Zwei Tatmesser des Sexualverbrechers Johann Eichhorn (Exponate im Polizeimuseum München).
© Polizeimuseum München

Die „Bestie von Aubing“

Von Werner Sabitzer

Johann Eichhorn, genannt die „Bestie von Aubing“, vergewaltigte in der Zwischenkriegszeit in München und Umgebung mehr als 90 Mädchen und Frauen. Mindestens fünf Frauen brachte er um.
Im Westen der bayrischen Hauptstadt München begann 1928 eine Serie brutaler Vergewaltigungen. Ein unbekannter Mann überfiel junge Frauen, bedrohte sie mit einer Pistole oder einem Messer, würgte und vergewaltigte sie oder versuchte es.
Drei Jahre später wurde das erste Opfer einer unheimlichen Frauenmordserie gefunden.

Die 16-jährige Katharina Schätzl aus Wolnzach lernte am 11. Oktober 1931 beim Oktoberfest in München einen Mann kennen. Einige Tage später trafen sich die beiden wieder und unternahmen eine Fahrradtour. Beim Kloster Schäftlarn in Oberbayern fiel der Unbekannte über das Mädchen her, erwürgte es und warf den leblosen Körper in die Isar. Die Leiche wurde bei Großhesselohe an Land gespült. Drei Jahre später, am 30. Mai 1934, wurde im Forstenrieder Park Anna Geltl tot aufgefunden. Die frisch verheiratete Frau war bei einer Fahrradtour vergewaltigt und erschossen worden. Der Täter hatte mit einem Messer ihren Unterleib verstümmelt. In der Nacht auf den 9. September 1934 wurde die 25-jährige Kontoristin Berta Sauerbeck in Milbertshofen ermordet. Ein Unbekannter hatte der Frau in den Hinterkopf geschossen, sie vergewaltigt und sein schwer verletztes Opfer in einer Grube verscharrt. 1937 wurde die 25-jährige Rosa Eigelein in der Nähe von Germering bei München erschossen. Der Täter verstümmelte mit einem Messer ihre Genitalien und ließ die Leiche auf einer Wiese neben der Straße liegen. In der Nähe eines Forsthauses bei München wurde am 29. September 1938 die Leiche der 21-jährigen Hausangestellten Maria Jörg gefunden.
Angesichts der aufsehenerregenden Kapitalverbrechen wurde bei der Münchner Polizei eine Sonderkommission eingerichtet. Den Ermittlern gelang es jahrelang nicht, den Serienmörder auszuforschen.

Das letzte Opfer

des Sexualverbrechers war ein zwölfjähriges Mädchen. Als er es am 29. Jänner 1939 vergewaltigen wollte, wurde er von Passanten erwischt und bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten. Es handelte sich um den 32-jährigen Johann Eichhorn aus dem Münchner Stadtteil Aubing. Eichhorn, geboren am 8. Oktober 1906 in Aubing, war der älteste Sohn eines kinderreichen Tagelöhnerpaares. Er absolvierte eine Lehre als Schlosser und arbeitete ab 1934 als Rangierer bei der Reichsbahn. Er war seit 1935 verheiratet und hatte zwei Söhne. Bei seinen Arbeitskollegen galt er als zuverlässig und bei den Nachbarn als fürsorglicher Vater. Tagsüber führte er ein unauffälliges Leben und in der Nacht suchte er nach Opfern.

„Wildes Tier.“

Bei den Einvernahmen gab Eichhorn an, wie ein „wildes Tier“ gewesen zu sein. Nach der 70. Vergewaltigung habe er „zum Zählen aufgehört“. Seine ersten Vergewaltigungsopfer waren seine beiden Schwestern. Ihm wurden Vergewaltigungen an 90 Frauen nachgewiesen. Er gab an, sexuell nur dann erregt worden zu sein, wenn er bei den Frauen Gewalt angewendet habe. Seine Ehefrau habe es toleriert, wenn er beim Sex mit ihr gewalttätig worden sei. Während der Vergewaltigungen würgte Eichhorn seine Opfer. Alle fünf ermordeten Frauen wiesen Würgespuren auf. Ein Vergewaltigungsopfer war vier Stunden lang bewusstlos und überlebte nur knapp. In der Gefängniszelle erzählte er einem Mithäftling, er habe fünf Frauen umgebracht und mindestens 70 vergewaltigt. Der Zellengenosse schilderte diese Geständnisse bei der Gerichtsverhandlung als Belastungszeuge.

Todesurteil

Der Prozess gegen Johann Eichhorn wegen fünffachen Mordes und 90 Vergewaltigungen begann am 29. November 1939 in München unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Den nationalsozialistischen Machthabern war der Fall peinlich, weil der Serientäter NSDAP-Mitglied war. Vor Prozessbeginn hatte Eichhorn seiner Familie einen Abschiedsbrief geschrieben und den Wunsch geäußert, seine inzwischen geschiedene Frau und die beiden Söhne nicht mehr sehen zu wollen. „Nachdem ich schweres Unrecht begangen habe, muss ich auch mit furchtbaren Folgen rechnen“, hieß es im Brief.

Im psychiatrischen Gutachten wurde der Angeklagte als „intellektuell nicht unterdurchschnittlich beanlagter“ Mensch geschildert. Es handle sich aber um einen „ethisch und moralisch tiefstehenden, haltlosen, willensschwachen, sexuell außergewöhnlich triebhaften Psychopathen“. Er sei aber zurechnungsfähig und für seine Gewalttaten voll verantwortlich. Eichhorn, genannt die „Bestie von Aubing“, widerrief sein Geständnis und behauptete, nur 37 Sittlichkeitsverbrechen begangen zu haben. In „triebhafter Erregung“ habe er von seinen Taten nichts mitbekommen. Dass er seinem Zellengenossen die fünf Morde gestanden habe, sei eine falsche Behauptung. Nach einem Gespräch mit dem Verteidiger gab Eichhorn die Frauenmorde im Gerichtssaal zu. Er habe sich vor den Angehörigen seiner Opfer im Gerichtssaal geschämt und deshalb die Morde abgestritten.

Hinrichtung mit dem Fallbeil

Johann Eichhorn wurde am 30. November 1939 vom Sondergericht wegen vierfachen Mordes zum Tod verurteilt. Die erste Bluttat wurde nicht als Mord bewertet, sondern als Sexualverbrechen mit Todesfolge. Am Tag nach der Urteilsverkündung wurde Eichhorn in der Justizanstalt München-Stadelheim mit dem Fallbeil hingerichtet. Seine Exfrau und die beiden Kinder ließen ihren Namen ändern und zogen aus Aubing weg.

 

Über den Autor
Werner Sabitzer
Werner Sabitzer
Werner Sabitzer, MSc, 63, war 30 Jahre lang Pressereferent im österreichischen Bundesministerium für Inneres (BMI) und Chefredakteur der Fachzeitschrift „Öffentliche Sicherheit“. Er ist seit 2018 Referent für Polizeigeschichte und Traditionspflege im BMI und leitet das Polizeimuseum Wien.
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