Die östliche Rampe des alten Duisburger Güterbahnhofes, auf welcher sich das Loveparade-Unglück im Juli 2010 ereignet hatte, zehn Tage nach dem Vorfall. Rechts sieht man die eigentliche gesperrte Treppe, über welche sich Massen aus dem Gedränge auf das Festivalgelände retten wollten; bei diesen Versuchen wurden viele Leute verletzt und 21 getötet. Am Sperrzaun, welcher den Zugang zur Rampe des noch komplett gesperrten Güterbahnhofes verhindert, sind viele Trauerplakate und Fahnen, die Länder repräsentieren, aus welchen Todesopfer stammen, befestigt. Unzählige Kränze, Blumen, Kerzen und sonstige Andenken wurden vor dem Zaun niedergelegt.
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Rechtliche und regulatorische Anforderungen für Sicherheitskonzepte

Von Prof. Marcel Kuhlmey, HWR Berlin

Einhergehend mit den Ereignissen im Zusammenhang mit Veranstaltungen in Paris, Hannover, Berlin und Manchester stellt sich immer mehr die Frage nach der Gewährleistung der Sicherheit. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass es nicht nur terroristische Gewaltakte sind, die das Leben und die Gesundheit der Besucher gefährden können. Die schrecklichen Geschehnisse anlässlich der Loveparade in Duisburg im Jahr 2010 haben zu einem grundsätzlichen Umdenken bei allen Akteuren geführt, die an der Planung, Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen beteiligt sind. Der Gesetzgeber hat jedoch bis heute nicht reagiert. Noch immer gibt es kein einheitliches und verlässliches Regelwerk, welches die Mindestanforderungen für Veranstaltungen jeglicher Art verbindlich festlegt. Oft sind es nur einzelne Normen, die zum Tragen kommen, so dass Regelungslücken entstehen. In aller Regel greifen die Behörden während des Genehmigungsverfahrens auf Orientierungsrahmen, Leitfäden oder Empfehlungen von Arbeitsgruppen zurück. Der nachfolgende Beitrag kann und soll nur die Problematik anreißen, die aufgrund Ihrer Komplexität in diesem Beitrag nicht abschließend dargestellt werden kann.

Rechtliche Grundlagen und regulatorische Anforderungen

Eine grundlegende Vorschrift für die Durchführung von Veranstaltungen oder die Erstellung von Sicherheitskonzepten ist nicht existent. Der Veranstalter unterliegt zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Sicherheitspflichten, die bei Missachtung zu strafrechtlichen Konsequenzen führen können1.

Die grundsätzliche Fragestellung nach der Rechtsgrundlage für die Genehmigung von Veranstaltungen ist nur bedingt zu beantworten. In aller Regel bedarf es keiner Genehmigung, wenn nicht die Rechte Dritter tangiert werden oder Gesetze dem entgegenstehen. Dies ist beispielsweise dann gegeben, wenn eine Veranstaltung auf öffentlichem Straßenland stattfindet. Dann bedarf es einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO oder einer Sondernutzungserlaubnis. Wird der Zuständigkeitsbereich anderer Behörden tangiert wie zum Beispiel der Bauaufsichtsbehörde, des Umweltschutzamtes, des Gewerbeamtes oder der Lebensmittelüberwachungsbehörde, so ist der Antragsteller verpflichtet diese selbst einzuholen. Sofern nicht die Zuständigkeiten der zuvor genannten Behörden betroffen sind und die Veranstaltung auf privatem Grund stattfindet, so ist nach der derzeitigen Gesetzeslage grundsätzlich keine Genehmigung erforderlich.

Insbesondere in Bezug auf Veranstaltungen und die Erstellung von Sicherheitskonzepten wird sehr häufig auf die Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättVO) verwiesen, die von vielen Bundesländern übernommen wurde. Der Betreiber und Veranstalter von baulichen Ablagen ist für die Umsetzung der Vorgaben verantwortlich. Allerdings muss die Veranstaltungsstätte auch in den Anwendungsbereich des § 1 MVStättVO2 fallen. Hierzu zählen Versammlungsräume, die mehr als 200 Personen fassen können, Veranstaltungsräume im Freien für mehr als 1.000 Besucher sowie Sportstadien für mehr als 5.000 Besucher. Um eine Veranstaltungsfläche im Freien handelt es sich erst dann, wenn diese eine bauliche Anlage darstellt. Dies ist dann gegeben, wenn der Veranstaltungsraum eingefriedet ist. Die Ermittlung der Besucherzahl erfolgt über einen Schlüssel. Dieser beträgt bei einer Bestuhlung eine Person pro m², bei allen anderen Veranstaltungen zwei Personen pro m² 3. Die MVStättVO lässt aber auch eine abweichende Regelung je nach Nutzung zu.

