Ein Porträt zum Gedenken an George Floyd im Mauerpark in Berlin von einem Straßenkünstler, Mai 2020
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Gib Rassismus keine Chance

Von Dr. Reinhard Scholzen

Im vergangenen Jahr kam die Frage auf, ob und gegebenenfalls in welchem Maße deutsche Polizisten rassistisch geprägt sind und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um ein solches Verhalten zu verhindern.

Die Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten in Minneapolis sorgte im vergangenen Jahr weltweit für Empörung. Auch in Deutschland kam die Frage auf, ob das Handeln von Polizisten durch Rassismus bestimmt wird. Einen Höhepunkt erreichte die öffentliche Debatte im Juni 2020 durch ein Interview der Bundesvorsitzenden der SPD. Der Funke Mediengruppe sagte Saskia Esken: „Zigtausende Demonstranten in aller Welt stehen auf, weil der gewaltsame Tod von George Floyd durch einen Polizeieinsatz in den USA kein Einzelfall ist.“ Mit Blick auf die öffentlichen Proteste, die dieser Tod auch in Deutschland auslöste, behauptete sie: „Deutsche Demonstranten schauen aber auch auf die Verhältnisse vor der eigenen Haustür: Auch in Deutschland gibt es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte, die durch Maßnahmen der Inneren Führung erkannt und bekämpft werden müssen.“1 Die Süddeutsche Zeitung fasste zusammen: „Das Problem von mal unterschwelligem, mal offen zur Schau getragenem Rassismus existiert auch hierzulande in den Reihen der Polizei.“2 Einen Tag später fragte die „taz“: „Ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Bevölkerung hegt rassistische Ressentiments. Warum sollten ausgerechnet PolizistInnen davor gefeit sein?“3

Der Anlass für dieses Interview waren Beschuldigungen einer Familie aus Mülheim an der Ruhr gegen die Polizei Essen. Es stand der Vorwurf im Raum, die aus Nigeria stammende Mutter und ihre beiden Töchter seien in der Polizeiwache rassistisch beleidigt und misshandelt worden. Die Essener Polizei wies dies in einer Pressemitteilung entschieden zurück. Darin wurde dargelegt, die 50-Jährige und ihre Töchter seien „verbal aggressiv“ gewesen und hätten sich über „die Art und Weise der polizeilichen Behandlung“ beschwert. Danach sei es zu „Widerstandshandlungen und Beleidigungen ‚zum Nachteil der Polizeibeamten‘ gekommen.“4

Herbert Reul (CDU), Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen
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Weitere Berichte über Missstände in der Polizei kamen hinzu. Mitte September schrieb „Die Zeit“: „In Essen sollen sich 29 Polizisten an einer rechtsextremen Chatgruppe beteiligt haben. NRW-Innenminister Herbert Reul spricht von einer ‚Schande für die Polizei“.5 Nach intensiven Ermittlungen stellte der Innenminister Mitte März 2021 die Ergebnisse im Düsseldorfer Landtag vor. Er konnte berichten, es habe sich nicht um extremistische Gruppen gehandelt, jedoch seien dort teilweise fremdenfeindliche, rassistische und antisemitische Inhalte geteilt worden. Den Kern des Übels kannte er auch: „Ursachen für das Aufkommen dieses erschreckenden Fehlverhaltens Einzelner war wohl, dass einzelne Polizeibeamte zu lange an ein und derselben Stelle im Einsatz waren, dazu eine unausgeglichene Altersstruktur.“6

Befragung zu Extremismus und Rassismus in den Polizeien des Bundes und der Länder7

Wenn man davon ausgeht, dass die Polizei ein Spiegel unserer Gesellschaft ist, scheint die These zulässig, dass der Anteil von Polizisten mit einer solchen Gesinnung ähnlich hoch wie im Rest der Gesellschaft wäre, wenn nicht Maßnahmen ergriffen würden, die dazu geeignet sind, Menschen mit einer solchen Einstellung aus dem Polizeidienst zu verbannen oder sie von vornherein von diesem auszuschließen.

