Nobel-Friedenszentrum in Oslo. Foto: Werner Sabitzer

„Die Waffen nieder!“

Von Werner Sabitzer

Vor 100 Jahren starb die Friedensaktivistin und Publizistin Bertha von Suttner. Sie war die erste Frau, die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Ihr Privatleben war sehr turbulent.

Bertha Sophia Felicita wurde am 9. Juni 1843 in Prag geboren. Ihr Vater, General Franz Michael Graf Kinsky von Wchinitz und Tettau, war noch vor ihrer Geburt im 75. Lebensjahr verstorben. Ihre Mutter Sophie Wilhelmine, geb. von Körner, galt als „Bürgerliche“. Wegen des großen Standesunterschieds kamen die Verwandten ihres Vaters deshalb auch nicht zur Taufe Berthas, sodass ihr Bruder und ein Dienstmädchen als Taufpaten einsprangen.
Die junge Gräfin wurde von Gouvernanten erzogen, lernte mehrere Fremdsprachen und beschäftigte sich mit Musik und Literatur. Einige Zeit verbrachten ihre Mutter und sie auf dem Landgut von Friedrich Landgraf zu Fürstenberg, der Berthas Vormund war.

Bertha von Suttner erhielt als erste Frau den Friedensnobelpreis. Foto: Werner Sabitzer1856 übersiedelte Sophie von Kinsky nach Wien, um ihrer Tochter den gesellschaftlichen Aufstieg zu ermöglichen, der ihr in Prag verwehrt war. Bertha begleitete ihre Mutter auf vielen Reisen, vor allem in Kurbäder wie Bad Homburg, Baden-Baden und Wiesbaden, wo die Möglichkeit zum Glücksspiel bestand. Sophie von Kinsky war spielsüchtig und verspielte einen großen Teil des von ihrem Mann geerbten Vermögens.

Bertha nahm den Antrag eines Verehrers, des reichen Gutsbesitzers Gustav von Heine-Geldern an, weigerte sich aber nach der Verlobung, den um 34 Jahre älteren Mann zu heiraten. Der nächste Verlobte, ein Engländer, entpuppte sich als Hochstapler und der dritte Verlobte, Prinz Adolf zu Seyn-Wittgenstein-Hohenstein, starb vor der Hochzeit.


Turbulente Beziehung

Bertha Gräfin Kinsy wurde mit 30 Jahren Gouvernante bei der Familie Suttner im Schloss Harmannsdorf im Waldviertel. Sie betreute die vier Töchter des Barons Suttner und verliebte sich in den um sieben Jahre jüngeren Sohn Arthur Gundaccar, einen Jus-Studenten. Die Liebesbeziehung blieb nicht lange geheim. Bertha musste als „Verführerin“ das Schloss verlassen.

Über eine Stellenanzeige in einer Tageszeitung bewarb sie sich um eine neue Arbeitsstelle. Ein älterer Herr in Paris, Alfred Nobel, suchte eine sprachkundige Sekretärin. Nobel war mit der Erfindung des Dynamits reich geworden, allerdings war sein Bruder bei einem seiner Versuche mit Sprengstoff ums Leben gekommen.

Bertha von Kinsky fuhr nach Paris und wurde Nobels Privatsekretärin. Er verliebte sich in die junge Gräfin, holte sie täglich vom Hotel ab; es wurde gemunkelt, dass sich zwischen den beiden eine Liaison entwickelt hätte, was Bertha dementierte. Sie blieb mit Arthur von Suttner, der Sehnsucht nach ihr hatte, in Briefkontakt und kehrte sofort nach Wien zurück, als Arthur und seine Schwestern sie darum baten. Bertha und Arthur heirateten am 12. Juni 1876 heimlich in der Kirche St. Egyd in Gumpendorf – gegen den Widerstand seiner Eltern. Unmittelbar nach der Hochzeit reisten sie nach Georgien, wo sie zunächst auf dem Anwesen von Ekateriné Dadiani, der Fürstin von Mingrelien wohnen konnten, die Bertha im Sommer 1864 in Bad Homburg kennengelernt hatte und von der sie eingeladen worden war. Die Suttners hielten sich in den folgenden Jahren in Tiflis, Kutais und Zugdidi auf.