Ergänzend zu der MVStättVO haben einige Bundesländer Leitfäden oder Orientierungshilfen herausgegeben. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf den Orientierungsrahmen des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW für die kommunale Planung, Genehmigung, Durchführung und Nachbereitung von Großveranstaltungen im Freien4, die Handreichung für den Musteraufbau für Sicherheitskonzepte für öffentliche Veranstaltungen in Hannover5 sowie der Leitfaden der Stadt München zur Veranstaltungssicherheit6 zu nennen.

Über diese Leitfäden und Orientierungshilfen, die keine materiellen Anforderungen enthalten, bestehen weitergehende und vielfältige Regeln der Technik, die sich aus DIN- und EN-Normen sowie VdS-Richtlinien ergeben.

Mythos Sicherheitskonzept

Nach den eingangs geschilderten Ereignissen wird zunehmend die Forderung nach entsprechenden Sicherheitskonzepten erhoben. Allerdings ist die Rechtsgrundlage für diese grundsätzliche Forderung nicht deutlich. Es mangelt an einer gesetzlichen Norm, die das Erfordernis festschreibt und eine Aussage dazu trifft ab welcher Größe, zu welchen Anlässen und in welchem Umfang ein Sicherheitskonzept zu erstellen ist.

Das Sicherheitskonzept ist die Darstellung von Sicherheitsmaßnahmen, die sich aus der Risikoanalyse ergeben und sich an den Schutzzielen orientieren. Insofern ist das Sicherheitskonzept die Strukturierung der Vorgehensweise bei der Veranstaltungsplanung und -durchführung. Im Gegensatz zu sicherheitsbehördlichen Konzepten der Polizeien und der Feuerwehren ist aus der Perspektive des Veranstalters eine ganzheitliche Betrachtung erforderlich, die sowohl Safety- als auch Securityaspekte berücksichtigen muss. Eine Problemlage, die es im Zuge des Genehmigungsverfahrens aufzulösen gilt.

Mit dem Sicherheitskonzept wird eine Risikoanalyse erstellt. Hierzu bedarf es der Risikoidentifikation, der Risikobewertung, der Ermittlung der Eintrittswahrscheinlichkeit sowie der Schadensschwere. In diesem Zusammenhang stellt sich bereits die Frage, ob die Risikoanalyse qualitativer oder quantitativer Natur ist. Bei der letzteren Form mangelt es meist an einer vergleichbaren Datenbasis, die eine quantitative Risikoanalyse zulässt. Des Weiteren ist die Schadensschwere zu ermitteln und das Restrisiko abzubilden. Aus der Risikoanalyse werden die Schutzziele abgeleitet, die die Grundlage für die technischen, organisatorischen und personellen Maßnahmen darstellen.7 In der Praxis ergeben sich weitere Erfordernisse, die den Inhalt eines Sicherheitskonzeptes bestimmen. Dies sind insbesondere Kommunikations- und Alarmierungslisten, geographische Karten, Lautsprecherdurchsagen, Bildung von Schadensszenarien mit Handlungsempfehlungen et cetera.
103 Corporate Trust
Die einzige gesetzliche Regelung, die sich auf Sicherheitskonzepte bezieht ist § 43 MVStättVO8. In § 43 Abs. 1 und 2 MVStättVO heißt es: „Erfordert es die Art der Veranstaltung, hat der Betreiber ein Sicherheitskonzept aufzustellen und einen Ordnungsdienst einzurichten. Für Versammlungsstätten mit mehr als 5000 Besucherplätzen hat der Betreiber im Einvernehmen mit den für Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden, erforderlichenfalls unter beratender Zuziehung von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten, ein Sicherheitskonzept aufzustellen. Im Sicherheitskonzept sind die Mindestzahl der Kräfte des Ordnungsdienstes gestaffelt nach Besucherzahlen und Gefährdungsgraden sowie die betrieblichen Sicherheitsmaßnahmen und die allgemeinen und besonderen Sicherheitsdurchsagen festzulegen.“9 Zusammenfassend ist daraus abzuleiten, dass in der Regel nur für Veranstaltungen, die in den Anwendungsbereich der MVStättVO fallen und in Versammlungsstätten mit mehr als 5.000 Besucherplätzen ein Sicherheitskonzept zu erstellen ist. Darzustellen sind nur die Anzahl der eingesetzten Kräfte und die betrieblichen Sicherheitsmaßnahmen. Darüber hinaus bedarf es der Vorbereitung von Sicherheitsdurchsagen. Die Regelungen sind bei weitem nicht ausreichend, um einen sicheren Veranstaltungsablauf zu gewährleisten.