Vor diesem Hintergrund schrieb der Autor im Januar 2021 an die Innenminister bzw. Innensenatoren der Länder und den Bundesinnenminister und stellte ihnen fünf Fragen zum Themenkomplex Rassismus und Polizei. Da Rassismus häufig unter radikalen oder extremistischen Einstellungen subsummiert wird, wurden die Fragen ganz bewusst weit gefasst.

  1. Wie viele Fälle von Links- und Rechtradikalismus, Links- und Rechtsextremismus sowie Rassismus sind in Ihrem Zuständigkeitsbereich seit dem Jahr 2010 aufgetreten?
  2. Welche Folgen (dienst- bzw. strafrechtlich) hatte dies für die einzelnen Beamten?
  3. Welche Maßnahmen wurden in Ihrem Ministerium ergriffen, um Radikalismus, Extremismus und Fälle von Rassismus zu verhindern?
  4. Welchen Stellenwert nehmen die Themen Radikalismus, Extremismus und Rassismus in der Aus- und Fortbildung der Polizei ein? Gab es in diesem Bereich in Ihrem Zuständigkeitsbereich in den letzten Jahren Veränderungen?
  5. Sehen Sie die Notwendigkeit, in Ihrem Zuständigkeitsbereich wissenschaftliche Untersuchungen zum Themenkomplex Radikalismus, Extremismus und Rassismus durchzuführen?

Das Problem der Fallzahlen und Folgen8

Der Bericht der IMK vom Juni 2020 in Erfurt9 unterstreicht, dass alle Polizeien sich darum bemühen, Rassisten aus ihren Reihen fernzuhalten. Der Weg zu diesem Ziel, ist jedoch zwischen Kiel und München unterschiedlich.

Bereits die Erfassung der reinen Fallzahlen wirft im Themenbereich „Rassismus und Polizei“ Fragen auf, da selten streng zwischen Extremismus und Rassismus unterschieden wird. Darüber hinaus besteht auch hier das Problem, dass nicht alle Verfahrensergebnisse in die Statistik einfließen und der Datenschutz bzw. Löschfristen einen langfristigen Rückblick verhindern.

Wegen der Heterogenität der Zahlen aus den Bundesländern ist ein quantitativer Vergleich kaum sinnvoll. Daher werden im Folgenden nur exemplarisch die Antworten dargestellt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass einige Bundesländer in ihren Antworten auf die Daten zurückgreifen, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz von den Landesämtern erfasst werden. Diese Erhebung „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“ wurde für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 31. März 2020 erhoben.10 Schließlich werden beispielsweise in Thüringen „radikalistisch, extremistisch oder rassistisch motivierte Straftaten von Bediensteten der Thüringer Polizei … als solche nicht statistisch erfasst.“

Gleichwohl sind die Antworten aufschlussreich, nicht nur, weil sich darin große Unterschiede unserer föderalistisch organisierten Polizei widerspiegeln. Ganz entschieden verwehrte sich der Hamburger Innensenator gegen unbewiesene Behauptungen des SPD-Abgeordneten Kazim Abaci. Dieser hatte in der Einleitung seiner schriftlichen Kleinen Anfrage zu „Rassismus und Polizeiarbeit“11 unter anderem gemutmaßt, „Polizisten üben staatliche Gewalt gegen andere Menschen aus. Und das beginnt damit, dass einzelne Menschen oder bestimmte gesellschaftliche Gruppen allein wegen ihres Aussehens als verdächtig behandelt werden.“ Aufgrund einer Sonderauswertung des Dezernates Interne Ermittlungen wurden in der Hansestadt zwischen 2015 und 2020 insgesamt zwölf Fälle von Rassismus erfasst. Nach einer Überprüfung wurden für die Jahre 2017 bis 2017 nur zwei bei der Polizei eingegangene externe Beschwerden als „substantiiert“ geführt.

