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„Sicherheit auf Bundesautobahnen erhöhen“

Beschlüsse des Deutschen Verkehrssicherheitsrates zur Erhöhung der Sicherheit auf BAB

Vorbemerkung

Bundesautobahnen (BAB) bestehen in der Regel aus zwei Richtungsfahrbahnen mit jeweils mindestens zwei Fahrstreifen und einem zusätzlichen Seitenstreifen. Die Fahrbahnen sind durch einen Mittelstreifen getrennt, der mit passiven Schutzeinrichtungen oder Betonschutzwänden ausgestattet ist. BAB sind zwar in Bezug auf die Verkehrsstärke der sicherste Straßentyp, die Unfallfolgen sind aber infolge der hohen Geschwindigkeiten überdurchschnittlich schwer. Auf Strecken ohne Tempolimit sind die Differenzgeschwindigkeiten zwischen schnell fahrenden Kfz und Lkw oder Bussen besonders hoch. Im Jahr 2018 starben 424 Personen auf BAB, das sind 12,9 % aller im Straßenverkehr Getöteten. Schwerverletzt wurden 5.910 Personen auf BAB, das sind 8,7 % aller im Straßenverkehr Schwerverletzten.

Maßnahmenfelder

Im Sinne der Strategie Vision Zero sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die geeignet sind, das System Straßenverkehr sicherer zu machen und damit Anzahl und Schwere von Verkehrsunfällen und deren Folgen zu verringern. Im Folgenden sind Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur, der Fahrzeugtechnik, der Verkehrsüberwachung, der rechtlichen Regelungen sowie der Aufklärung aufgeführt, deren Umsetzung zur Vermeidung von Getöteten und Schwerverletzten auf Bundesautobahnen (BAB) vom DVR dringend empfohlen wird.

Verkehrstechnik

Bundesautobahnen haben in der Regel einen hohen Baustandard. Wegen der getrennten Richtungsfahrbahnen sind Überholvorgänge relativ sicher. Seitenräume sind meistens hindernisfrei. Dennoch kommt es zu Unfallhäufungen. Autobahnunfallkommissionen haben gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-ordnung (VwV-StVO zu § 44) die Aufgabe, geeignete Maßnahmen zu beschließen und umzusetzen mit dem Ziel, erkannte Unfallhäufungen (Unfallhäufungsstellen, Unfallhäufungslinien) zu beseitigen. Im Katalog "Maßnahmen gegen Unfallhäufungen – MaKaU“ der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)1 sind elf Einzelmaßnahmen, die sich explizit auf von der Autobahnunfallkommission festgestellte Unfallhäufungen beziehen, enthalten.

Sie betreffen: Zulässige Höchstgeschwindigkeiten, Seitenstreifen, Beschleunigungsstreifen, Geschwindigkeitsüberwachung und Deckschichterneuerung. Seit 2008 hat der DVR in vier Vorstandsbeschlüssen Empfehlungen zur Sicherheit auf Bundesautobahnen gegeben: Der Vorstandsbeschluss2 „Stellenwert der Unfallkommissionen als Instrument der Verkehrssicherheitsarbeit“ (2008) empfiehlt die Beschreibung der Aufgaben der Institution „Unfallkommission“ als Instrument der Verkehrssicherheitsarbeit, die kontinuierliche Aus- und Fortbildung der Unfallkommissionsmitglieder, die Schaffung von zentralen Controllinginstrumenten in den Ländern zur Koordination der Unfallkommissionen und die Bereitstellung zusätzlicher eigener Haushaltsmittel zur zweckgebundenen Beseitigung von Unfallhäufungen in Bund, Ländern und Kommunen.

Der Vorstandsbeschluss2 „Mehr Sicherheit in Baustellen auf Bunde-sautobahnen" (2012) listet eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen auf. So sind z.B. Baustellen nach den Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen (RSA) so einzurichten, dass sie mit einer Regelgeschwindigkeit von 80 km/h befahren werden können. Neue Pkw sind inklusive Außenspiegeln inzwischen überwiegend breiter als 2,0 m. Um einen sicheren Betrieb einer Baustelle bei 80 km/h zu gewährleisten, soll die Mindestbreite linker Fahrstreifen daher 2,70 m, in Ausnahmen 2,60 m betragen. Rechte Fahrstreifen sollen mindestens 3,25 m breit sein. Wenn diese Mindestbreiten nicht einzuhalten sind, ist eine geringere zulässige Höchstgeschwindigkeit von maximal 60 km/h anzuordnen.

