, dass Einladungen oder Aufrufe auf Facebook eine Eigendynamik entwickeln können, die nur sehr schwer unter Kontrolle zu halten ist, hat das BayLDA auch in Kenntnis entsprechend eskalierter Privatfahndungen dem Juwelier empfohlen, die Bilder zu löschen, auch wenn in seinem Fall nicht nur bloße Tatverdächtige, sondern klare Tatverantwortlichkeiten zu erkennen sind. Bei einer Veröffentlichung von Bildnissen im Internet und insbesondere in sozialen Netzwerken besteht stets durch die Möglichkeit einer schnellen Verbreitung die Gefahr einer „Hetzjagd“. So wurde in der Vergangenheit in Fällen, in denen Fahndungsbilder direkt in Facebook eingestellt wurden, auf Facebook zur Lynchjustiz aufgerufen. Dies hatte zu einer Eskalation geführt, die durch die Sicherheitsbehörden nur mit großem Einsatz zu bewältigen waren. Erst im Jahr 2012 wurden in Niedersachsen während eines Verhörs eines der Tötung eines 11-jährigen Mädchens (Fall „Lena“) verdächtigen Jugendlichen Aufrufe wie „Aufstand! Alle zu den Bullen. Da stürmen wir. Lass uns das Schwein tothauen.“, gepostet.

Die 87. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder (Datenschutzkonferenz - DSK) hat sich in ihrer letzten Sitzung am 27. und 28. März 2014 in Hamburg mit dem Thema: „Öffentlichkeitsfahndung der Strafverfolgungsbehörden mit Hilfe sozialer Netzwerke“ befasst.Die DSK hat in ihrer Entschließung vom 27. März 2014 darauf hingewiesen, dass eine Nutzung sozialer Netzwerke privater Betreiber (wie z.B. Facebook gehört) zur Öffentlichkeitsfahndung aus datenschutzrechtlicher Sicht sehr problematisch sei. Durch die weltweit recherchierbare Veröffentlichung von Fahndungsdaten werde in weitaus schwerwiegenderer Weise in die Grundrechte Betroffener (Tatverdächtiger oder auch Zeugen) eingegriffen, als dies bei der Nutzung klassischer Medien der Fall ist. Auch seien im Internet veröffentlichte Daten einer Fahndungsausschreibung nur sehr schwer bzw. gar nicht mehr zu löschen. Die Konferenz wies ferner darauf hin, dass Öffentlichkeitsfahndung nur auf Diensten von Anbietern erfolgen dürfe, die die datenschutzrechtlichen Vorschriften beachten. Da sich Facebook an die in Deutschland geltende Rechtslage nicht hält, scheidet nach Auffassung der Datenschutzkonferenz schon deshalb selbst für Strafverfolgungsbehörden eine Nutzung von Fa­cebook zur kontrollierten Öffentlichkeitsfahndung aus. Dies gilt erst recht für eine unkontrollierte Öffentlichkeitsfahndung durch Private. Unausgesprochen ging die Datenschutzkonferenz dabei davon aus, dass eine „Privatfahndung“ auf Facebook datenschutzrechtlich erst recht ausgeschlossen ist.

Zusammenfassend ist festhalten, dass in diesem (Grenz-)Fall von der gesetzlichen Wertung ausgegangen wurde, dass es Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden ist, Täter zu ermitteln, und sie für diesen Zweck sich bei der Veröffentlichung von Fahndungsbildern auf eine Rechtsgrundlage berufen können. In einem Rechtsstaat ist es nicht Aufgabe privater und auch nicht der Opfer von Straftaten, Strafverfolgung und Regress in eigener Regie zu betreiben. Gerade bei der privaten Veröffentlichung von Bildern auf Facebook stellt sich damit auch die Frage, warum einer Privatperson etwas erlaubt sein soll, von dem die bayerische Polizei aus guten Gründen Abstand nimmt. Das BayLDA bemüht sich bei der Erfüllung ihrer Aufgabe als Datenschutzaufsichtsbehörde intensiv darum, den Menschen bewusst zu machen, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist und dass es für die Veröffentlichung von Bildern von Dritten rechtliche Rahmenbedingungen gibt, die einzuhalten sind. Soweit die Empfehlung des BayLDA an den Juwelier, die Bilder auf seiner Facebookseite zu löschen, in einzelnen Medien mit dem immer wieder unzutreffenden Schlagwort „Datenschutz ist Täterschutz“ in Verbindung gebracht wurde, wurde dabei verkannt, dass die Strafverfolgungsbehörden mit Unterstützung des von dem Juwelier zur Verfügung gestellten Materials alles unternommen haben, um die Täter zu ermitteln.

Aufgrund des Unverständnisses bei Teilen der Politik und der Medien für diese Auffassung der Datenschutzaufsichtsbehörde hat das BayLDA ergänzend klargestellt, dass es aufgrund der Einordnung dieses Falles als eines Grenzfalles nicht daran gedacht hatte, den Juwelier mit Bescheid die Veröffentlichung zu untersagen bzw. die kurzfristig erfolgte Veröffentlichung mit einem Bußgeld zu ahnden. Das BayLDA hat ferner darauf hingewiesen, dass auch die bayerische Polizei der Auffassung war, dass eine Veröffentlichung von Videoaufnahmen durch Opfer von Straftaten die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden gefährden kann. Durch Veröffentlichung des Tathergangs durch Private können in einem laufenden Ermittlungsverfahren Details preisgegeben werden, die der Polizei im weiteren Verlauf als wertvolles Beweismittel oder Indiz verloren gehen können (Täterwissen). Ferner könnte auch die Gefahr bestehen, dass Andere für spätere Straftaten konkrete Schlüsse ziehen, wie sie die zukünftige Aufklärung solcher Straftaten erschweren können. Schließlich könne eine derartige Veröffentlichung auch einen polizeilich unerwünschten Nachahmereffekt mit sich bringen. Die Veröffentlichung von Bildern oder Videosequenzen der Strafverfolgungsbehörden unterliegt deshalb den materiell-rechtlichen formalen Anforderungen der §§ 131b und 131c StPO.

Zusammenfassend darf abschließend festgehalten werden, dass aus Sicht des BayLDA die Veröffentlichung von Videoaufnahmen oder Bildern zu privaten Fahndungszwecken in aller Regel datenschutzrechtlich unzulässig – und nach Aussage der Polizei – aus ermittlungstaktischen Gründen kontraproduktiv ist.