Am 25. Februar 2021 lagen den Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 226 Hinweise auf rechtsextremistische Tendenzen zu 222 Polizeibeamtinnen und -beamten oder Polizeibeschäftigten vor. Nach einer eingehenden straf-/arbeits-/ und disziplinarrechtlicher Prüfung wurden 39 Fälle abgeschlossen, da sie keine erkennbare Relevanz. aufwiesen. In 31 Fällen zogen die Hinweise nach entsprechender Prüfung Ahndungen nach sich. In den verbliebenen 156 Fällen dauern die Ermittlungen noch an.

Zwar führt das baden-württembergische Innenministerium seit 2015 eine Disziplinarstatistik, da diese aber 2018 novelliert wurde, liegt erst ab diesem Zeitpunkt eine verlässliche Auswertung über die dem Innenministerium gemeldeten Disziplinarverfahren mit extremistischem Hintergrund vor. Im Jahr 2018 wurden zwei dieser Verfahren wegen rechtsextremer Äußerungen und Handlungen abgeschlossen. Ein Beamter erhielt für seinen Dienstpflichtverstoß einen Verweis, der andere eine Ruhegehaltskürzung. Im Jahr 2019 wurden sechs Fälle bekannt, in denen aufgrund des Verdachts auf rechtsextreme Äußerungen disziplinarrechtliche Vorermittlungen geführt wurden. Da sich in drei Fällen die Verdachtslage konkretisierte, wurden Disziplinarverfahren eingeleitet, von denen zwei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht Kazım Abacı (2018)
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abgeschlossen sind. Das dritte Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldbuße einstellt. In einem Fall kam es nicht zur formellen Einleitung eines Disziplinarverfahrens, da der betroffene Beamte auf Widerruf zuvor seine Entlassung beantragte. Innerhalb der Polizei Baden-Württembergs wurden im Jahr 2020 insgesamt 49 Fälle bekannt, denen der Verdacht einer rechtsextremistischen Gesinnung zugrunde lag. Diese wurden bzw. werden disziplinar- beamten- oder arbeitsrechtlich geprüft. In elf Fällen haben Polizeibeamte/-beamtinnen, die sich in der Ausbildung an der Hochschule für Polizei befanden, in einer WhatsApp Chatgruppe bzw. in einem sozialen Netzwerk rechtsextremes Gedankengut ausgetauscht. Gegen diese Polizeibeamte/-beamtinnen wurde ein Entlassungsverfahren eingeleitet. In 28 Verdachtsfällen sind die disziplinarrechtlichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Bei den meisten Fällen lag bzw. liegt der Verdacht von rechtsextremistischen Äußerungen oder Handlungen in sozialen Netzwerken, Chatgruppen oder im Kollegenkreis vor.

Die Berliner Polizei erfasst politisch motivierte Disziplinar- und Verwaltungsverfahren seit August 2019 statistisch. Am 20. Januar 2021 wurden 46 Disziplinarverfahren bearbeitet, 20 Vorgänge sind abgeschlossen und ein Vorgang befindet sich im Prüfungsstatus.

Schleswig-Holstein dokumentierte von Februar 2016 bis Januar 2021 15 Fälle mit insgesamt 19 Betroffenen.

Im Saarland gab es im Jahr 2016 ein Ermittlungsverfahren gegen einen Polizeibeamten wegen rechtsextremistischer Äußerungen im Internet. Im Jahr 2018 gab es ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Polizeibeamte und im Jahr 2019 ein Ermittlungsverfahren gegen drei Polizeibeamte wegen diskriminierender Äußerungen.

In Bremen gibt es keine statistische Erfassung entsprechender Vorfälle. Das BfV erfasste in den Jahren von 2017 bis 2020 ein Strafverfahren ohne Einleitung von dienst- oder arbeitsrechtlichen Maßnahmen.

Rheinland-Pfalz greift auf die Zahlen des BfV zurück. Es gab neun Verdachtsfälle, die in drei Fällen zu disziplinarischen Maßnahmen führten. Zu einer strafrechtlichen Verurteilung kam es nicht.

