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Hauptredakteur von Staatenlos.info und Ex-NPD-Mann Rüdiger Hoffmann mit Kollege Helmut Buschujew auf einer Reichsbürger-Demo in Berlin. Im Hintergrund sind russische Sankt-Georgs-Flaggen sowie u. a. die Fahne der sogenannten Volksrepublik Donezk zu sehen
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Bewaffnete Reichsbürger

Von Dr. Reinhard Scholzen

Im Oktober 2016 tötete ein sogenannter „Reichsbürger“ in Georgensgemünd einen Polizeibeamten und verletzte zwei seiner Kollegen schwer. Diese Tat markiert einen Wendepunkt in der Bewertung der Szene. Unter anderem ist es seither das erklärte Ziel, diesem Personenkreis waffenrechtliche Genehmigungen zu entziehen.

Der Mord von Georgensgemünd

Der „Reichsbürger“ Wolfgang P. besaß legal rund 30 Gewehre und Pistolen. Die für Waffen zuständige Stelle im Landratsamt von Roth zweifelte die Zuverlässigkeit des 49-Jährigen an, die eine Grundvoraussetzung für den legalen Waffenbesitz bildet. Daher rückten am frühen Morgen des 19. Oktober 2016 Beamte des Spezialeinsatzkommandos aus Nürnberg an, um eine Durchsuchung des Hauses zu ermöglichen. Dessen Besitzer erkannte die Polizisten und schoss insgesamt elf Mal mit einer Pistole durch die Tür. Dabei wurde ein Polizist tödlich getroffen und zwei seiner Kollegen verletzt. In der Verhandlung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth führte der Angeklagte aus, er habe den von ihm selbst auf seinem Anwesen ausgerufenen autonomen „Bundesstaat Bayern“ verteidigen wollen, der eine Untergruppe der „Reichsbürger“-Szene bildet. Er „betrachtete die Polizeibeamten als Repräsentanten eines ‚Scheinstaates Bundesrepublik Deutschland‘, die unberechtigt auf sein Staatsgebiet vorgedrungen waren und deswegen getötet werden dürften.“1 Der BGH verwarf die Revision des Angeklagten im Januar 2019 als unbegründet. Die Karlsruher Richter stellten fest, das Landgericht „habe die Tat des Angeklagten … rechtsfehlerfrei als Mord aus niedrigen Beweggründen gewertet und die dafür im Strafgesetzbuch angedrohte lebenslange Freiheitsstrafe verhängt“.2

Reichsbürger Geschichte

Seit der Tat von Georgensgemünd wird die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ vom Verfassungsschutz beobachtet und im jährlich aktualisierten Verfassungsschutzbericht aufgeführt. Dort kann jedermann nachlesen, dass die Anfänge der „Reichsbürger“-Gruppierungen in Berlin liegen, wo im Jahr 1985 eine „Kommissarische Reichsregierung“ gegründet wurde. Deren Wurzeln wiederum reichen zum Teil in rechtsextremistische Gruppierungen, deren Ziel die Wiederherstellung des „Deutschen Reiches“ ist.

Manche Reichsbürger lehnen sich an einen Aspekt der Ideologie der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) an. Deren „Nationaldemokratischer Hochschulbund“ (NHB) hatte im Jahr 1991 eine Strategie von „befreiten Zonen“ publiziert. In einem Seminarplan der „Deutschen Akademie“, die vom NHB mit geleitet wurde, heißt es dazu: „Wenn die totalitäre BRD-Gesellschaft nationale Bürger politisch verfolgt und sozial ausgrenzt, müssen sich diese ihre eigenen Schutzräume schaffen – mangels Masse punktuell nur in einzelnen Städten und Gemeinden, wo sie nach ihrer Facon seelig (sic) werden können (Friedrich II.) und den deutschen Leviathan erwarten – das Reich –, der allen Reichsbürgern in der Volksgemeinschaft Schutz zukommen läßt. Ganz Deutschland wird dann politisch, wirtschaftlich und kulturell ‚befreite Zone' sein.“3 Kerngedanke der Reichsbürger ist die Behauptung, „dass erstens das Deutsche Reich in den Grenzen von 1871 beziehungsweise der 1930er Jahre weiterhin existieren und dass zweitens der Bundesrepublik Deutschland die rechtliche Legitimation fehle.“4 Hingegen agitieren „Selbstverwalter“ nicht gegen eine staatliche Autorität: „Sie berufen sich auf ein selbst definiertes Naturrecht. Wonach sie als Individuen eigene Hoheitsrechte besäßen.“5

