28. Mai. Verlegung nach Lubumbashi.
© 2. REP

Einsatz der Fallschirmjäger der Fremdenlegion im Kongo (Zaire)

Kolwesi, Operation Leopard Mai – Juni 1978. Teil Drei.

Von Thomas Gast

20. Mai 1978

Für die Legionäre, die bereits in Kolwesi kämpfen, ist es die dritte Nacht ohne Schlaf. In Lubumbashi ist die vierte Kompanie derweil ohne Nachricht vom Rest des Regimentes. Die Männer verbringen die Nacht auf dem Flughafen. Man schläft hinter den Flugzeugen, auf blankem Boden. Erst im Morgengrauen, genau um 6 Uhr 10, springen auch sie unter dem Befehl des Capitaine Grail über Kolwesi ab. Die Legionäre der Vierten sichern sofort nach Osten, warten geduldig auf ihre erste Feindberührung.

Inzwischen betreiben die Legionäre der ersten Welle eine rüde offensive Aufklärung. Es geht darum, den Feind nicht zur Ruhe kommen zu lassen, ihn in seinen Ein PARA LEGION beim Aufstöbern von Rebellen nahe Kolwesi.
© ECPAD/France/1978/Bonnet, René-Paul.
Verstecken aufzustöbern und eventuelle Hinterhalte aufzudecken. Die Paras suchen den Kontakt, schnell, entschieden, knallhart. Nur so gibt es Resultate, nur so kann nachhaltig für Ordnung gesorgt werden.

Belgische Para-Commandos landen im Rahmen der Operation ´Red Bean` an. Sie sollen die völlig verunsicherten, teils verletzten Europäer evakuieren. Auch die Fahrzeuge der Legionäre kommen nach und nach per Luftbrücke.

Gegen 15 Uhr an diesem Tag verlassen die Legionäre der vierten Kompanie den Stadtteil Manika und marschieren Richtung Metal-Shaba. So heißen ein Bahnhof und eine metallverarbeitende Fabrikstätte drei Kilometer nordwestlich von Kolwesi. Auf die beißende Kälte der Nacht in Lubumbashi folgt nun die Hitze der ersten Einsätze. Der Fußmarsch, immer den Bahngleisen folgend, führt sie durch wild wachsendes Elefantengras. Die Männer haben den Befehl erhalten, schnell vorzustoßen. Eine Stunde nach Aufbruch schlagen die vorauslaufenden Aufklärer Alarm.

 »Deckung!«

Sergent-chef Cas wirft sich zu Boden und robbt nach vorne.

»Soldaten«, stellt er nüchtern fest und greift zum Funkgerät.

Was die Legionäre zunächst für Fallschirmjäger der Armee Zaires halten, entpuppt sich als eine starke Kompanie Tiger-Rebellen. Die Legionäre rücken unverzüglich vor. Der erste Kontakt zwischen den Rebellen und den Legionären ist brutal. Die gesamte vierte Kompanie wird durch das massive Feuer der Tiger in Stellung gezwungen. Sehr schnell jedoch kristallisiert sich das Manöver heraus, das notwendig ist, um Herr der Lage zu werden. Die schnell nachgeführten Mörser der Paras unter dem Befehl Kolwesi Airport. Von links nach rechts: Colonel Erulin, Botschafter Ross, Oberst Gras
© 2. REP
von Leutnant Verna gehen in Stellung, jagen eine Granate nach der anderen in Richtung Rebellen durch die fast glühenden Rohre. Wieder und wieder schlagen die explodierenden Geschosse weite Breschen in die Reihen der Rebellen, Breschen, die jedoch sofort wieder gefüllt werden. Gleichzeitig rückt die zweite Kompanie (Kompanie Dubos) zum Angriff vor. Von der Kompanie Grail gedeckt, greifen die Legionäre noch aus der Bewegung heraus an. Büsche und Elefantengras bieten den Legionären eine natürliche Deckung, was ein gefahrloses Vordringen bis zu den Sturmausgangsstellungen ermöglicht. Das Feuergefecht ist ohrenbetäubend, denn die Legionäre schießen mit allen Waffen, die sie zur Verfügung haben.
Sergent-chef Milésie bringt seine Gruppen ganz dicht an den Feind heran.
»Fertig machen zum Handgranatenwurf!«
Die Legionäre, noch völlig außer Atem, holen jeder eine fast 600 Gramm schwere Defensivgranate hervor, ziehen den Splint und warten auf das Zeichen.
»Abwarten, Jungs. Die letzte Mörsergranate ist in der Luft.«
Als die Granate in einer ohrenbetäubenden Explosion krepiert und gleichzeitig die Deckungs-MGs losrattern, gibt Milésie das Zeichen.