Die Empfehlung zum versetzten Fahren kann zusätzlich zu einer Si-cherheitsverbesserung beitragen. Am Baustellenbeginn sollen verstärkt Überwachungsmaßnahmen zur Durchsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durchgeführt werden. Die Überwachungsstandorte sollten gut erkennbar sein und im Vorfeld angekündigt werden. Der Vorstandsbeschluss2 „Verkehrsbeeinflussungsanlagen verbessern Sicherheit und Qualität des Verkehrs auf Autobahnen“ (2013) empfiehlt den Ausbau von VBA, die Qualitätssicherung von VBA, die Qualifikation des Personals in den Verkehrsrechnerzentralen und die Verbesserung der Nutzerakzeptanz.

Der Vorstandsbeschluss2 „Mehr Sicherheit an Arbeitsstellen kürzerer Dauer (AkD) auf Autobahnen“ (2016) empfiehlt u.a. die allgemeine Verbesserung der Randbedingungen für AkD, z. B. durch Verbesserung der Erkennbarkeit von Arbeitsstellen kürzerer Dauer, die Verbesserung der passiven Sicherheit der Absperrfahrzeuge, die Verbesserung der Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Baustellenbereich, z.B. durch Geschwindigkeitsüberwachung und die Vereinheitlichung der Vorgaben aus Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA) und der Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR). Die DVR-Publikation „Vision Zero – Grundlagen & Strategien“3 benennt zur Verbesserung von BAB zusätzlich zu den vier beschriebenen Vorstandsbeschlüssen folgende Maßnahmen: Für das komplette Autobahnnetz sollten Seitenstreifen eingerichtet werden, damit in Notsituationen ein Anhalten außerhalb des fließen-den Verkehrs möglich wird. Ruhegerechte Lkw-Stellplätze müssen an Rastanlagen in ausreichen-der Anzahl bereitgestellt werden, damit Berufskraftfahrende ausgeruht am Straßenverkehr teilnehmen können. An Steigungsstrecken sollen mehr Zusatzstreifen geschaffen werden, damit es u.a. nicht zu gefährlichem Drängeln kommt.

Einfädelungsstreifen sollten bei Bedarf verlängert werden, um sicheres Auffahren auf die Autobahn zu ermöglichen. In Tunnelstrecken ist die flächendeckende Überwachung der Geschwindigkeit besonders wichtig, da hier das Einhalten der Geschwindigkeitsbeschränkung aufgrund der besonderen Gefahrenlage zwingend notwendig ist. Am besten sollten Überwachungsanlagen fest installiert werden. Auf Strecken mit hoher Unfalldichte sollten eingefräste Rüttelstreifen eingebaut werden, um dem Abkommen von der Fahrbahn durch Ablenkung oder Müdigkeit von Kraftfahrenden vorzubeugen.

Fahrzeugtechnik

Neben den baulichen Maßnahmen liefert auch die Fahrzeugtechnik einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit auf BAB. Sie kann zum einen Gefahrensituationen verhindern oder zumindest abmildern und so die Entstehungswahrscheinlichkeit von schweren Unfällen verringern. Zum anderen kann die Fahrzeugtechnik dazu beitragen, dass die In-sassen besser vor den Unfallfolgen geschützt sind. Daher fordert der DVR, dass möglichst alle Fahrzeuge mit aktiven Sicherheitssystemen ausgestattet sein müssen, damit Unfälle verhindert werden. Diese Systeme zur aktiven Sicherheit wirken bei den typischen Fehlverhaltensweisen auf BAB beziehungsweise bei den hohen Geschwindigkeiten, die dort im Gegensatz zu Land- oder Stadtstraßen gefahren werden, unterschiedlich.