Bertha gab Musik- und Sprachenunterricht und begann, erste Texte zu schreiben. Da sie befürchtete, dass Beiträge von Frauen in den österreichischen und deutschen Medien nicht angenommen würden, schrieb sie ihre Feuilletons und anderen Texte zunächst unter einem Pseudonym („B. Oulot“, „Jemand“). Ihr Mann Arthur berichtete als Korrespondent für eine österreichische Tageszeitung über den russisch-türkischen Krieg. Er war auch ein begabter (Karikaturen-)Zeichner und arbeitete in Tiflis als Bauingenieur.


Rückkehr nach Österreich

Nach neun Jahren in der Kaukasus-Region kehrten Bertha und Arthur von Suttner im Mai 1885 nach Österreich zurück und wohnten im Schloss Harmannsdorf bei den Eltern Arthurs, mit denen er sich ausgesöhnt hatte. Als Schriftsteller wurden die beiden bald anerkannt. Es folgten ausgedehnte Reisen. Im Winter 1886/87 befanden sich die Suttners in Paris, wo sie Alfred Nobel trafen. Nachdem Bertha von Suttner von der Existenz einer Friedensbewegung in London erfahren hatte, begann sie sich zunehmend für die Erhaltung des Friedens auf der Welt einzusetzen. Im Winter 1890/91 hielt sie sich in Venedig auf. Es folgten Reisen nach Berlin, Bern und Zürich.
1891 gründete sie die „Österreichische Friedensgesellschaft“ und veröffentlichte das Werk „Das Maschinenzeitalter“. Im selben Jahr initiierte ihr Mann den „Verein zur Abwehr des Antisemitismus“, der von Bertha unterstützt wurde. Mitglieder dieses Vereins waren unter anderem die Schriftsteller Ludwig Ganghofer und Peter Rosegger, der Komponist Johann Strauß jun., der Architekt Carl von Hasenauer und der Psychiater Richard von Krafft-Ebing.


„Die Waffen nieder“.

Zunehmend friedensbewegt, beschloss Bertha, einen Roman über Kriege zu schreiben. Sie recherchierte über Schlachten und Kriege, las Überlebensberichte und schrieb 1899 im Schloss Stockern, wo ihr Bruder lebte, einen mit Fakten vermischten Roman, in dem sie Schlachtfelder realitätsnah beschrieb – den Gestank, die Schreie der Verletzten, die Hunde und das Verscharren der Toten. Im Buch verewigte sie auch einen Teil ihrer Familiengeschichte.

Das Werk mit dem Titel „Die Waffen nieder“ wurde zunächst nicht angenommen, schließlich fand sich doch ein Verlag. Die erste Auflage mit 1.000 Stück war sofort ausverkauft, rasch folgten weitere Auflagen und das Buch wurde in viele Sprachen übersetzt. Mit diesem Buch wurde die „Friedens-Bertha“ weltweit bekannt. Sie engagierte sich weiter als Pazifistin und wandte sich an Alfred Nobel, der eine Stiftung plante. Sie versuchte ihn dazu zu bewegen, eine hohe Summe für die Friedensbewegung zu stiften und schlug ihm vor, auch einen Preis für Friedensbemühungen zu stiften.

Bertha von Suttner nahm an Tagungen über Frieden und Abrüstung teil und fuhr im Mai 1899 als Korrespondentin zur ersten Friedenskonferenz nach Den Haag, an der über Initiative des russischen Zaren Nikolaus II. Politiker, Diplomaten und Armeeangehörige aus 26 Staaten teilnahmen. Bei diesem Kongress wurde unter anderem die Friedenspalast in Den Haag (Sitz des internationalen Gerichtshofs): Bertha von Suttner nahm an beiden Haager Friedenskonferenzen teil. Foto: VerfasserEinrichtung einer neutralen Schiedstelle beschlossen – der „Ständige Schiedshof“ nahm 1902 seine Tätigkeit auf.
Arthur von Suttner hatte sich inzwischen eine jüngere Geliebte zugelegt. Nachdem er am 10. Dezember 1902 52-jährig gestorben war, musste Bertha Schloss Harmannsdorf verlassen, da auf dem Besitz hohe Schulden lasteten und das Schloss versteigert wurde.

Bertha von Suttner zog in eine Wohnung in der Nähe des Stadtparks in Wien. 1904 und 1912 reiste sie in die USA; dort hielt sie Vorträge und galt als Idol der Frauenbewegung.