»Werft!«

Er zählt die Explosionen: … 14, 15, 16, 17! Dann wartet er noch eine Sekunde, um sicherzugehen, und brüllt dann so laut, dass ihm fast die Lungen platzen.
»Angriff!«
Wie ein Mann springen die Legionäre seines Zuges auf und rennen schießend auf den Feind zu, der nur zwanzig Meter weiter entfernt, vom Mörserfeuer betäubt, in den Schützenlöchern liegt. Der Kampf ist kurz, die Bilanz auf Seiten des Feindes erstaunlich: Neunzig Rebellen sind tot, viele andere winden sich tödlich verletzt im afrikanischen Staub. Nur wenigen gelingt die Flucht. Der Erschöpfung nahe, sehen sich die Legionäre der zweiten Kompanie um. Einige besitzen nicht mal mehr die Kraft, zu rauchen. Seit dem 17. Mai sind sie nonstop wach und im Einsatz. Sie werfen sich dort zu Boden, wo sie gerade stehen, brauchen fast eine Stunde, um sich wieder zu erholen. Die plötzlich eingetretene Stille ist laut. Ein Blick zurück: Ein Legionär wurde beim Angriff schwer verletzt, und unter den Toten befindet sich Sergent-chef Daniel.

 21. bis 27. Mai

AUFTRAG AUSGEFÜHRT!
Die Zeit zwischen dem 21. und dem 27. Mai ist geprägt von Kämpfen und Einsätzen im Stundentakt. Die Tiger flüchten in die Außenbezirke, nach Liulu, Kamoto und Karat bis hin nach Lualaba und schließlich bis Lubumbashi, doch die Paras Legion halten den Kontakt, drängen auf eine endgültige Entscheidung. In Lubumbashi schlägt der Regimentskommandeur schließlich sein Hauptquartier auf. Er ist zufrieden, denn der Auftrag gilt als ausgeführt.

Opfer

  • 700 Zivilisten (darunter 170 Europäer).
  • 250 Tiger-Rebellen.
  • 5 Legionäre.
  • 1 Para-commando (Belgien).

Rechts im Bild: Militärpfarrer des 2. REP Yannick Lallemand.
© 2. REP
Zwei gepanzerte Fahrzeuge wurden vom 2. REP zerstört. Vier rückstoßfreie Kanonen, fünfzehn Mörser, einundzwanzig Panzerfäuste und tausende von Kalaschnikow-Sturmgewehren werden von den Legionären als Kriegsbeute konfisziert. Die Beutewaffen stammen aus Italien, den USA und der UdSSR.

Militärpfarrer Yannick Lallemand kümmert sich aufopfernd um die Toten, schirmt sie ab, damit Journalisten sie nicht fotografieren können. Es ist eine höchst intime Angelegenheit, geht nur den Familien etwas an.
Der Familie Legion.
Den engsten Angehörigen.

Und Yannick Lallemand vergisst auch die Verwundeten nicht. Er lebt unter ihnen, schläft im selben Raum, hilft beim Essen, ja sogar beim Gang zur Toilette. Und er spendet Trost, spricht von Gott und von der Welt, und über den ganzen Rest!
Unter den Toten sind: der Feldwebel (sergent-chef) Daniel, der Hauptgefreite Allioui, die Obergefreiten Arnold und Harte sowie der Legionär Clement.

15. Juni 1978

Auf Befehl des französischen Staatspräsidenten kehrte das 2. REP nach Calvi zurück. Als ich bei meinem Eintreffen im Regiment im Jahr 1987 die Gelegenheit hatte, mit einigen Veteranen darüber zu sprechen, sagten mir alle im Block, dass die Zahl der getöteten Rebellen weitaus höher war als die, die offiziell angegeben wurde. Ihren Worten zufolge starben mindestens doppelt so viele, wenn nicht mehr. Wurden die Zahlen verschwiegen, um die Öffentlichkeit nicht zu alarmieren? Wer weiß!

Nach der gelungenen Operation kam, was kommen musste. Paris und Brüssel überhäuften sich gegenseitig mit Vorwürfen. Die Belgier taten das energische Verhalten der Franzosen als unziemliche Hast mit politischen Hintergedanken ab. Die Franzosen warfen den Belgiern das zu lange Hinauszögern und eine gewaltige Portion Schlamperei vor. Dass die Fallschirmjäger des 2. REP mit ihrer Aktion in Kolwesi alles richtig gemacht hatten, zeigten viele Reaktionen in Frankreich und anderswo. Zum Beispiel kritisierte die Sowjetunion das Regiment aufs Allerschärfste. Die Fremdenlegion allgemein wurde beleidigt und beschimpft. Auch aus dem Camp der Kommunistischen Partei in Frankreich meldete sich arger Missmut, während der Zweig der KP in Korsika am 7. Juni sogar die Auflösung der „Légion étrangère“ forderte.