Die wesentlichen Unfallursachen auf Autobahnen sind laut DESTATIS der „Abstand“, die „nicht angepasste Geschwindigkeit“ und das „Überholen“. Der DVR geht davon aus, dass insbesondere der Notbremsassistent, der in der Regel mit einem Abstandsregeltempomat verbunden ist, die größte Wirkung auf die Verhinderung von Autobahnunfällen hat. Auch der intelligente Geschwindigkeitsregler (intelligent speed assistent, ISA) kann effektiv darauf hinwirken, dass das einzuhaltende Geschwindig-keitslimit und die optimale Geschwindigkeit eingehalten werden (DVR-Vorstandsbeschluss „Intelligente Geschwindigkeitsassistenten (Intelligent Speed Assistance – ISA)“ (2018)).

Darüber hinaus sind insbesondere der Spurhalteassistent sowie der Spurwechselassistent sinnvolle Fahrerassistenzsysteme. Da Autobahnfahrten oftmals monoton sind und dies die Müdigkeit von Kraftfahrzeugführenden verstärkt, kann auch der Müdigkeitsassistent als wirkungsvoll zur Verhinderung von Verkehrsunfällen auf Autobahnen angesehen werden (DVR-Vorstandsbeschluss „ Müdigkeit im Straßenverkehr“ (2009)). Darüber hinaus fordert der DVR von der Industrie und dem Gesetzgeber die Weiterentwicklung passiver Sicherheitssysteme, damit Unfallfolgen gemildert werden.

Diese passiven Systeme, insbesondere diejenigen, die die Fahrzeuginsassen schützen, sind aufgrund der hohen Geschwindigkeiten besonders auf Autobahnen als sehr wirkungsvoll anzusehen. Allerdings sind durch Weiterentwicklungen nur relativ geringe Sicherheitsgewinne zu erwarten, da die wirkungsvollsten passiven Systeme sowohl weit entwickelt als auch weit verbreitet sind. Damit die vorhandenen Systeme aber auch genutzt werden, sollte der Einbau von Angurt-Erinnerern verpflichtend vorgeschrieben werden, damit sich möglichst alle Fahrzeuginsassen anschnallen (DVR-Vorstandsbeschluss „Maßnahmen zur Erhöhung der Anlegequote von Sicherheitsgurten“ (2011)). Schließlich müssen die Automatisierung und die digitale Vernetzung der Mobilität verstärkt vorangetrieben werden, denn davon sind weitere Sicherheitsfortschritte zu erwarten (DVR-Vorstandsbeschlüsse „Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Vehicle-2-X Kommunikation“ (2017), „Automatisierte Fahrfunktionen“ (2017), „Hochautomatisiertes Fahren“ (2015)).

Die vernetzten Systeme können dazu beitragen, das „vorausschau-ende Fahren“ zu verbessern. Durch die Kommunikation der Fahr-zeuge untereinander, auch wenn diese keine direkte „Sichtverbindung“ haben, können Abstände und Geschwindigkeitsdifferenzen automatisch optimiert werden. Ebenso kann vor voraussehbaren Gefahrenstellen, wie zum Beispiel einem Stauende oder vor vereisten Streckenabschnitten, frühzeitig gewarnt werden. Darüber hinaus lassen sich Informationen von Verkehrsleitzentralen gezielt an die Fahrzeuge übermitteln. Das automatisierte Fahren in den unterschiedlichen Levels wird seinen Anfang auf Autobahnen nehmen, da hier die Komplexität des Verkehrsgeschehens im Gegensatz zu anderen Straßen geringer ist. Die automatische vertikale und laterale Führung sowie der automatische Spurwechsel mit Überholmanöver lassen sich sicherer ausführen, wenn keine hohen Geschwindigkeitsdifferenzen bestehen.

