Der repräsentative künftige Messeeingang Ost. 2019 wird der gesamte Umbau der Messe beendet sein.

Essen – Hauptstadt der Sicherheit

Chefredakteur Helmut Brückmann sprach mit Messechef Oliver P. Kuhrt

In wenigen Wochen wird die Security Essen eröffnet und die Spekulationen in der Branche werden ein Ende haben, die da lauteten: Viele Aussteller hätten der Security den Rücken gekehrt. Eine Weltleitmesse sei sie schon lange nicht mehr, das Gegenteil sei der Fall, denn die „Anker der Messe“, was immer das ist, hätten sich von der Security verabschiedet und seien sogar zur Frankfurter Konkurrenz, der Light and Building, übergelaufen. Das Branchengeflüster war für Veko-online ein Grund mehr, um mit Oliver P. Kuhrt, seit 2014 Geschäftsführer der Messe Essen GmbH, am 5. Juli, rund elf Wochen vor der Security, ein Interview zu führen.

Herr Kuhrt, sogenannte Branchenkenner behaupten, dass bei der nächsten Security mit weniger Ausstellern zu rechnen sei.
Von diesen Behauptungen habe ich noch nicht gehört – sie wären auch falsch. Wir sind mit der Security 2016, Stand heute, bereits auf Vorjahresniveau. Wir werden also wieder deutlich über tausend Aussteller in Essen begrüßen dürfen. Daher freue ich mich auf eine erfolgreiche Veranstaltung Ende September.

Ist jetzt schon eine tatsächliche Steigerung absehbar?
Ich gehe von einer erkennbaren Steigerung der Ausstellerzahlen aus.

Eigentlich wollte ich ja mit einem für Sie eleganten Thema anfangen, mit der Bautätigkeit der Messe, die natürlich das gesamte Unternehmen beeinträchtigt. Messechef Oliver P. KuhrtViele Probleme von heute werden sich zum Guten wenden, wenn die Bauvorhaben fertig sind.
In der Tat blicken wir außerordentlich positiv in die Zukunft. Wir haben im Jahre 2014 dem Aufsichtsrat und unseren Gremien einen Vorschlag präsentiert, dem auch die Stadt zugestimmt hat.
Am 2. Mai war der Startschuss für die Neue Messe Essen. Wir sind also bereits voll in der Umbauphase. Das Investitionsvolumen beträgt knapp 90 Millionen Euro. Im Jahre 2019 werden die Bauarbeiten beendet sein. Dann verfügen wir über eines der technisch modernsten Messegelände Deutschlands, ohne Doppelgeschosshallen, mit einer deutlich flexibleren Logistik, neuen Service- und VIP-Räumen sowie einem neuen Konferenzzentrum. Mit der Modernisierung sehen wir uns sehr gut aufgestellt, um in der Liga der internationalen Messegesellschaften zukünftig weiter mitspielen zu können.

Hoffentlich wird auch die Ausschilderung in den Hallen überarbeitet. Die jetzige hat manchen Besucher zur Verzweiflung gebracht, mich eingeschlossen.
Wir hatten bisher 18, mitunter kleinteilige Hallen auf unterschiedlichen Ebenen. Die Neue Messe Essen wird klar strukturiert sein und dann über acht große Hallen verfügen, bei gleicher Fläche. Wir sprechen also von einer ganz anderen Qualität. Die diesjährige Security wird von der Bautätigkeit nicht betroffen sein.