Von 2015 bis 2020 wurden in Niedersachsen 23 Einzelfälle im Sinne der Fragestellung aufgeführt. In drei Fällen, bei denen die Beschuldigten in einem tarifrechtlichen Arbeitsverhältnis standen, kam es bisher zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses. 15 Disziplinarverfahren wurden gegen Beamte eingeleitet, von denen zwei mit der Entlassung aus dem Dienst endeten. In insgesamt zwölf Fällen wurde ein Strafverfahren eröffnet.

In Sachsen-Anhalt wurden zwischen 2010 und 2016 „vier Disziplinarverfahren gegen Bedienstete der Landespolizei mit Bezug zum Nationalsozialismus und gegen zwei weitere Bedienstete im Zusammenhang mit herabwürdigenden Meinungsäußerungen gegenüber ausländischen Mitbürgern geführt.“ Ein Vorgang wurde nach Prüfung eingestellt, beim anderen ein Verweis ausgesprochen. Im Sinne der Fragestellung wurde 2017 ein Verdachtsfall, 2018 zwei, 2019 zehn und 2020 zwanzig Verdachtsfälle bekannt. Zwar dauern die meisten Verfahren noch an, jedoch wurde bisher für die Fälle von 2017 bis 2020 lediglich eine Missbilligung ausgesprochen.

Beim Bundeskriminalamt (BKA) traten in den letzten Jahren sechs Fälle aus dem Bereich des Rechtsradikalismus bzw. Rechtsextremismus auf. Bei der Bundespolizei wurden aus dem Bereich des Rechtsextremismus und Rassismus 73 Verdachtsfälle erfasst. Im Zuständigkeitsbereich des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) sind keine derartigen Fälle bekannt geworden.

Vorbeugung

Baden-Württemberg baut auf eine „entschiedene, ganzheitliche und vernetzte Bekämpfungsstrategie gegen Extremismus, Antisemitismus und Rassismus.“ Folglich setzen die Maßnahmen bereits bei der Bewerbung an und erstrecken sich über das Auswahlverfahren, die Ausbildung und die gesamte Dienstzeit.

Berlin verwendet seit dem Sommer 2020 einen 11-Punkte-Plan, der aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen besteht. Dazu gehört auch eine Farbskala, mit der disziplinarrechtliche Maßnahmen klassifiziert werden. Bei „Rot“ liegen gesicherte Erkenntnis vor, mit „Orange“ werden Fälle versehen, bei denen ein hinreichender Verdacht fehlender Verfassungstreue vorliegt. Bei diesen Einstufungen erfolgt eine Entlassung der betreffenden Dienstkraft. Am anderen Ende der Skala wird mit blau markiert, wenn keinerlei Anhaltspunkte vorliegen. Berlin installierte eine Kriminaloberrätin als Extremismusbeauftragte. Der Senat plant, eine Studie in Auftrag zu geben, die die Einstellungsmuster und Wertvorstellungen der Mitarbeitenden der Polizei Berlin untersucht.

Der Bremer Senat änderte im vergangenen Jahr das Polizeigesetz. Seither bildet § 145 BremPolG „die Rechtsgrundlage, um Bewerberinnen und Bewerbern für den Studiengang Polizeivollzugsdienste mit Eingang ihrer Bewerbung einer Zuverlässigkeitsüberprüfung zu unterziehen.“ Das Auswahlverfahren wurde im vergangenen Jahr von Grund auf neu gestaltet. Dazu gehört es auch, dass „indizierende Tätowierungen in einem gesonderten Verfahren überprüft werden.“12 Bremen schuf die Stelle einer Referentin für Vielfalt und Antidiskriminierung, bei der Fälle „diskriminierenden Verhaltens und Vorurteile und mögliche strukturelle Bedingungen, die dieses begünstigen“ zusammengestellt und ausgewertet werden.

