Friedrich P. Kötter über den Verkauf seines Geld- und Wertdienstes

Das Interview führte Chefredakteur Helmut Brückmann

„Essen/Dortmund/Köln/Bremen (17. Januar 2018). „Wir sind in der Phase einer Konsolidierung der Branche. Geld- und Wertdienste sind für uns mehr als vier Jahrzehnte lang ein wichtiges Geschäftsfeld gewesen. Unser Familienunternehmen hat hier immer aufs Neue erfolgreich investiert − aber wir wissen auch, dass KÖTTER im weltweiten Wettbewerb der großen Player nur mit ganz erheblichem Aufwand mithalten könnte“, erläuterte Friedrich P. Kötter, Verwaltungsrat der KÖTTER SE & Co. KG Security, heute in Essen die Veräußerung der KÖTTER Geld- & Wertdienste SE & Co. KG.“

Diese Pressemeldung zu Anfang des Jahres kam für die meisten in der GWT-Branche überraschend. Nachdem sich der Pulverdampf gelegt hat, traf sich Veko-online im Mai mit dem Firmenchef Friedrich P. Kötter (51) zu einem Interview.

Veko-online: Herr Kötter, Ihr Name ist seit zwei Generationen fest mit Geldgeschäften verbunden. Wie ich vor vier Tagen einer Tagesmeldung entnahm, sind Sie von der Hauptversammlung der NATIONAL-BANK AG in Essen zum neuen Mitglied des Aufsichtsrates gewählt worden. Gratuliere.

Friedrich P. Kötter: (lacht). Ach, Sie lesen aber auch alles!

Tatsächlich hat uns aber eine ganz andere „Geldgeschichte“ heute hierhergeführt. Im Januar wurde die Branche der Geld- und Werttransporteure bundesweit von einer Meldung aufgeschreckt: KÖTTER hat seinen gesamten GWT-Bereich an Loomis veräußert. Wir hatten zwar bereits im Dezember über das Vorhaben einen klaren Hinweis bekommen, ihn aber für eine Ente gehalten. Es schien undenkbar. Immerhin waren Sie mit Ihrem Unternehmen Vorbild für die gesamte Branche, und das seit über 45 Jahren. Noch 2016 galten Sie in Deutschland als größtes GWT-Unternehmen.

 Zur damaligen Zeit waren wir nicht Marktführer, wohl aber das drittgrößte Unternehmen in Deutschland. Wir kamen hinter Prosegur und Ziemann. Hier in Nordrhein-Westfalen waren wir aber mit Sicherheit die Nummer 1, ebenso auch im Großraum Bremen.

 Sie warben noch vor zwei Jahren mit „Über Geld spricht man nicht. Vertrauen ist das Wichtigste.“ Und jetzt ist alles Geschichte. Sie haben sich als Mitspieler am Geld- und Wert-Geschäft einfach verabschiedet!

 Das stimmt so nicht. Wir haben den Geschäftszweig nicht zugemacht, sondern in gute Hände weitergegeben. Das war uns extrem wichtig und ist ein erheblicher Unterschied.

 In der Branche lief prompt das Gerücht um, Sie hätten mit dem Verkauf ein Verlustloch gestopft. Was war der wirkliche Grund – nach mehr als 45 Jahren am deutschen Markt?

 Nein. Man kann zwar in der Branche und in der Größenordnung keine Reichtümer verdienen. Aber weil sich der Geschäftszweig zum Verkaufszeitpunkt durch das hervorragende technische Know-how und die guten Mitarbeiter in einer optimalen Verfassung befand, ging es vielmehr um eine grundsätzliche strategische Ausrichtung. Denn gerade für uns als Familienunternehmen besteht die Pflicht, unsere Geschäftsfelder regelmäßig einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Für die Geld- und Wertdienste hieß dies: Da zunehmend Global Player in den Markt drängen und das Geschäftsmodell durch den bargeldlosen Zahlungsverkehr immer mehr unter Druck gerät, mussten wir unumwunden feststellen, dass sich für uns hier immer weniger strategische Potenziale boten. Wobei im Zuge einer solch weitreichenden Entscheidung immer auch der Vergleich mit den jeweiligen weltweiten oder europaweiten Märkten lohnt. Und dabei ist für den Geld- und Wert-Sektor festzustellen, dass in jedem Land zwischen ein bis maximal fünf Unternehmen den Markt bestreiten, und das war’s.

 Aber nicht bei uns in Deutschland.

 In Deutschland ist das GWT-Geschäft ein Mittelstandsgeschäft, bei dem heute noch 40 Unternehmen am Markt aktiv sind. Ich sehe nicht, dass sich das kurzfristig ändern wird, auch wenn der ein oder andere zur Konsolidierung des Marktes beitragen wird, wenn er sich aus diesem Segment zurückzieht. Aber bei uns ist der Mittelstand derjenige, der vor Ort verwurzelt ist, der gut mit einer Sparkasse oder Volksbank matchen kann. Da es trotz der rasanten Zunahme digitaler Bezahlprozesse noch geraume Zeit eine konventionelle Wertschöpfung in Deutschland geben wird, werden diese Unternehmen auch in Zukunft noch eine Berechtigung haben – wenn auch reduziert. Wer aber vom regionalen in den bundesweiten Sektor wechseln will, der muss ganz andere Lösungen anbieten, muss viel mehr Geld in die Hand nehmen.