In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni wurden das Privatfahrzeug und die Villa des Oberst Erulin von Unbekannten mit Sprengstoff versehen. Die andere, die angenehme Seite der Medaille war, dass sich jeden Tag hunderte von Sympathisanten der Legion, Franzosen und Ausländer, vor dem Militärkrankenhaus bei „Paris Begin“ in Saint Mandé drängten. Dort lagen die zwanzig verwundeten Paras. Unter den Besuchern befanden sich Reporter, Familienmitglieder und auch aktive Soldaten. Sie alle wollten Madame Giscard d’Estaing beim Besuch der verletzten Paras in HIA (Krankenhaus) BEGIN.
© 2. REP
die Helden von Kolwesi sehen, ihnen die Hand drücken, ihnen ihren Dank aussprechen und den Männern Zigaretten Gauloises und Bier Kro (Kronenbourg 1664) ans Bett bringen. Auch der Staatspräsident und seine Frau machten den Paras des 2. régiment étranger de parachutistes ihre Aufwartung. Diese folie ging so weit, dass Besuche teilweise verboten werden mussten. Doch eines haben sie alle vergessen, ob Kritiker oder Lobessänger, ob Journalist oder Staatspräsident. Die Legionäre, die über Kolwesi absprangen, waren keine Helden. Sie setzten nur das in die Tat um, was sie tausend Mal vorher schon in der Ausbildung wieder und wieder geübt hatten. Das jedoch gaben sie bis zur Perfektion wieder. Sie handelten mutig, taten ihre Pflicht! Helden sind nur die, die im Feuer der Tiger-Rebellen starben. Für die Überlebenden aber ging es weiter. Nur einige Stunden, nachdem die Paras wieder Fuß auf korsischen Boden gesetzt hatten, begannen sie erneut mit dem Zyklus Ausbildung, Training, Manöver. Dahinter steckten Gewaltmärsche, Sprung- und Gefechtsausbildung. Letztere unter optimalen, fast realitätsnahen Bedingungen, Tag wie Nacht. Die Operation Leopard war eine brillante Leistung, die einen humanitären Auftrag mit einem Kampfauftrag unter einen Hut brachte. Und die Akteure heute? Eine Handvoll davon war, wie bereits erwähnt, zu meiner Zeit im Regiment noch aktiv. Präsident MOBUTU schreitet bei einer Art Siegerparade die Front ab.
© Légion étrangère
Der Rest, was die Legionäre anbelangt, lebt heute verteilt auf vier Kontinenten. Die Offiziere?

Oberst Erulin starb bereits im Jahr 1979. Nach dem Vater von drei Kindern wurde in Aix-en-Provence eine Straße „rue Colonel Philippe-Erulin“ benannt. Dass es bei seinem Tod nicht mit rechten Dingen zuging, kann man getrost als Gerücht hinnehmen. Zumindest bliebe das Gegenteil zu beweisen.

General Michel Poulet, Regimentskommandeur des 2. REP von 1992 bis 1994, wurde von Oberst Dary abgelöst, der als junger Leutnant ebenfalls an der Operation Leopard teilgenommen hatte. In den Jahren 2004 bis 2006 war General Bruno Dary Befehlshaber der Fremdenlegion (Général commandant la Légion étrangère – COMLE) und bis vor kurzem noch Gouverneur von Paris. In seiner letzten Verwendung diente Michel Poulet als Kommandeur der Infanterieschule in Montpellier, bevor er in den Führungsstab des Ausbildungszentrums des französischen Heeres nach Tours versetzt wurde. Er verstarb im Alter von 57 Jahren an Lungenkrebs. Geraucht hatte er nie!

General Bernard Grail war in den Jahren 1999 bis 2002 Oberbefehlshaber der Fremdenlegion.

General Remy Gausseres, Regimentskommandeur des 2. REP in den Jahren 1990 bis 1992, ist in dem Moment, in dem ich diese Zeilen niederschreibe, Präsident der Fédération des sociétés d'anciens de la Légion étrangère (FSALE).

Was den exzellenten Oberst im Ruhestand Stéphane Coevoet angeht, so lassen Sie sich sagen: Es ging ihm gut, als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe. Und das ist noch nicht allzu lange her.

 

Über den Autor
Thomas Gast
Thomas Gast
Im Februar 1985 engagierte der Autor in der Fremdenlegion, wo er bis Anfang 2002 blieb. Nach der Legion war Thomas Gast lange Zeit in der Sicherheitsbranche tätig. Er arbeitete und lebte in Saudi Arabien (als Sicherheitsmitarbeiter – Klient: Delegation der Europäischen Kommission in Riad); Haiti (als Security- Country Manager – Klient: Delegation der Europäischen Kommission in Haiti); Israel (als stellvertretender Country Manager am ECTAO – European Commission Technical Assistance Office); Yemen (als Security- Teamleiter für Surtymar / YLNG – Yemen Liquefied Natural Gas); Rotes Meer – Golf von Aden – Arabische See (als Privately Contracted Armed Security Personnel (PCASP) bewacht der Autor seit Juni 2014 Schiffe vor Piratenangriffen. Sein Buch ´PRIVATE SECURITY` findet in der Sicherheitsbranche regen Zuspruch. Foto: Thomas Gast mit seiner Neuerscheinung PRIVATE SECURITY. © Thomas Gast
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