Anders regelt dies der Orientierungsrahmen des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW für die kommunale Planung, Genehmigung, Durchführung und Nachbereitung von Großveranstaltungen im Freien. Dieser stellt auf das zu erwartenden Gefahrenpotential, die Anzahl der erwarteten Besucher (mehr als 100.000 Personen) oder auf das Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und Besucherzahl ab. Veranstaltungen, die eines dieser Kriterien erfüllen gelten als Großveranstaltungen und führen zu dem Erfordernis ein Sicherheitskonzept zu erstellen. Die inhaltlichen Anforderungen sind auch hier wesentlich weiter als in § 43 MVStättVO.

Funktion und Inhalt des Sicherheitskonzeptes

Auch wenn Sicherheitskonzepte erst in den letzten Jahren vermehrt erstellt werden, so erfolgten auch in der Vergangenheit Absprachen und Konzepte der einzelnen Akteure. Allerdings waren diese nicht immer für alle Beteiligten zugänglich und aufeinander abgestimmt.

Heute verpflichten die Sicherheitskonzepte die einzelnen Beteiligten - einschließlich der Sicherheitsbehörden - zur Abstimmung. Die Anhörungs- und Genehmigungsbehörden werden rechtzeitig in den Planungsprozess einbezogen und können aus ihrer fachlichen Perspektive Einfluss auf die Veranstaltungsplanung und -durchführung nehmen. Dadurch entwickeln sie ein gemeinsames Verständnis über die Veranstaltungsdurchführung und deren Risiken. Die Dokumente des Sicherheitskonzeptes sollten die Grundlage für alle weiteren Unterlagen darstellen, so dass ein einheitlicher Informationspool besteht. Die Gefahr, dass beispielweise unterschiedliche Kommunikationslisten oder geographische Karten verwendet werden, wird reduziert.

Durch die nahezu gemeinsame Planung und Abstimmung lernen sich alle Akteure kennen, die auch meist bei der Veranstaltungsdurchführung Verantwortung tragen und anwesend sind. Das Sicherheitskonzept mit seiner Erstellungsphase ist daher auch als ein Mittel der Vertrauensbildung zu verstehen.

Erstellung des Sicherheitskonzeptes und das Genehmigungsverfahren

Bislang gibt es keine Anforderungen an die Qualifikation des Erstellers eines Sicherheitskonzeptes. Gleiches gilt für die am Genehmigungsverfahren beteiligten Behörden. In der Regel greifen alle Akteure auf ihre fachliche Expertise und ihr Erfahrungswissen zurück. Dies kann sich sehr unterschiedlich gestalten. Insbesondere in den Fällen, in denen die Behörden keine oder nur geringe Erfahrungen mit Veranstaltungen in der Vergangenheit sammeln konnten. Darüber hinaus bestehen bundeslandabhängig unterschiedliche Anforderungen.

Das Genehmigungsverfahren ist ebenfalls nicht gesetzlich geregelt, sondern ergibt sich aus dem allgemeinen Verwaltungsverfahren. Für den Veranstalter sind daher in der Regel die zu beteiligen Behörden nicht transparent, wenn auch sich diese aus der Eigenart der Veranstaltung ergeben. Dies sind grundsätzlich die Straßenverkehrsbehörde, die Polizei, die Feuerwehr, das Ordnungsamt und der Straßenbaulastträger.

In der Praxis werden Sicherheitskonzepte nur dann genehmigt, wenn ein Einvernehmen erzielt werden kann. Wie jedoch mit Bedenken einzelner Behörden umzugehen ist und wie diese auszuräumen sind, bleibt offen. Eine solche Regelung enthält beispielweise auch nicht der Orientierungsrahmen NRW.

Ferner existiert auch kein zeitlicher Rahmen für das Genehmigungsverfahren. Eine gesetzliche Frist für die Beantragung ist somit nicht gegeben.

Sicherheitskonzepte in der Praxis

Entsprechend den heutigen Erfordernissen an eine sichere Veranstaltung sind die Anforderungen an ein Sicherheitskonzept sehr hoch. Inhaltlich soll dieses die Veranstaltung und deren Ablauf beschreiben, um darauf aufbauend die Risikoanalyse zu erstellen. Hierzu bedarf es einer Flächenberechnung und auch der Betrachtung von Parallelveranstaltungen, die sich auf die eigentliche Veranstaltung auswirken können. Aus den Erfahrungen der Loveparade 2010 ist die Erkenntnis entstanden, dass die Kapazitätswerte der Zu- und Abwegungen, Gegenströme der Personenbewegungen, die Begrenzung der Wege, die Besucherzusammensetzung, ein möglicher Personenrückstau sowie die Nutzung der Verkehrsmittel zu betrachten sind.

