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Schlussakkord Deutschland

Warum unsere Demokratie gefährdet ist und der Staat seine Bürger und die Polizei im Stich lässt

Steffen Meltzer, Rainer Wendt; Roland Tichy u. a. Ehrenverlag, Potsdam 2018. 244 Seiten, 16,90 €.

ISBN 978-3-9819559-0-3

Zehn Autoren schrieben die Beiträge für diesen Sammelband. Sie decken ein breites berufliches Spektrum ab, das vom Polizisten über den Journalisten, die Psychologin und Medizinerin bis zur Fotografin reicht.

Im Vorwort stellt Rainer Wendt, der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, zupackend die unterschiedlichen Sichtweisen vor, die die Sicherheitsdebatte in Deutschland bestimmen. Dabei beschreibt er die staatlich garantierte Sicherheit für wenige Privilegierte, die naive Gläubigkeit in das uneingeschränkt Gute im Menschen sowie die vielfach feststellbare Resignation vor einer zunehmenden Alltagskriminalität, die von den Bürgern als besonders bedrohlich empfunden wird.

Im Anschluss daran werden in drei Kapiteln die Rahmenbedingungen erörtert, unter denen deutsche Polizistinnen und Polizisten Tag für Tag für die Sicherheit der Bürger sorgen – zumindest sich nach besten Kräften darum bemühen. Mit „Kriminalität, Polizei, Politik, Asylbewerber und Medien in der Gegenwart“ ist das erste Kapitel überschrieben, jedoch gehen die einzelnen Beiträge teilweise über diesen Rahmen hinaus. So etwa der Journalist Roland Tichy, wenn er das Versprechen des Staates, für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen, ganz grundsätzlich in Frage stellt. Zudem beklagt er die Sorglosigkeit des Rechtsstaates und vieler in Verantwortung stehender Politiker, die vor der Gewalt die Augen verschließen. Steffen Meltzer, ein Polizist aus Brandenburg, greift die aufgeworfenen Themen auf und spiegelt sie in mehreren Beiträgen an seinem beruflichen Alltag. Dabei wendet er sich gegen „Heuchler“, die der Polizei Untätigkeit vorwerfen, jedoch keine Gelegenheit auslassen, die polizeiliche Arbeit scharf zu kritisieren. Meltzer klagt an, in vielen Bereichen sei die Polizei ihrem Gegenüber unterlegen, weil keine Gleichheit der Waffen bestünde und aus ideologischen Gründen die Taten der einen verharmlost und die Taten der anderen überzeichnet würden. Wie viele seiner Kollegen zweifelt er an, dass sich eine Polizeiliche Kriminalstatistik als Gradmesser für eine steigende oder sinkende Kriminalität eignet. Wenn die Missstände überdeutlich werden, braucht es ein Bauernopfer. Als ein Beispiel führt Meltzer die Entlassung des Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt an. Das Gemisch aus ideologischer Verblendung, angeblichen Sparzwängen, unter denen die Polizeien vieler Bundesländer leiden und gebetsmühlenartigen Wiederholungen, in Deutschland könne man gut und sicher leben, hat seit der Flüchtlingskrise bei vielen Bürgern zu einer Vertrauenskrise geführt. Meltzer will nicht auf selbsternannte „Experten“ hören, die angesichts steigender Gewalt, Opfern zur Deeskalation raten. Rebecca Sommer, eine in Berlin lebende Künstlerin, legt in ihrem Beitrag den Schwerunkt auf die von Flüchtlingen begangenen Straftaten. Angesichts dieser Herausforderungen spitzt sie zu: „So schaffen wir das nicht“.

Aufbauend auf diesen Fakten beschäftigt sich das zweite Kapitel mit der Feststellung, das subjektive Unsicherheitsempfinden sei berechtigt. Hier wird die Betrachtungsebene erweitert. So wird ausführlich der vergebliche Kampf gegen die Mafia beschrieben. Axel Hemmerling, ein Journalist des MDR, sieht Deutschland als Mafiaparadies und macht dies auch an den Zahlen des Bundeskriminalamtes fest, das bei den vier maßgeblichen Mafia-Organisationen in den vergangenen zehn Jahren eine Vervielfachung der in Deutschland lebenden Mitglieder feststellt. Steffen Meltzer betrachtet die vielfältigen Probleme der „Reichsbürger“ und stellt in einem anderen Beitrag die Effizienz polizeilicher und anschließender richterlicher Tätigkeit bei Einbruchsdelikten in Frage. Schließlich ist er auch den Mythen und Legenden nachgegangen, die sich um die Erklärungen von Amokläufen ranken.

Die Rahmenbedingungen werden im dritten Kapitel zur These der „schwierigen Lage für Polizeibeamte“ verdichtet. Hier reicht das Spektrum der Darstellungen von einer Betrachtung über „Polizeiliches Denken“ bis zu den vielen Risiken des Polizeiberufes und führt zu der Frage, ob Polizisten die Müllmänner der Gesellschaft sind.

Die Autoren dieses Buches zeichnen ein Lagebild, das sich sehr deutlich von den offiziellen Verlautbarungen unterscheidet, die mindestens einmal im Jahr – bei der Vorstellung der PKS – zu hören sind. Steffen Meltzer fasst in seinem Nachwort zusammen, „dass sich unser Zusammenleben in den letzten Jahren stark zum Nachteil verändert hat, allen politischen Beschwichtigungsreden zum Trotz. Daran ändert auch die bei Politikern weit verbreitete geradezu religiöse Verehrung von Statistiken und Studien nichts. Das Leben findet auf der Straße statt und nicht im Elfenbeinturm oder beim Reden schreiben.“

Thomas Lay