Verkehrsüberwachung

Die Verkehrsüberwachung umfasst auf BAB insbesondere die Einhaltung der Geschwindigkeiten sowie der Lenk- und Ruhezeiten des Lkw-Verkehrs. Für eine erfolgreiche Überwachung sind die beiden Faktoren Häufigkeit und Sanktionshöhe entscheidend. Der DVR hält die gezielte Verkehrsüberwachung aller am Verkehr Teilnehmenden für ein wesentliches Element erfolgreicher Verkehrssicherheitsarbeit, welches schwere Verkehrsunfälle verhindert und damit die Menschen vor schwerem Leid bewahrt. Insbesondere Fahrten mit überhöhter Geschwindigkeit können häufig Verkehrsunfälle nach sich ziehen, die gravierende Folgen für Leib oder Leben haben können.

Der DVR-Beschluss „Verkehrsüberwachung“ (2014) 2 fordert von den Innenministerien der Länder und ihren Polizeibehörden: Die Verkehrsüberwachung muss möglichst flächendeckend und für einzelne Kraftfahrzeugführende nicht kalkulierbar gestalten werden, damit sie ihre größtmögliche Wirkung entfalten kann. Sonderaktionen im Bereich der Verkehrsüberwachung wie „Sicher.Mobil.Leben“, die den früheren „Blitzer-Marathon“ ersetzt hat, sollten kontinuierlich fortgesetzt und weiterentwickelt werden. Zum einen um an einem Tag mit einer erheblichen Kontrolldichte bundesweit präventiv und repressiv tätig zu werden. Zum anderen um der Verkehrsüberwachung mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu verschaffen.

Bußgelder für Zuwiderhandlungen im Bereich Geschwindigkeiten auf Autobahnen müssen erhöht werden. Bei der Polizei muss mehr Personal zur Verkehrsüberwachung bereit-gestellt werden, damit eine effiziente Verkehrssicherheitsarbeit, insbesondere auf Autobahnen, gewährleistet werden kann. Eine hervorragende Ausbildung der in der Verkehrsüberwachung Tätigen muss selbstverständlich sein. Regelmäßige Fortbildung dieses Personenkreises ist unabdingbar. Die Aus- und Weiterbildung selbst sollte kontinuierlich evaluiert und verbessert werden. Die Ausrüstung zur Durchführung der Verkehrsüberwachung ist in allen Ländern permanent an die aktuellen Techniken anzupassen.

Die „Section Control“ (Geschwindigkeitsabschnitts-Kontrolle) sollte von allen Ländern als eine Maßnahme zur Kontrolle an Unfallhäu-fungsstrecken, die infrastrukturell nicht entschärft werden können, unverzüglich eingeführt werden. Der Bund sollte dafür eine einheitliche Rechtsgrundlage schaffen. Der Vorstandsbeschluss2 „Abschnittbezogene Geschwindigkeitsüberwachung („Section Control“)“ (2010) empfiehlt die Durchführung eines Modellversuchs gemäß der Empfehlungen des 47. Deutschen Verkehrsgerichtstags.

Verkehrsrecht

Das Verkehrsrecht bietet weitere Gestaltungsmöglichkeiten zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf BAB. In Deutschland besteht im Unterschied zu vielen anderen Staaten in der EU keine allgemeine, auf dem gesamten Autobahnnetz geltende Geschwindigkeitsbegrenzung für alle Fahrzeugarten. Verkehrsunfälle, die unter dem Einfluss von Alkohol verursacht wer-den, sind häufig Unfälle mit besonders schweren Folgen. Daher fordert der DVR im Vorstandsbeschluss „Alkoholverbot am Steuer“ (2011) grundsätzlich ein absolutes Alkoholverbot am Steuer, um das Risiko für die Verursachung schwerer Verkehrsunfälle zu minimieren. Es ist davon auszugehen, dass ein solches Verbot auch das Unfallgeschehen auf Bundesautobahnen im Sinne von mehr Verkehrssicherheit beeinflussen wird. Damit würde auch die generell positive Entwicklung der laut Statistik zurückgehenden alkoholbedingten Unfälle im Straßenverkehr weiter befördert werden. Die gesellschaftliche Akzeptanz für ein absolutes Alkoholverbot am Steuer ist sehr hoch und die Einführung desselben für Fahranfänger/innen hat bereits große Wirkung gezeigt und viele Menschenleben gerettet.

-PM DVR-