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Produktpiraterie und Schmuggel sind lukrative Finanzquellen

Organisierte Kriminalität verursacht Schäden in Milliardenhöhe

Prof. Dr. Arndt Sinn
Foto: © Public Relations v. Hoyningen-Huene
Die Organisierte Kriminalität betätigt sich vermehrt in illegalen Handelsaktivitäten und schadet dem legalen Wirtschaftskreislauf massiv. Dies zeigt die neue Studie „Wirtschaftsmacht Organisierte Kriminalität: Illegale Märkte und illegaler Handel“ von Prof. Dr. Arndt Sinn, Direktor des Zentrums für Europäische und Internationale Strafrechtsstudien an der Universität Osnabrück.
Clemens Binninger
Foto: © Susanne Krum, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germanylicense.
„Schätzungen der OECD zufolge erwirtschaftet die Organisierte Kriminalität weltweit rund 870 Milliarden US-Dollar im Jahr. Dabei wird der illegale Handel zunehmend zur sprudelnden Finanzquelle. Allein die Anzahl der beschlagnahmten illegalen Waren an den Außengrenzen der Europäischen Union ist seit 1998 um nahezu tausend Prozent gestiegen“, berichtet Sinn.

Hohe Gewinnmargen, kaum Verfolgungsdruck, mangelndes Problembewusstsein

Die Ausbreitung organisierter krimineller Gruppen auf ursprünglich legale Geschäftsfelder bestätigt auch der CDU-Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Innenausschusses Clemens Binninger: „In den letzten Jahren hat sich die Organisierte Kriminalität nicht nur internationalisiert, sondern auch weiter professionalisiert. Dabei hat sie Schmuggel und Produktpiraterie gezielt als Betätigungsfeld auserkoren. Denn beim illegalen Handel mit ursprünglich legalen Produkten herrscht nur ein geringer Verfolgungsdruck. Gleichzeitig lassen sich teilweise enorme Gewinnmargen erzielen. Diese Mischung macht den illegalen Handel für die Organisierte Kriminalität besonders attraktiv.“
Prof. Sinn, der unter anderem die europäische Polizeibehörde Europol auf dem Gebiet der Organisierten Kriminalität berät, ergänzt hierzu: „Außerdem werden in der Öffentlichkeit Straftaten im Zusammenhang mit Produkt- und Markenpiraterie kaum wahrgenommen und meistens bagatellisiert, es sei denn, es kommen Personen ums Leben oder es gibt einen hohen finanziellen Schaden.“

Illegaler Handel torpediert Wirtschaft und Gesellschaft

„Produktpiraterie und illegaler Handel schwächen die Finanzkraft eines Landes und beschädigen durch Begünstigung von Korruption das Vertrauen der Bürger in den Staat“, sagt Prof. Sinn. Er sieht politisch, rechtlich und gesellschaftlich, bei Unternehmen sowie seitens der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden dringend Handlungsbedarf, „sonst kann sich niemand ernsthaft wundern, dass die Organisierte Kriminalität weiter ausufert und immer schwieriger zu kontrollieren wird.“
Zudem kritisiert er, dass die Strafverfolgung nicht mit den Entwicklungen der letzten Jahre mithält: „Es fehlt vor allem an Expertise, was zukünftige und auch zum Großteil heute schon bestehende illegale Handelswege angeht. Virtuelle Marktplätze finden derzeit kaum Beachtung.“

Kaum Netzwerkbildung und Kooperation im Kampf gegen Produktpiraterie

Sowohl auf Seiten der Markeninhaber als auch auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden hätten sich kaum Bündnisse und Netzwerke im Kampf gegen Produktpiraterie gebildet: „Jeder kocht sein eigenes Süppchen und 105 Securitas Schweiz 2017gesammelte Daten über Personen oder Absatzmärkte illegaler Waren werden nicht gebündelt an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben. Beim Zoll und bei der Polizei gibt es zwar Kooperationen, was den Drogenhandel, Geldwäsche oder Zigarettenschmuggel angeht. Doch darüber hinaus haben sich wenig ähnliche Modelle der Zusammenarbeit gebildet“, so Sinn. Bei international agierenden Gruppierungen der Organisierten Kriminalität seien länderübergreifende Netzwerke jedoch unverzichtbar.
Clemens Binninger betonte zudem die Vorteile einer internationalen Vernetzung von Datenbanken: „Die Organisierte Kriminalität interessiert sich nicht für Staatsgrenzen. Wir brauchen die Daten von unseren europäischen Partnern, um Netzwerke zu erkennen. Ansonsten werden uns immer nur die kleinen Fische, aber nie die Hintermänner ins Netz gehen.“

„Know your customer“ als Unternehmensphilosophie

Prof. Dr. Sinn stellt in seiner Studie 13 konkrete Handlungsempfehlungen für den Kampf gegen Produktpiraterie und illegalen Handel auf, darunter die Sensibilisierung der Politik für das Thema, personelle Stärkung der Strafverfolgungsbehörden, internationale Joint Investigation Teams (JIT), stärkere Kontrolle von Transitstaaten und Freihandelszonen sowie bessere Sicherung der Lieferketten durch die Industrie. Beispielgebend seien dabei die Pharma- und Tabakbranche, die schon lange Systeme zur Sicherung der Lieferkette etabliert haben. „Das Prinzip ‚know your customer’ muss zudem zur gelebten Philosophie eines Unternehmens erwachsen“, sagt Sinn.

(PM)