Häufig verwendetes Zeichen der Reichsbürgerbewegung: die schwarz-weiß-rote Flagge des Deutschen Reichs. Die schwarz-rot-goldene Bundesflagge wird dagegen zumeist abgelehnt (siehe rechtsextreme Symbole und Zeichen)
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Reichsbürger in der Gegenwart

Blickt man auf die Reichsbürgerszene der Gegenwart, so ergibt sich ein äußerst heterogenes Bild. Das Bundesministerium des Innern geht davon aus, dass keine „einheitliche Bewegung existiert. Häufig konkurrieren die verschiedenen Szenen sogar untereinander. Allein vier verschiedene Gruppierungen der ‚Reichsbürger‘-Szene repräsentieren ihrem Selbstverständnis nach einen ‚Freistaat Preußen.“ Das verbindende Element all dieser Gruppierungen ist laut BMI „die fundamentale Ablehnung des Staates und der Rechtsordnung.“ Jedoch stellt das Innenministerium heraus: „Entgegen weit verbreiteter Annahmen ist nur ein geringer Teil der Szene dem Rechtsextremismus zuzuordnen.“6

„Reichsbürger“ nutzen intensiv das Internet und soziale Netzwerke, um ihre Propaganda zu verbreiten.7 Im Dezember 2016 postete ein Anonymus auf Facebook: „Merkel ist eine kriminelle und terroristische Massenmoerderin und muss entmachtet werden, bevor sie uns allen jegliche Zukunftsperspektive nimmt. … Dazu gibt es Millionen Mitlaeufer, welche ebenfalls aktiv bekaempft gehoeren.“8

Bei Worten blieb es nicht, wie das Beispiel aus Georgensgemünd zeigt oder ein ähnlich gelagerter Fall, der sich im gleichen Jahr in Reuden im Burgenlandkreis ereignete. Die Verfassungsschützer gehen aktuell von deutschlandweit rund 20.000 „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ aus, von denen etwa drei Viertel männlich mit einer deutlichen Konzentration in der Altersgruppe der 40- bis 60-Jährigen sind. Nur etwa 1000 von ihnen stuft das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als Rechtsextremisten ein. Bundesinnenminister Horst Seehofer stellte bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2020 heraus, dass auf das Konto dieser Szene 599 extremistische Straftaten gingen. Im Jahr zuvor waren es 589. Näher betrachtet, finden sich unter den von „Reichbürgern“ und „Selbstverwaltern“ begangenen Straftaten 148 Nötigungen, und 121 Gewalttaten. Unter Letztere fielen 78 Erpressungs- und 30 Widerstandsdelikte.

Mit Blick auf deren seit Jahren festgestellte Waffenaffinität stellte Seehofer heraus: „Man kann es nicht oft genug sagen: Wir dürfen seit Hanau und Halle beim Thema Waffenrecht nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“ Er konkretisierte: „…die Entwaffnung dieser Szeneangehörigen bleibt daher prioritär.“9 Zwar wurden seit dem Jahr 2016 „mindestens 880 Szeneangehörigen ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse entzogen.“ Dennoch besaßen Ende Dezember 2020 immer noch rund 550 „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ legal eine oder mehrere Schusswaffen.10

Wer darf in Deutschland legal Waffen besitzen?

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war der legale Waffenbesitz in Deutschland auf eine kleine Zahl von Jägern beschränkt. Sportschützen erhielten im Jahr 1951 wieder die Erlaubnis, ihr Hobby auszuüben, zunächst aber nur mit kleinkalibrigen Waffen.

Als Reaktion auf den Terror der Baader-Meinhof-Bande wurde das Waffengesetz im Jahr 1973 reformiert. Drei Jahre später wurde es noch einmal grundlegend geändert, „da einige Regelungen beim Vollzug des Gesetzes sowohl die Verwaltungsbehörden als auch die Bürger mehr als unbedingt erforderlich belasteten.“11 Sportschützen, deren Rechtstreue bereits in den vorangegangenen parlamentarischen Beratungen betont worden war, erhielten einen besonderen Status. Für sie wurde eine spezielle Waffenbesitzkarte eingeführt und ihnen der Nachweis des Bedürfnisses zum Erwerb von Schusswaffen erleichtert. Spezielle Erlaubnisscheine gab es auch für Waffen- und Munitionssammler und -Sachverständige. In der Folgezeit änderten die Volksvertreter das Waffengesetz, die Verordnungen und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift mehrfach, um Missstände im Bereich der Inneren Sicherheit zu beheben. Dabei ging man durchaus ins Detail. So wurden unter anderem Zwillen mit einer Handgelenksstütze verboten, weil damit bei gewalttätigen Demonstrationen Polizisten beschossen worden waren.