Nach dem großen Erfolg ihres Buches „Die Waffen nieder“ veröffentlichte sie weitere Werke, darunter „Marthas Kinder“ (1902, Fortsetzung zu „Die Waffen nieder“), „Rüstung und Überrüstung“ (1908), „Der Menschheit Hochgedanken“ (1911) und „Die Barbarisierung der Luft“ (1912).


Verleihung des Friedensnobelpreises

Bertha von Suttner war ab 1901 mehrmals für den Friedensnobelpreis nominiert. Sie war überzeugt davon, mit dem hoch dotierten Preis ausgezeichnet zu werden, aber sie wurde in den ersten Jahren nicht berücksichtigt. Sie fühlte sich übergangen und bald rechnete sie nicht mehr mit der Auszeichnung. Als sie am 10. Dezember 1905 bei einer Vortragsreise in Wiesbaden ein Telegramm bekam, wollte sie es zurückweisen, da sie Strafporto hätte zahlen müssen. Sie übernahm das Telegramm schließlich doch. Das Schriftstück enthielt die Information, dass sie mit dem lang ersehnten Friedensnobelpreis ausgezeichnet werde – als erste Frau. Der Preis wurde ihr am 16. April 1906 in Oslo überreicht. 1911 erhielt auch ihr engster Mitarbeiter, der Publizist Alfred Hermann Fried, den Friedensnobelpreis verliehen. Fried hatte 1892 die „Deutsche Friedensgesellschaft“ gegründet und mit Suttner von 1892 bis 1899 die Monatszeitschrift „Die Waffen nieder!“ herausgegeben.

Bertha von Suttner führte den Vorsitz in der Friedenskommission des 1902 gegründeten „Bundes österreichischer Frauenvereine“ und war Präsidentin des „Internationalen Friedensbüros“ in Bern. Im Juni 1907 nahm sie an der zweiten Haager Friedenskonferenz teil, bei der die Gründung eines internationalen Gerichtshofs beschlossen wurde.

Am 22. März 1912 besuchte Bertha von Suttner einen Vortrag Karl Mays über das Thema „Empor ins Reich der Edelmenschen“ in den Sophiensälen in Wien. Dass Karl May eine kriminelle Karriere als Dieb, Betrüger und Schwindler hinter sich hatte, blieb damals dem breiten Publikum verborgen. Der Schriftsteller war im deutschen Sprachraum bereits sehr berühmt. Unter den Besuchern befand sich ein mittelloser Oberösterreicher, der sich vergeblich um die Aufnahme in die Akademie der bildenden Künste in Wien beworben hatte. Es handelte sich um Adolf Hitler, der sich für den Vortrag von einem Mitbewohner des Männerheims in der Meldemannstraße die Schuhe ausgeborgt hatte. Der Vortrag in Wien war der letzte öffentliche Auftritt Karl Mays. Acht Tage später war er tot – gestorben in seiner „Villa Old Shatterhand“ in Radebeul an den Folgen einer Erkrankung, die er sich in Wien zugezogen hatte.Bertha von Suttner auf der früheren 1.000-Schilling-Banknote in Österreich. Foto: Werner Sabitzer

Bertha von Suttner erkrankte an Magenkrebs, sie wurde von ihrer Haushälterin gepflegt. Die Friedensnobelpreisträgerin starb am 21. Juni 1914 in ihrer Wiener Wohnung. Sie wollte in einer Urne bestattet werden. Da aber die Feuerbestattung in der Monarchie nicht erlaubt war, verfügte sie testamentarisch, dass ihr Leichnam nach Gotha überführt und dort im neu errichteten Krematorium verbrannt werde. Die Urne mit ihrer Asche wird in Gotha aufbewahrt.

Bertha von Suttner auf der Rückseite der in Österreich geprägten Zwei-Euro-Münze. Foto: Werner SabitzerEine Woche nach ihrem Tod wurde Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo ermordet. Es folgte der Erste Weltkrieg, der zehn Millionen Tote und 20 Millionen Verwundete forderte.

Zu Ehren der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner wurden Straßen in vielen Orten nach ihr benannt. In Wien erhielt das erste Schulschiff ihren Namen. Ihr Bild zierte lange den 1.000-Schilling-Schein und nun ist sie auf der Rückseite der in Österreich geprägten Zwei-Euro-Münzen abgebildet.

 

 

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