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Erinnerung an Miriam S., Opfer eines illegalen Straßenrennens am Auenweg in Köln, am 17. April 2015
Foto: © Wikimedia/Nicola

Polizei und Justiz machen jetzt Ernst

Illegale Autorennen in der City fordern Verletzte und Tote

Von Horst Zimmermann

Aus etlichen deutschen Gerichtssälen weht manchen Rechtsbrechern neuerdings ein schärferer Wind entgegen. Bei den Strafrichtern beginnt sich herumzusprechen, dass einige Urteile „im Namen des Volkes“ in weiten Kreisen der Bevölkerung auf Unverständnis gestoßen sind.

Aktuelles Paradebeispiel ist das Urteil des Landgerichts Berlin gegen Hamid H. und Marvin N., die beiden Teilnehmer an einem illegalen Autorennen auf dem Berliner Kurfürstendamm. Dabei wurde am 1. Februar 2016 ein 69jähriger Mann getötet. Das Urteil – lebenslange Haft wegen Mordes (Aktenzeichen 251 Js 52/16) - ist noch nicht rechtskräftig. Die Berliner Strafkammer begründete ihr Urteil damit, dass bei einem Rennen mit einem gefährlichen Gegenstand, wie es ein Auto ist, Todesopfer billigend in Kauf genommen werden, was ein Mordkriterium darstelle.

Inzwischen steht in einem weiteren Fall eine Mordanklage zur Debatte. In Mönchengladbach lieferten sich am 16. Juni dieses Jahres drei Fahrzeuge auf der Fliehtstraße ein Rennen, bei dem ein 38jähriger Fußgänger getötet wurde. Gegen den 28jährigen Haupttäter erging Haftbefehl wegen Mordverdachts.

Ein schärferer Wind weht auch Erkan F.(22) und Firat M.(21) entgegen, die sich am 14. April 2015 ein Rennen auf dem Kölner Auenweg geliefert hatten. Dabei kam die Radfahrerin Miriam(19)ums Leben. Das Urteil des Landgerichts Köln, 21 und 24 Monate mit Bewährung, wurde vom Strafsenat des Bundesgerichthofs am 6. Juli dieses Jahres aufgehoben, weil eine Bewährungsstrafe nicht angemessen sei.

In Kürze, vermutlich im Oktober, soll ein „Gesetz zur Strafbarkeit nicht genehmigter Kfz-Rennen“ in Kraft treten. Danach soll die bloße Teilnahme an einem illegalen Autorennen mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. Bisher war das lediglich eine Ordnungswidrigkeit mit 400 Euro Bußgeld. Wenn nach dem neuen Gesetz durch das Rennen Personen verletzt oder gar getötet werden, sollen bis zu zehn Jahre Haft fällig werden. Auch die Einziehung von Fahrzeugen und Führerscheinen wird neu geregelt. Zahlreiche Polizeibeamte und auch der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma, dessen Sohn am 31. März 2001 durch ein illegales Rennen in Köln getötet wurde, haben das neue Gesetz begrüßt.

Fritz Schramma
Foto: © Elke Wetzig (Elya) Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported
Einen ganz anderen Weg hat die Kölner Polizei nach drei Rennen mit je einem Todesopfer im Frühjahr 2015 eingeschlagen. Die „Besondere Aufbau-Organisation Rennen“ ist inzwischen unter dem Namen „Projekt Rennen“ (Leitung: Polizeihauptkommissar Rainer Fuchs) fester Bestandteil der Kölner Polizeiarbeit geworden. Eine Bestandsaufnahme ergab inzwischen, dass ein Großteil der „Streetracer“, wie sie sich selbst nennen, junge Männer mit (einem meist türkischen) Migrationshintergrund sind, für die die Rennen eine Bestätigung für ihr Ego ist. Sie haben praktisch kein Unrechtsbewusstsein. Rennen in der City sind für sie ein besonderer „Kick“.

Für die Rennen werden Autos frisiert – auf bis zu 500 PS. Meist gehört dazu, dass der Auspuff möglichst „röhrend“ verändert wird. Mit diesen Erkenntnissen wurden zahlreiche Kontrollen durchgeführt. Innerhalb von zwei Jahren wurden dabei in Köln über 500 Fahrzeuge sichergestellt. Außerdem wurden die Treffpunkte der „Streetracer“ überwacht. Weil einige Raser immer wieder hochtourige Leihwagen benutzten, wurden die Verleihfirmen zu Kooperation und Aufmerksamkeit angehalten. Abends und nachts wurden und werden Straßen, auf denen schon einmal Rennen stattfanden, gezielt überwacht. 160 der 300 Personen, die der Kölner Raserzene zugerechnet werden, bekamen Post von der Polizei mit einem Hinweis auf das Berliner Mordurteil. Die Polizei hofft auf eine „abkühlende Wirkung“. Auch andere Polizeibehörden widmen inzwischen den Rennen erhöhte Aufmerksamkeit.

Im Augenblick scheinen die Maßnahmenbündel zu einer Abkühlung der Szene geführt zu haben. Am 16. Juni 2017 gab es jedoch bei einem illegalen Rennen in Mönchengladbach wieder ein Todesopfer. Ein 38jähriger Fußgänger wurde von einem der drei Rennwagen erfasst.

Mit großem Interesse verfolgen die Polizeibehörden das Vorgehen ihrer Kollegen in Abu Dhabi. Da wurde eigens eine kleine Rennstrecke gebaut, auf der sich die „Streetracer“ austoben können. Seither sind da die Rennen auf öffentlichen Straßen deutlich zurückgegangen.

Über den Autor
Horst Zimmermann
Horst Zimmermann
Horst Zimmermann, schon während des Studiums (Jura und Politik) an der Uni Bonn Mitarbeit bei mehreren Tageszeitungen, dann Mitglied der Bundespressekonferenz (bis 2010), bis 1999 NRW-Korrespondent der WELT am Sonntag und freier Mitarbeiter von zeitweise bis zu 14 Tageszeitungen. Schwerpunkt: Innere Sicherheit und speziell Terrorismus. In den letzten Jahren Schwerpunkt Sicherheit auf Reisen.
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