Seit 2018 werden nordrhein-westfälische Polizeibewerber „auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zu extremistischen Bestrebungen geprüft. Seit dem Frühjahr 2020 verfügt jede Polizeibehörde über einen Extremismusbeauftragten, bei dem die Mitarbeiter „Hinweise auf einen Extremismusverdacht melden“ können. Darüber hinaus kreierte das Land eine Stabsstelle „Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW“. Zu deren Aufgaben zählt die Erstellung eines „Lagebildes Rechtsextremismus in der NRW-Polizei und in einem zweiten Schritt ein Handlungskonzept zur Früherkennung und effektiven Entgegnung rechtsextremistischer Tendenzen sowie zur nachhaltigen Extremismusprävention in der NRW-Polizei.“

Im Oktober 2020 schuf Sachsen-Anhalt eine „Sonderkommission zu Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“. Darüber hinaus wurde ein Extremismusbeauftragter berufen. Eine wechselnde Besetzung der Dienstschichten und die zeitlich befristete Verwendung von Führungskräften auf ein und derselben Stelle soll einem „negativ verstandenen Korpsgeist entgegenwirken.“

Thüringen richtete bereits 2013 in der Landespolizeidirektion eine „Stabsstelle Polizeiliche Extremismusprävention“ ein, die sechs Jahre später beim Staatssekretär im Innenministerium angesiedelt wurde. Zu ihren Aufgaben zählt auch die Vermittlung externer Bildungsangebote. Sie soll den Erkenntnistransfer zwischen Polizei und Wissenschaft ermöglichen und bei Einsätzen „mit Bezug zu extremistischen Phänomenen“ beraten.

Bereits seit zehn Jahren besteht in Niedersachsen das Rahmenkonzept „Interkulturelle Kompetenz in der Polizei“, das aus einem landesweiten Projekt hervorging. Ein wesentliches Ziel war die Erhöhung des Anteils der Bewerber mit Migrationshintergrund. Dieser stieg von 2007 bis 2020 von 4,22 auf 15,12 Prozent. Um die Polizei widerstandsfähiger gegen rechtspopulistische und rechtsextremistische Einstellungen zu machen, wurde im November 2019 das Bildungsprogramm „Polizeischutz für die Demokratie“ geschaffen.

Schleswig-Holstein beschloss im Koalitionsvertrag nach der Landtagswahl 2017 einen „Landesaktionsplan gegen Rassismus“, in den auch die Polizei eingebunden ist. Im Herbst 2019 ging das Frühwarnsystem „RADAR“ an den Start. Damit sollen „rassistische und rechtsextreme Tendenzen oder demokratiefeindliches Verhalten frühzeitig“ erkannt werden, „um bereits in einem frühen Stadium entgegenwirken zu können.“ In der Prüfung befindet sich gegenwärtig die Schaffung einer Ansprechstelle in der Landespolizei zu diesem Themenkomplex.

Bei Neueinstellungen und für die Angehörigen der Spezialeinheiten soll zukünftig in Mecklenburg-Vorpommern eine Abfrage beim Verfassungsschutz obligatorisch werden. Eine aus 17 Mitgliedern bestehende „Arbeitsgruppe Extremismus des Landesrates für Kriminalitätsvorbeugung“ verknüpft die unterschiedlichen Akteure und sondiert Möglichkeiten der Prävention in allen Bereichen des politischen Extremismus.

Richterhammer und Ordner Rassismus bei der Polizei
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Konsequenzen in der Aus- und Fortbildung

Mit Maßnahmen, die speziell im Bereich der Aus- und Fortbildung getroffen wurden, stechen einige Länder heraus. Frau Prof. Dr. Luise Greuel, die Rektorin der Hochschule für Öffentliche Verwaltung Bremen, erläutert: „Es ist nahezu ein Alleinstellungsmerkmal der HfÖV, dass sie Aus- und Fortbildung mit anwendungsbezogener Forschung verbindet und somit Wissenschaftstransfer in die Lehre von außerordentlich hoher Aktualität gewährleisten kann.“ Im Bachelor Studiengang nimmt die Erziehung zur demokratischen Resilienz seit dem Jahr 2006 einen hohen Stellenwert ein. Diese „wird dabei nicht als isoliertes Ausbildungsthema, sondern vielmehr als übergeordnetes Ausbildungsziel konzeptualisiert, auf das das Studium systematisch über die gesamte Ausbildungsdauer hinweg ausgerichtet ist.“