 … und zwar wofür?

 Dies betrifft neben Tresoren, Kassensystemen und anderer Technik, die schon beim Kunden steht, vor allem die eigene Infrastruktur. Denn Digitalisierung und Technisierung erfordern von den Geld- und Wert-Dienstleistern fortlaufende Investitionen in neue Maschinen, Technologien und digitale Prozesse, um über Automatisierungen mit den Anforderungen der Auftraggeber jederzeit Schritt halten zu können. Für all das benötigt man aber eine gewisse Größe, damit sich die Investitionen und die Entwicklungen auch rechnen. Und das entsprechende Marktvolumen muss damit auch zur Verfügung stehen.

 Und da hapert es aber zunehmend.

 In der Tat, der Geld- und Wertmarkt in Deutschland wächst seit Jahren nicht mehr, im Gegenteil, er schrumpft. Die Banken reduzieren allerorten ihre Standorte. Allein 2017 verschwanden so 1.900 Bankfilialen – ein Trend, der sich offenbar fortentwickelt.

 Auch die Zahl der Geldautomaten verringert sich, nachdem immer mehr Supermärkte als Service beim Einkaufen deren Funktion, kostenlos für den Kunden, übernommen haben.

 Richtig. Und der Handel verdient dabei auch noch, denn sein Bargeldbestand verringert sich dadurch und das GWT-Unternehmen hat abends weniger Bargeld abzuholen. Dadurch ist der GWT-Unternehmer gezwungen, neue Kunden zu akquirieren, um seinen Ausfall zu kompensieren. So wird es für ihn in einem überbesetzten Markt immer enger. Aus diesen Zwängen wollten wir aussteigen, um nicht noch mehr in einen schrumpfenden Markt zu investieren. Potenzielle Käufer in Deutschland wären Ziemann und Prosegur gewesen. Hier gab es jedoch starke Bedenken, dass das Kartellamt nicht mitspielt. Zumindest wäre es ein langwieriges Verfahren geworden, mit ungewissem Ausgang, von aufkommender Unsicherheit bei unseren Kunden und Mitarbeitern einmal ganz abgesehen. Das wäre aber nicht alles, denn die genannten potenziellen Käufer hätten natürlich Synergien genutzt und mit Sicherheit nicht unser gesamtes Personal übernommen. Gerade die Arbeitsplatzsicherung war für uns aber ein ganz zentrales Thema. Wenn man wie ich in einem Familienunternehmen aufwächst, dann kennt man sehr viele Mitarbeiter, und zwar buchstäblich von Kindesbeinen an. Da hat es meiner Schwester und mir widerstrebt zu sagen, dass nur der schnöde Mammon zählt. Uns ist es eben nicht egal gewesen, was mit den rund 800 Arbeitsplätzen geschieht. Deshalb haben wir auf dem internationalen Parkett nach einem Käufer gesucht und mit Loomis auch gefunden. Mit ihm konnten wir nicht nur den gesamten Verkauf in neun Monaten über die Bühne bringen. Viel wichtiger: Loomis steht genau wie wir für Seriosität, soziale Verantwortung und nachhaltiges Handeln.

Und nahezu während der gesamten Zeit geheimhalten. Chapeau! Es ist natürlich klar, dass durch die Übernahme Loomis nunmehr einen guten Start in Deutschland hat.

 In der Tat hat Loomis durch die Übernahme eines erfolgreich am Markt etablierten sowie gut funktionierenden Unternehmens eine ideale Plattform in Deutschland bekommen, bei dem wir noch Investitionen für die Zukunft getätigt hatten und das über hervorragend qualifizierte Mitarbeiter verfügt. Eine bessere Startposition kann man kaum bekommen und ich bin fest davon überzeugt, dass Loomis unseren ehemaligen Geschäftszweig, auch im Sinne der Beschäftigten, sozial verantwortlich und wachstumsorientiert weiterführt.

 Abschließend: Wohin geht nun die Reise Ihrer Unternehmensgruppe?

 Wir wollen in den Märkten für Sicherheits- und Gebäudedienste Vorreiter bei der Digitalisierungs-Offensive sein. Speziell „Security 4.0“ wird entscheidend zum weiteren Ausbau unserer Unternehmensgruppe beitragen. Bestes Beispiel, wohin die Reise geht, ist unsere neue Hightech-Leitstelle, die u. a. Standards beim Videomanagement setzt. Auf diesem Gebiet wollen wir weiter voranschreiten und in Kombination mit der verstärkten Nutzung von ‚Pre-Crime‘ und ‚BIG Data‘, also der Möglichkeit, Delikten datenbasiert vorzubeugen, unsere Smart Security Solutions auf eine neue Stufe heben. Zentrale Neuheiten präsentieren wir Ende September bei der „security 2018“ in der Messe Essen.

 Herr Kötter, danke für das Gespräch.