Nach dem Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium von 2002, bei dem ein Täter 17 Menschen tötete, wurde das Waffengesetz verschärft. Neben anderem wurde das Mindestalter für den Erwerb großkalibriger Schusswaffen auf 21 Jahre erhöht und bis zum Alter von 25 Jahren benötigt der zukünftige Waffenbesitzer ein positives amts-, fachärztliches oder fachpsychologisches Gutachten.

Eine weitere Änderung des Waffengesetzes erfolgte nach dem Amoklauf von Winnenden und Wendlingen.

Das Denkmal „Gebrochener Ring“ nahe der Hermann-Schwab-Halle in Winnenden.
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Im Mai 2009 beschloss der Deutsche Bundestag, dass jederzeit das waffenrechtliche Bedürfnis eines legalen Waffenbesitzers überprüft werden kann. Zudem kann die jeweils zuständigen Behörde seither verdachtsunabhängige Kontrollen bei legalen Waffenbesitzern durchführen.

Vor den legalen privaten Waffenbesitz baut der Gesetzgeber eine Batterie von Vorschriften auf. Eine Voraussetzung bildet die Zuverlässigkeit des Antragstellers. Diese besitzen zum Beispiel Personen nicht, die wegen eines Verbrechens verurteilt wurden. Zur Unzuverlässigkeit führt aber auch die Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Gleiches gilt für die Mitgliedschaft in einem verbotenen Verein oder einer verbotenen Partei. Darüber hinaus schreibt das Gesetz eine theoretische und praktische Prüfung der Sachkunde im Umgang mit Gewehr und Pistole vor. Eine weitere Hürde bildet der erforderliche Nachweis des Bedürfnisses, das mit den Rechtsnovellierungen konkretisiert wurde. Dieses nimmt der Gesetzgeber bei einem Sportschützen an, wenn er einer staatlich anerkannten Schützenvereinigung angehört, das regelmäßige Üben mit der Waffe belegt und eine Leistungsnorm erfüllt. Auch bei einem Jäger wird das Bedürfnis, Waffen zu besitzen, anerkannt.

Eine Sonderstellung unter den waffenrechtlichen Erlaubnissen nimmt der Waffenschein ein, wobei grundsätzlich zwei Formen unterschieden werden müssen. Der sogenannte „Kleine Waffenschein“ erlaubt das Mitführen einer Waffe, aus der Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalmunition verschossen werden kann. Durch deren Bauart ist sichergestellt, dass daraus keine scharfe Munition verschossen werden kann. Als Voraussetzung für den Erwerb dieser relativ ungefährlichen Waffen muss deren Besitzer das 18. Lebensjahr vollendet haben, zuverlässig und geeignet zum Führen dieser Waffe sein. Gegenwärtig besitzen etwas mehr als 700.000 Deutsche diesen „Kleinen Waffenschein“.

Nur vom Begriff her ähnlich ist der „Waffenschein“. Dieser berechtigt seinen Inhaber, eine scharfe Waffe – aus der Projektile verfeuert werden – auch außerhalb der Wohnung oder Geschäftsräume schussbereit zum Zweck der Selbstverteidigung mit sich zu führen. Diese Genehmigung wird jedoch in Deutschland nur sehr selten erteilt. Im Jahr 2017 besaßen sie 10.500 Personen, im Jahr 2013 waren es noch deutlich mehr, nämlich 18.587.

Seit dem Jahr 2013 werden die legal in Privatbesitz befindlichen Waffen und die dazu erforderlichen staatlichen Genehmigungen zentral im Nationalen Waffenregister (NWR) registriert. Ende 2017 waren dort etwas mehr als sechs Millionen Waffen auf 1,6 Millionen Waffenbesitzkarten erfasst. Unterteilt nach ihrem waffenrechtlichen Bedürfnis befanden sich darunter unter anderem 417.005 Jäger, 345.576 Sportschützen, 96.035 Erben, 15.447 Vereine, 7.089 Waffen- und Munitionssammler, 1.951 besonders gefährdete Personen und 1.242 Waffen- und Munitionssachverständige.