Baden-Württemberg lehrt „im Hinblick auf die Schaffung einer innerbehördlichen Extremismusfestigkeit eine offene ‚Fehlerkultur‘. Seit 2017 wird zudem explizit auf die Notwendigkeit einer interkulturellen Kompetenz eingegangen und dieselbe vermittelt. Im Hinblick auf eine möglichst ‚greifbare‘ Sensibilisierung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten werden regelmäßig Exkursionen mit Führungen im jüdischen Viertel Haigerloch sowie im dortigen Ausstellungs- und Dokumentationszentrum der ehemaligen Synagoge durchgeführt und Vorträge zur Thematik Holocaust organisiert.“

Der nordrhein-westfälische Innenminister stellt heraus: „Ich habe im Frühjahr vergangenen Jahres außerdem Extremismusbeauftragte in jeder Polizeibehörde eingeführt. Sie stehen jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mögliche Hinweise auf einen Extremismusverdacht melden möchten. Zusätzlich habe ich einen Sonderbeauftragten ‚Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW‘ mit einer Stabsstelle eingerichtet. Aufgabe dieses Sonderbeauftragten und seines Teams ist es, in einem ersten Schritt ein ‚Lagebild Rechtsextremismus in der NRW-Polizei‘ und in einem zweiten Schritt ein Handlungskonzept zur Früherkennung und effektiven Entgegnung rechtsextremistischer Tendenzen sowie zur nachhaltigen Extremismusprävention in der NRW-Polizei zu erarbeiten.“

Mecklenburg-Vorpommern betont, dass diese Themen „seit jeher einen großen Stellenwert in der Ausbildung und im Studium sowie auch in der Fortbildung der Landespolizei“ aufweisen. Das Ziel sei es, die Lernenden zu befähigen, „sich für Menschenrechte einzusetzen, rassistische und politisch extreme Positionen zu erkennen und ihnen entgegenzutreten.“ Zu den Kernelementen der Ausbildung in diesem Aspekt zählt der „Tag der Demokratie“, eine Blockveranstaltung, deren Ziel die Sensibilisierung „für die Verantwortung gegenüber dem Bürger/der Bürgerin und der Gesellschaft sowie für ein die Menschenwürde achtendes Miteinander“ ist.

Rheinland-Pfalz hat in das Curriculum des Bachelor-Studiengangs Polizeidienst das Ziel einer „diskriminierungsfreien Wahrnehmung der Aufgaben“ aufgenommen. An mehreren Stellen setzt das Land auf internationale Kooperation, so etwa in der Lehrveranstaltung „Professioneller Umgang mit Vielfalt“ oder in dem gemeinsamen Besuch mit luxemburgischen Studenten und Lehrkräften in der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert.

In der bayerischen Polizei „wird großer Wert auf interkulturelle Kompetenz gelegt“. Daher „werden die Besonderheiten kultureller, religiöser oder ethnischer Gruppen, ihre Problemstellungen, ihre Schutzbedürftigkeit und die Vorbeugung von Diskriminierungen fächerübergreifend thematisiert.“

„Interkulturelle Kompetenz“ spielt im Bachelor-Studiengang der angehenden Beamten im Kriminalvollzugsdienst im Bundeskriminalamt eine bedeutende Rolle. Dazu greift das BKA bereits seit 2014 auf externe Wissensvermittler zurück. „Racial Profiling“ oder auch „Ermittlungs- und Erfassungsdefizite Hatecrime“ werden in der Ausbildung berücksichtigt. Seit 2019 wurden in der Ausbildung Seminare zur „Antirassismus- und Antidiskriminierungssensibilisierung unter Einbindung zivilgesellschaftlicher Organisationen durchgeführt.“