Gehen wir mal zum Inhalt der nächsten Security. Alle reden über zunehmende Digitalisierung. Alle Medien berichten darüber. Industrie 4.0 ist das Schlagwort von heute. Ist die klassische Messe ein Modell von gestern? Oder haben Sie ein neues Konzept gefunden?
Wer sich mit Messen beschäftigt, weiß, wie überaus erfolgreich sich dieser Vertriebs- und Marketingkanal in den letzten Jahren entwickelt hat. Man hat verstanden, dass die Messe – Digitalisierung hin oder her – nicht wegzudenken ist, weil sie zwei alternativlose Vorteile mit sich bringt: Zum einen das Erlebnis, Produkte auch haptisch zu entdecken. Und das nicht auf dem Bildschirm, sondern tatsächlich im Sinne einer Live-Demonstration vor Ort. Und zum anderen hat die Messe eine sehr wichtige Netzwerkfunktion. Sie ist Kommunikationsplattform für eine gesamte Branche. Die Security hat beispielsweise einen Anteil von rund 50 Prozent ausländischer Aussteller. Sie kommen deshalb hierher, weil sie den Dialog suchen und neue Kontakte knüpfen wollen. Hier trifft Absatz auf Produktion, um miteinander zu diskutieren. Das ist live und von Angesicht zu Angesicht effizienter und besser als alles andere. Messeveranstalter können daher entspannt in die Zukunft blicken, da wir bereits heute sehr gut aufgestellt sind. Messe und Digitalisierung haben viele Schnittmengen. Es geht um den Dialog und um individuelle Lösungen. Als moderne Messegesellschaft gehen wir voran und werden diesen Ansprüchen gerecht. Wir haben unser Digital-Team mit der klassischen Presseabteilung verschmolzen, so dass wir crossmediales Storytelling betreiben und auf aktuelle digitale Trends direkt mit der Entwicklung eigener Tools reagieren können. Zudem bespielen wir auf mehreren Kanälen im Social Web ausgewählte Kommunikationsplattformen. Grundsätzlich haben wir bereits 2014 die Entscheidung getroffen, all das im Web abzubilden, was zivile Sicherheitsbelange betrifft.
Aber darüber hinaus ist Industrie 4.0, vernetzte Sicherheit, ein Schwerpunkt auf der Security Essen. In einer eigenen Fachkonferenz am Mittwoch, 28. September, erwarten wir verschiedene Spitzenrepräsentanten und Redner, die ganz konkrete anwenderbezogene Aspekte zu diesem Oberbegriff in den Fokus rücken werden.

Es sind ja ein paar große Firmen weggeblieben, von denen man sagt, sie seien mal irgendwie für die Security prägend gewesen. Da sind unter anderen Bosch und Siemens zu nennen.
Gott sei Dank gibt es eine Vielzahl anderer nationaler und internationaler Leitunternehmen, die für die Sicherheitsbranche relevant und auf der diesjährigen Security vertreten sind. Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass Siemens seine Security-Sparte an das US-Unternehmen Vanderbilt verkauft hat. Das Unternehmen stellt nun achtmal größer aus als noch 2014.
Bosch hat sich für ein anderes Vertriebsmodell entschieden und möchte weg von der zentralen Plattform hin zu einer Hausmesse. Geplant ist ein eigener Showroom, in den Interessenten und Kunden eingeladen werden. Zwischenzeitlich hat sich der Wind auch etwas gedreht, da sich Bosch als Mitaussteller der Firma Videor E. Hartig GmbH angemeldet hat.
Die Messe ist ein Marktplatz. Es ist völlig normal, dass der ein oder andere Branchenteilnehmer aussetzt. Aus welchen Gründen auch immer.

Danke, die Antwort habe ich so erwartet. Nun zu einem anderen Punkt, über den viel diskutiert wird: Der Anspruch der Security, eine Weltleitmesse zu sein. Die Security Essen ist ja nicht die einzige Sicherheitsmesse in der Welt. Es gibt auch sehr große Messen dieser Art in Asien oder den USA.
Dieser Art? Die Security hat ein Alleinstellungsmerkmal. Es gibt weltweit keine Veranstaltung für zivile Sicherheit, die einen vergleichbaren Ausstellermix hat und wirklich komplett im Angebot ist. Wir haben über tausend Aussteller im Bereich zivile Sicherheit. Wohlgemerkt, „zivile“ und nicht „militärische“ Sicherheit. Ich kenne alle bedeutenden Messen auf diesem Gebiet. Keine erreicht die qualitativen Zahlen der Security. Den internationalen Anteil der Aussteller möchten wir erhöhen. Das ist unser erklärtes Ziel.

Die Wettbewerber im internationalen Messegeschäft schießen sich natürlich auf den Marktführer ein…
Wettbewerb belebt das Geschäft. Er motiviert uns, noch besser zu werden. Wir ruhen uns nicht auf Erfolgen aus. Wir haben respektable Ergebnisse und ein tolles, engagiertes Team. Mit dem Messeumbau erhalten wir moderne Hallen.