Die Einfriedung von Veranstaltungen und die Durchführung von Zugangskontrollen sind abhängig von der individuellen Beurteilung der am Genehmigungsverfahren beteiligten Behörden und des Veranstalters. Die Art und Weise der Einfriedung stellt sich ebenfalls als eine Einzelfallentscheidung dar. Um die Besucherströme zuverlässig einschätzen zu können, kommt vermehrt der Einsatz von Videotechnik zum Tragen. Damit verbunden sind jedoch rechtliche Probleme, da die Nutzung der Akteure sehr unterschiedlich ist und sich nicht nur auf das Crowdmanagement beschränkt.

Abschließende Betrachtung

Die Ausführungen zeigen deutlich, dass es dringend einer gesetzlichen Regelung für Veranstaltungen bedarf. Sicherlich sind in den einzelnen Normen Regularien enthalten, die sich mit der sicheren Veranstaltungsdurchführung befassen. Allerdings ist das Themenfeld von einer derartigen Komplexität geprägt, die nicht dem Zufall überlassen werden darf. Qualitativ hochwertige Sicherheitskonzepte sind abhängig von den handelnden Personen und Behörden. Je nach Bundesland und Erfahrungswissen können diese sehr stark variieren. An dieser Stelle ist der Gesetzgeber gefordert Mindeststandards für Veranstaltungen zu formulieren und ein Qualifikationsniveau für alle Akteure festzuschreiben. Die Sicherheit bei Großveranstaltungen sollte nicht dem Zufall überlassen werden, sondern bundeseinheitlich einheitlich geregelt und somit gewährleistet sein.

 

Quellen:

1  Vgl. Risch-Kerst, Mandy (2017). Rechtliche Sicherheitspflichten und Risikomanagement des Veranstalters; in: Gundel (Hrsg.) Sicherheit für Versammlungsstätten und Veranstaltungen, Boorberg Verlag, Stuttgart

2  Vgl. Versammlungsstättenverordnung (Verordnung des Wirtschaftsministeriums über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten) Verordnung vom 28.04.2004 (GBl. S. 311, ber. S. 653), in Kraft getreten am 01.07.2004 zuletzt geändert durch Verordnung vom
23.02.2017 (GBl. S. 99) m.W.v. 11.03.2017

3  Vgl. § 1 Abs. 2 MVStättVO

4  Vgl. http://www.mik.nrw.de/fileadmin/user_upload/Redakteure/Dokumente/Themen_und_Aufgaben/Schutz_und_Sicherheit/ sicherheitgrossveranstaltungen/Orientierungsrahmen__2_.pdf, 11.06.201, 18.56 Uhr

5  Vgl. Stadt Hannover (2016). Musteraufbau für Sicherheitskonzepte für öffentliche Veranstaltungen in Hannover, Version 2.0, Stand
18.05.2016, Verlag und Ort o. A.

6  Vgl. Landeshauptstadt München Kreisverwaltungsreferat Branddirektion (2015). Veranstaltungssicherheit, Verlag und Ort o. A.

7  Vgl. Vanini, Ute (2012). Risikomanagement: Grundlagen – Instrumente – Unternehmenspraxis, Schaeffer Poeschel, Stuttgart

8  Vgl. § 43 Abs. 1 und 2 MVStättVO

9  § 43 Abs. 1 und 2 MVStättVO

Über den Autor
Prof. Marcel Kuhlmey
Prof. Marcel Kuhlmey
Prof. Marcel Kuhlmey, von 2016 bis 2018 Vizepräsident für Lehre und Qualitätssicherung der HWR Berlin. Nunmehr weiterhin Hochschullehrer ohne besondere Funktion. 25 Jahre Polizeibeamter des Landes Berlin. Zuletzt als Polizeioberrat Leiter der Pressestelle der Berliner Polizei. Seit 2009 Professur für Risiko- und Krisenmanagement, Einsatzlehre an der HWR Berlin. 2009 - 2016 Pro- und Studiendekan sowie Dekan des Fachbereichs Polizei- und Sicherheitsmanagement. Lehr- und Praxisschwerpunkte: Sicherheitskonzepte für Großveranstaltungen sowie Krisenmanagement.
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