Der Stellenwert wissenschaftlicher Untersuchungen

Der rheinland-pfälzische Innenminister hat sich „frühzeitig für eine eigene landesweite wissenschaftliche Studie ausgesprochen“, obwohl dies, so Roger Lewentz, „aufgrund der obigen Befunde … nicht zwingend“ wäre. So soll das bestehende „hohe Vertrauen der Bevölkerung in ihre Polizei bewahrt, möglichst sogar weiter gestärkt werden.“

In Mecklenburg-Vorpommern werden zwei Forschungsvorhaben durchgeführt. Zum einen, in Kooperation mit der Universität Greifswald, eine „qualitative und quantitative Analyse internetbasierter Kommunikationsprozesse von Preppern“, zum anderen wird an der für die Polizei zuständigen Fachhochschule die „Entwicklung einer diskursorientierten Führungskultur in der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern als wirksame Reaktion auf Phänomene normabweichenden Verhaltens“ untersucht.

Berlin wird eine wissenschaftliche Studie in Auftrag geben, „die Einstellungsmuster und Wertvorstellungen unter den Mitarbeitenden der Polizei Berlin untersucht.“

Eine andere Position nimmt Bayerns Innenminister ein. Joachim Hermann lehnt „Studien, die nur die Polizei unter Generalverdacht stellen, strikt ab. Dafür gibt es keine Notwendigkeit.“ Als sinnvoll erachtet er „bundesweite Analysen, die diese Thematik differenzierter und in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext aufgreifen.“ Hierzu sei das vom Bundesinnenminister (BMI) im Dezember 2020 in Auftrag gegebene Forschungsprojekt an der Hochschule der Polizei sinnvoll: „Die Bayerische Polizei wird dieses Projekt aktiv unterstützen.“

Auch das Saarland setzt hohe Erwartungen in diese vom BMI beauftragte Studie. Es „wird sich an dieser Polizeistudie beteiligen, diese unterstützen und leistet insofern einen wichtigen Beitrag.“ Sachsen-Anhalt will sich ebenfalls an dieser Forschungsstudie des BMI beteiligen. Den gleichen Weg will auch Thüringen gehen, betont aber auch die Bedeutung länderbezogener Forschungsvorhaben.

Einen ähnlichen Weg geht Niedersachsen. Dort steht man „wissenschaftlichen Untersuchungen offen gegenüber“. Daher wurde im November 2020 – einem Vorschlag der GdP folgend – an der Polizeiakademie eine Studie „Polizeipraxis zwischen staatlichem Auftrag und öffentlicher Kritik“ ins Leben gerufen. Die von Frau Dr. Astrid Jacobsen geleitete Studie hat eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren.

Schleswig-Holstein prüft gegenwärtig, ob sich das Land an einer größeren Studie beteiligt, wobei „die Durchführung einer wissenschaftlichen Untersuchung auf allen Ebenen als zielführend angesehen wird.“

Nordrhein-Westfalen beauftragte die Stabsstelle „Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW“ den wissenschaftlichen Forschungsstand auszuwerten und daraus ein präventives Handlungskonzept zu entwickeln. Des Weiteren beteiligt sich das Land an dem durch das BMI beauftragten Forschungsprojekt „Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten (MEGAVO).“

Bremen hält wissenschaftliche Untersuchungen zu diesen Themen für notwendig. Daher unterstützt es die Durchführung einer bundesweiten Studie zur Praxis des „Racial Profiling“. Darüber hinaus sollte ebenfalls eine „Studie über rechtsextremistische Tendenzen in den Sicherheitsbehörden oder eine gesamtgesellschaftliche Studie zu rassistischen oder rechtsextremistischen Einstellungen durchgeführt werden.“

Baden-Württemberg stellt nach kritischer Durchsicht der Disziplinarstatistik fest: „Wir haben kein generelles Rassismus- oder Diskriminierungsproblem. Wir müssen aber auch alles dafür tun, dass das so bleibt und generalisierende Vorwürfe gegenüber der Polizei auch in Zukunft haltlos und ohne jegliche Substanz bleiben – jeder einzelne Fall ist ein Fall zu viel.“ Daher soll der Nährboden der sogenannten „Cop Culture“ weiter erforscht werden, um jegliche negative Entwicklung zu verstehen und durch Ausbildung, Fortbildung und Führungskultur und Organisationsentwicklung ganz gezielt entgegenwirken zu können. Daher wird die durch das BMI in Auftrag gegebene Studie zum Polizeialltag ausdrücklich unterstützt.