Das Thema Sicherheit besteht ja nicht nur aus der Bekämpfung der Einbruchkriminalität. Da sind ja noch eine ganze Reihe anderer Themen, die sich unter Sicherheit vereinnahmen lassen. Globale Sicherheit, Gefährdung durch organisierte Kriminalität, Terrorismus usw. Da meine ich, hat man in der Vergangenheit auf der Security wenig gefunden. Mit dem Stand der Kripoberatungsstellen ist es ja nicht allein getan.
Wir sehen bei der organisierten oder zivilen Sicherheit zwei große Themen: Wie schütze ich Haus und Unternehmen? Zum einen spielt hier Cyber-Security, sprich IT-Security, eine große Rolle. Die Kriminalität nimmt in diesem Sektor mit steigender Digitalisierung stetig zu. Die Nachfrage nach innovativen Sicherheitslösungen ist da. Diesen Trend nehmen wir seit Jahren wahr. Deshalb entwickeln wir den Teilbereich „Cyber-Security“ weiter und stärken seine Bedeutung neben dem bestehenden Angebot auf der Security.
Das zweite große Thema lautet: vernetzte, smarte Sicherheit für Gebäude – ob für die eigenen vier Wände oder Industrie- und Bürobauten. Der Oberbegriff „Smart Home“ ist ja schon lange etabliert. Jetzt bekommt die Sache mehr Drive. Wir spüren, dass aus den vielen Ankündigungen der letzten Jahre wirkliche Lösungen werden. Wir nennen das „smart security“. Deshalb werden wir auf der Security ein großes Mustergebäude präsentieren, in dem wir alle maßgeblichen Funktionen, die in ein sicheres vernetztes Bauwerk einspielen, vorstellen.
Wir hören jeden Tag – durch welche Ereignisse auch immer –, dass das Schutzbedürfnis der Bürger immer größer wird. Großveranstaltungen, Fußballspiele, Hooligans, Flüchtlingssituation. Es gibt viele weitere Themenfelder, die die Security im September zeitlich und inhaltlich passend machen. Aus den Rückmeldungen der Hotels in und um Essen, mit denen wir engste Kontakte pflegen, spiegelt sich wider, dass wir auch auf der Besucherseite auf eine sehr positive Entwicklung setzen können.

Wenn Sie jetzt Themen haben wie „Das sichere Heim“, die den Bürger unmittelbar berühren, dann fragt man sich, warum Sie die Messe nicht für jeden Besucher öffnen.
Die Security ist eine lupenreine B2B-Veranstaltung. Endverbrauchermessen sehen anders aus. Die Stände müssten daran angepasst werden. Sie müssten den Konsumenten viel stärker in die Nutzung des Produktes einbinden bzw. das Produkt als solches ausstellen und zum direkten Kauf anbieten. Selbst die Auswahl des Standpersonals müsste in vielen Fällen geändert werden, um nur ein paar Punkte zu nennen. Wir haben mit den Verbänden, die die Security tragen, darüber ausgiebig in der Vergangenheit diskutiert. Die Security bleibt zukünftig eine reine Fachbesuchermesse.

Sie haben eben die Verbände erwähnt, die ja im Messebeirat wirken. Da erhebt sich die Frage, wem gehört denn eigentlich die Security? Der Messegesellschaft oder den Verbänden?
Die Security Essen ist eine Eigenveranstaltung der Messe Essen. Wir sind wirtschaftlicher Träger und Brand-Owner. Die Verbände sind für uns wichtige Partner, um die Zielgruppen zu erreichen, die dahinterstehen. Wir arbeiten sehr partnerschaftlich zusammen.

Es ist schon einige Jahre her, dass hochrangige Politiker sich auf der Security blicken ließen oder sogar die Messe eröffneten. Wie sieht es damit in diesem Jahr aus?
Hierzu befinden wir uns noch im Austausch. Wir freuen uns, dass in diesem Jahr Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, am Eröffnungstag zu einem Roundtable- Gespräch mit Spitzenrepräsentanten der Industrie zusammenkommt und auch den Messerundgang anführen wird.
Feste Zusagen der Politik sind in der aktuellen Welt-Sicherheitslage reines Glücksspiel, auf die sich keine Messegesellschaft mehr verlassen kann.

Herr Kuhrt, herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit der security Essen 2016.

Fotos (2): Messe Essen GmbH