Bewaffnete Reichsbürger in Rheinland-Pfalz

Als den großen Hebel, Reichsbürgern waffenrechtliche Genehmigungen zu entziehen, stellt das Bundesinnenministerium auf die oben bereits angerissene Zuverlässigkeit ab: „Da diese Personen die Rechtsordnung ablehnen, sind sie in der Regel im waffenrechtlichen Sinne unzuverlässig.“12 Obwohl der Vollzug des Waffenrechts in der Zuständigkeit der Erlaubnisbehörden der Länder liegt, unterstützt der Bund diese, da bei „der Übermittlung von Informationen zum Zwecke des Entzugs der Waffenerlaubnis die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder eng mit den Erlaubnisbehörden zusammenarbeiten.“13

Unter den Innenministern der Länder und des Bundes besteht große Einigkeit in der Bewertung der Reichsbürgerszene. So stellte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz im Februar 2021 heraus: „Wir wissen, dass es innerhalb dieser Szene von Staatsverweigerern und Rechtsleugnern ein großes Aggressionspotenzial und eine ausgeprägte Waffenaffinität gibt.“ Er kündigte an, „alle rechtlich möglichen Mittel auszuschöpfen, um etwaigen Gefahren entschieden und rechtzeitig zu begegnen. … Mit besonderem Nachdruck werden daher der Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse und der Einzug von Waffen fortgesetzt.“14

Der CDU-Landtagsabgeordnete Gordon Schnieder hatte die Mainzer Landesregierung bereits ein Jahr zuvor gefragt, ob die damals rund 550 in Rheinland-Pfalz lebenden Reichsbürger über waffenrechtliche Erlaubnisse verfügten und sie somit Waffen besitzen durften.15 Innenminister Lewentz hatte geantwortet, zum 31. März 2020 seien landesweit 62 solche Fälle erfasst. 23 von ihnen besaßen einen „Kleinen Waffenschein“, der zum Führen von Schreckschusswaffen berechtigt. Die 39 an diesen Personenkreis ausgegebenen Waffenbesitzkarten erlauben ihren Inhabern hingegen den Besitz „scharfer Waffen“. In 52 Fällen waren 29 waffenrechtliche Erlaubnisse widerrufen und die Gewehre und Pistolen eingezogen worden. In weiteren 23 Fällen erfolgte deren Abgabe freiwillig. Für überregionales Aufsehen sorgte der Entzug der Handelserlaubnisse und 800 erlaubnispflichtiger Waffen bei zwei Händlern aus der Nähe von Trier.16

In besonderem Maße besorgniserregend war ebenso, dass sich unter den „Reichsbürgern“ auch Polizeibeamte befanden. Der Minister beschrieb, der Landesregierung seien drei Polizisten bekannt, die im Verdacht standen, der Reichsbürgerbewegung anzugehören. Ein Beamter sei mittlerweile pensioniert worden, gegen einen Polizeikommissaranwärter werde ein Entlassungsverfahren betrieben. Bei einem weiteren Verdächtigen hätten die Ermittlungen zwar keine weiteren Anhaltspunkte für die Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung erbracht, aber er sei dennoch in einen nicht sicherheitskritischen Bereich im Innendienst versetzt worden

Bundesinnenminister Seehofer stellte bei der Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichtes im Juni 2021 heraus, die Zahl der gewaltbereiten Extremisten sei im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Unter anderem führte er aus, von sogenannten Reichsbürgern seien seit dem Jahr 2016 rund 900 waffenrechtliche Erlaubnisse eingezogen worden.17

In Rheinland-Pfalz ist die Zahl der Reichsbürger im vergangenen Jahr um 50 Personen auf insgesamt 700 angestiegen. Um Gewissheit über die momentane Lage zu erlangen, stellte der Landtagsabgeordnete Schnieder, der auch Mitglied im Mainzer Innenausschuss ist, im Rahmen einer Kleinen Anfrage drei Fragen:

Wurden die Überprüfungen dieser sogenannten Reichsbürger, die im Besitz waffenrechtlicher Erlaubnisse sind, mittlerweile abgeschlossen? Mit welchem Ergebnis?

Sind der Landesregierung seither neue Fälle von waffenbesitzenden Reichsbürgern bekannt geworden und wie wurde in diesen Fällen verfahren?