Fazit

Einigkeit besteht in den Polizeien des Bundes und der Länder darin, dass Rassisten in den eigenen Reihen nicht geduldet werden dürfen. Daher setzen sie darauf, Menschen mit einer solchen Einstellung bereits frühestmöglich vom Polizeidienst fernzuhalten, beziehungsweise solches Fehlverhalten in der Aus- und Fortbildung zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren. Deutliche Unterschiede ergeben sich jedoch zwischen Düsseldorf und Dresden in den Antworten auf die Frage, wie dieses Ziel erreicht werden soll.

Die Antworten aus Bund und Ländern liefern Belege dafür, dass Rassismus in den Reihen der deutschen Polizei sowohl quantitativ als auch qualitativ ein geringes Problem ist. Dies steht in einem deutlichen Kontrast zu den bisweilen exzessiven Darstellungen dieses Themas in der veröffentlichten Meinung.

Wissenschaftliche Untersuchungen können bei der Ursachenforschung dienlich sein, und sie können auch Fingerzeige für den praktischen Umgang mit Rassismus in den Reihen der Polizei liefern. Um Fehlentwicklungen zu erkennen, bevor sie zum Problem werden, das dann nur noch mit invasiven Maßnahmen bekämpft werden kann, erscheinen jedoch die geeigneten Mittel bekannt: Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Führern und Geführten ist von unschätzbarem Wert und ebenso die überragende Bedeutung des Führens durch Vorbild.13

Quellen:

1   Kritik an Saskia Esken wegen „Rassismus“-Aussage über die Polizei. In: Die Welt vom 8. Juni 2020.
2   Rassismus in Deutschland. Galerie der Unbekannten. In: Süddeutsche Zeitung vom 9. Juni 2020.
3   Beamte sind auch nur Deutsche. In: taz vom 10. Juni 2020.
4   Rassismus bei der Polizei? „Behandelt als wären wir Tiere“: Schwere Rassismus-Vorwürfe gegen Polizei Essen erhoben. In: Ruhr 24 vom 8. Juni 2020.
5   Rechtsextreme Chatgruppe bei Essener Polizei entdeckt. In: Zeit online vom 16. September 2020.
6   Sonderbericht zu rechtsextremen Polizei-Chats liegt vor. Vorgesetzte hätten etwas merken müssen. Aber es handelt sich offenbar um einen Einzelfall. In: Bild vom 10. März 2021.
7   Die folgenden Zitate stammen, sofern nichts anderes vermerkt ist, aus den Antworten der Ministerien an den Autor.
8   Die Antworten auf die Fragen 1 und 2 werden hier gemeinsam aufgeführt.
9   Bericht des BMI zu TOP 13 der 212. IMK vom 17. Bis 19. Juni 2020 in Erfurt zum Thema: „Disziplinarrechtliche Konsequenzen bei extremistischen Bestrebungen“.
10 Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.): Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden. Lagebericht. Köln 2020.
11 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 22/668 vom 3. Juli 2020.
12 Vgl. Reinhard Scholzen: Äußerlichkeiten. Wie viel Individualität ist Polizisten erlaubt? In: veko-online 3, 2017.

 

Über den Autor
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen
Dr. Reinhard Scholzen, M. A. wurde 1959 in Essen geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Nach dem Magister Artium arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte 1992. Anschließend absolvierte der Autor eine Ausbildung zum Public Relations (PR) Berater. Als Abschlussarbeit verfasste er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit der GSG 9. Danach veröffentlichte er Aufsätze und Bücher über die innere und äußere Sicherheit sowie über Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs: Unter anderem über die GSG 9, die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer und das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr.
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