Wurde in Rheinland-Pfalz eine systematische Überprüfung der Personen, die im Besitz einer Waffenhandels-Lizenz sind, auf einen eventuellen Reichsbürger-Hintergrund vorgenommen?18

Das Innenministerium antwortete, bis zum 30. Juni 2021 seien in Rheinland-Pfalz in insgesamt 78 Fällen sogenannte Reichsbürger überprüft worden, die im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis waren. Daraufhin seien in 57 Fällen Gewehre und Pistolen und die dazugehörende Munition eingezogen worden. In zwei dieser Verfahren ergab sich ein anderes Ergebnis. Da sich „die Erlaubnisinhaber gegenüber den Waffenbehörden bzw. im Rahmen mündlicher Verhandlungen vor einem Verwaltungsgericht glaubhaft vom entsprechenden Gedankengut distanzierten“, wurden diese Widerrufsverfahren eingestellt.19 Seit April 2020 wurden „16 weitere Fälle von Reichsbürgern bekannt, die über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügen“, antwortete das Ministerium. In vier dieser Fälle wurden die Erlaubnisse zurückgegeben beziehungsweise eingezogen. Es laufen noch zwei Widerspruchsverfahren und die restlichen zehn Fälle werden derzeit noch überprüft. Wer mit Waffen oder Munition handelt, benötigt dazu eine Handelserlaubnis, stellt das Ministerium heraus. Auch dafür ist die Zuverlässigkeit eine Grundvoraussetzung. Seit der Novellierung des Waffengesetzes vom Februar 2020 ist die Erlaubnisbehörde verpflichtet, Auskünfte aus dem Bundeszentralregister, dem staatsanwaltlichen Verfahrensregister, von der zuständigen Polizei und der Verfassungsschutzbehörde einzuholen. Dies beinhaltet auch eine Abfrage im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) des Verfassungsschutzes. Dies bedeutet: „Sofern eine im Rahmen dieses Verfahrens übermittelte Person im NADIS erfasst ist, werden von der Verfassungsschutzbehörde alle offenen und gerichtsverwertbaren personenbezogenen Erkenntnisse an die für die waffenrechtliche Zuverlässigkeitsprüfung zuständige Behörde übermittelt.“20

Bereits im Jahr 2019 warnten die Verfassungsschützer, „Reichsbürger“ könnten sich nach dem Entzug ihrer legalen Waffen illegal Pistolen, Gewehre und Munition beschaffen. Im Mai 2019 wurde in Appenheim in Rheinland-Pfalz ein umfangreiches Waffenarsenal sichergestellt.21

Der Landtagsabgeordnete Schnieder fordert auf seiner Internetseite: „Reichsbürger lehnen unseren Rechtsstaat ab und bekämpfen ihn. Daher ist deren Zuverlässigkeit nicht gegeben. Diese ist nach dem Waffengesetz aber eine Grundvoraussetzung für waffenrechtliche Erlaubnisse. Darüber hinaus muss auch verhindert werden, dass sich die Reichsbürger-Szene illegal Waffen beschafft.“22

 

Quellen:

1 Zitiert nach www.beck.de „BGH bestätigt lebenslange Freiheitsstrafe für ‚Reichsbürger‘ von Georgensgemünd wegen Mordes an Polizisten“.
2 Ebenda.
3 Verfassungsschutzbericht 2001, S. 72.
4 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2020. S. 118.
5 A. a. O., S. 119.
6 Siehe unter: www.bund.de das „Top Thema: Reichsbürger und Selbstverwalter“.
7 Siehe dazu: Reinhard Scholzen: Rechtsextremismus und Internet. In: Deutsches Polizeiblatt für die Aus- und Fortbildung 5/2007, S. 22-23.
8 Verfassungsschutzbericht 2016, S. 91.
9 Siehe unter www.bund.de Pressemitteilung vom 15. Juni 2021.
10 Siehe dazu unter: www.verfassungsschutz.de den Artikel „Reichsbürger und Selbstverwalter“.
11 Joachim Steindorf: Waffenrecht. 8. Aufl. München 2007, S. 8.
12 Siehe unter: www.bund.de hier das „Top Thema: Reichsbürger und Selbstverwalter“.
13 Ebenda.
14 Siehe unter: www.mdi.rlp.de Pressemitteilung vom 1. Februar 2021. Lewentz: Zulauf im „Reichsbürger“-Spektrum hält an.
15 Landtag Rheinland-Pfalz Drucksache 17/11762.
16 Siehe unter: www.mdi.rlp.de Pressemitteilung vom 1. Februar 2021. Lewentz: Zulauf im „Reichsbürger“-Spektrum hält an..
17 Pressemitteilung des BMI vom 15. Juni 2021: Verfassungsschutzbericht 2020. Seehofer: Nicht nur besondere Gesundheitslage, sondern auch besondere Sicherheitslage.
18 Landtag Rheinland-Pfalz Drucksache 18/396.
19 Landtag Rheinland-Pfalz Drucksache 18/682.
20  Ebenda.
21 Verfassungsschutzbericht 2019, S. 107.
22 Siehe unter: www.gordon-schnieder.de

 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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